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Wechselbezüglichkeit gemeinschaftliches Testament bei kinderlos gebliebenen Ehegatten

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 82/21 – Beschluss vom 11.04.2022

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen (richtigerweise: AG Ratingen) vom 10. November 2021 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Erblasser ist kinderlos verstorben. Zusammen mit seiner im Juni 2012 vorverstorbenen Ehefrau hat er zwei letztwillige Verfügungen hinterlassen. Durch handschriftlich verfasstes Testament vom 9. Januar 1997 haben sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Durch handschriftliche Erklärung vom 26. Juli 2004 haben der Erblasser und seine Ehefrau Folgendes verfügt:

„Im Falle unseres Todes setzen wir folgende Personen als Erben ein:

1. … (lies: Der Beteiligte zu 1.) soll die Hälfte unseres Barvermögens und der Eigentumswohnung bekommen.

2. … (lies: Die Beteiligte zu 3.) soll ein Viertel unseres Barvermögens und der Eigentumswohnung bekommen.

3. … H.R. soll ein Viertel unseres Barvermögens und der Eigentumswohnung bekommen.

4. Die Lebensversicherung … auf … (lies: den Erblasser) … soll zu 100 % an …(lies: den Beteiligten zu 1.) ausgezahlt werden.

5. Unser Urnengrab und die Grabpflege sowie die Beerdigungskosten und die Bewirtung der Trauergäste sind in gleichen Teilen von den Erben zu bezahlen.“

Beide letztwilligen Verfügungen sind auf ein und demselben Papierbogen niedergeschrieben. Als Schlusserben bedacht haben die Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament mit der Beteiligten zu 3. eine Nichte des Erblassers, mit dem Beteiligten zu 1. einen Neffen der Ehefrau des Erblassers sowie mit H.R. eine Nichte der Ehefrau des Erblassers. Die letztgenannte Miterbin ist im Jahre 2012 kinderlos vorverstorben.

Nach dem Tod seiner Ehefrau hat der Erblasser unter dem 14. Dezember 2015 eine weitere testamentarische Verfügung getroffen. Das handschriftliche Testament lautet auszugsweise:

„Mein letzter Wille

Nach meinem Tod setze ich, …, folgende Personen als meine Erben ein:

1. … (lies: Dem Beteiligten zu 1. und seiner Ehefrau), …, vererbe ich die Eigentumswohnung Nr. 2 und Garage Nr. 9 …

2. … (lies: M.R.), …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.

3. …, …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.

4. … (lies: Der Beteiligten zu 3.), …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens. Außerdem die 9 Bilder ihrer Mutter und das Bild vom S. Birdes.

5. …., …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.

6. ….., …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.

7. …., …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.

8. ….., …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.

9. …., …, vererbe ich ein Achtel meines Barvermögens.

10. Sollte einer der vorgenannten Erben verstorben sein, wird ihr Erbe auf ihre Kinder oder ihr nächster Verwandter als Ersatzerbe übertragen.

11. …“

Der Beteiligte zu 1. hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass sich die Erbfolge nach dem Einzeltestament des Erblassers vom 14. Dezember 2015 und nicht nach der letztwilligen Verfügung der Eheleute vom 26. Juli 2004 richte. Denn die letztgenannte testamentarische Verfügung sei alleine für den Fall getroffen worden, dass der Erblasser und seine Ehefrau zeitgleich versterben; das Testament beinhalte daher nicht die Bestimmung der Schlusserben nach dem Tod des letztversterbenden Ehepartners. Außerdem sei – so das Amtsgericht weiter – nicht festzustellen, dass der Erblasser und seine Ehefrau die Anordnungen vom 26. Juli 2004 wechselbezüglich getroffen hätten, weshalb der Erblasser nach dem Tod seiner Ehefrau befugt gewesen sei, abweichend zu testieren.

Gegen diese rechtliche Beurteilung wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde. Er verfolgt seinen Erbscheinantrag weiter und bittet hilfsweise um die Erteilung eines Erbscheins, der ihn selbst und seine Ehefrau Verena als Erben ausweist.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, die Entscheidung über den Hilfsantrag zurückgestellt und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Nachlassakten 14 VI 200/20 und 14 IV 160/20, jeweils Amtsgericht Ratingen, sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Erbscheinantrag des Beteiligten zu 1. im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Zwar richtet sich die Erbfolge nach dem Tod des Erblassers – wie die Beschwerde zutreffend reklamiert – nicht nach dem Einzeltestament des Erblassers vom 14. Dezember 2015, sondern nach der testamentarischen Verfügung der Eheleute vom 26. Juli 2004. In jenem Testament ist allerdings nicht nur der Beteiligte zu 1. als Erbe berufen worden, sondern ebenso die Beteiligte zu 3.; diese ist nicht – wie die Beschwerde meint – bloße Vermächtnisnehmerin. Die Erbeinsetzung aus Juli 2004 war für den Erblasser zudem in vollem Umfang bindend, so dass er im Jahre 2015 nicht mehr abweichend testieren konnte.

Im Einzelnen:

A. Der Erblasser ist nicht nach Maßgabe des Einzeltestaments vom 14. Dezember 2015, sondern nach dem Inhalt der letztwilligen Verfügung der Eheleute vom 26. Juli 2004 beerbt worden.

1. Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau haben mit ihren Verfügungen vom 9. Januar 1997 und 26. Juli 2004 ein gemeinschaftliches Testament in der Form des Berliner Testaments (§ 2269 BGB) errichtet.

In einem Berliner Testament setzen sich Eheleute gegenseitig als Erben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll. Mit einem solchen Inhalt haben auch der Erblasser und seine Ehefrau testiert. Sie haben sich im Jahr 1997 wechselseitig zu Alleinerben berufen und durch die letztwillige Verfügung aus Juli 2004 den Beteiligten zu 1., die Beteiligte zu 3. und die vorverstorbene H.R. mit unterschiedlichen Quoten als ihre Schlusserben eingesetzt. Dieser Zusammenhang zwischen den Verfügungen vom 9. Januar 1997 und vom 26. Juli 2004 tritt bereits äußerlich durch die Tatsache zutage, dass die beiden testamentarischen Anordnungen auf demselben Papierbogen niedergeschrieben worden sind. Die Anordnungen gehören auch inhaltlich zusammen. Während sich der Erblasser und seine Ehefrau im Jahre 1997 in einem ersten Schritt gegenseitig zu Erben eingesetzt haben, regelt das gemeinsam errichtete Testament aus Juli 2004 in einem zweiten Schritt die Erbfolge nach dem Tod des Letztversterbenden. Die in jener letztwilligen Verfügung bestimmte Erbfolge sollte nicht die im Januar 1997 festgelegte Erbfolge ändern, sondern diese dahin ergänzen, dass das gemeinsame Vermögen alsdann – also nach dem Tode des überlebenden Ehegatten – an die dort benannten Personen fallen soll.

Die Annahme des Amtsgerichts, das gemeinschaftliche Testament vom 26. Juli 2004 regele ausschließlich die Erbfolge im Falle eines gleichzeitigen Versterbens der Eheleute, findet im Wortlaut der letztwilligen Verfügung keine Stütze. Dort ist nur allgemein von dem Tod der Eheleute („Im Falle unseres Todes…“) die Rede. Dass die getroffenen Anordnungen zur Erbfolge nicht nur gleichermaßen beim Tode des Ehemannes wie auch der Ehefrau („…unseres Todes…“), sondern darüber hinaus ausschließlich bei einem gleichzeitigen Versterben der Ehegatten gelten soll, ist dem Text der letztwilligen Verfügung an keiner Stelle zu entnehmen. Für ein derart einschränkendes Verständnis der testamentarischen Verfügung gibt es auch ansonsten keinen Anhaltspunkt. Insbesondere fehlte für den Erblasser und seine Ehefrau jedweder Anlass, die Schlusserbfolge derart rudimentär zu regeln, dass sie nur für den extremen Ausnahmefall ihres gleichzeitigen Versterbens gilt.

2. Die Erbeinsetzung der Schlusserben in der gemeinschaftlichen Verfügung vom 26. Juli 2004 war in vollem Umfang wechselbezüglich und ist somit für den Erblasser mit dem Tod seiner Ehefrau bindend geworden (§§ 2270 Abs. 1, 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB). Dieser war deshalb nicht berechtigt, die Erbeinsetzung durch testamentarische Anordnung vom 14. Dezember 2015 abzuändern.

a) Die Einsetzung der Schlusserben ist für den kinderlos verstorbenen Erblasser nicht – wie die Beschwerde meint – von vornherein nur insoweit wechselbezüglich gewesen, wie Verwandte der vorverstorbenen Ehefrau bedacht worden sind.

Zwar ist in der Rechtsprechung eine auf die Verwandten des zuerst verstorbenen Ehepartners beschränkte Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung von kinderlos verstorbenen Eheleuten bejaht worden. Die dazu von der Beschwerde angeführten Entscheidungen (BayObLG, Beschluss vom 25.2.1994, 1 Z BR 110/93; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 9.4.1996, 20 W 265/95) tragen indes nicht den Schluss, die Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügung sei in solchen Fällen „stets“ oder „im Allgemeinen“ oder zumindest „im Zweifel“ beschränkt. Es ist immer eine durch Auslegung der letztwilligen Verfügung im konkreten Einzelfall zu beantwortende Frage, ob eine Schlusserbeneinsetzung bei kinderlos verstorbenen Eheleuten wechselbezüglich ist oder nicht. Die Entscheidung des Bayrischen Obersten Landesgerichts betont dies ebenso wie der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M.. Die letztgenannte Entscheidung betrifft überdies weder in der Argumentation noch im Ergebnis eine begrenzte Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügung. Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. hatte im Gegenteil die Erbeinsetzung eines einzigen Schlusserben zu beurteilen, und es hat dazu lediglich festgestellt, dass dann, wenn eine Person als Schlusserbe eingesetzt wird, die mit einem der testierenden Ehegatten verwandt ist, die Lebenserfahrung für eine Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung sprechen kann. Der von der Beschwerde gezogene Schluss, dass die Erbeinsetzung vom 26. Juli 2004 nur in Bezug auf die Verwandten der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers wechselbezüglich sein könne, lässt sich mit diesem Judikat nicht rechtfertigen.

b) Vielmehr ist anhand aller Umstände des Einzelfalles durch Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments zu klären, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Erblasser und seine Ehefrau wechselbezüglich (und damit bindend) testiert haben.

aa) Dabei ist von folgenden Rechtsgrundsätzen auszugehen:

Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (BayObLG FamRZ 2005, 1931 mwN.; OLG München, Beschluss vom 7.12.2017, 31 Wx 337/17; siehe auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 29.4.2021, 20 W 3/20). Maßgeblich ist allein der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BGHZ 112, 229, 233). Ob Wechselbezüglichkeit im Sinne des § 2270 BGB vorliegt, ist nicht generell zu bestimmen, sondern muss für jede einzelne Verfügung gesondert geprüft und bejaht werden (BGH NJW-RR 1987, 1410; OLG München FamRZ 2010, 1846,1847; OLG München, Beschluss vom 7.12.2017, 31 Wx 337/17).

Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung der Wechselbezüglichkeit, muss nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB) und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden, ob sie wechselbezüglich ist oder nicht (BGH NJW-RR 1987, 1410). Führt die Ermittlung des Erblasserwillens weder zur gegenseitigen Abhängigkeit noch zur gegenseitigen Unabhängigkeit der beidseitigen Verfügung, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zu Gunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Diese Auslegungsregel ist allerdings erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel am Erblasserwillen nicht zu beseitigen sind (BayObLG FamRZ 2005, 1931; OLG München, Beschluss vom 7.12.2017, 31 Wx 337/17).

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltenen letztwilligen Verfügungen in mehrfacher Hinsicht wechselbezüglich.

(1) Der Erblasser und seine Ehefrau haben zunächst wechselbezüglich testiert, soweit sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben. Denn die Erbeinsetzung des Ehemannes sollte mit der gleichzeitigen Erbeinsetzung der Ehefrau und die Berufung der Ehefrau mit derjenigen des Ehemannes stehen und fallen.

(2) Wechselbezüglichkeit besteht darüber hinaus zwischen der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute und der Berufung von eigenen Verwandten zu Schlusserben. Der Erblasser hat seine Ehefrau zur Alleinerbin berufen, weil diese als Schlusserbe des gemeinsamen Vermögens auch eine Verwandte des Erblassers bestellt hat, und die Ehefrau hat ihren Ehemann zum Alleinerben eingesetzt, weil als Schlusserben des gemeinsamen Vermögens auch Verwandte von ihrer Seite berufen sind.

Zwar enthält das gemeinsame Testament der Eheleute dazu keine ausdrückliche Erklärung. Die Wechselbezüglichkeit folgt allerdings aus den Umständen des Falles. Die Eheleute haben es nicht bei der gegenseitigen Erbeinsetzung des Jahres 1997 belassen, sondern im Jahr 2004 Schlusserben ihres gemeinsamen Vermögens bestimmt. Bereits dieser Umstand legt die Annahme nahe, dass der überlebende Ehepartner nicht frei über den gemeinsamen Nachlass sollte verfügen können. Denn in diesem Fall hätte es der Bestimmung von Schlusserben überhaupt nicht bedurft. Zu Schlusserben haben die Eheleute überdies einvernehmlich sowohl verwandte Personen des Ehemannes wie auch der Ehefrau eingesetzt. Das spricht nach der allgemeinen Lebenserfahrung für eine Wechselbezüglichkeit dieser Verfügung zur Erbeinsetzung vom 9. Januar 1997. Es ist in der obergerichtlichen Judikatur anerkannt, dass das Näheverhältnis der Testierenden zu einem als Schlusserbe Berufenen Rückschlüsse auf die Wechselbezüglichkeit der zugrunde liegenden letztwilligen Verfügung zulässt. So entspricht es einerseits der Lebenserfahrung, dass die Einsetzung eines Schlusserben, der mit keinem der testierenden Ehegatten verwandt oder verschwägert ist, dem überlebenden Teil das Recht belässt, die Schlusserbeneinsetzung zu ändern, und dass dies insbesondere dann gilt, wenn eine caritative oder gemeinnützige Organisation zur Schlusserbschaft berufen ist (OLG München, Beschluss vom 7.12.2017, 31 Wx 337/17). Eine Wechselbezüglichkeit ist ferner abgelehnt worden, wenn als Schlusserben die gesetzlichen Erben des überlebenden Ehepartners berufen sind (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 2.7.1997, 20 W 193/95). Andererseits spricht die Lebenserfahrung für eine bindende Schlusserbeneinsetzung, wenn ein Verwandter der testierenden Eheleute bedacht ist (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 9.4.1996, 20 W 265/95). Denn die verwandtschaftliche Nähe des Bedachten legt es im Allgemeinen nahe, dass dem betreffenden Ehepartner daran gelegen ist, dass das gemeinsame Vermögen – und damit auch sein eigener, wenn auch möglicherweise bei Eintritt des Schlusserbfalles bereits geschmälerter Nachlass – dem zum Schlusserben berufenen eigenen Verwandten zukommt. Das gilt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch im Entscheidungsfall. Die Ehefrau des Erblassers hat ihren Ehemann im Vertrauen darauf zum Alleinerben berufen, dass der gemeinsame Nachlass nach dessen Tod zum Teil auch an ihre Verwandten geht. Rechtlich besteht damit eine Wechselbezüglichkeit zwischen der Erbeinsetzung des Erblassers und der Einsetzung von Verwandten der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers zu Schlusserben.

Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass der Erblasser im Jahre 2015 abweichend testiert und dadurch zum Ausdruck gebracht habe, sich an das gemeinschaftliche Testament nicht gebunden zu fühlen. Die Schlussfolgerung ist schon deshalb nicht berechtigt, weil es für die Wechselbezüglichkeit auf den übereinstimmenden Willen der Eheleute bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments im Jahre 2004 ankommt. Darüber gibt das Verhalten des Erblassers im Jahr 2015 keinen tragfähigen Aufschluss.

(3) Wechselbezüglich ist schließlich die Schlusserbeneinsetzung als solche. Mit ihr haben die Eheleute einvernehmlich Verwandte des Erblassers wie der Ehefrau als Erben nach dem Tod des letztversterbenden Ehepartners bestimmt. Als Schlusserben eingesetzt sind der Beteiligte zu 1. als ein Neffe der Ehefrau des Erblassers, ferner die vorverstorbene H.R. als eine Nichte der Ehefrau des Erblassers und schließlich die Beteiligte zu 3. als eine Nichte des Erblassers. Die Einsetzung der Verwandten des Erblassers zu Schlusserben wäre ohne die Erbeinsetzung der Verwandten seiner Ehefrau nicht so wie testiert erfolgt, und umgekehrt.

(3.1) Dazu enthält das gemeinsame Testament der Eheleute vom 26. Juli 2004 zwar keine ausdrückliche Erklärung.

(3.2) Die Wechselbezüglichkeit der Schlusserbenbestellung ergibt sich aber aus den Umständen des Falles.

(a) Wie vorstehend ausgeführt, spricht die Lebenserfahrung für eine wechselseitige Beziehung zwischen der gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute und der einvernehmlichen Schlusserbeneinsetzung zugunsten eines Verwandten der testierenden Ehepartner. Die verwandtschaftliche Nähe des einen Ehepartners zum Schlusserben rechtfertigt die Annahme, dass nach dessen Willen das gemeinsame Vermögen mit Gewissheit auf seinen Verwandten übergehen soll. Der andere Ehepartner stimmt dieser Erwartung durch die einvernehmliche Bestellung des Schlusserben zu.

(b) Vergleichbar liegen die Dinge, wenn Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament sowohl Verwandte des Mannes wie der Ehefrau zu Schlusserben berufen.

(aa) Nach der Lebenserfahrung wollen die Ehepartner durch eine solche Erbeinsetzung sicherstellen, dass nach dem Tode des Letztversterbenden nicht nur die Verwandten des Partners, sondern auch eigene Verwandte in den Genuss des gemeinsamen Nachlasses kommen. Durchzusetzen ist dieser Erblasserwille, wenn die eigenen Verwandten eine vom überlebenden Ehepartner nicht einseitig entziehbare erbrechtliche Position besitzen. Das wiederum setzt voraus, dass die Einsetzung der eigenen Verwandten zu Schlusserben wechselbezüglich (und damit bindend) erfolgt.

Eine solche Wechselbezüglichkeit der Schlusserbenbestellung liegt auch im Entscheidungsfall vor. Nichts spricht dafür, dass der Erblasser und/oder seine Ehefrau zwar jeweils eigene Verwandte in den Kreis der einvernehmlich bestimmten Schlusserben aufgenommen haben, sie aber auf die Durchsetzung dieser Erbeinsetzung keinen besonderen Wert gelegt, sondern dem Ehepartner eine Abänderung ihrer Schlusserbenberufung überlassen haben.

(bb) Nach allgemeiner Lebenserfahrung spiegelt die Einsetzung der Schlusserben in einem gemeinschaftlichen Testament überdies den Konsens der Ehepartner bei der Erbfolge über ihr gemeinsames Vermögen wider. Berufen die gemeinschaftlich testierenden Ehegatten sowohl eigene Verwandte wie Verwandte des Ehepartners zu Schlusserben, stehen die diesbezüglichen Anordnungen inhaltlich in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die eine Seite billigt die Schlusserben und die diesen zugedachten Erbquoten der anderen Seite, weil die Gegenseite umgekehrt den eigenen Schlusserben mit den ihnen zugedachten Erbquoten zustimmt. Das führt rechtlich zur Wechselbezüglichkeit der beiderseitigen Schlusserbeneinsetzung. Infolge dessen ist der überlebende Ehegatte nicht nur gehindert, die Erbeinsetzung der vom vorverstorbenen Ehepartner benannten Verwandten zu ändern; er kann gleichermaßen die von ihm selbst eingebrachten Regelungen zur Schlusserbfolge nicht mehr ändern.

Auch im Streitfall steht und fällt die Einsetzung der Schlusserben aus dem Verwandtenkreis des Erblassers mit der Berufung der Schlusserben aus dem Kreis der Verwandten seiner Ehefrau und umgekehrt. Die letztwillige Verfügung vom 26. Juli 2004 zu den Schlusserben ist damit in Gänze wechselbezüglich; sie ist folglich für den Erblasser mit dem Tod seiner Ehefrau bindend geworden und konnte durch das Einzeltestament vom 14. Dezember 2015 nicht mehr geändert werden.

(c) Dass die Verwandten der Ehefrau des Erblassers testamentarisch mit einer signifikant höheren Erbquote als die Verwandte des Erblassers bedacht worden sind, ist für die Frage einer Wechselbezüglichkeit der letztwilligen Verfügung zur Schlusserbfolge ohne Bedeutung.

B. Nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom 26. Juli 2004 ist der Beteiligte zu 1. nicht als Alleinerbe berufen. Aus diesem Grund ist die vom Amtsgericht ausgesprochene Zurückweisung seines Erbscheinantrags im Ergebnis zutreffend – und dürfte auch der Hilfsantrag des Beteiligten zu 1. erfolglos bleiben.

1. Dem Beteiligten zu 1. ist in dem Testament vom 26. Juli 2004 mit der Formulierung, dass er die Hälfte des Barvermögens und der Eigentumswohnung erhalten soll, ein Erbanteil von 50 % zugewendet worden. Darüber hinaus ist ihm der ¼-Erbanteil der vorverstorbenen H.R. zur Hälfte angewachsen (§ 2094 Abs. 1 BGB), so dass auf den Beteiligten zu 1. im Ergebnis eine Erbquote von 2/3 entfällt. Außerdem soll dem Beteiligten zu 1. die Summe aus der für den Erblasser abgeschlossenen Lebensversicherung in voller Höhe zufallen. Auf die Beteiligte zu 3. entfällt nach der letztwilligen Verfügung ein ¼-Anteil an der Eigentumswohnung und dem Barvermögen des Erblassers, der sich aufgrund Anwachsung des auf die Miterbin H.R. entfallenden Erbteils (§ 2094 Abs. 1 BGB) auf 1/3 erhöht.

2. Der Beteiligte zu 1. ist damit nicht Alleinerbe des Erblassers geworden.

Dabei kann es in dem gegenwärtigen Verfahrensstadium auf sich beruhen, ob die testamentarische Anordnung zu der Lebensversicherungssumme eine Teilungsanordnung oder ein Vorausvermächtnis zugunsten des Beteiligten zu 1. darstellt. Selbst wenn man – insoweit zugunsten der Beschwerde – von einer Teilungsanordnung ausgeht und den Wert der Lebensversicherung dem Erbteil des Beteiligten zu 1. zuschlägt, ist dieser nicht Alleinerbe des Erblassers geworden. Denn neben dem Beteiligten zu 1. ist die Beteiligte zu 3. zur Erbfolge berufen. Auch wenn deren Erbteil weitaus geringer ist als die auf den Beteiligten zu 1. entfallende Erbquote, ist die Beteiligte zu 3. Miterbin des Erblassers und nicht bloße Vermächtnisnehmerin. Das ist nach dem Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments vom 26. Juli 2004 eindeutig. Sowohl im Eingangssatz als auch in Ziffer 5. der letztwilligen Verfügung, die sich über die Kosten für das Urnengrab und die Grabpflege sowie die Beerdigungskosten und die Bewirtung der Trauergäste verhält, ist die Beteiligte zu 3. als (Mit-)Erbe bezeichnet. Dafür, dass der Erblasser und seine Ehefrau ihren testamentarischen Willen unzutreffend niedergelegt haben und sie die Beteiligte zu 3. an dem gemeinsamen Nachlass in Wahrheit als bloße Vermächtnisnehmerin mit einem reinen Zahlungsanspruch gegen den Erben beteiligen wollten, spricht nichts.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels demjenigen der Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 GNotKG. Bei der Bemessung des wirtschaftlichen Interesses des Beteiligten zu 1. an dem Beschwerdeverfahren hat der Senat maßgeblich berücksichtigt, dass der Beteiligte zu 1. mit seinem zur Beurteilung stehenden Erbscheinantrag quantitativ keine über die testamentarische Anordnung vom 26. Juli 2004 hinausgehende Beteiligung an dem Nachlass verfolgt; ihm geht es alleine um die gerichtliche Feststellung, dass die Beteiligte zu 3. in Höhe ihrer Quote keine Miterbin, sondern lediglich Vermächtnisnehmerin ist. Dieses Interesse, die Beteiligte zu 3. Nicht dinglich, sondern nur schuldrechtlich an dem Nachlass beteiligt zu sehen, bemisst der Senat auf der Grundlage eines aktenkundig angegebenen Nachlasswertes von 400.000 Euro mit 10.000 Euro.

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