KG Berlin, Az.: 6 W 64/15, Beschluss vom 15.04.2016
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg als Nachlassgericht vom 24. April 2015 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen bei einem Wert von bis zu 4.500,- EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 5) in zweiter Ehe seit dem Jahr 2009 verheiratet. Er ist der Vater der Beteiligten zu 1) – 4), die aus seiner ersten Ehe mit Frau G… … M…, geborene B…, stammen.
Der Erblasser hatte dem Beteiligten zu 6) ein handschriftliches Testament vom 15. Januar 2010 übermittelt (Bl. 105 d. A.). In dieser letztwilligen Verfügung bestimmte er den Beteiligten zu 6) zum Testamentsvollstrecker, führte drei Immobilien als „mein Vermögen“ sowie eine Golfaktie an und bestimmte, dass die Beteiligten zu 1), 2), 3) und 5) ihren gesetzlichen Erbanspruch erhalten sollen. Die Beteiligte zu 4) sollte auch ihren gesetzlichen Erbanspruch erhalten. Dieser sollte jedoch durch lastenfreie „Übergabe“ der Berliner Wohnung mit Hausrat erfüllt werden. Zu den Einzelheiten wird auf das Testament verwiesen.
Der Erblasser verfasste handschriftlich in China unter dem Datum des 24. März 2011 ein neues Testament. Unter der Unterschrift des Erblassers ist das Datum „24.03.2010“ eingefügt. In diesem Testament widerruft der Erblasser alle von ihm getroffenen letztwilligen Verfügungen. Er benennt wiederum den Beteiligten zu 6) als Testamentsvollstrecker setzt seine Ehefrau als seine Alleinerbin ein und verweist seine Kinder auf den gesetzlichen Pflichtteil. Zu den Einzelheiten und wegen des Wortlauts wird auf die Kopie des Testamentes verwiesen (Bl. 34 d. A.). Der Verbleib des Originals ist unbekannt. Die Beteiligte zu 5) geht davon aus, dass der Erblasser das Original an den Beteiligten zu 6) geschickt hat. Unter dem 24. März 2011 schrieb der Erblasser per Hand, dass er den Beteiligten zu 6) als seinen Testamentsvollstrecker einsetze. Er erklärte weiter, dass sich sein Testament in dessen Händen befinde. Dieses Schreiben, auf dessen Inhalt verwiesen wird, übermittelte er an seine Schwester K… (Testamentsakte 61 IV 363/14, Bl. 31).
Der Beteiligte zu 6) hat weder das Original noch eine Kopie des Testamentes vom 24. März 2011 erhalten. Er teilte der Beteiligten zu 5) mit Schreiben vom 11.7.2014 (Bl. 73 d. A.) mit, der Erblasser habe ihm im Jahr 2013 mitgeteilt, dass er ihr bereits sein gesamtes Vermögen übertragen habe und er deshalb nichts weiter zu vererben habe. Ein neues Testament sei daher nach seiner Meinung nicht erforderlich. Dem Nachlassgericht hat er mit Schreiben vom 14.9.2014 (Bl. 104 d. A.) mitgeteilt, das Original des Testamentes vom 15.1.2010 auf telefonischen Wunsch des Erblassers im Jahre 2012 vernichtet zu haben. Es habe keine Gültigkeit mehr haben sollen. Eine Weitergeltung hätte auch keinen Sinn mehr ergeben, da zu diesem Zeitpunkt die dort genannten Immobilien bis auf die Wohnung in Berlin veräußert gewesen seien. Der Erblasser habe ihm gegenüber zuletzt in einer Email am 22.11.2013 Stellung genommen und ihm wörtlich mitgeteilt: “Da die Wohnung in Berlin auf L… “ – die Beteiligte zu 5) – „überschrieben ist, habe ich auch nichts weiter zu vererben“. Daher gehe er hinsichtlich verbliebener Gegenstände von gesetzlicher Erbfolge aus. In der Sitzung vom 23.2.2015 vor dem Nachlassgericht hat er ergänzend angegeben, schon im Jahr 2011 eine Postkarte vom Erblasser erhalten zu haben, in der dieser seine Absicht mitteilte, in Deutschland ein notarielles Testament zu errichten.
Die Beteiligte zu 5) hat einen Wertermittlungsbogen eingereicht, wonach der Erblasser einen Ring im geschätzten Wert von 500 Euro und Kontenbestände von insgesamt 3.879, 63 Euro hinterlassen habe (Bl. 112 f. d. A.).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zum Ergebnis der vom Nachlassgericht durchgeführten Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts wird auf die Darstellung im angefochtenen Beschluss verwiesen.
Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen und ausgeführt, es sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erwiesen, dass der Erblasser am 24. März 2011 ein mit der vorliegenden Kopie identisches Testament im Original wirksam errichtete. Die telefonische Aufforderung an den Beteiligten zu 6), sein Testament zu vernichten, habe lediglich der Beseitigung des bereits widerrufenen Testaments gedient. Die Tatsache, dass er das weitere Testament vom selben Tag mit der Einsetzung des Beteiligten zu 6) als Testamentsvollstrecker bei seiner Schwester belassen hat, spreche neben weiteren Indizien gegen einen Widerrufswillen. Offenbar sei das Testament auf dem Postweg verloren gegangen. Anhaltspunkte für eine bewusste Vernichtung lägen nicht vor. Über den Verbleib der Urkunde könnten keine Feststellungen mehr getroffen werden.
Die Beschwerde ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass sich die Anweisung des Erblassers an den Beteiligten zu 6) im November 2012 auf das hier in Rede stehende Testament vom 24. März 2011 bezogen haben muss. Zu den Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung verwiesen (Bl. 172 ff d. A.).
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Kammergericht vorgelegt. Der Beteiligte zu 6) habe schriftlich und mündlich im Anhörungstermin bekundet, dass der Erblasser ihn im Jahr 2012 angewiesen habe, das ihm zur Aufbewahrung gegebene Testament vom 15.1.2010 zu vernichten, weil es nicht mehr gültig sei. Diese Anweisung sei nach der Errichtung des Testaments vom 24.3.2010/2011 konsequent. Selbst wenn nicht ausgeschlossen werden könne, das er seine Anweisung auf das neuere Testament bezogen habe, lägen die Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs gemäß §§ 2254, 2255 BGB nicht vor, da hierfür die bloße mündliche Anweisung gegenüber einem Dritten nicht ausreiche. Da der Beteiligte zu 6) angegeben hat, dass er dieses Testament nicht erhalten habe, könne er die Anweisung des Erblassers, dieses Testament zu vernichten, nicht umgesetzt haben. Der nicht in der Form des § 2254 BGB geäußerte mögliche Wille des Erblassers, an dem Testament nicht festhalten zu wollen, führe zu keinem wirksamen Widerruf gemäß § 2254 BGB. Ein widersprechendes späteres Testament habe der Erblasser nicht verfasst. Wegen der weiteren Erwägungen wird auf den Inhalt des Beschlusses verwiesen (Bl. 182 ff d. A.).
II. Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 3) gegen die Zurückweisung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 1), der von gesetzlicher Erbfolge ausgeht, bleibt in der Sache ohne Erfolg. Denn der Erblasser hat mit dem Testament vom 24. März 2011/2010 (Bl. 34 d. A.) wirksam seine Erbfolge geregelt, wonach die Beteiligte zu 5) als seine Ehefrau seine alleinige Erbin sein sollte, wie das Nachlassgericht im angefochtenen Beschluss im Einzelnen auf der Grundlage der Beweiserhebung ausgeführt hat. Ein wirksamer Widerruf des Testaments vom 24. März 2011 lässt sich aber nicht feststellen, auch wenn man einen derartigen Erklärungswillen des Erblassers unterstellt. 1) Der Erblasser hat unstreitig kein Testament jüngeren Datums hinterlassen. Insoweit scheidet ein Widerruf sowohl gemäß § 2258 BGB als auch gemäß § 2254 BGB aus. Die vom Beteiligten zu 6) in seinem Schreiben vom 14. September 2014 genannte Email des Erblassers vom 22. November 2013 erfüllt nicht die Anforderungen an ein eigenhändiges Testament gemäß § 2247 BGB und lässt auch inhaltlich keine Widerrufserklärung erkennen. Eine derartige Erklärung des Erblassers war zu diesem Zeitpunkt auch nicht zu erwarten. Denn der Erblasser hat den Beteiligten zu 6) bereits im Jahr 2012 angewiesen, das bei ihm verwahrte Testament zu vernichten. Fraglich ist nur, ob sich dieser Wille auf das vom Beteiligten zu 6) vernichtete oder das spätere Testament bezog, das der Beteiligte zu 6) nicht kannte. Es kann daher allenfalls ein Indiz dafür sein, dass sich die telefonische Anweisung an den Beteiligten zu 6) zur Testamentsvernichtung im Jahre 2012 in Wirklichkeit auf das diesem nicht bekannte Testament vom 24.3.2010/2011 bezogen haben könnte. 2) Ein wirksamer Widerruf des Testamentes vom 24.3.2011 durch Vernichtung gemäß § 2255 BGB lässt sich nicht feststellen. Gemäß § 2255 BGB kann ein Testament auch dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert, so wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat. a) Keiner der Beteiligten behauptet, dass der Erblasser eigenhändig selbst das genannte Testament vernichtet hat. Vielmehr gehen die Beteiligten davon aus, dass er es an den Beteiligten zu 6) übermitteln wollte und dieses auch auf den Postweg gebracht, mithin aus der Hand gegeben hat. b) Das Nachlassgericht ist im Nichtabhilfebeschluss zu Gunsten der Beteiligten zu 1) bis 4) davon ausgegangen, dass eine Vernichtung des Testamentes gemäß § 2255 BGB zu Lebzeiten des Erblassers auch in der Weise geschehen kann, dass dieser sich eines Dritten als eines unselbstständigen Werkzeuges bedient, der in seinem Auftrag und mit seinem Willen die Urkunde vernichtet; dem Dritten darf dabei kein Entschluss- und Handlungsspielraum verbleiben (vgl. OLG München MDR 2011, 668 = NJW-RR 2011, 945 – zitiert nach juris: Rdnr. 13 m. w. Nachw.). Dies entspricht der herrschenden Meinung, ist aber nicht unumstritten (vgl. Firsching/Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl., Rdnr. 1.121, S. 104; zum Meinungsstand: OLG Düsseldorf, FamRZ 2014, 1943 ff – zitiert nach juris: Rdnr. 35). Der Senat muss hierzu nicht Stellung beziehen. Denn aus der Beschwerdebegründung und dem Akteninhalt lässt sich allenfalls der Wille des Erblassers erkennen, dass er wegen zwischenzeitlicher Vermögensübertragungen zu Lebzeiten auch das Testament vom 24.3.2011 nicht mehr aufrechterhalten wollte.
Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Beteiligte zu 6) die Urkunde körperlich verändert und auf diese Weise vernichtet hat. Er hat vielmehr glaubhaft bekundet – gegen seine Glaubwürdigkeit bestehen ebenfalls keine Bedenken -, dass er das hier in Rede stehende Testament nicht in seinem Besitz hatte. Damit kann er es nicht auf Geheiß des Erblassers vernichtet haben. Dies geht zu Lasten der sich auf die Unwirksamkeit des Testamentes berufenden gesetzlichen Erben. Dies hat das Nachlassgericht zutreffend ausgeführt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung orientiert sich am angegebenen Nachlasswert von 4.379,63 EUR (Bl. 113 d. A.).