OLG Köln – Az.: I-2 Wx 84/20 – Beschluss vom 22.04.2020
Die Beschwerde der Beteiligten zu 3) vom 06.03.2020 gegen den am 18.02.2020 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Königswinter – 30 VI 488/19 – wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 3) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
1.
Die am xx.xx.2019 verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann A B ist am 23.07.2008 vorverstorben. Die Beteiligten zu 2) und 4) sind die Enkelinnen der Erblasserin. Der Beteiligte zu 1) ist der Urenkel der Erblasserin und der Sohn der Beteiligten zu 4). Die Beteiligte zu 3) stand in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu der Erblasserin. Sie war vielmehr bis Mitte 2017 in deren Haushalt tätig.
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben wiederholt Erbverträge aufgesetzt, zuletzt mit notarieller Urkunde vom 16.11.2007 (Bl. 25 ff. d. BA 30 IV 299/19 AG Königswinter). In diesem Erbvertrag ist unter anderem folgendes geregelt:
„I. Widerruf
Vorsorglich widerrufen wir hiermit alle bisher von uns einzeln oder gemeinsam errichteten Verfügungen von Todes wegen (…)
II. Erster Erbfall
1. Wir, Eheleute A und C B, setzen uns hiermit gegenseitig, der Erstversterbende den Überlebenden von uns, zum alleinigen Erben ein.
2. (…)
IV. Zweiter Erbfall
1. Ein jeder von uns setzt sowohl für den Fall, dass er der Überlebende von uns ist, als auch für den Fall, dass wir gleichzeitig versterben, zu seinem alleinigen Erben ein unseren Urenkel Sohn D E, geboren am xx.xx.1997, (…)
V. Testamentsvollstreckung
1. Der Längstlebende von uns, bei gleichzeitigem Versterben ein jeder von uns, ordnet für seinen Nachlass Testamentsvollstreckung … an.
Die Testamentsvollstreckung endet erst mit dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe seine Berufsausbildung abgeschlossen hat und Einkünfte erzielt, die erwarten lassen, dass er hierdurch dauerhaft seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. (…)
VII. Schlussbestimmungen
(…) Die vorstehenden Verfügungen zu Ziffer IV. und V. sind dagegen mit nur einseitig testamentarischer Wirkung getroffen und können daher jederzeit von jedem von uns einseitig durch Verfügung von Todes wegen abgeändert oder aufgehoben werden. (…)
„Mit notariellem Vertrag vom 11.12.2015 veräußerte die Erblasserin ihr Hausgrundstück in F an die Beteiligte zu 3), wobei als Gegenleistung eine Betreuungs- und Pflegevereinbarung geschlossen sowie ein Barkaufpreis von 300.000 EUR vereinbart wurde (Bl. 53 ff. d. A.). Außerdem erteilte die Erblasserin der Beteiligten zu 3) eine Vorsorgevollmacht und eine Bankvollmacht.Bereits im Oktober 2015 hatte die Erblasserin den Zeugen Rechtsanwalt G – der später auch den notariellen Kaufvertrag vom 11.12.2015 entworfen hat – um Rat bei der Errichtung eines Testamentes gebeten. Der Zeuge fertigte einen Textentwurf, den die Erblasserin dann handschriftlich übernahm. Mit diesem privatschriftlichen Testament vom 29.10.2015 widerrief die Erblasserin alle vorherigen Verfügungen von Todes wegen und setzte die Beteiligte zu 3) als ihre alleinige Erbin ein (Bl. 105 d. BA 30 IV 299/19).
Nachdem die Beteiligte zu 3) im Mai 2017 einen Betrag von 50.000 EUR vom Konto der Erblasserin bei der H abhob, widerrief die Erblasserin am 21.06.2017 die Bankvollmacht für die Beteiligte zu 3) gegenüber der Bank. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Erblasserin auch das Testament vom 29.10.2015 widerrufen hat. Der Beteiligte zu 1) hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, die Erblasserin habe am 25.07.2017 den Zeugen Rechtsanwalt I aufgesucht, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages beraten zu lassen. Die Erblasserin habe Rechtsanwalt I auch ein Original des Testamentes vom 29.10.2015 gezeigt. Sie habe ihm mitgeteilt, dass sie an der Erbeinsetzung der Beteiligten zu 3) nicht mehr festhalten wolle und habe das Original vor den Augen des Zeugen zerrissen. Außerdem habe sie ihm eine Kopie dieses Testamentes übergeben. Die Beteiligte zu 3) hat demgegenüber behauptet, von dem Testament vom 29.10.2015 habe es lediglich ein Original gegeben, nämlich jenes, welches durch den Zeugen Rechtsanwalt G an das Nachlassgericht übersandt worden sei.
Mit Schriftsatz vom 16.09.2019 hat der Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn – unter Anordnung der Testamentsvollstreckung – als Alleinerben ausweist und sich dabei darauf berufen, dass das Testament vom 29.10.2015 wirksam widerrufen worden sei, sodass sich die Erbfolge nach dem Erbvertrag vom 16.11.2007 richte (Bl. 1 ff. d. A.).
Das Nachlassgericht hat nach Vernehmung der Zeugen Rechtsanwalt G und Rechtsanwalt I mit Beschluss vom 18.02.2020 die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und die sofortige Wirkung des Beschlusses ausgesetzt (Bl. 140 ff. d. A.). Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, die Erblasserin habe das Testament vom 29.10.2015 am 25.07.2017 wirksam widerrufen, indem sie ein Original der Testamentsurkunde in der Absicht, die letztwillige Verfügung aufzuheben, vernichtet habe. Dies stünde aufgrund der Aussage des Zeugen Rechtsanwalt I zur vollen Überzeugung des Amtsgerichts fest.
Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 3) am 06.03.2020 Beschwerde eingelegt. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
2.
Die Beschwerde ist gemäß 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg, weil das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass sich die Erbfolge nach dem Erbvertrag vom 16.11.2007 richtet. Das Nachlassgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die Erblasserin das Testament vom 29.10.2015 am 25.07.2017 wirksam widerrufen hat.
Der Erblasser kann ein Testament jederzeit und ohne besonderen Grund widerrufen (§ 2253 BGB). Der Widerruf eines Testamentes kann unter anderem dadurch erfolgen, dass der Erblasser in der Absicht, das Testament aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet (§ 2255 S. 1 BGB). Hat der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet, so wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe (§ 2255 S. 2 BGB). Sind allerdings mehrere Urschriften eines Testaments vorhanden, so kann zum Widerruf die Vernichtung oder Veränderung nur einer von mehreren Urschriften nur dann genügen, wenn kein Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers besteht. Die Vermutung des § 2255 S. 2 BGB findet keine Anwendung. Diese setzt voraus, dass die einzig vorhandene Testamentsurkunde vernichtet oder verändert wurde. Daher unterliegt es der freien, nicht durch die Vermutungsregelung des § 2255 S. 2 BGB gebundenen Beurteilung, ob der Erblasser die Absicht hatte, auch dass in der anderen, gleichlautenden Urschrift niedergelegte Testament zu widerrufen (vgl. Staudinger/Baumann BGB, (2018) § 2255 Rn. 21; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.08.2017, 8 W 71/16; KG Berlin, Beschluss vom 06.01.1995, 1 W 7563/93; OLG München, Beschluss vom 21.12.2006, 31 Wx 71/06; MünchKomm-Sticherling, BGB, 8. Aufl. 2020, § 2255 Rn. 15).
Das Amtsgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass es die Aussage des Zeugen I als glaubhaft ansieht, wonach die Erblasserin ein Original des Testaments in seiner Gegenwart zerstört und dabei zweifelsfrei bekundet hat, an der Erbeinsetzung der Beschwerdeführerin nicht festhalten zu wollen. Weiter hat das Nachlassgericht auch rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Existenz eines weiteren Originals dem nicht entgegen stünde. Zu Recht hat das Nachlassgericht in diesem Zusammenhang angeführt, dass (nicht zuletzt angesichts des Lebensalters der Zeugen) angenommen werden kann, dass sie das zweite Original vergessen hat. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass die Erblasserin unstreitig versucht hat, die Übertragung ihres Grundstücks an die Beschwerdeführerin rückgängig zu machen und zu dieser seit Mitte 2017 auch keinen persönlichen Kontakt mehr hatte. Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass der Zeuge I bei seiner Aussage persönliche Interessen verfolgt hätte.3.Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss nach § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht erfüllt.
Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 350.000 EUR
(auf der Grundlage der Angaben der Erblasserin vom 23.07.2008 zum (hälftigen) Aktivnachlass nach ihrem Ehemann (Bl. 42 ff. d. BA 30 IV 299/19) geschätzt; wobei die zwischenzeitlich veräußerte Immobilie nicht berücksichtigt worden ist, sondern lediglich die Angaben zum Wert der Möbel, sowie zu den Bankguthaben).