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Wiedereinsetzung in Frist zur Anfechtung der Versäumung der Erbausschlagungsfrist

Ein Sohn kämpft gegen die Annahme eines überschuldeten Erbes, nachdem er die Ausschlagungsfrist versäumt hat. Seine Versuche, die Annahme anzufechten, scheitern sowohl beim Nachlassgericht als auch beim Oberlandesgericht aufgrund von Formfehlern und Fristversäumnissen. Ein Wettlauf gegen die Zeit in einem komplexen Erbfall, der die Grenzen des Rechts auslotet.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Beteiligte zu 1) hatte die Frist zur Erbausschlagung versäumt und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, um die Erbschaft doch noch ausschlagen zu können.
  • Das Nachlassgericht lehnte den Antrag ab, da die formwirksame Anfechtungserklärung nicht vorlag und die fehlerhafte Rechtsauffassung der Anwältin als eigenes Verschulden angerechnet werden müsse.
  • Der Beteiligte zu 1) legte Beschwerde ein, die jedoch vom Nachlassgericht als unzulässig behandelt wurde, da die Beschwerdesumme nicht erreicht wurde.
  • Das Oberlandesgericht wies die Beschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts.
  • Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht gewährt, da der Beteiligte zu 1) die Verzögerung nicht ausreichend gerechtfertigt hatte.
  • Die formwirksame Anfechtungserklärung ist ein zentraler Punkt im Erbrecht und muss von einem Notar beglaubigt werden.
  • Die Rechtsauffassung der Anwältin kann dem Beteiligten zu 1) als eigenes Verschulden angerechnet werden.
  • Die Beschwerde muss innerhalb einer bestimmten Frist eingelegt werden und muss eine Mindestsumme erreichen, um zulässig zu sein.
  • Das Nachlassgericht hat die Entscheidung getroffen, dass die Beschwerde nicht zuzulassen ist, was bindend ist.
  • Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist endgültig und kann nicht mehr angefochten werden.

Gerichtsurteil zur Erbausschlagung: Fristversäumnis und Wiedereinsetzung im Fokus

Die Erbschaft kann eine komplizierte Angelegenheit sein, besonders wenn es um die Frist zur Erbausschlagung geht. Diese Frist ist eng bemessen und kann leicht versäumt werden, mit schwerwiegenden Folgen. Nach dem Gesetz hat der Erbe sechs Wochen Zeit, um die Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen. Versäumt er diese Frist, gilt er rechtlich als Erbe und muss die Erbschaft mit allen Rechten und Pflichten annehmen, auch wenn er dies eigentlich nicht möchte.

Doch nicht immer ist alles verloren, wenn die Frist versäumt wurde. In bestimmten Fällen kann das Gericht eine Wiedereinsetzung in die Frist gewähren. Dies ist möglich, wenn der Erbe einen wichtigen Grund hatte, die Frist nicht einhalten zu können. Obwohl die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in der Frist streng sind, gibt es viele Beispiele, die zeigen, dass eine erfolgreiche Anfechtung durchaus möglich ist.

Dieser Fall zeigt auf eine besonders schwierige Situation und wie das Gericht in dieser besonderen Konstellation entschieden hat.

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Der Fall vor Gericht


Wiedereinsetzung bei versäumter Erbausschlagungsfrist abgelehnt

Im vorliegenden Fall geht es um einen komplexen Erbfall, bei dem der Sohn der Erblasserin die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft versäumt hat. Die Erblasserin verstarb am 19.03.2014 im Alter von 62 Jahren. In ihrem Testament vom 19.05.1987 hatte sie ihren damaligen Lebensgefährten und späteren Ehegatten sowie ihren Sohn zu jeweils hälftigem Erbe eingesetzt.

Das Nachlassgericht informierte die beiden Erben am 03.04.2014 über den Erbfall. Am 16.07.2014 wurde ein Erbschein ausgestellt, der beide als testamentarische Erben zu je 1/2 auswies. Der Sohn erklärte am 22.08.2014 die Anfechtung der durch Fristablauf konkludent erfolgten Erbschaftsannahme. Er begründete dies damit, erst am 21.08.2014 von einer erheblichen Steuerschuld der Erblasserin und der daraus resultierenden Überschuldung des Nachlasses erfahren zu haben.

Formfehler bei der Anfechtungserklärung

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag darin, dass die Anfechtungserklärung des Sohnes nicht formgerecht erfolgt war. Das Gesetz schreibt für die Anfechtung der versäumten Ausschlagungsfrist eine öffentlich beglaubigte Form vor. Der Sohn bzw. seine Anwältin hatten diese Form jedoch nicht eingehalten.

Erst nach Hinweisen des Nachlassgerichts auf die Formfehler reichte der Sohn am 25.11.2014 eine formgerechte Anfechtungserklärung ein. Diese lag jedoch außerhalb der sechswöchigen Anfechtungsfrist, die am 02.10.2014 abgelaufen war.

Gerichtliche Entscheidung zur Erbschaftsanfechtung

Das Nachlassgericht lehnte mit Beschluss vom 06.03.2015 sowohl die Einziehung des Erbscheins als auch den hilfsweise gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Es begründete dies damit, dass keine formwirksame Anfechtungserklärung innerhalb der Frist vorlag.

Die fehlerhafte Rechtsauffassung der Anwältin, die notarielle Beglaubigung der Anwaltsvollmacht genüge zur Formwahrung, müsse sich der Sohn als eigenes Verschulden anrechnen lassen. Eine Wiedereinsetzung sei daher nicht zu gewähren.

Beschwerde und Entscheidung des Oberlandesgerichts

Der Sohn legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Das Thüringer Oberlandesgericht bestätigte jedoch die Entscheidung des Nachlassgerichts. Es führte aus, dass der Erbschein nicht unrichtig sei, da das bezeugte Erbrecht tatsächlich bestehe. Der Sohn habe unstreitig die sechswöchige Ausschlagungsfrist versäumt.

Das Gericht betonte, dass die Ausschlagungsfrist eine Ausschlussfrist sei, die nicht verlängert werden könne. Mit Fristablauf gelte die Erbschaft nach § 1943 BGB automatisch als angenommen. Eine Anfechtung dieser konkludenten Annahme sei zwar grundsätzlich möglich, müsse aber ebenfalls innerhalb einer Sechswochenfrist und in der vorgeschriebenen Form erfolgen.

Das Oberlandesgericht stellte klar, dass eine Wiedereinsetzung in die Anfechtungsfrist nicht möglich sei, da es sich um eine materielle Ausschlussfrist handle, die durch das Nachlassgericht nicht verlängert werden könne. Die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien nur auf Fristen im gerichtlichen Verfahren, nicht aber auf materiellrechtliche Fristen anwendbar.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung unterstreicht die strikte Handhabung von Ausschlussfristen im Erbrecht. Sie verdeutlicht, dass sowohl die Ausschlagungsfrist als auch die Frist zur Anfechtung der konkludenten Erbschaftsannahme materiellrechtliche Ausschlussfristen sind, die nicht verlängert werden können. Dies gilt selbst bei nachträglich bekannt gewordener Überschuldung des Nachlasses. Die Entscheidung betont die Wichtigkeit der Einhaltung von Form und Frist bei erbrechtlichen Erklärungen und die Unzulässigkeit einer Wiedereinsetzung bei materiellrechtlichen Fristen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie die Frist zur Erbausschlagung versäumt haben, ist äußerste Vorsicht geboten. Das Urteil zeigt, dass die sechswöchige Ausschlagungsfrist eine strikte Ausschlussfrist ist, die nicht verlängert werden kann – selbst wenn Sie erst später von einer Überschuldung des Nachlasses erfahren. Eine nachträgliche Anfechtung der versäumten Frist ist zwar möglich, muss aber ebenfalls innerhalb von sechs Wochen und in der vorgeschriebenen Form erfolgen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist bei diesen materiellrechtlichen Fristen nicht möglich. Es ist daher dringend anzuraten, bei Kenntnis eines Erbfalls umgehend rechtlichen Rat einzuholen und die Frist zur Ausschlagung genau im Blick zu behalten, um ungewollte rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.


FAQ – Häufige Fragen

Sie stehen vor einem Erbe und möchten wissen, was zu tun ist? Erbschaft und Fristen sind oft ein komplexes Thema. In unserer FAQ-Rubrik erhalten Sie fundierte und verständliche Antworten auf Ihre Fragen rund um die Abwicklung von Nachlässen.


Was ist eine Ausschlussfrist?

Eine Ausschlussfrist ist im deutschen Recht eine besondere Art von Frist, nach deren Ablauf ein Anspruch oder ein Recht unwiderruflich erlischt. Im Gegensatz zu anderen Fristen wie etwa Verjährungsfristen führt das Versäumen einer Ausschlussfrist zum vollständigen Untergang des betreffenden Rechts. Dies bedeutet, dass nach Ablauf der Frist keine Möglichkeit mehr besteht, den Anspruch geltend zu machen oder das Recht auszuüben.

Ausschlussfristen haben eine absolute Wirkung und sind von Amts wegen zu beachten. Das heißt, ein Gericht oder eine Behörde muss die Fristversäumnis auch dann berücksichtigen, wenn sich die betroffene Partei nicht darauf beruft. Dies unterscheidet sie von Verjährungsfristen, bei denen sich der Schuldner aktiv auf die Verjährung berufen muss.

Ein wesentliches Merkmal von Ausschlussfristen ist, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich nicht möglich ist. Selbst wenn jemand unverschuldet die Frist versäumt hat, kann das erloschene Recht nicht wieder aufleben. Der Gesetzgeber hat sich bewusst für diese strenge Regelung entschieden, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und klare Verhältnisse zu schaffen.

Ausschlussfristen finden sich in verschiedenen Rechtsgebieten. Im Arbeitsrecht sind sie besonders häufig anzutreffen, etwa in Tarifverträgen oder Arbeitsverträgen. Hier dienen sie dazu, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis zeitnah geltend gemacht werden und nicht über lange Zeit offen bleiben.

Die Dauer von Ausschlussfristen kann stark variieren. Im Arbeitsrecht sind Fristen von wenigen Monaten üblich, während in anderen Rechtsgebieten auch längere Fristen vorkommen können. Es ist daher für Rechtsuchende wichtig, sich über mögliche Ausschlussfristen im Klaren zu sein und diese genau zu beachten.

Die strikte Handhabung von Ausschlussfristen kann im Einzelfall zu Härten führen. Dennoch hat der Gesetzgeber sich für diese Regelung entschieden, um ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten. Für die Betroffenen bedeutet dies, dass sie besonders wachsam sein und Fristen genau im Auge behalten müssen, um den Verlust von Rechten zu vermeiden.

In der Praxis ist es oft ratsam, Ansprüche oder Rechte deutlich vor Ablauf einer Ausschlussfrist geltend zu machen. Dies gibt Spielraum für etwaige Verzögerungen und stellt sicher, dass man nicht aufgrund unvorhergesehener Umstände seine Rechte verliert. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn mehrere Fristen ineinandergreifen oder wenn unklar ist, ob es sich um eine Ausschluss- oder eine andere Art von Frist handelt.

Die Kenntnis über Ausschlussfristen ist für jeden Rechtsuchenden von großer Bedeutung. Sie erfordert erhöhte Aufmerksamkeit und Sorgfalt im Umgang mit rechtlichen Angelegenheiten. Wer sich der Tragweite von Ausschlussfristen bewusst ist, kann rechtzeitig handeln und so den unbeabsichtigten Verlust von Rechten vermeiden.

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Bin ich verpflichtet, eine Erbschaft anzunehmen, wenn ich sie nicht rechtzeitig ausschlage?

Nach deutschem Erbrecht tritt die Erbfolge automatisch mit dem Tod des Erblassers ein. Der potenzielle Erbe wird also zunächst ohne eigenes Zutun vorläufiger Erbe. Um eine unerwünschte Erbschaft abzulehnen, sieht das Gesetz die Möglichkeit der Erbausschlagung vor. Hierfür gilt eine Frist von sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall und der eigenen Berufung als Erbe.

Wird diese Frist versäumt, gilt die Erbschaft gemäß § 1943 BGB als angenommen. Der Erbe tritt damit in die Rechtsnachfolge des Verstorbenen ein und übernimmt sowohl dessen Vermögenswerte als auch etwaige Schulden. Eine nachträgliche Ausschlagung ist grundsätzlich nicht mehr möglich.

Allerdings sieht das Gesetz für bestimmte Ausnahmefälle die Möglichkeit vor, die Versäumung der Ausschlagungsfrist anzufechten. Ein Anfechtungsgrund kann beispielsweise ein Irrtum über wesentliche Eigenschaften der Erbschaft sein. Stellt sich etwa heraus, dass der Nachlass entgegen der ursprünglichen Annahme überschuldet ist, kann dies einen Anfechtungsgrund darstellen.

Für die Anfechtung der Fristversäumung gilt wiederum eine Frist von sechs Wochen. Diese beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Erbe vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die Anfechtung muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden.

Es ist wichtig zu betonen, dass die bloße Unkenntnis von der Ausschlagungsmöglichkeit oder der Frist in der Regel keinen Anfechtungsgrund darstellt. Auch eine fehlerhafte Einschätzung des Nachlasswertes reicht für eine erfolgreiche Anfechtung meist nicht aus.

Bei erfolgreicher Anfechtung der Fristversäumung gilt die Erbschaft als rechtzeitig ausgeschlagen. Der Erbe wird dann so gestellt, als hätte er die Erbschaft von Anfang an nicht angenommen.

In der Praxis gestaltet sich die Anfechtung der Fristversäumung oft schwierig. Gerichte legen strenge Maßstäbe an die Anfechtungsgründe an. Es muss im Einzelfall genau geprüft werden, ob die Voraussetzungen für eine Anfechtung vorliegen.

Wer also die Ausschlagungsfrist verstreichen lässt, ist grundsätzlich an die Annahme der Erbschaft gebunden. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen besteht die Möglichkeit, dies rückgängig zu machen. Es empfiehlt sich daher dringend, die Ausschlagungsfrist zu beachten und sich rechtzeitig über die Folgen einer Erbschaft zu informieren.

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Gibt es Möglichkeiten, eine Erbschaft doch noch auszuschlagen, wenn ich die Frist versäumt habe?

In der Regel gilt eine Erbschaft als angenommen, wenn die gesetzliche Ausschlagungsfrist von sechs Wochen verstrichen ist. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der Erbe von seinem Erbfall Kenntnis erlangt. Dennoch gibt es in bestimmten Fällen die Möglichkeit, eine Erbschaft auch nach Ablauf dieser Frist noch auszuschlagen.

Das deutsche Erbrecht sieht hierfür die Anfechtung der Annahme der Erbschaft vor. Diese Option steht Erben offen, die die Ausschlagungsfrist versäumt haben und dadurch als Erben gelten. Die Anfechtung muss innerhalb von sechs Wochen erfolgen, nachdem der Anfechtungsgrund erkannt wurde.

Ein häufiger Anfechtungsgrund ist der Irrtum über wesentliche Eigenschaften des Nachlasses. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn sich nach Ablauf der Ausschlagungsfrist herausstellt, dass der Nachlass überschuldet ist oder erhebliche Verbindlichkeiten enthält, von denen der Erbe zuvor keine Kenntnis hatte. Auch ein Irrtum über die Anzahl der Erben oder die Größe des eigenen Erbteils kann als Anfechtungsgrund dienen.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder Irrtum zur Anfechtung berechtigt. Ein bloßer Wertirrtum, also eine falsche Einschätzung des Wertes des Nachlasses, reicht in der Regel nicht aus. Die Rechtsprechung erkennt jedoch Irrtümer über das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Nachlassgegenstände sowie über die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten als Anfechtungsgründe an.

Die Anfechtung muss gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden. Dabei ist es ratsam, den Anfechtungsgrund detailliert darzulegen und zu begründen. Nach erfolgreicher Anfechtung gilt die Erbschaft als ausgeschlagen, und der Erbe wird so gestellt, als hätte er die ursprüngliche Ausschlagungsfrist eingehalten.

Es ist zu beachten, dass die Anfechtung der Erbschaftsannahme eine komplexe rechtliche Angelegenheit darstellt. Die Erfolgsaussichten hängen stark vom Einzelfall ab und erfordern eine sorgfältige Prüfung der Umstände. Die Gerichte legen bei der Beurteilung von Anfechtungsgründen strenge Maßstäbe an, um die Rechtssicherheit im Erbrecht zu gewährleisten.

Eine weitere Möglichkeit, die Folgen einer nicht ausgeschlagenen Erbschaft zu begrenzen, besteht in der Beantragung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens. Diese Optionen können die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränken, auch wenn sie die Erbschaft selbst nicht rückgängig machen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlagungsfrist grundsätzlich nicht möglich ist. Die sechswöchige Ausschlagungsfrist ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Daher ist die Anfechtung der Annahme oft der einzige Weg, um nach Fristablauf noch eine Ausschlagung zu erreichen.

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Welche Form ist für die Anfechtung der Erbschaftsannahme erforderlich?

Die Anfechtung der Erbschaftsannahme unterliegt strengen formalen Anforderungen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgelegt sind. Gemäß § 1955 BGB muss die Anfechtung der Annahme einer Erbschaft durch eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht erfolgen. Diese Formvorschrift ist zwingend einzuhalten, um die Wirksamkeit der Anfechtung sicherzustellen.

Die Erklärung zur Anfechtung der Erbschaftsannahme muss schriftlich oder zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegeben werden. Eine mündliche Erklärung oder eine Erklärung gegenüber anderen Behörden oder Personen ist nicht ausreichend und entfaltet keine rechtliche Wirkung. Der Gesetzgeber hat diese strenge Formvorschrift bewusst gewählt, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und mögliche Streitigkeiten zu vermeiden.

Inhaltlich muss die Anfechtungserklärung den Anfechtungsgrund deutlich benennen. Dabei kann es sich um verschiedene Irrtümer handeln, wie beispielsweise ein Irrtum über die Überschuldung des Nachlasses oder ein Rechtsfolgenirrtum bezüglich der Konsequenzen der Erbschaftsannahme. Es ist wichtig, dass der angegebene Anfechtungsgrund einem konkret umrissenen Sachverhalt zugeordnet werden kann.

Die Anfechtung der Erbschaftsannahme ist an eine Frist von sechs Wochen gebunden. Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Anfechtungsberechtigte von seinem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Bei der Fristberechnung ist Sorgfalt geboten, da eine Versäumnis der Frist in der Regel zum Verlust des Anfechtungsrechts führt.

Es ist zu beachten, dass das Nachlassgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht lediglich prüft, ob der in der Anfechtungserklärung genannte Grund einem bestimmten Sachverhalt zugeordnet werden kann. Die detaillierte Prüfung der Anfechtungsgründe erfolgt erst in einem möglichen späteren gerichtlichen Verfahren.

Ein häufiger Anfechtungsgrund ist der Irrtum über die rechtlichen Folgen der Erbschaftsannahme. So kann beispielsweise die irrige Annahme, man würde durch die Nichtausschlagung der Erbschaft zumindest ein Vermächtnis erhalten, einen beachtlichen Inhaltsirrtum darstellen und zur Anfechtung berechtigen. Auch die fälschliche Vorstellung, man verliere durch eine Ausschlagung den Anspruch auf den Pflichtteil, kann einen Anfechtungsgrund bilden.

Die Rechtsprechung hat in verschiedenen Fällen die Anforderungen an einen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum konkretisiert. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass auch ein Rechtsfolgenirrtum zur Anfechtung berechtigen kann, wenn das vorgenommene Rechtsgeschäft wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt.

Bei der Formulierung der Anfechtungserklärung ist Präzision gefragt. Es reicht nicht aus, lediglich anzugeben, man habe die Erbschaft „in Wirklichkeit nicht annehmen wollen“. Vielmehr muss der konkrete Irrtum oder die Fehlvorstellung, die zur ungewollten Annahme geführt hat, dargelegt werden.

Die strenge Formvorschrift für die Anfechtung der Erbschaftsannahme dient dem Schutz aller Beteiligten und der Rechtssicherheit im Erbrecht. Sie stellt sicher, dass Entscheidungen in diesem sensiblen Bereich wohlüberlegt und dokumentiert erfolgen. Gleichzeitig bietet sie die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen eine irrtümlich erfolgte Annahme der Erbschaft zu korrigieren und so unbeabsichtigte rechtliche und finanzielle Konsequenzen zu vermeiden.

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Was passiert, wenn ich die Frist für die Anfechtung der Erbschaftsannahme versäume?

Die Versäumung der Frist für die Anfechtung der Erbschaftsannahme hat weitreichende rechtliche Konsequenzen. Nach Ablauf dieser Frist gilt die Erbschaft als endgültig angenommen, und der Erbe kann sie nicht mehr ausschlagen. Dies ergibt sich aus den strengen gesetzlichen Regelungen des Erbrechts.

Die Anfechtungsfrist für die Erbschaftsannahme ist eine materielle Ausschlussfrist. Das bedeutet, dass sie nach ihrem Ablauf nicht verlängert oder wiederhergestellt werden kann. Im Gegensatz zu prozessrechtlichen Fristen, bei denen unter bestimmten Umständen eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand möglich ist, gibt es bei materiellen Ausschlussfristen im Erbrecht keine solche Option.

Der Grund für diese strenge Handhabung liegt in der Rechtssicherheit. Das Erbrecht zielt darauf ab, klare Verhältnisse zu schaffen und den Übergang des Nachlasses zügig zu regeln. Eine unbegrenzte Möglichkeit zur Anfechtung würde diesem Ziel zuwiderlaufen und könnte zu langwierigen Unsicherheiten führen.

Für den Erben bedeutet das Versäumnis der Anfechtungsfrist, dass er mit allen Rechten und Pflichten als Erbe gilt. Er tritt in die Rechtsposition des Erblassers ein und haftet damit auch für dessen Verbindlichkeiten. Dies kann insbesondere bei überschuldeten Nachlässen problematisch sein, da der Erbe dann mit seinem Privatvermögen für die Schulden des Erblassers einstehen muss.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Anfechtungsfrist von der ursprünglichen Ausschlagungsfrist zu unterscheiden ist. Während die Ausschlagungsfrist in der Regel sechs Wochen beträgt, hat man für die Anfechtung einer versäumten Ausschlagung ebenfalls sechs Wochen Zeit, nachdem der Anfechtungsgrund erkannt wurde.

In der Praxis führt das Versäumnis der Anfechtungsfrist oft zu schwierigen Situationen für die Betroffenen. Erben, die eigentlich die Erbschaft ausschlagen wollten, sehen sich plötzlich mit der vollen Verantwortung für den Nachlass konfrontiert. Dies kann erhebliche finanzielle und rechtliche Folgen haben, insbesondere wenn der Nachlass überschuldet ist oder unerwartete Verbindlichkeiten auftreten.

Die Rechtsprechung hat die Strenge dieser Regelung mehrfach bestätigt. Gerichte betonen regelmäßig, dass eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand bei Versäumnis der Anfechtungsfrist nicht in Betracht kommt. Dies gilt selbst dann, wenn der Erbe ohne eigenes Verschulden die Frist versäumt hat.

Für potenzielle Erben ist es daher von größter Wichtigkeit, die relevanten Fristen im Erbrecht genau zu kennen und einzuhalten. Eine sorgfältige Prüfung des Nachlasses und eine rechtzeitige Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft sind unerlässlich, um ungewollte rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

Die Komplexität des Erbrechts und die Unumkehrbarkeit bestimmter Entscheidungen unterstreichen die Notwendigkeit, sich frühzeitig und umfassend mit der Thematik auseinanderzusetzen. Die strikte Handhabung der Fristen im Erbrecht dient zwar der Rechtssicherheit, kann aber für den einzelnen Erben zu harten Konsequenzen führen, wenn er die Tragweite seiner Handlungen oder Unterlassungen nicht vollständig überblickt.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Erbausschlagung: Die Erbausschlagung ist die Erklärung eines Erben, dass er ein Erbe nicht annehmen möchte. Sie muss innerhalb einer bestimmten Frist erfolgen, sonst gilt die Erbschaft als angenommen.
  • Anfechtung: Die Anfechtung ist die Erklärung, dass ein Rechtsgeschäft (hier: die Annahme der Erbschaft) rückwirkend ungültig sein soll. Gründe für eine Anfechtung können Irrtum oder Täuschung sein.
  • Konkludente Erbschaftsannahme: Die konkludente Erbschaftsannahme liegt vor, wenn der Erbe sich so verhält, als hätte er die Erbschaft angenommen, z.B. indem er Gegenstände aus dem Nachlass verkauft.
  • Öffentliche Beglaubigung: Die öffentliche Beglaubigung ist eine besondere Form der Beurkundung, bei der ein Notar oder eine Behörde die Echtheit einer Unterschrift bestätigt. Sie ist für bestimmte Rechtsgeschäfte vorgeschrieben.
  • Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein Rechtsmittel, mit dem eine versäumte Frist nachträglich verlängert werden kann. Sie ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, z.B. bei Krankheit oder unverschuldeter Unkenntnis.
  • Ausschlussfrist: Eine Ausschlussfrist ist eine Frist, nach deren Ablauf ein Recht endgültig erlischt. Sie kann nicht verlängert werden, auch nicht durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1943 BGB (Annahme der Erbschaft): Dieser Paragraph besagt, dass eine Erbschaft als angenommen gilt, wenn sie nicht innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls ausgeschlagen wird. Im vorliegenden Fall hat der Sohn die Frist versäumt und gilt daher als Erbe, obwohl er dies eigentlich nicht wollte.
  • § 1945 BGB (Anfechtung der Annahme der Erbschaft): Dieser Paragraph regelt die Möglichkeit, die Annahme einer Erbschaft anzufechten, wenn der Erbe irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Nachlass nicht überschuldet ist. Im vorliegenden Fall hat der Sohn versucht, die Annahme anzufechten, da er erst nach Ablauf der Ausschlagungsfrist von der Überschuldung erfahren hat.
  • § 129 BGB (Öffentliche Beglaubigung): Dieser Paragraph schreibt vor, dass bestimmte Erklärungen, darunter auch die Anfechtung der Annahme einer Erbschaft, öffentlich beglaubigt werden müssen. Im vorliegenden Fall hat der Sohn die Anfechtungserklärung zunächst nicht formgerecht abgegeben, da sie nicht öffentlich beglaubigt war.
  • §§ 20-23 FGG (Fristen und Wiedereinsetzung): Diese Paragraphen regeln die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn eine Frist versäumt wurde. Im vorliegenden Fall hat der Sohn die Frist zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft versäumt und beantragt Wiedereinsetzung. Das Gericht hat den Antrag jedoch abgelehnt, da die Frist zur Anfechtung eine materielle Ausschlussfrist ist, die nicht verlängert werden kann.
  • § 1954 BGB (Ausschlagung der Erbschaft): Dieser Paragraph regelt die Ausschlagung einer Erbschaft, die innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis des Erbfalls erfolgen muss. Im vorliegenden Fall hat der Sohn die Frist zur Ausschlagung versäumt und gilt daher als Erbe. Die Ausschlagungsfrist ist eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann.

Das vorliegende Urteil

Thüringer Oberlandesgericht – Az.: 6 W 364/15 – Beschluss vom 12.10.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – Arnstadt vom 06.03.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1) zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Am 19.03.2014 verstarb die Erblasserin im Alter von 62 Jahren. Mit notariellem Testament vom 19.05.1987 (Bl. 4 d.A.) hat sie ihren damaligen Lebensgefährten und späteren Ehegatten – den Beteiligten zu 2) – sowie ihren Sohn – den Beteiligten zu 1) – zu gemeinschaftlichen Erben „je zur Hälfte“ eingesetzt.

Am 28.03.2014 eröffnete das Nachlassgericht das Testament (Bl. 5 d.A.) und informierte die beiden testamentarisch Begünstigten mit Hinweisschreiben vom 03.04.2014 von dem Erbfall (Bl. 6 d.A.). Auf den am 14.07.2014 zu seiner Niederschrift erklärten Antrag des Beteiligten zu 2) (Bl. 24ff.d.A.) erteilte das Nachlassgericht am 16.07.2014 einen die Beteiligten zu 1) und 2) als testamentarische Erben zu je 1/2 ausweisenden Erbschein (Bl. 28 d.A.).

Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.08.2014 (Bl. 35f. d.A.) erklärte der Beteiligte zu 1) die Anfechtung der durch das Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist konkludent bewirkten Erbschaftsannahme mit der Begründung, erst am 21.08.2014 von einer erheblichen Steuerschuld der Erblasserin und der hieraus folgenden Überschuldung des Nachlasses erfahren zu haben. Nachdem am 29.10.2014 (Bl. 44 Rücks. d.A.) zunächst der Nachlassrechtspfleger und anschließend – auf Nachfrage der Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1) (Bl. 48 d.A.) – mit Schreiben vom 14.11.2014 (Bl. 49 d.A.) auch der Nachlassrichter auf die mit der anwaltlichen Anfechtungserklärung nicht gewahrten Formerfordernisse der §§ 1945, 129 BGB hingewiesen hatte, verwies der Beteiligte zu 1) bzw. dessen Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 21.11.2014 (Bl. 52f. d.A.) auf die notarielle Beglaubigung der der Anfechtungserklärung zugrundeliegenden Anwaltsvollmacht (Bl. 37 d.A.). Hilfsweise beantragte der Beteiligte zu 1) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mit von ihm selbst und seiner Verfahrensbevollmächtigten unterzeichnetem Schriftsatz vom 25.11.2014 wiederholte der Beteiligte zu 1) seine Anfechtungserklärung und legte zugleich eine notarielle Beglaubigung beider Unterschriften vor (Bl. 59 – 63 d.A.).

Mit Beschluss vom 06.03.2015 (Bl. 64ff. d.A.) lehnte das Nachlassgericht die Einziehung des Erbscheins ab und wies zugleich den Wiedereinsetzungsantrag des Beteiligten zu 1) zurück. Eine formwirksame Anfechtungserklärung läge nicht vor. Wiedereinsetzung sei auch nicht zu gewähren, denn die fehlerhafte Rechtsauffassung seiner Anwältin, die notarielle Beglaubigung der Anwaltsvollmacht genüge zur Wahrung des Formerfordernisses der §§ 1945 Abs. 1, 129 BGB müsse sich der Beteiligte zu 1) als eigenes Verschulden anrechnen lassen. Auf das Nachlassverzeichnis des Beteiligten zu 2) abstellend setzte das Nachlassgericht den Geschäftswert des Verfahrens auf 50 € fest und traf hieran anknüpfend die Entscheidung, die Beschwerde mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 Nr. 1 FamFG nicht zuzulassen.

Gegen den seiner Verfahrensbevollmächtigten am 02.06.2015 zugestellten (Bl. 67a d.A.) Beschluss legte der Beteiligte zu 1) am 02.07.2015 dennoch Beschwerde ein (Bl. 75 d.A). Mit Blick auf eine Steuernachforderung von ca. 18.000 € gegen die Erblasserin und ihren Ehegatten läge die Beschwer deutlich über 600 €. Die Nichtzulassung der Beschwerde sei mithin rechtsfehlerhaft.

Mit der Begründung, die Nichtzulassungsentscheidung sei nicht anfechtbar und bindend, hat das Nachlassgericht die nach seiner Auffassung nicht statthafte Beschwerde als auf ergänzende Zulassung der Beschwerde gerichtete Gegenvorstellung behandelt. Weil es an einer willkürlichen und schwerwiegenden Verletzung von Verfahrensrechten des Beteiligten zu 1) fehle, sei die Gegenvorstellung – so der Vorlagevermerk vom 20.07.2015 (Bl. 78 d.A.) – jedoch unzulässig. Die Voraussetzungen des § 61 Abs. 3 FamFG lägen ungeachtet des Schreibfehlers bei der Festsetzung des Geschäftswerts (50 € statt der im Nachlassverzeichnis angegebenen 500 €) nicht vor.

II.

Das dem Senat zur „Entscheidung über die befristete Gegenvorstellung“ vorgelegte Verfahren war als Beschwerdeverfahren zu behandeln. Die Auffassung des Nachlassgerichts, die Beschwerdesumme des § 61 Abs. 1 FamFG sei nicht erreicht, hält einer Nachprüfung nicht stand. Tatsächlich übersteigt der Beschwerdewert 600 €, so dass eine Entscheidung des Nachlassgerichts über die Zulassung der Beschwerde nach § 61 Abs. 2, 3 FamFG mit der Folge nicht veranlasst war, dass die mit dem angegriffenen Beschluss vom 06.03.2015 getroffene Nichtzulassungsentscheidung keine – aus Sicht des Beschwerdeführers negative – Bindungswirkung entfalten kann. Die Statthaftigkeit der Beschwerde folgt vielmehr unmittelbar aus dem Gesetz (aus §§ 58 Abs. 1, 61 Abs. 1 FamFG).

Das Beschwerdegericht ist an die erstinstanzliche Wertfestsetzung nicht gebunden, sondern muss den Beschwerdewert zur Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels von Amts wegen selbständig feststellen (§ 68 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Maßgebend ist das vermögenswerte Interesse des Beschwerdeführers an einer Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Um das Abänderungsinteresse zu bestimmen, kann zunächst auf die besonderen Geschäftswertvorschriften des GNotKG zurückgegriffen werden. Fehlt es hiernach an hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Schätzung des wirtschaftlichen Abänderungsinteresses des Beschwerdeführers, bleibt nur das Heranziehen des Auffangwertes von 5.000 € des § 36 Abs. 3 GNotKG.

So liegt die Sache im Entscheidungsfall.

Gemäß der vom Nachlassgericht herangezogenen Vorschrift des § 40 GNotKG bestimmt sich der Geschäftswert für das Verfahren zur Einziehung eines Erbscheins nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GNotKG). Den Aktivnachlass seiner verstorbenen Ehefrau hat der Beteiligte zu 2) im Nachlassverzeichnis vom 09.04.2014 mit 500 € angegeben (Bl. 7ff. d.A.). Die sich hieran – wenn auch mit o.g. Schreibfehler – orientierende Wertfestsetzung des Nachlassgerichts lässt indes § 40 Abs. 1 Satz 2 GNotKG außer Acht, wonach von den aktiven Vermögenswerten des Nachlasses die vererblichen Erblasserschulden abzuziehen sind. In Abzug zu bringen sind die im Zeitpunkt des Erbfalls bereits in der Person des Erblassers begründeten gesetzlichen oder vertraglichen Verbindlichkeiten, auch wenn ihre Fälligkeit erst nach dem Erbfall eintritt (Pfeiffer in Bohrmann/Diehn, Komm. zum GnotKG, 2014, Rz. 3 zu § 40).

Hiervon ausgehend ist im Entscheidungsfall von einem überschuldeten Nachlass auszugehen, auch wenn sich die Höhe der Erblasserschulden und damit im Ergebnis das Abänderungsinteresse des Beschwerdeführers nicht exakt beziffern lässt. Als den Nachlass belastende Erblasserschulden stehen Steuernachforderungen für die Einkommenssteuer 2004 bis 2007 der Erblasserin und ihres Ehegatten (des Beteiligten zu 2) in einer Größenordnung von knapp 20.000 € zuzüglich Zinsen im Raum. Mit Blick auf den geringen Aktivnachlass von nur 500 € steht damit ein zur Statthaftigkeit des Rechtsmittels ausreichender Beschwerdewert von mehr als 600 € außer Frage. Dass die Steuernachforderungen Gegenstand eines finanzgerichtlichen Verfahrens sind (Bl. 36 d.A.), mithin zu Grund und Höhe noch keine abschließende Feststellung getroffen werden kann, ändert hieran nichts. Mit der auf den Auffangwert des § 36 Abs. 3 GNotKG abstellenden Bewertung des Abänderungsinteresses des Beschwerdeführers knüpft der Senat an die auch von anderen Obergerichten vertretene Auffassung an, in Zweifelsfällen zur Wahrung rechtstaatlicher Grundsätze von der Zulässigkeit der Beschwerde auszugehen und in der Sache zu entscheiden (BayObLG WE 1995, 125; OLG Düsseldorf FGPrax 2000, 218).

Die nach alledem gemäß §§ 58ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Eine Einziehung des den beschwerdeführenden Beteiligten zu 1) als testamentarischen Miterben zu 1/2 ausweisenden Erbscheins vom 16.07.2014 kommt nicht in Betracht. Der Erbschein ist nicht unrichtig, wie es § 2361 Abs. 1 BGB für eine Einziehung voraussetzt. Denn das in Bezug auf den Beschwerdeführer bezeugte Erbrecht besteht tatsächlich.

Der Beschwerdeführer hat – was er selbst nicht in Frage stellt – die sechswöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB versäumt. Auch an einer wirksamen Anfechtung der Fristversäumung nach §§ 1956, 1955, 1954, 1945, 1944 BGB fehlt es. Der Beschwerdeführer ist deshalb gemeinsam mit seinem Stiefvater Erbe seiner im März 2014 verstorbenen Mutter geworden.

Lässt der Erbe die sechswöchige Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB verstreichen, muss er sich dieses Unterlassen nach der gesetzlichen Fiktion des § 1943 Halbsatz 2 BGB als Annahme der Erbschaft zurechnen lassen. Mit dieser Fiktion geht die Erbschaft nach dem im deutschen Erbrecht geltenden Anfallsprinzip automatisch auf den nicht bzw. nicht rechtzeitig ausschlagenden Erben über. Denn die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB ist eine Ausschlussfrist, die nicht verlängert werden kann. Hieran lässt der Wortlaut des § 1944 Abs. 1 BGB („Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen“) keinen Zweifel.

Weil das Gesetz nicht nur bei einer ausdrücklichen Annahmeerklärung, sondern auch bei einer Versäumung der Ausschlagungsfrist von einer Annahme der Erbschaft ausgeht, müssen dem – wie hier – konkludent durch Versäumung der Ausschlagungsfrist annehmenden Erben die gleichen Rechte zustehen wie dem ausdrücklich annehmenden Erben. Deshalb ermöglicht § 1956 BGB auch demjenigen, der wegen Irrtums, Täuschung oder Drohung die Ausschlagungsfrist versäumt hat, die nachträgliche Ausschlagung. Wenn also die Erbschaft gemäß § 1943 BGB als angenommen gilt, dann sind die §§ 119ff. BGB auch auf die Fristversäumnis anzuwenden.

Im Fall des Beschwerdeführers spricht zwar viel dafür, dass wegen der der erst nachträglich (am 21.08.2014) erlangten Kenntnis von der voraussichtlichen Überschuldung des Nachlasses ein Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB und damit ein beachtlicher Anfechtungsgrund vorliegen könnte. Zu Recht ist jedoch bereits das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer innerhalb der auch für die Anfechtung geltenden Sechs-Wochen-Frist (§ 1956, 1954 Abs. 1 BGB) keine formwirksame Anfechtungserklärung abgegeben hat.

Die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist bzw. der hierin liegenden konkludenten Erbschaftsannahme hat durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen; und zwar in der von § 1945 BGB vorgeschriebenen Form (§§ 1956, 1955 BGB). § 1945 Abs. 1 BGB verlangt eine zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich-beglaubigter Form abgegebene Erklärung, die nach § 1945 Abs. 3 BGB auch durch einen mit einer öffentlich-beglaubigten Vollmacht ausgestatteten gewillkürten Vertreter erfolgen kann. Zwar ersetzt nach § 129 Abs. 2 BGB die notarielle Beurkundung die von § 1945 BGB vorgeschriebene öffentliche Beglaubigung.

Eine notariell beurkundete Anfechtungserklärung haben aber weder der Beschwerdeführer selbst noch seine Verfahrensbevollmächtigte innerhalb der sechswöchigen Anfechtungsfrist abgegeben. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses.

Eine Wiedereinsetzung in die am 21.08.2014 begonnene und am 02.10.2014, 24.00 Uhr, abgelaufene (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB) Anfechtungsfrist kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Frist als materielle Ausschlussfrist ebenso wie die Ausschlagungsfrist des § 1944 BGB durch das Nachlassgericht nicht verlängert werden kann (Najdecki in Burandt/Rojahn, ErbR, 2. Aufl., 2014, Rz. 1 zu § 1944). Die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in den Verfahrensordnungen – sei es die ZPO oder wie hier das FamFG – haben nur das gerichtliche Verfahren, nicht hingegen das materielle Recht zum Gegenstand. §§ 17 bis 19 FamFG finden ebenso wie §§ 233ff. ZPO auf die Versäumung von Fristen im gerichtlichen Verfahren (Rechtsmittelfristen etc.) Anwendung, nicht hingegen auf die Versäumung materiellrechtlicher Fristen.

Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels hat der Beschwerdeführer zu tragen (§ 84 FamFG).

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 1 und 2 FamFG) liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.


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