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Wirksamkeit des Nottestaments vor drei Zeugen: schwere Krankheit reicht nicht

Trotz fixierter Arme errichtete ein Patient im Krankenhaus ein Nottestament vor drei Zeugen, um seine Tochter von der gesetzlichen Erbfolge auszuschließen. Das Nachlassgericht sah die nötige unmittelbare Todesgefahr nicht gegeben, auch weil die Unerreichbarkeit des Notars im Aktenvortrag fraglich blieb.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 W 109/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
  • Datum: 04.10.2022
  • Aktenzeichen: 3 W 109/22
  • Verfahren: Beschluss/Beschwerdeverfahren im Erbrecht
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Formvorschriften für Testamente

  • Das Problem: Die Tochter des Verstorbenen und eine andere Person stritten darum, wer Alleinerbe wird. Die andere Person berief sich auf ein mündlich vor drei Zeugen errichtetes Nottestament.
  • Die Rechtsfrage: War der Erblasser wirklich in so unmittelbarer Todesgefahr, dass er keines der üblichen Testamente (Notar, Bürgermeister) mehr errichten konnte?
  • Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Beschwerde zurück, die gesetzliche Erbin bleibt Alleinerbin. Die Anforderungen an eine „nahe Todesgefahr“ für das Nottestament waren nicht erfüllt.
  • Die Bedeutung: Ein mündlich vor Zeugen errichtetes Testament ist eine extreme Ausnahme. Eine schwere, unheilbare Krankheit allein genügt nicht, wenn ein Notar objektiv noch erreichbar gewesen wäre.

Wann ist ein Nottestament bei naher Todesgefahr wirklich wirksam?

Ein Mann liegt schwerkrank im Krankenhaus. Seine Arme sind nach einem Bruch fixiert, er kann nicht mehr selbst schreiben. In dem Bewusstsein, dass sein Leben zu Ende geht, möchte er seinen letzten Willen festlegen und sein Erbe anders verteilen, als es das Gesetz vorsieht. Drei Zeugen werden an sein Bett gerufen, um seinen mündlichen Willen zu protokollieren. Doch ist ein solches Testament am Krankenbett, errichtet in letzter Minute, rechtlich ebenso stabil wie ein sorgfältig vorbereitetes notarielles Testament? Mit genau dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Brandenburg in seinem Beschluss vom 4. Oktober 2022 (Az. 3 W 109/22) auseinandersetzen. Der Fall beleuchtet die extrem hohen Hürden für die Gültigkeit eines sogenannten Drei-Zeugen-Nottestaments und zeigt, warum eine ernste Krankheit allein nicht ausreicht, um die strengen Formvorschriften des Erbrechts außer Kraft zu setzen.

Ein letzter Wille am Krankenbett: Was war geschehen?

Ein Mann befand sich aufgrund einer unheilbaren Erkrankung in stationärer Behandlung. Wegen fixierter Arme war er unfähig, ein handschriftliches Testament zu verfassen. Am 13. September 2021 wurde daher in der Klinik in Anwesenheit von drei Zeugen eine Niederschrift erstellt, die den letzten Willen des Mannes festhalten sollte. In diesem Dokument wurde ein Mann, der nicht mit ihm verwandt war, als alleiniger Erbe eingesetzt. Drei Wochen später, am 4. Oktober 2021, verstarb der Erblasser.

Ein Erwachsener schreibt die letzten Worte eines geschwächten Patienten dringend auf ein Klemmbrett.
Hohe Hürden: Das Drei-Zeugen-Nottestament erfordert bei Todesgefahr strenge juristische Wirksamkeitsnachweise. | Symbolbild: KI

Nach seinem Tod beantragte die einzige Tochter des Verstorbenen beim Nachlassgericht die Feststellung, dass sie als gesetzliche Alleinerbin gilt. Das Gericht entsprach diesem Antrag. Dagegen legte der im Krankenbett eingesetzte Erbe Beschwerde ein. Er argumentierte, das am 13. September errichtete Drei-Zeugen-Testament sei wirksam. Der Erblasser habe sich in akuter Todesgefahr befunden, und es sei unmöglich gewesen, rechtzeitig einen Notar oder den Bürgermeister hinzuzuziehen. Er legte dar, dass man erfolglos zwei Notare kontaktiert habe und auch der Bürgermeister aufgrund der damaligen Corona-Lage und anderer Termine nicht erreichbar gewesen sei. Seine Beschwerde zielte darauf ab, den Beschluss des Nachlassgerichts aufzuheben und ihn selbst als Alleinerben anzuerkennen.

Warum ist ein Testament normalerweise so streng geregelt?

Das deutsche Erbrecht kennt klare und strenge Formvorschriften für die Errichtung eines Testaments. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass der letzte Wille einer Person zweifelsfrei, überlegt und frei von äußerem Druck entsteht. Die üblichen Wege sind das eigenhändige Testament, das vollständig von Hand geschrieben und unterschrieben sein muss (§ 2247 BGB), oder das öffentliche Testament, das vor einem Notar erklärt und beurkundet wird (§ 2232 BGB).

Nur für absolute Ausnahmesituationen sieht das Gesetz eine Erleichterung vor: das Nottestament. Eine Form davon ist das Testament vor drei Zeugen gemäß § 2250 BGB. Es kommt dann in Betracht, wenn sich eine Person in so unmittelbarer Todesgefahr befindet, dass die Errichtung eines Testaments vor einem Notar oder – als weitere Ausnahme – einem Bürgermeister voraussichtlich nicht mehr möglich ist. Die Hürden hierfür sind bewusst extrem hoch angesetzt, da diese Form des Testaments anfälliger für Fälschungen, Irrtümer und die Beeinflussung des Erblassers ist. Die entscheidende Frage für das Gericht war also, ob die Situation im Krankenhaus tatsächlich eine solche extreme Notsituation darstellte.

Warum scheiterte das Drei-Zeugen-Testament vor Gericht?

Das Oberlandesgericht Brandenburg schloss sich der Auffassung des Nachlassgerichts an und wies die Beschwerde des Mannes zurück. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die strengen Voraussetzungen für ein wirksames Nottestament nicht erfüllt waren. Ihre Entscheidung stützte sich auf eine detaillierte Analyse der Fakten und eine enge Auslegung der gesetzlichen Ausnahmevorschrift.

Fehlte die objektive, unmittelbare Todesgefahr?

Das zentrale Argument des Beschwerdeführers war die nahe Todesgefahr des Erblassers. Das Gericht stellte jedoch klar, dass eine schwere, unheilbare Krankheit und die damit verbundene stationäre Behandlung für sich genommen nicht ausreichen, um die „nahe Todesgefahr“ im Sinne des § 2250 Abs. 2 BGB zu begründen. Die Rechtsprechung verlangt hierfür konkrete Anzeichen, dass der Tod unmittelbar bevorsteht – also binnen Stunden oder weniger Tage erwartet wird, etwa durch beginnendes Organversagen oder andere akut lebensbedrohliche Komplikationen.

Solche Anzeichen konnte der Beschwerdeführer nicht darlegen. Im Gegenteil: Die Tatsache, dass der Erblasser erst drei Wochen nach der Testamentserrichtung verstarb, wertete das Gericht als starkes Indiz gegen eine Unmittelbare Todesgefahr. Auch der Antrag, die behandelnden Ärzte als Zeugen zu vernehmen, wurde abgelehnt. Das Gericht sah hierfür keinen Anlass, da keine konkreten Fakten vorgetragen wurden, die auf einen unmittelbar bevorstehenden Tod am Tag der Testamentserrichtung hindeuteten.

War ein Notar wirklich unerreichbar?

Ein Nottestament ist nur zulässig, wenn es unmöglich ist, einen Notar zu erreichen. Der Beschwerdeführer trug vor, man habe zwei Notare kontaktiert, sei aber erfolglos geblieben. Dem Senat genügte dieser Vortrag nicht. Er stellte fest, dass die Testamentserrichtung an einem Montag zu den üblichen Geschäftszeiten stattfand. In einer Stadt wie Cottbus gibt es mehrere Notare – das Gericht nannte beispielhaft sechs. Der pauschale Hinweis auf zwei erfolglose Anrufe beweist nicht, dass alle Notare der Stadt unerreichbar gewesen wären.

Der Beschwerdeführer hätte detailliert darlegen und beweisen müssen, dass umfassende und ernsthafte Bemühungen unternommen wurden, einen Notar zu finden, diese aber allesamt scheiterten. Die bloße Behauptung, Notare oder der Bürgermeister seien wegen der Corona-Lage oder Terminen nicht verfügbar gewesen, blieb spekulativ und reichte dem Gericht nicht aus, um die objektive Unerreichbarkeit einer beurkundenden Person anzunehmen.

Genügte die subjektive Einschätzung der Zeugen?

Das Gesetz erkennt ein Nottestament auch dann an, wenn die Todesgefahr objektiv vielleicht nicht bestand, die Zeugen aber nach bestem Wissen und Gewissen übereinstimmend davon ausgingen. Doch auch diese Voraussetzung sah das Gericht nicht als erfüllt an.

Die Anhörung der drei Zeugen ergab kein einheitliches Bild einer akuten Todesgefahr. Sie hatten nicht den übereinstimmenden Eindruck, dass der Erblasser in den nächsten Stunden oder Tagen versterben würde. Zwar war sein Zustand ernst, aber er wurde als geistig wach und orientiert beschrieben. Eine bloße allgemeine Besorgnis angesichts einer schweren Krankheit ersetzt nicht die konkrete, gerechtfertigte und von allen Zeugen geteilte Überzeugung, dass keine Zeit mehr für den normalen Weg zum Notar bleibt. Da diese einheitliche subjektive Überzeugung fehlte, scheiterte das Nottestament auch an dieser Hürde.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Dieser Fall verdeutlicht mit großer Klarheit die Prinzipien, die das Erbrecht bei der Anerkennung von Nottestamenten leitet. Er liefert wertvolle Erkenntnisse für jeden, der mit einer solchen Extremsituation konfrontiert sein könnte.

Die erste und wichtigste Lehre ist, dass das Nottestament vor drei Zeugen ein absolutes Notfallinstrument für unvorhersehbare, dramatische Situationen ist – etwa nach einem schweren Unfall oder bei einer plötzlichen, lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands. Es ist ausdrücklich nicht als bequeme Alternative zum Notartermin für jemanden gedacht, der bereits seit Längerem schwer krank ist. Die Gerichte legen die gesetzlichen Anforderungen bewusst extrem eng aus, um Missbrauch zu verhindern und die Rechtssicherheit zu wahren. Wer seinen letzten Willen regeln möchte, sollte dies daher so früh wie möglich auf dem regulären Weg tun.

Zweitens macht die Entscheidung deutlich, was Juristen unter „naher Todesgefahr“ verstehen. Es geht nicht um die allgemeine Prognose einer tödlich verlaufenden Krankheit, sondern um den unmittelbar bevorstehenden Eintritt des Todes. Die Beweislast dafür, dass eine solche akute Gefahr vorlag und die Hinzuziehung eines Notars unmöglich war, liegt vollständig bei der Person, die sich auf die Gültigkeit des Nottestaments beruft. Wie der Fall zeigt, sind pauschale Behauptungen und halbherzige Versuche, einen Notar zu kontaktieren, vor Gericht nicht ausreichend. Die Bemühungen müssen umfassend, ernsthaft und nachweisbar sein. Ohne diesen Beweis bleibt es bei der gesetzlichen Erbfolge – im vorliegenden Fall erbte also die Tochter als einziges Kind des Verstorbenen.

Die Urteilslogik

Das Erbrecht legt für die Errichtung eines Drei-Zeugen-Nottestaments extrem hohe, eng auszulegende Hürden an, um die Sicherheit des letzten Willens zu gewährleisten.

  • [Nahe Todesgefahr ist Imminenz]: Eine tödliche, schwere Krankheit allein genügt nicht; der Gesetzgeber verlangt konkrete Anzeichen dafür, dass der Tod unmittelbar, innerhalb weniger Stunden oder Tage, bevorsteht, um die gesetzlichen Formvorschriften außer Kraft zu setzen.
  • [Umfassende Unerreichbarkeit beweisen]: Wer die Gültigkeit eines Nottestaments behauptet, trägt die Beweislast und muss detailliert nachweisen, dass ernsthafte und umfassende Versuche scheiterten, einen Notar oder Bürgermeister rechtzeitig hinzuzuziehen.
  • [Formmangel bewirkt gesetzliches Erbrecht]: Ein Nottestament ist bei Nichterfüllung der strengen Formkriterien von Anfang an unwirksam, weshalb die gesetzliche Erbfolge des Erblassers die gesamte Verfügung ersetzt.

Die Gerichte stellen klar, dass das Drei-Zeugen-Testament ein absolutes Ausnahmerecht für plötzlich eintretende, unvorhersehbare Notlagen bleibt.


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Experten Kommentar

Viele Menschen verwechseln eine schwere, unheilbare Krankheit mit einer akuten Notfallsituation – dieses Urteil zieht hier eine konsequente rote Linie. Das OLG stellt klar: Nur wenn der Tod binnen Stunden oder weniger Tage objektiv bevorsteht, greift die Ausnahme des Nottestaments, nicht bei einer chronisch schweren Erkrankung. Für die Praxis ist die Beweisführung entscheidend, denn pauschale Behauptungen, ein Notar sei nicht erreichbar gewesen, reichen nicht aus; man muss detailliert nachweisen, dass wirklich jede Alternative scheiterte. Das Drei-Zeugen-Testament bleibt damit ein absolutes Notfallinstrument für den Unfall oder die plötzliche Krise, nicht für den versäumten Notartermin im Krankenhaus.


Das Bild zeigt auf der linken Seite einen großen Text mit "ERBRECHT FAQ Häufig gestellte Fragen" vor einem roten Hintergrund. Auf der rechten Seite sind eine Waage, eine Schriftrolle mit dem Wort "Testament", ein Buch mit der Aufschrift "BGB", eine Taschenuhr und eine Perlenkette zu sehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt ein Drei-Zeugen-Nottestament als wirksam und welche Voraussetzungen sind entscheidend?

Ein Drei-Zeugen-Nottestament gilt nur in absoluten Ausnahmefällen als wirksam, da das Gesetz sehr strenge Anforderungen an diese Form des letzten Willens stellt. Die Gerichte sehen dieses Testament als absolute Ultima Ratio zur Wahrung der Rechtssicherheit. Die Gültigkeit setzt die gleichzeitige Erfüllung von zwei extrem hohen Hürden voraus: Die objektive, unmittelbare Todesgefahr muss vorliegen, und es muss die umfassende, nachweisbare Unmöglichkeit bestanden haben, rechtzeitig einen Notar hinzuzuziehen.

Die Regel verlangt eine akute Lebensbedrohung, bei der der Tod konkret binnen Stunden oder sehr kurzer Zeit bevorsteht. Eine schwere oder unheilbare Krankheit allein reicht nicht aus. Der Gesetzgeber möchte verhindern, dass die Ausnahme als bequeme Alternative zum regulären Notartermin genutzt wird. Lebt der Erblasser beispielsweise noch drei Wochen nach der mündlichen Verfügung, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass die notwendige unmittelbare Todesgefahr am Tag der Testamentserrichtung nicht bestand.

Zusätzlich müssen Sie die umfassende Unerreichbarkeit aller beurkundenden Stellen beweisen. Es genügt nicht, wenn Sie nur zwei Notare erfolglos kontaktiert haben; es muss ein ernsthafter Versuch gegenüber allen Notaren im Zuständigkeitsbereich nachgewiesen werden. Auch die Zeugen müssen übereinstimmend und nach bestem Wissen davon überzeugt gewesen sein, dass die Zeit für eine notarielle Beurkundung absolut nicht mehr ausreichte.

Suchen Sie sofort alle Kommunikationsprotokolle, Anrufbelege oder Korrespondenzen zusammen, die beweisen, dass aktiv versucht wurde, Notare zu kontaktieren und diese nachweislich ablehnten.


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Wie definiert das Gericht die ‚unmittelbare Todesgefahr‘ für die Gültigkeit eines Nottestaments?

Der Gesetzgeber hat die Hürden für die Gültigkeit eines Nottestaments sehr hoch angesetzt, besonders bei der Definition der unmittelbaren Todesgefahr. Gerichte legen diesen Begriff extrem eng aus: Es muss eine akute Bedrohung vorliegen, bei der der Tod binnen Stunden oder weniger Tage erwartet wird. Die bloße Tatsache einer schweren oder unheilbaren Krankheit reicht dafür nicht aus, um die strengen Formvorschriften zu umgehen.

Die Regel verlangt nicht die allgemeine Endphase einer tödlichen Krankheit, sondern spezifische, akut lebensbedrohliche Komplikationen. Die Rechtsprechung fordert medizinische Belege für einen unmittelbar bevorstehenden Tod, beispielsweise beginnendes Organversagen oder einen plötzlichen, dramatischen Zustandseinbruch. Ohne diese akuten Anzeichen fehlt die juristische Rechtfertigung, von den strengen Formvorschriften eines regulären Testaments abzuweichen.

Die tatsächliche Dauer des Überlebens nach Testamentserrichtung spielt eine entscheidende Rolle für die Beweisbarkeit. Überlebt der Erblasser länger als nur wenige Tage, dient dies vor Gericht als starkes Indiz gegen die Akutheit der Gefahr. Konkret wurde in einem Fall die Tatsache, dass der Erblasser erst drei Wochen nach der mündlichen Verfügung verstarb, als Nachweis dafür gewertet, dass keine unmittelbare Todesgefahr vorlag.

Fordern Sie von der Klinik oder dem behandelnden Arzt das detaillierte Patientenprotokoll und die Vitalwerte des Erblassers an, um akut lebensbedrohliche Komplikationen am Tag der Errichtung zu beweisen.


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Wie muss ich nachweisen, dass die Hinzuziehung eines Notars oder Bürgermeisters unmöglich war?

Die Anforderungen an den Nachweis der Unmöglichkeit sind extrem hoch. Sie müssen umfassend und ernsthaft belegen, dass alle verfügbaren Notare oder der Bürgermeister im zuständigen Bereich nicht rechtzeitig hinzugezogen werden konnten. Pauschale Aussagen, dass jemand „nicht erreichbar“ war, reichen vor Gericht niemals aus. Die gesamte Beweislast liegt vollständig bei der Person, die sich auf die Gültigkeit des Nottestaments beruft.

Der Gesetzgeber gestattet das Nottestament nur als absolute Ausnahme für dramatische Notfälle. Um Missbrauch zu verhindern, verlangen Gerichte eine lückenlose Dokumentation der erfolglosen Versuche. Befand sich der Erblasser nicht in einem sehr kleinen Dorf, genügt es nicht, nur zwei Notare anzurufen und abgewiesen zu werden. Erfolgte die Testamentserrichtung während der üblichen Geschäftszeiten, müssen Sie nachweisen, dass Sie aktiv alle Notare der Stadt kontaktiert haben.

Die Gerichte unterscheiden streng zwischen tatsächlicher Unerreichbarkeit und bloßer Unbequemlichkeit, beispielsweise Terminschwierigkeiten. Die Versuche müssen minutiös protokolliert werden. Konkret: Notieren Sie Uhrzeit, Name der Kanzlei, den Gesprächspartner und die exakte Begründung für die Ablehnung. Im Fall vor dem OLG Brandenburg scheiterte die Beschwerde, da die pauschale Behauptung über zwei erfolglose Anrufe angesichts von sechs verfügbaren Notaren in der Stadt keine ausreichende Dokumentation darstellte.

Erstellen Sie umgehend eine präzise Chronologie des Tages der Testamentserrichtung, um Ihre Notlage beweiskräftig darzulegen.


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Was passiert mit dem Erbe, wenn mein Nottestament nachträglich für unwirksam erklärt wird?

Wird das Nottestament nachträglich wegen formaler Fehler für unwirksam erklärt, verliert die Verfügung ihre gesamte Rechtskraft und es tritt ausnahmslos die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Dies ist eine direkte Folge der sogenannten Formnichtigkeit, welche die Gerichte zwingend beachten müssen. Für den im Nottestament eingesetzten Wunscherben bedeutet dies, dass er plötzlich ohne Anspruch dasteht und Erben erster Ordnung (Ehepartner, Kinder) das gesamte Vermögen erhalten.

Die juristische Konsequenz ist drastisch: Die gesamte Nachlassverteilung richtet sich nach den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), als hätte es nie einen letzten Willen gegeben. Das Gesetz schützt die Testierfreiheit nur dann, wenn der Erblasser die strengen Formvorschriften erfüllt hat, um Manipulationen oder Irrtümer zu vermeiden. Der eindeutige Wille des Erblassers, selbst wenn er durch Zeugen glaubhaft belegt ist, kann die fehlende Formgültigkeit nicht heilen.

Die eingesetzte Person, die nicht mit dem Verstorbenen verwandt ist, geht damit leer aus. Konkret: Im Falle des OLG Brandenburg erbte die Tochter automatisch als einziges Kind das gesamte Vermögen. Die Verwandtschaft genießt Vorrang, wenn das Nottestament scheitert. Die Gerichte ignorieren den klaren, aber formlosen Willen des Verstorbenen zugunsten der Rechtssicherheit.

Ist die gesetzliche Erbfolge eingetreten, prüfen Sie, ob der Erblasser anderweitig Vorkehrungen getroffen hat, etwa durch eine Schenkung auf den Todesfall.


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Wie sichere ich meinen letzten Willen optimal ab, um eine Anfechtung des Nottestaments zu verhindern?

Der sicherste Weg, eine Anfechtung des letzten Willens zu verhindern, besteht darin, ein Nottestament gänzlich zu vermeiden. Errichten Sie stattdessen so früh wie möglich ein öffentliches Testament vor einem Notar. Diese Form bietet die höchste Rechtssicherheit, weil der Notar die Einhaltung aller Formvorschriften garantiert und damit die gesetzlichen Hürden erfüllt sind. Vermeiden Sie es, die Regelung des Erbes bis zur akuten Todesgefahr aufzuschieben.

Die Formvorschriften des deutschen Erbrechts sind streng; Gerichte legen die Voraussetzungen für Notfalltestamente, wie die „unmittelbare Todesgefahr,“ extrem eng aus. Bei der notariellen Beurkundung (§ 2232 BGB) prüft der Notar automatisch die Testierfähigkeit des Erblassers. Er dokumentiert umfassend, ob die Person geistig in der Lage war, die Tragweite des Testaments zu erfassen. Diese professionelle Beglaubigung erschwert spätere Anfechtungen wegen angeblicher Geschäftsunfähigkeit erheblich.

Wer eine unkonventionelle Erbfolge wünscht, muss unbedingt auf dem regulären Weg handeln. Nur ein formal korrektes Testament verhindert, dass bei einer Unwirksamkeit die Gesetzliche Erbfolge eintritt und das Vermögen anders verteilt wird. Konkret: Selbst wenn Sie bereits körperlich so eingeschränkt sind, dass Sie nicht mehr schreiben können, können Sie einen Notar hinzuziehen. Notare führen Hausbesuche durch, um die Beurkundung zu gewährleisten.

Wenn Sie körperlich nicht in der Lage sind, selbst zu schreiben, kontaktieren Sie unverzüglich einen Notar, um die Beurkundung Ihres letzten Willens sicherzustellen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Ein Erbrecht Glossar Buch mit Waage, Taschenuhr und Testament auf einem Schreibtisch.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Drei-Zeugen-Nottestament

Ein Drei-Zeugen-Nottestament ist eine absolute Notlösung im Erbrecht, mit der eine Person ihren letzten Willen mündlich vor mindestens drei anwesenden Zeugen erklären kann, wenn akute Lebensgefahr besteht.
Das Gesetz gestattet diese Form nur, wenn es unmöglich ist, rechtzeitig einen Notar oder Bürgermeister hinzuzuziehen. Es dient als Ultima Ratio, um die Testierfreiheit auch im unmittelbar bevorstehenden Todesfall zu gewährleisten.

Beispiel: Im vorliegenden Fall scheiterte das Drei-Zeugen-Nottestament, da das Oberlandesgericht Brandenburg feststellte, dass die notwendige akute Todesgefahr des Mannes fehlte und nicht alle Notare kontaktiert worden waren.

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Erblasser

Als Erblasser bezeichnen Juristen jene natürliche Person, deren Vermögen – der gesamte Nachlass – mit dem Tod auf die Erben übergeht.
Dieser neutrale Begriff ersetzt die Umschreibung „der Verstorbene“ in juristischen Dokumenten, um klarzustellen, von wessen hinterlassenem Vermögen die Rede ist und wer die Verfügung von Todes wegen getroffen hat.

Beispiel: Der Erblasser wollte durch das Nottestament sicherstellen, dass nicht seine gesetzliche Erbin, sondern eine außenstehende Person sein gesamtes Vermögen erhielt.

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Formnichtigkeit

Formnichtigkeit tritt ein, wenn ein Rechtsgeschäft, wie beispielsweise ein Testament, aufgrund der Nichteinhaltung zwingender gesetzlicher Formvorschriften juristisch unwirksam ist.
Stellt ein Gericht die Formnichtigkeit fest, hat das Dokument keine Rechtskraft, weil der Gesetzgeber die Form als Schutzmechanismus gegen Fälschung und Übereilung höher bewertet als den tatsächlichen Willen des Erklärenden.

Beispiel: Wegen der Formnichtigkeit des Nottestaments trat im Fall des OLG Brandenburg automatisch die gesetzliche Erbfolge ein, da die strengen Bedingungen des § 2250 BGB nicht erfüllt waren.

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Formvorschriften (Erbrecht)

Formvorschriften im Erbrecht legen verbindlich fest, wie ein letzter Wille rechtlich korrekt erstellt werden muss, etwa ob er handschriftlich oder notariell beurkundet sein muss.
Der Gesetzgeber verlangt diese strengen Regeln, um die Echtheit, die Überlegtheit und die Abwesenheit von Zwang bei der Testamentserrichtung sicherzustellen und somit die Rechtssicherheit zu erhöhen.

Beispiel: Da der Erblasser seine Arme fixiert hatte und nicht selbst schreiben konnte, konnte er die Formvorschriften für ein eigenhändiges Testament nicht erfüllen, weshalb er auf die Ausnahme des Nottestaments zurückgreifen musste.

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Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge ist die automatische Verteilung des Nachlasses, wenn der Erblasser kein wirksames Testament hinterlassen hat oder dieses nachträglich für ungültig erklärt wird.
Dieses Prinzip des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt die Vermögensweitergabe nach einem festen Schema und stellt sicher, dass Verwandte erster Ordnung (Kinder, Ehepartner) prioritär das Vermögen erhalten.

Beispiel: Hätte die Tochter des Verstorbenen nicht als Alleinerbin gelten sollen, hätte der Erblasser ein formgültiges Testament errichten müssen, um die automatische gesetzliche Erbfolge zu durchbrechen.

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Unmittelbare Todesgefahr

Juristen verstehen unter unmittelbarer Todesgefahr eine akute, objektiv feststellbare lebensbedrohliche Komplikation, bei der der Tod des Erblassers binnen Stunden oder weniger Tage erwartet wird.
Diese extrem hohe juristische Hürde dient dazu, die Errichtung von Nottestamenten auf echte, unvorhersehbare Notfälle zu beschränken und Missbrauch bei chronischen Erkrankungen zu verhindern.

Beispiel: Das Oberlandesgericht Brandenburg argumentierte, dass die schwere chronische Krankheit des Mannes nicht für eine unmittelbare Todesgefahr ausreichte, da er erst drei Wochen nach der mündlichen Verfügung verstarb.

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Das vorliegende Urteil


OLG Brandenburg – Az.: 3 W 109/22 – Beschluss vom 4.10.2022


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