Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 53/21 – Beschluss vom 01.06.2021
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 19.01.2021, Az. 51 VI 866/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Beschwerdewert: 728.913,39 €
Gründe
I.
Die am …2018 verstorbene Erblasserin war mit dem am …2017 vorverstorbenen D… H… verheiratet. Einziges Kind der Eheleute war die Beteiligte zu 4. Die Beteiligten zu 1. bis 3 sind die Söhne der Beteiligten zu 4 und die Enkel der Erblasserin. Die Beteiligten zu 1. und 2. wurden 1997 und 1995 geboren, der Beteiligte zu 3. am 31.03.2004.
Die Erblasserin und ihr Ehemann hinterließen folgende Testamente:
Mit handschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 01.04.1988 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben des gesamten Nachlasses ein. Ferner heißt es in dem Testament: „Erbe des Letztversterbenden soll unsere Tochter A… sein.“
Unter dem 11.01.1998 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches, unterschriebenes Testament, in dem es heißt: „Nach meinem Tode soll meine Tochter A… K… geb. H… nichts erben. Alles was ich hinterlaße geht an meine Enkelsöhne L… und R… K… zu gleichen Teilen. Sie sollen an ihrem 20. Geburtstag das Geld ausgezahlt bekommen.“ Auf dem Testament findet sich über den Worten R… K… mit abweichender (blauer) Schriftfarbe der Zusatz „u. G…“.
Die Erblasserin verfasste am 10.10.2002 ein weiteres handschriftliches Testament mit folgendem Inhalt: „Ich, I… H…, […] bestimme hiermit, daß mein gesamtes Erbe an meine Enkelsöhne L… u. R… K… zu gleichen Teilen fällt. Das Geld soll ihnen jeweils an ihrem 20. Geburtstag ausgezahlt werden. Meine Tochter A… K… geb. H… soll auch kein Pflichtteil bekommen.“ Weiterhin heißt es am Ende des Schriftstücks: „Dieses Testament gilt nur für den Fall, dass mein Ehemann D… H… vor mir stirbt: Ansonsten tritt das „BERLINER TESTAMENT“ in Kraft u. er ist Alleinerbe“. Der Zusatz ist in anderer Schriftfarbe gehalten als der darüber stehende Text vom 10.10.2002, er trägt die Unterschrift der Erblasserin, ist jedoch nicht datiert.
Unter dem 18.05.2003 errichteten die Eheleute ein gemeinschaftliches Testament folgenden Inhalts: „Wir, die Eheleute D… H… und I… H… geb. S… haben uns für das „BERLINER TESTAMENT“ entschieden. Das heißt, daß wenn einer von uns stirbt der Überlebende alles erbt. Der überlebende Ehepartner entscheidet dann allein über das Erbe.“.
Schließlich verfügte der Ehemann der Erblasserin am 08.12.2011 handschriftlich wie folgt:
„Nach meinem Tode wünsche ich mir, daß meine geliebte sparsame Ehefrau in das neue Seniorenheim am Rathausmarkt in K… einzieht. Sämtliche vorhandenen Geldbestände sind dafür zu verwenden. Da unsere Tochter A… selbst ein Pflegefall ist, muß die Pflege meiner Ehefrau Ilse gewährleistet sein.“
Der Beteiligte zu 1 begehrt aufgrund dieser testamentarischen Verfügungen einen Erbschein, der ihn und seine beiden Brüder, die Beteiligten zu 2 und 3 zu gleichen Teilen als Erben ausweist.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19.01.2021 die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet.
Es hat ausgeführt, dass sich die Erbfolge nach dem – nach der Geburt des Beteiligten zu 3 ergänzten – Testament vom 11.01.1998 richte. Diese Verfügung sei nach dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute vom 18.05.2003 errichtet worden, da die Ergänzung nach dem 31.03.2004 habe erfolgt sein müssen, und stehe diesem nicht entgegen. Sie sei auch formwirksam.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 4 mit ihrer Beschwerde. Sie meint, es sei die gesetzliche Erbfolge eingetreten. Indem die Erblasserin die letztwillige Verfügung vom 11.01.1998 durch Einfügung des am 31.03.2004 geborenen dritten Enkels abgeändert habe, habe sie zwar neu verfügt. Dieser letztwilligen Verfügung fehlten aber die formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB, da sie nicht gesondert unterschrieben und datiert worden sei. Im Übrigen widerspreche das Testament dem gemeinschaftlichen Testament vom 18.05.2003. Die Erblasserin habe als Erben ausschließlich ihre Enkel eingesetzt, so dass im Falle seines Überlebens bei Anwendung dieses Testaments der Ehemann der Erblasserin enterbt worden wäre. In Ermangelung einer wirksamen Einsetzung eines Schlusserben müsse die gesetzliche Erbfolge eintreten.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 4. hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Nachlassgericht hat mit zutreffenden Ausführungen, auf die Bezug genommen werden kann, festgestellt, dass die Beteiligten zu 1 bis 3 aufgrund gewillkürter Erbfolge zu gleichen Teilen Erben der Erblasserin geworden sind.
Die Erbfolge richtet sich nach dem Testament der Erblasserin vom 11.01.1998 in der nach dem 31.03.2004 geänderten Fassung.
1.
In diesem Testament hat die Erblasserin ihre drei Enkel als Erben eingesetzt, wie sich aus dem Wortlaut der Erklärung ergibt. Dass die Erblasserin bei der ursprünglichen Abfassung des Testamentes nur ihre zum damaligen Zeitpunkt bereits lebenden Enkel L… und R… eingesetzt hat und den weiteren Enkel G… erst nach dessen Geburt, also nach dem 31.03.2004 hinzugefügt hat, ändert an der Wirksamkeit des Testamentes nichts. Das Testament entspricht den Anforderungen des § 2247 BGB.
a)
Gemäß § 2247 Abs. 1 BGB kann der Erblasser ein Testament durch eine von ihm eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten. Hierbei ist es ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments einschließlich der Unterschrift niedergeschrieben worden sind (BGH NJW 1974, 1083/1084). Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass das Testament nicht in einem Zuge errichtet zu werden braucht. Der Erblasser kann daher zunächst die Unterschrift leisten und später den Text – auch anstelle eines gestrichenen früheren Textes – darüber setzen. Zur formgerechten Errichtung eines eigenhändigen Testaments kann der Erblasser auch den Text benutzen, den er als früheres Testaments niedergeschrieben hat, um ihn durch eigenhändige Ergänzung so zu verändern, dass er sein nunmehr gewolltes Testament darstellt. Für die Formgültigkeit kommt es insoweit nur darauf an, dass im Zeitpunkt des Todes eine die gesamten Erklärungen nach dem Willen des Erblassers deckende Unterschrift vorhanden ist (vgl. BGH NJW 1974, 1083/1084; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 12. Mai 2004 – 1 Z BR 4/04 –, juris). Auf diese Weise kann der Erblasser das Schriftstück jederzeit modifizieren (S. Kappler/T. Kappler in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 2247 Rn 11).
b)
Der Rechtswirksamkeit der Begünstigung der Beteiligten zu 1 bis 3 in der im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin vorliegenden Fassung des Testaments vom 11.01.1998 steht daher der Umstand nicht entgegen, dass der Name des begünstigten 3. Enkels der Erblasserin, des Beteiligten zu 3, nachträglich zu den bereits im ursprünglichen Testament als Erben eingesetzten Beteiligten zu 1 und 2 hinzugefügt worden ist. Der nach der erfolgten Ergänzung vorhandene Textteil fügt sich nahtlos in den Gesamttext des Testaments ein und wird durch die unterhalb des Textes stehende Unterschrift gedeckt. Besondere Umstände, aus denen sich gleichwohl eine Formunwirksamkeit der testamentarischen Begünstigung der Beteiligten zu 1 bis 3 ergeben könnte, liegen nicht vor.
2.
Die Verfügung der Erblasserin, mit der sie ihre drei Enkel als Erben eingesetzt hat, ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie dem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten vom 18.05.2003 widerspricht. Zwar widerspricht das Testament – wenn es mangels konkreter Anhaltspunkte im Testament selbst nicht von vorneherein so auslegt, dass es, wie in der Ergänzung der Verfügung vom 10.02.2002 festgelegt ist, ohnehin nur für den Fall gelten sollte, dass der Ehemann der Erblasserin vor dieser verstirbt – der wechselbezüglichen Verfügung der Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 18.05.2003, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Wie aber das Nachlassgericht bereits ausgeführt hat, sind neue Verfügungen, die ein durch ein gemeinschaftliches Testament in seiner Testierfreiheit beschränkter Ehegatte getroffen hat, aber nicht von vorneherein nichtig. Voll wirksam sind sie vielmehr auch dann, wenn die vorrangige wechselbezügliche Verfügung durch den ersatzlosen Wegfall des Bedachten infolge dessen Vorversterbens gegenstandslos wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.06.1994, 20 W 108/94; OLG Karlsruhe Urteil vom 08.07.1998, 6 U 138/96; Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl., § 2271, Rn 13). Genau dies ist hier der Fall, da der durch die wechselbezügliche Verfügung der Erblasserin bedachte Ehemann vor dieser verstorben ist und ihre Verfügung deshalb keine Wirkung mehr entfalten konnte.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewerts richtet sich nach dem gesamten Wert des Nachlasses, da die Beschwerdeführerin geltend macht, Alleinerbin der Erblasserin geworden zu sein. Der Nachlasswert beträgt ausweislich der in der Nachlassakte befindlichen Kopie des Vermögensverzeichnisses aus der Betreuungsakte 56 XVII 344/17 728.913,39 €.