Rechtsstreit um Vollmacht nach Tod: OLG Bremen klärt Eigentumswechsel und Grundbucheintrag
In einem kürzlich ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Bremen wurde ein kontroverses Thema im Bereich des Erbrechts und des Grundbuchrechts behandelt. Im Kern ging es um die Frage, ob eine Vollmacht, die von den ursprünglichen Eigentümern eines Grundstücks an ihre Söhne erteilt wurde, auch nach dem Tod der Eigentümer weiterhin gültig ist. Das Amtsgericht Bremen hatte zuvor die Eintragung eines Eigentumswechsels im Grundbuch abgelehnt, da es der Auffassung war, dass die Vollmacht mit dem Tod der Eigentümer erloschen sei. Das Oberlandesgericht Bremen hob diese Entscheidung jedoch auf und wies das Amtsgericht an, den Fall erneut zu prüfen.
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Übersicht
Interpretation der Vollmacht
Die Beschwerdeführer hatten argumentiert, dass die Vollmacht nicht explizit auf die Person der Vollmachtgeber zugeschnitten war, sondern sich auf die Regelung vermögensrechtlicher Aspekte bezog. Sie legten zudem ein handschriftliches Testament vor, das sie als Schlusserben auswies. Das Amtsgericht hatte jedoch darauf hingewiesen, dass die Vollmacht nur gelten sollte, wenn die Vollmachtgeber durch Alter oder Krankheit daran gehindert seien, für sich selbst zu sorgen – eine Voraussetzung, die mit dem Tod nicht mehr gegeben sei.
Rechtliche Auslegung und Senatsauffassung
Das Oberlandesgericht Bremen stellte klar, dass die Vollmacht auch über den Tod der Vollmachtgeber hinaus Gültigkeit besitzen sollte. Es betonte, dass die Vollmacht vor allem vermögensrechtliche Angelegenheiten regelte und keinen besonderen Bezug zu persönlichen Angelegenheiten hatte. Daher sollte sie auch nach dem Tod der Vollmachtgeber weiterhin gelten.
Bedeutung für das Grundbuchamt
Das Gericht wies darauf hin, dass das Grundbuchamt auf die Legitimationswirkung der Vollmacht vertrauen könne, solange kein Erbschein vorgelegt wird. Die Vorlage eines handschriftlichen Testaments allein genüge nicht für den Erbennachweis.
Gerichtskosten und weitere Schritte
Abschließend entschied das Oberlandesgericht, dass keine Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren erhoben werden. Es wies das Amtsgericht an, den Eintragungsantrag unter Beachtung der Auffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Dieser Fall zeigt die Komplexität und die Bedeutung der richtigen Auslegung von Vollmachten im Kontext von Erbrecht und Grundbuchrecht. Es verdeutlicht auch, wie wichtig es ist, bei der Erstellung von Vollmachten klar und eindeutig zu formulieren, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Bremen – Az.: 3 W 15/23 – Beschluss vom 31.08.2023
Auf die Beschwerde wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Bremen – Grundbuchamt – vom 11.05.2023 aufgehoben.
Dem Amtsgericht wird aufgegeben, über den Eintragungsantrag unter Beachtung der Auffassung des Senats erneut zu entscheiden.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen eine Zwischenverfügung des Amtsgerichts Bremen – Grundbuchamt.
Unter dem 07.03.2023 haben sie einen Antrag auf Eintragung eines Eigentumswechsels gestellt. Mit Urkunde des Notars X, Oldenburg, vom 27.2.2023 (UR-Nr. ..) hatten die Beschwerdeführer zu 1) und 2) als Bevollmächtigte der im Grundbuch eingetragenen A und des B das Eigentum am verfahrensgegenständlichen Grundstück (Grundbuch Bremen Vorstadt .. Blatt …) auf die Beschwerdeführerin zu 3) übertragen.
Zum Nachweis der Vollmacht haben sie sich auf die Urkunde des Notars Z vom 01.12.2004 (UR-Nr….) berufen.
Die Vollmachtgeber, d.h. die eingetragenen Eigentümer, sind am 06.03.2022 (A) bzw. 09.10.2022 (B) verstorben.
Das Grundbuchamt hat unter dem 11.05.2023 mit der angegriffenen Zwischenverfügung mitgeteilt, dass der beantragten Grundbucheintragung ein Eintragungshindernis entgegenstehe, weil die Vollmacht der verstorbenen Eigentümer an die Söhne nicht explizit über den Tod hinaus erteilt worden sei. Eine auf die Person des Vollmachtgebers zugeschnittene Vollmacht sei in der Regel dahin auszulegen, dass sie mit dem Tod des Vollmachtgebers erlösche. Andere Anhaltspunkte, dass die Vollmacht auch über den Tod hinaus gelten solle, ergäben sich hier nicht.
Das Grundbuchamt hat den Antragstellern aufgegeben, einen Erbnachweis nach den verstorbenen Eigentümern vorzulegen.
Mit ihrer am 17.07.2023 beim Grundbuchamt eingegangenen Beschwerde tragen die Antragsteller vor, das Grundbuchamt verkehre das Regel-Ausnahme-Verhältnis, denn grundsätzlich führe der Tod des Vollmachtgebers im Zweifel nicht zum Erlöschen des Grundverhältnisses und damit der Vollmacht. Auf diese Weise solle eine kontinuierliche Wahrung der Vermögensinteressen der Erblasser und der Erben sichergestellt werden. Die den Kindern erteilte Vollmacht sei auch in keiner Weise auf die Personen der Vollmachtgeber zugeschnitten, sie enthalte nicht ansatzweise persönliche Vorgaben oder Wünsche, sondern beziehe sich ganz sachlich allein auf die Bevollmächtigung zur Regelung vermögensrechtlicher Aspekte. Die Vollmacht sei im Übrigen auch im Interesse der Bevollmächtigten erteilt worden, bei denen es sich um die einzigen beiden Abkömmlinge der Erblasser handele. Es sollte ihnen so leicht wie möglich gemacht werden, den Nachlass aufzuteilen, dafür spräche die umfassende Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Beschwerdeführer legen ein handschriftliches Testament vor, nach dem die Beschwerdeführer zu 1) und 2) Schlusserben nach dem zuletzt versterbenden Ehegatten sein sollen.
Unter dem 19.07.2023 hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass aus dem Wortlaut der Vollmacht hervorgehe, dass sie im Innenverhältnis nur gelte, wenn die Vollmachtgeber beide durch Alter oder Krankheit daran gehindert seien, für sich selber zu sorgen. Diese Voraussetzung liege mit dem Tod der Vollmachtgeber nicht mehr vor.
In der weiteren Stellungnahmefrist haben die Beschwerdeführer an ihrem Rechtsmittel festgehalten, das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 14.08.2023 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die statthafte Beschwerde gegen die ein Eintragungshindernis feststellende Zwischenverfügung (§ 18 GBO) ist auch im Übrigen zulässig (§§ 71, 73 GBO).
Sie ist auch begründet.
Das vom Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht. Die Beschwerdeführer zu 1) und 2) haben mit wirksamer Vollmacht über den Grundbesitz verfügt. Da die eingetragenen Eigentümer im Zeitpunkt des Verfügungsgeschäfts bereits verstorben waren, kommt es entscheidend darauf an, ob die den Beschwerdeführern zu 1) und 2) erteilte Vollmacht auch über den Tod der Vollmachtgeber hinaus gelten soll. Dazu enthält der Text der Vollmacht keinen ausdrücklichen Hinweis.
Vor der Anwendung der gesetzlichen Regelung bei Zweifeln an der Dauer der Bevollmächtigung gem. §§ 672 S.1, 168 S.1 BGB ist zunächst durch Auslegung der Vollmachterklärung zu ermitteln, ob diese über den Tod hinaus Geltung haben soll. Grundsätzlich gilt für diese Auslegung, je mehr der Auftragsgegenstand auf die Person und die persönlichen Verhältnisse – hingegen weniger auf das Vermögen – des Auftragsgebers zugeschnitten ist, desto eher ist anzunehmen, dass der Auftrag mit dem Tod des Auftraggebers erlöschen soll (OLG München, Beschluss vom 7. Juli 2014 – 34 Wx 265/14 – Rn.10, juris; MüKoBGB/F. Schäfer, 9. Aufl. 2023, BGB § 672 Rn. 8 – beck-online).
Soweit es in der Vollmachterklärung heißt: „Die vorstehende Vollmacht für unsere Söhne soll dann gelten, wenn wir beide durch Alter oder Krankheit daran gehindert ist (gemeint: sind), für uns selber zu sorgen.“ könnte sich daraus ergeben, dass es sich tatsächlich „nur“ um eine Vollmacht handelt, die die Einrichtung einer Betreuung zu Lebzeiten ersetzen bzw. verhindern soll. Dagegen sprechen jedoch folgende Umstände:
In dem unmittelbar an das oben genannte Zitat anschließenden Satz machen die Vollmachtgeber deutlich, dass es sich dabei nicht um eine Beschränkung der Vollmacht gegenüber Dritten, sondern lediglich um eine Anweisung im Innenverhältnis handeln soll. Der oben wörtlich zitierte Satz muss deshalb so verstanden werden, dass die Vollmacht nach außen unbeschränkt erteilt ist, nach innen aber „erst ab dem Zeitpunkt gelten soll“, wenn die Vollmachtgeber durch Alter oder Krankheit gehindert sein sollten, für sich selber zu sorgen.
Im Gegensatz zu der vom Grundbuchamt benannten Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss v. 17.09.2002, 15 W 338/02 dort Rn. 12 – juris) ist dem Text der hier vorgelegten Vollmachterklärung auch nicht ausdrücklich zu entnehmen, dass ihr Zweck darin besteht, die Bestellung eines Betreuers zu vermeiden. Inhaltlich nimmt die Vollmacht auch ausschließlich Bezug auf vermögensrechtliche Vertretungsfälle, soweit konkretere Vertretungsfälle benannt werden (insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von dem der Entscheidung des OLG München, Beschluss v. 07.07.2014, 34 Wx 265/14, Rn. 11 – juris, bei dem der Schwerpunkt der Bevollmächtigung gerade im persönlichen Bereich lag; vgl. andererseits auch OLG München, Beschluss v. 15.11.2011, 34 Wx 388/11, Rn.11 – juris, das sogar eine als „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“ konzipierte Vollmacht als über den Tod hinaus bestehend angesehen hat).
Aus dem Text der hier vorgelegten Erklärung wird deutlich, dass die Vollmachtgeber mit der Vollmacht ab dem Zeitpunkt, zu dem sie selbst nicht mehr dazu in der Lage waren, vor allem ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten geregelt wissen wollten. Ein besonderer Bezug zu persönlichen Angelegenheiten (z.B. Zustimmungen zu Heilbehandlungen etc.) ist gerade nicht ersichtlich.
Aus diesem Grunde geht der Senat davon aus, dass die Vollmacht so auszulegen ist, dass sie für die im Vordergrund stehenden Vermögensangelegenheiten auch über den Tod hinausgelten sollte, einer Anwendung der Zweifelsregelung in § 672 Abs.1 S.1 BGB bedarf es dazu nicht.
Für das weitere Eintragungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Nach Auffassung des Senats ist die Vollmacht auch nicht dadurch erloschen, dass beide gemeinschaftlich Bevollmächtigte auch gemeinschaftlich Erben des zuletzt verstorbenen Vollmachtgebers geworden sein sollen (anders für den bevollmächtigten Alleinerben: OLG Hamm Beschluss vom 10.01.2013, 15 W 79/12 – FGPrax 2013, 148; differenzierend: OLG München Beschl. v. 31.8.2016 – 34 Wx 273/16 Rn. 18/19 – juris, wie hier: Kammergericht Beschl. v. 2.3.2021 – 1 W 1503/20 Rn. 4/5 – beck-online). Es kann dahingestellt bleiben, ob die Vollmacht tatsächlich wegen Konfusion erlischt, wenn der (die) Bevollmächtigte(n) (Allein-) Erben des Vollmachtgebers werden (so das OLG Hamm a.a.O.). Im Interesse eines reibungslosen Rechtsverkehrs ist die Legitimationswirkung der Vollmacht (§ 172 BGB) in jedem Fall als fortbestehend anzusehen, wenn sie dem bevollmächtigten Erben weitergehende Handlungsmöglichkeiten eröffnet und schutzwürdige Interessen nicht entgegenstehen (vgl. KG a.a.O. Rn.4). So liegt der Fall hier: Mit der beurkundeten Vollmacht über den Tod hinaus haben die Vollmachtgeber die fortgeltende, weitgehende Handlungsvollmacht auch für den Nachlass gegenüber Dritten kundgetan. Die Legitimationswirkung der Vollmachtsurkunde entfällt erst, wenn dem Dritten – in diesem Fall dem Grundbuchamt – bekannt ist bzw. bekannt sein müsste, dass die Bevollmächtigten Erben sind (§ 173 BGB). Dafür genügt allein die Behauptung, Erbe zu sein oder die Vorlage eines handschriftlichen Testaments nicht, weil damit der Erbennachweis nicht zu führen ist. Solange ein Erbschein nicht vorgelegt wird, kann und darf das Grundbuchamt auf die Legitimationswirkung der Vollmacht vertrauen.
Dass grundsätzlich bzw. in diesem Fall schutzwürdige Interessen Dritter der Legitimation der Bevollmächtigten durch die Vollmachturkunde zum Handeln für den Nachlass entgegenstehen, ist nicht erkennbar.
Die Entscheidung über die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren ergeht nach § 21 Abs.1 S.1 GNotKG.