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Zuwiderhandlung gegen eine Pflichtteilsstrafklausel

OLG Köln – Az.: 2 Wx 314/18 und 2 Wx 316/18 – Beschluss vom 27.09.2018

Die Beschwerden der Beteiligten zu 2) vom 16.07.2018 gegen den am 09.07.2018 erlassenen Beschluss des Nachlassgerichts Brühl – 72 VI 69/18 – werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren hat die Beteiligte zu 2) zu tragen.

Gründe

I.

T (im Folgenden: Erblasser) verstarb am xx.10.2017 in L. Der Erblasser war verheiratet mit der vorverstorbenen B. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, die Beteiligte zu 1) F, eine weitere Tochter, M sowie ein Sohn, der bereits im Kindesalter verstorben ist und keine Abkömmlinge hinterließ. Die vorverstorbene Ehefrau des Erblassers hatte aus erster Ehe zwei Töchter, die Beteiligte zu 2) I sowie eine weitere Tochter, D, die am xx.01.2014 verstarb und eine Tochter, S, hinterließ.

Mit gemeinschaftlichem Testament vom 07.10.1999 haben sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Weiter haben sie als Regelung nach dem Tod des Längstlebenden folgendes bestimmt:

“ Nach dem Tode des Längstlebenden von uns sollen unsere vier Kinder D, I, F und M unser Vermögen zu gleichen Teilen erben.

Sollte eines unserer Kinder nach dem Tode des Erstversterbenden vom Überlebenden seinen Pflichtteil fordern, so soll es auch nach dem Tode des Überlebenden auf den Pflichtteil beschränkt bleiben. “ Am 01.02.2001 hat der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) den Erblasser „in der Nachlasssache B“ wie folgt angeschrieben:

„Unsere Mandantin ist eine Tochter der Verstorbenen und kommt deshalb als gesetzliche Erbin in Betracht. Wir gehen davon aus, dass Sie den Nachlass der Verstorbenen in Besitz genommen haben und fordern Sie hiermit auf, Auskunft zu erteilen über den Bestand und den Wert des Nachlasses durch Vorlage eines schriftlichen Verzeichnisses. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns die geschuldete Auskunft bis zum 28.02.2001 erteilen. Sollte die Frist ergebnislos verstreichen, werden wir unserer Mandantin empfehlen, ihre Ansprüche im Klagewege geltend zu machen (Bl. 53 d. BA 72 IV 113/14).“

Mit weiterem Schreiben vom 07.03.2001 (Bl. 33f. d. A.) hat der damalige Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) unter Bezugnahme auf zwei Telefonate ausgeführt:

„Ich gehe davon aus, dass der Wert des Grundstücks mit dem darauf errichteten Bungalow deutlich höher liegt als DM 250.000,00. Für eine Berechnung des Pflichtteilsanspruches meiner Mandantin ist es deshalb erforderlich, ein Sachverständigengutachten zum Wert des Grundstücks zu beauftragen … Ausgehend von den von Ihnen mitgeteilten Wertangaben ergäbe sich ein Pflichtteilsanspruch von rund DM 10.000,00. Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, dass Sie meiner Mandantin ohne dass nunmehr formal ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird, einen Betrag von DM 10.000,00 zahlen und dieser Betrag auf das Erbe meiner Mandantin angerechnet wird. Gleichzeitig würde sich meine Mandantin schon jetzt damit einverstanden erklären, ihren dann im Wege der Erbfolge übertragenen Grundstücksanteil zu veräußern, entweder an die Miterben oder freihändig. Sollten Sie mit diesem Vorschlag einverstanden sein, bitte ich um Überweisung des Betrages … . bis zum 31.03.2001 … .

Anderenfalls wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie bis zum 31.03.2001 ein vollständiges, schriftliches Nachlassverzeichnis mit entsprechenden Wertangaben vorlegen und für den Wert des Grundstücks einen Sachverständigengutachter mit der Wertermittlung beauftragen. Für diesen Fall würde meine Mandantin dann ihr Pflichtteilsrecht in Anspruch nehmen.“

Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 07.03.2001 erklärte sich der Erblasser mit Schreiben vom 14.03.2001 mit dem Vorschlag einverstanden, an seine Stieftochter, die Beteiligte zu 2), den Betrag von 10.000 DM zu zahlen. Der Erblasser überwies unter dem 27.03.2001 auf das Anderkonto des damaligen Verfahrensbevollmächtigten einen Betrag von 10.000 DM, wobei auf dem Überweisungsträger als Verwendungszweck „Pflichtteil I“ angegeben war (Bl. 57 d. BA 72 IV 113/14).

In einem notariellen Einzeltestament vom 01.07.2014 hat der Erblasser zu seinen alleinigen unbeschränkten Erben nur noch die Beteiligte zu 1) sowie seine weitere Tochter M und seine Stiefenkelin S, geborene Y, eingesetzt mit der Begründung, dass er davon ausgehe, aufgrund der Zahlung an die Beteiligte zu 2) nicht mehr an deren Erbeinsetzung gebunden zu sein (Bl. 49 ff. d. BA 72 IV 113/14).

Mit notariellem Antrag vom 02.03.2018 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins, der sie so wie die weitere Tochter des Erblassers, M und die Stiefenkelin des Erblassers, S, geborene Y zu je 1/3 als Erben ausweist, beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Pflichtteilsstrafklausel im Testament vom 07.10.1999 zum Nachteil der Beteiligten zu 2) eingreife, da diese anwaltlich einen Pflichtteilsanspruch am mütterlichen Nachlass geltend gemacht habe.

Demgegenüber hat die Beteiligte zu 2) beantragt, den Erbschein mit der Maßgabe zu erteilen, dass auch sie als Miterbin, d.h. mit einem Anteil von 1/4 ausgewiesen wird und sich darauf berufen, dass gerade kein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht worden sei, wie insbesondere dem Schreiben vom 07.03.2001 zu entnehmen sei.

Mit Beschluss vom 09.07.2018 (Bl. 57 ff. d. A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1) erforderlich sind, für festgestellt erachtet und den Antrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, dass nach dem Sinn und Zweck des gemeinschaftlichen Testaments die Geltendmachung des Pflichtteils ausreichend sei. Dies sei aber mit dem Schreiben vom 07.03.2001 geschehen.

Gegen diesen der Beteiligten zu 2) am 16.07.2018 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 2) mit ihren am 17.07.2018 eingegangenen Beschwerden vom 16.07.2018 (Bl. 72 ff. d. A.), die mit Schriftsätzen vom 29.08.2018 sowie vom 12.09.2018, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens Bezug genommen wird, weiter begründet worden sind (Bl. 102 ff., 128 ff. d. A.). Die Beteiligte zu 2) beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – vom 09.07.2018 aufzuheben, sowie festzustellen, dass sie neben den weiteren Beteiligten des Verfahrens Miterbin geworden ist und einen Erbschein gemäß dieser Feststellung zu erteilen. Weiterhin hat sie die Streitverkündung gegenüber ihrem vormaligen Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt N erklärt (Bl. 78 d. A.).

Durch Beschluss vom 04.09.2018 hat das Nachlassgericht den Beschwerden nicht abgeholfen, die Streitverkündung als unzulässig angesehen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 119 ff. d. A.).

II.

Die gemäß § 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG zulässigen Beschwerden gegen die Feststellung der Voraussetzungen für die Erteilung des von der Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins (2 Wx 314/18) sowie gegen die Zurückweisung des eigenen Erbscheinantrages (2 Wx 316/18) haben in der Sache keinen Erfolg.

Das Nachlassgericht ist zu Recht und mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin nicht als (testamentarischere) Erbin berufen ist, weil die in dem gemeinschaftlichen Testament vom 07.10.1999 enthaltene Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst wurde.

Eine derartige Pflichtteilsklausel ist – wie das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat – eine typische letztwillige Anordnung, durch die gemeinschaftlich testierenden und sich gegenseitig als Erben, ihre Abkömmlinge als Schlusserben einsetzenden Ehegatten sicherstellen wollen, dass dem Überlebenden bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt und er nicht durch das Pflichtteilsverlangen eines Schlusserben gestört wird. Eine derartige Klausel verfolgt das rechtlich nicht zu beanstandende Ziel, den Nachlass zunächst dem überlebenden Ehegatten ungeschmälert zukommen zu lassen. Im Zusammenhang mit der Schlusserbenregelung soll die Verwirkungsklausel auch das Interesse der Ehepartner, insbesondere des Erstversterbenden daran sichern, dass nicht einer der Abkömmlinge bei der Verteilung des Gesamtnachlasses bevorteilt wird (vgl. OLG München, Beschluss v. 29.1.2008, 31 Wx 68/07; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 18.7.2011, 3 Wx 124/11).

Eine Zuwiderhandlung liegt daher nach herrschender Meinung bereits vor, wenn der Pflichtteil bewusst und ernsthaft in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklauseln geltend gemacht wird (vgl. hierzu Birkenheier in Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 2317 Rdn. 37 mwN.).

Ein solches ernsthaftes Verlangen des Pflichtteils gegenüber dem Erblasser hat das Nachlassgericht zu Recht in den Schreiben des vormaligen Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) vom 01.02.2001 sowie 07.03.2001 und der nachfolgenden Überweisung des geforderten Betrages gesehen. Den Schreiben ist die hierfür erforderliche Intensität beizumessen. Denn insbesondere mit Schreiben vom 07.03.2001 ist der Erblasser darauf hingewiesen worden, dass er für den Fall der Nichtzahlung mit einer Inanspruchnahme rechnen müsse. Damit war nach der Einschätzung eines objektiven Empfängers die erhobene Forderung jedoch geeignet, den überlebenden Ehegatten Belastungen auszusetzen, vor denen er durch die Verwirkungsklausel gerade geschützt werden sollte (vgl. hierzu auch OLG München a.a.O.). Insofern ist die Einschätzung des Absenders unerheblich, so dass zu Recht eine Anhörung des als Zeugen benannten Rechtsanwaltes unterblieben ist.

Die erfolgreiche, womöglich gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs ist im Übrigen auch nicht erforderlich, um die Sanktion auszulösen (vgl. Birkenheier a.a.O.), so dass es ebenso unerheblich ist, ob und in welcher Höhe der Pflichtteilsanspruch objektiv bestanden hat und ob die Zahlung auf den Pflichtteil erfolgte.

Schließlich ist das Amtsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Streitverkündung, wie sie die Beschwerdeführerin für geboten erachtet, vorliegend ausgeschlossen ist. Eine Heranziehung von Bestimmungen der Zivilprozessordnung kommt – zur Ausfüllung von Lücken in den Verfahrensvorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit – in Betracht, wenn dies entweder ausdrücklich vorgeschrieben ist oder aber in den so genannten echten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die in ihrer privatrechtlichen Ausgestaltung dem Zivilprozess stark ähneln (vgl. BayObLG, Beschluss v. 11.01.1980, BReg 2 Z 70/79; Keidel/Engelhardt, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 45 Rn. 29). Das Erbscheinsverfahren ist jedoch kein solches Streitverfahren.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass Rechtsanwalt N auch nicht zu den in§ 345 Abs. 1 FamFG aufgeführten Beteiligten zählt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG). Ein Rechtsmittel gegen diesen Beschluss ist daher nicht gegeben.

Geschäftswert der Beschwerdeverfahren: bis 125.000 EUR (vgl. Bl. 66, 67 d. A.).

 

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