Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Zwangsgeld für Erben: Konsequenzen bei fehlendem Nachlassverzeichnis
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was ist ein notarielles Nachlassverzeichnis und wann muss es erstellt werden?
- Welche Konsequenzen drohen bei Nichtvorlage des Nachlassverzeichnisses?
- Wie hoch kann ein Zwangsgeld bei Nichtvorlage des Nachlassverzeichnisses ausfallen?
- Welche Fristen gelten für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses?
- Wie kann man sich gegen ein verhängtes Zwangsgeld rechtlich wehren?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
- Datum: 08.08.2023
- Aktenzeichen: 19 W 4/23
- Verfahrensart: Sofortige Beschwerde im Zwangsvollstreckungsverfahren
- Rechtsbereiche: Zwangsvollstreckungsrecht, Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Gläubiger: Partei, die die Einhaltung der Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Wertermittlung des Nachlasses fordert. Die Argumentation des Gläubigers stützt sich darauf, dass die Schuldnerin ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen ist und keine ausreichenden Anstrengungen unternommen hat, um die Mitwirkung des Notars oder die Erstellung eines korrekten Gutachtens zu erlangen.
- Schuldnerin: Erbin, die zur Auskunftserteilung und Wertermittlung verpflichtet ist. Die Schuldnerin behauptete, alles Erforderliche getan zu haben und die Schuld bei Dritten zu suchen, insbesondere beim Notar, der nicht ausreichend tätig geworden sei. Ihre Argumentation wurde jedoch im Verfahren nicht als ausreichend angesehen.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Schuldnerin war verpflichtet, Auskunft über den Nachlass zu erteilen und den Wert einer Immobilie zu ermitteln. Dies sollte durch notariell beurkundete Verzeichnisse und ein Sachverständigengutachten geschehen. Die Schuldnerin gibt an, dass sie alles nötige zur Erfüllung getan habe und die Verzögerung nicht ihrer Verantwortung unterliege.
- Kern des Rechtsstreits: Die Frage war, ob die Schuldnerin alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um die Mitwirkung des Notars zu erlangen und ob das eingereichte Gutachten für die Wertermittlung den an sie gestellten qualitativen Anforderungen genügt.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000 € wurde gegen die Schuldnerin verhängt, ersatzweise Zwangshaft für den Fall der Nichtbezahlung festgesetzt.
- Begründung: Die Schuldnerin hat nicht in ausreichender Weise dargelegt, dass sie alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung des Notars zur Erstellung der Nachlassverzeichnisse zu erlangen. Zudem wurde das vorgelegte Sachverständigengutachten als nicht erfüllungstauglich bewertet, da es von falschen planungsrechtlichen Voraussetzungen ausging.
- Folgen: Die Schuldnerin muss das Zwangsgeld zahlen, andernfalls droht Zwangshaft. Sie trägt die Kosten des Verfahrens. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen, was das Urteil rechtskräftig macht.
Zwangsgeld für Erben: Konsequenzen bei fehlendem Nachlassverzeichnis
Im Nachlassrecht sind Erben an zahlreiche Pflichten gebunden, um sicherzustellen, dass der Nachlass ordnungsgemäß verwaltet wird. Eine dieser wichtigen Pflichten ist die Vorlage eines notariell beglaubigten Nachlassverzeichnisses. Dieses Verzeichnis listet alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen detailliert auf und bildet die Grundlage für die Ermittlung des Erbes sowie die korrekte Beurteilung der Erbschaftssteuer. Kommen Erben dieser Pflicht nicht nach, können sie mit Rechtsfolgen wie der Verhängung von Zwangsgeld rechnen.
Die Einhaltung solcher rechtlichen Anforderungen ist nicht nur für die Nachlasspflege von Bedeutung, sondern schützt auch die Interessen aller Beteiligten. Ein konkreter Fall, der die Zwangsgeldverhängung wegen Nichtvorlage eines Nachlassverzeichnisses behandelt, verdeutlicht die Konsequenzen, die aus der Missachtung dieser Regelungen entstehen können.
Der Fall vor Gericht
Pflichtteils-Streit: OLG Stuttgart bekräftigt Auskunftspflichten der Erbin
Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Beschluss die Rechte von Pflichtteilsberechtigten bei der Durchsetzung ihrer Auskunftsansprüche gestärkt. Die Richter verpflichteten eine Erbin zur Zahlung eines Zwangsgeldes von 3.000 Euro, weil sie ihren Auskunftspflichten nicht ausreichend nachgekommen war.
Notarielle Beurkundung und korrekte Wertermittlung erforderlich
Die Erbin hatte weder für den Nachlass ihrer 2020 verstorbenen Mutter noch für den ihres 2016 verstorbenen Vaters ein notariell beurkundetes Verzeichnis vorgelegt. Das Gericht stellte klar, dass die Erbin nicht ausreichend dargelegt hatte, welche konkreten Schritte sie zur Erstellung der Nachlassverzeichnisse unternommen hatte. Die bloße Behauptung, keinen Einfluss auf die Bearbeitungsdauer beim Notariat zu haben, ließ das Gericht nicht gelten. Die Erbin hätte insbesondere die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde nach der Bundesnotarordnung nutzen können.
Unzureichende Immobilienbewertung
Besonders kritisch bewertete das Gericht den Umgang der Erbin mit der Wertermittlung einer Nachlassimmobilie. Das vorgelegte Sachverständigengutachten basierte auf falschen planungsrechtlichen Annahmen. Die Gutachterin hatte einen bestehenden Bestandsschutz für die dauerhafte Wohnnutzung nicht berücksichtigt. Das Gericht sah darin einen grundlegenden Fehler, der das Gutachten für die Pflichtteilsberechnung unbrauchbar machte.
Mitwirkungspflichten der Erbin missachtet
Die Erbin hatte nach Auffassung des Gerichts ihre Mitwirkungspflichten bei der Begutachtung verletzt. Sie hätte die Sachverständige über die besondere planungsrechtliche Situation der Immobilie informieren müssen. Stattdessen wurden wichtige Informationen bewusst zurückgehalten – vermutlich in der Erwartung einer niedrigeren Bewertung.
Zwangsgeld zur Willensbeugung
Das verhängte Zwangsgeld von 3.000 Euro soll den Willen der Erbin beugen, ihre Pflichten zu erfüllen. Das Gericht setzte es bewusst höher an als üblich, weil die Erbin erkennbar eine zutreffende Bewertung der Immobilie zu vermeiden suchte. Für den Fall der Nichtbeitreibung des Zwangsgeldes ordnete das Gericht Ersatzzwangshaft an.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stärkt die Position von Pflichtteilsberechtigten bei der Durchsetzung ihrer Auskunftsansprüche. Erben können sich nicht darauf zurückziehen, keinen Einfluss auf die Arbeit von Notaren oder Sachverständigen zu haben. Sie müssen aktiv alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um die geforderten Auskünfte und Gutachten zu beschaffen. Besonders wichtig ist die Klarstellung, dass Erben bei Wertgutachten für Immobilien alle relevanten Informationen bereitstellen müssen, damit eine korrekte Bewertung erfolgen kann.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Erbe zur Auskunft über einen Nachlass verpflichtet sind, müssen Sie sich aktiv um die Erfüllung dieser Pflicht bemühen. Es reicht nicht aus, einen Notar zu beauftragen und dann passiv abzuwarten. Bei Verzögerungen müssen Sie nachhaken und notfalls rechtliche Schritte gegen untätige Notare einleiten. Bei der Erstellung von Wertgutachten für Immobilien sind Sie verpflichtet, dem Sachverständigen alle wichtigen Informationen zur Verfügung zu stellen – etwa zu bestehendem Baurecht oder Nutzungsmöglichkeiten. Verheimlichen Sie relevante Fakten oder verzögern Sie die Auskunft absichtlich, drohen empfindliche Zwangsgelder. Als Pflichtteilsberechtigter haben Sie dagegen Anspruch auf vollständige und korrekte Auskünfte, um Ihre Ansprüche berechnen zu können.
Benötigen Sie Hilfe?
Die rechtskonforme Erfüllung von Auskunftspflichten im Erbfall erfordert heute ein hohes Maß an Sorgfalt und aktives Handeln. Unsere erfahrenen Anwälte begleiten Sie bei allen Fragen rund um die korrekte Bewertung von Nachlassvermögen und helfen Ihnen, eventuelle Haftungsrisiken zu vermeiden. In einem persönlichen Gespräch analysieren wir Ihre individuelle Situation und entwickeln eine maßgeschneiderte Strategie. ✅ Jetzt Kontakt aufnehmen!
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist ein notarielles Nachlassverzeichnis und wann muss es erstellt werden?
Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist ein von einem Notar erstelltes amtliches Dokument, das den gesamten Nachlass einer verstorbenen Person detailliert erfasst. Es enthält eine vollständige Aufstellung aller Vermögenswerte (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva) zum Zeitpunkt des Todes.
Gesetzliche Grundlage und Pflicht zur Erstellung
Die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses wird erforderlich, wenn ein Pflichtteilsberechtigter dies gemäß § 2314 BGB vom Erben verlangt. Der Pflichtteilsberechtigte hat dabei die Wahl zwischen einem privaten und einem notariellen Nachlassverzeichnis.
Inhalt und Umfang
Der Notar muss bei der Erstellung folgende Elemente erfassen:
- Persönliche Daten des Erblassers (Name, letzter Wohnsitz, Geburts- und Sterbedatum)
- Güterstand bei verheirateten Erblassern
- Vollständige Vermögensaufstellung einschließlich Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere und Hausrat
- Sämtliche Verbindlichkeiten zum Todeszeitpunkt
Besonderheiten der notariellen Erstellung
Der Notar trägt die eigenständige Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit des Verzeichnisses. Er muss aktiv eigene Ermittlungen durchführen und darf sich nicht ausschließlich auf die Angaben der Erben verlassen. Dazu gehören beispielsweise:
- Einholung von Bankauskünften
- Überprüfung von Grundbucheinträgen
- Eigenständige Bewertung von Vermögensgegenständen
Die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses dauert in der Regel drei bis vier Monate, bei komplexen Nachlässen auch länger. Die Kosten richten sich nach dem Wert des Nachlasses und werden nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) berechnet.
Welche Konsequenzen drohen bei Nichtvorlage des Nachlassverzeichnisses?
Bei Nichtvorlage oder unzureichender Vorlage eines Nachlassverzeichnisses können die Gerichte verschiedene Zwangsmaßnahmen gegen den Erben verhängen.
Zwangsgeld als primäre Maßnahme
Das Gericht kann gemäß § 888 ZPO ein Zwangsgeld gegen den Erben festsetzen, um die Vorlage eines ordnungsgemäßen Nachlassverzeichnisses durchzusetzen. Die Höhe des Zwangsgeldes wird nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt und kann beispielsweise 1.400 Euro betragen.
Verschärfte Maßnahmen bei anhaltender Verweigerung
Bleibt der Erbe weiterhin untätig, kann das Gericht die zwangsweise Aufnahme des Nachlassverzeichnisses durch einen Gerichtsvollzieher anordnen. Die dabei entstehenden Kosten muss der Erbe tragen.
Strafrechtliche Konsequenzen
Ein unvollständiges oder falsches Nachlassverzeichnis kann auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen:
- Steuerhinterziehung nach § 370 Abgabenordnung bei falschen Angaben gegenüber dem Finanzamt
- Urkundenfälschung nach § 267 StGB bei Vorlage eines unrichtigen Verzeichnisses
- Betrug nach § 263 StGB bei bewusster Täuschung über den Nachlassbestand
Weitere rechtliche Folgen
Die Nichtvorlage oder mangelhafte Erstellung des Verzeichnisses hat zusätzliche Konsequenzen:
- Der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gilt als nicht erfüllt
- Es können Verzugszinsen und Schadensersatzforderungen entstehen
- Als letzte Konsequenz kann das Gericht Ordnungshaft gegen den Erben verhängen
Wie hoch kann ein Zwangsgeld bei Nichtvorlage des Nachlassverzeichnisses ausfallen?
Das Zwangsgeld bei Nichtvorlage eines Nachlassverzeichnisses kann bis zu 25.000 Euro pro Einzelfestsetzung betragen. Diese Obergrenze gilt dabei für jede einzelne Zwangsgeldfestsetzung und nicht für die Gesamtsumme aller festgesetzten Zwangsgelder.
Festsetzung und Vollstreckung
Die konkrete Höhe des Zwangsgeldes liegt im Ermessen des Vollstreckungsgerichts. Wenn der Erbe auch nach Beitreibung des ersten Zwangsgeldes seiner Verpflichtung nicht nachkommt, kann das Gericht wiederholt neue Zwangsgelder in dieser Höhe festsetzen. Das bedeutet, dass sich die Gesamtbelastung durch mehrfache Festsetzungen deutlich über 25.000 Euro summieren kann.
Verwendung der Zwangsgelder
Die festgesetzten Zwangsgelder fließen in die Staatskasse und nicht an den Pflichtteilsberechtigten. Der Gerichtsvollzieher treibt das Zwangsgeld beim Erben ein, wenn dieser die geforderte Auskunft nicht erteilt.
Besonderheiten bei notariellen Nachlassverzeichnissen
Bei der Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses können Zwangsgelder auch dann festgesetzt werden, wenn das vorgelegte Verzeichnis unvollständig ist oder nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Ein fehlerhaftes oder unvollständiges Nachlassverzeichnis gilt als nicht erfüllte Auskunftspflicht, weshalb das Gericht auch in diesen Fällen Zwangsgelder verhängen kann.
Welche Fristen gelten für die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses?
Bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses gelten unterschiedliche Fristen, je nachdem wer das Verzeichnis anfordert und um welche Art es sich handelt.
Fristen bei privatem Nachlassverzeichnis
Wenn ein Pflichtteilsberechtigter ein privates Nachlassverzeichnis anfordert, ist eine Frist von etwa sechs Wochen als angemessen anzusehen. Diese Frist kann je nach Umfang und Komplexität des Nachlasses variieren.
Fristen bei notariellem Nachlassverzeichnis
Für ein notarielles Nachlassverzeichnis gilt eine längere Frist von drei bis vier Monaten. In der Praxis kann die Erstellung auch deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen, besonders bei komplexen Nachlässen oder hoher Auslastung des Notars.
Besondere Fristsetzung durch Nachlassgläubiger
Fordert ein Nachlassgläubiger ein Nachlassverzeichnis, setzt das Nachlassgericht eine Frist von maximal drei Monaten. Der Erbe kann vor Fristablauf eine Verlängerung beantragen. Versäumt der Erbe diese Frist, haftet er mit seinem Privatvermögen für die Nachlassverbindlichkeiten.
Doppelte Fristsetzung bei notariellem Verzeichnis
Bei der Anforderung eines notariellen Nachlassverzeichnisses empfiehlt sich eine zweistufige Fristsetzung:
Eine erste Frist von zwei Wochen für die Beauftragung eines Notars und den Nachweis dieser Beauftragung. Anschließend eine zweite Frist von bis zu sechs Monaten für die tatsächliche Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses.
Wie kann man sich gegen ein verhängtes Zwangsgeld rechtlich wehren?
Gegen ein verhängtes Zwangsgeld stehen Ihnen verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung, die sich nach der Art des Zwangsgeldes richten.
Rechtsmittel bei Verwaltungszwangsgeld
Bei einem Zwangsgeld durch eine Behörde können Sie sowohl gegen die Androhung als auch gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes vorgehen. Die Androhung und Festsetzung sind jeweils eigenständige Verwaltungsakte. Sie können zunächst Einspruch einlegen und anschließend eine Anfechtungsklage erheben.
Rechtsmittel bei gerichtlichem Zwangsgeld
Wenn ein Gericht ein Zwangsgeld verhängt hat, können Sie die sofortige Beschwerde einlegen. Der Zwangsgeldbeschluss stellt einen eigenen Zahlungstitel dar, gegen den Sie sich mit den allgemeinen zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsmitteln wehren können.
Aussetzung der Vollziehung
Ein wichtiger Aspekt ist, dass die Einlegung eines Rechtsmittels grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung hat. Sie können jedoch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellen. Dieser sollte zeitgleich mit dem Einspruch eingereicht werden, um die Vollstreckung des Zwangsgeldes vorläufig zu stoppen.
Beendigung durch Erfüllung
Besonders wichtig: Wenn Sie die ursprüngliche Verpflichtung erfüllen, muss das Zwangsmittelverfahren eingestellt werden. Im Fall eines notariellen Nachlassverzeichnisses bedeutet dies: Sobald Sie das Verzeichnis ordnungsgemäß vorlegen, entfällt die Grundlage für das Zwangsgeld.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Nachlassverzeichnis
Ein Nachlassverzeichnis ist eine detaillierte Aufstellung aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen zum Zeitpunkt des Todes. Es muss von einem Notar beglaubigt werden und dient als Grundlage für die Berechnung von Pflichtteilen und Erbschaftssteuer. Gemäß § 2314 BGB sind Erben verpflichtet, dieses Verzeichnis auf Verlangen vorzulegen. Ein typisches Nachlassverzeichnis enthält Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, aber auch Schulden und Verbindlichkeiten. Die Nichtvorlage kann zu Zwangsmaßnahmen führen.
Pflichtteilsberechtigter
Pflichtteilsberechtigte sind gesetzlich geschützte Personen, die auch dann einen Mindestanteil am Nachlass erhalten, wenn sie im Testament enterbt wurden. Nach § 2303 BGB sind dies vor allem Ehepartner, Kinder und bei kinderlosem Erblasser auch die Eltern. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbanteils und wird als Geldforderung geltend gemacht. Beispiel: Enterbt ein Vater sein Kind, steht diesem trotzdem die Hälfte des gesetzlichen Erbes zu.
Notarielle Beurkundung
Die notarielle Beurkundung ist ein formeller Rechtsakt, bei dem ein Notar als unabhängiger Amtsträger die Echtheit und Richtigkeit von Dokumenten oder Erklärungen bezeugt. Geregelt in § 8 Beurkundungsgesetz (BeurkG) dient sie der Rechtssicherheit und dem Beweis. Der Notar prüft dabei Identität und Geschäftsfähigkeit der Beteiligten, berät sie und dokumentiert den Vorgang in einer Urkunde. Bei Nachlassverzeichnissen ist sie zwingend erforderlich.
Dienstaufsichtsbeschwerde
Eine Dienstaufsichtsbeschwerde ist ein formloser Rechtsbehelf gegen das Verhalten von Amtsträgern, hier speziell von Notaren nach der Bundesnotarordnung. Sie kann bei der zuständigen Aufsichtsbehörde eingereicht werden, wenn sich ein Notar pflichtwidrig verhält, etwa durch überlange Bearbeitungszeiten. Die Beschwerde führt zu einer Überprüfung des Verhaltens und kann Maßnahmen gegen den Notar auslösen.
Ersatzzwangshaft
Die Ersatzzwangshaft ist ein Zwangsmittel, das angeordnet werden kann, wenn ein Zwangsgeld nicht beigetrieben werden kann oder dies aussichtslos erscheint. Geregelt in § 901 ZPO dient sie dazu, den Willen des Betroffenen zu beugen, bestimmte Pflichten zu erfüllen. Die Dauer wird vom Gericht festgelegt und kann mehrere Tage oder Wochen betragen. Sie ist von der Strafhaft zu unterscheiden und dient nicht der Bestrafung.
Bestandsschutz
Der Bestandsschutz im Baurecht bezeichnet das Recht, ein Gebäude in seiner bestehenden Form und Nutzung weiterzuführen, auch wenn es nach aktuellen Vorschriften so nicht mehr genehmigt würde. Geregelt in § 35 BauGB sichert er zum Beispiel die Wohnnutzung einer Immobilie, auch wenn das Gebiet später anders ausgewiesen wird. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf den Verkehrswert einer Immobilie haben.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 888 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Zwangsvollstreckung und die Anwendung von Zwangsmitteln, wenn der Schuldner eine geschuldete Handlung nicht vornimmt. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, die Durchsetzung von Ansprüchen zu sichern, indem sie es Gläubigern ermöglicht, unter bestimmten Voraussetzungen Zwangsgelder oder Zwangshaft anzuordnen. Im vorliegenden Fall wurde dem Schuldner ein Zwangsgeld wegen der Nichtvornahme notwendiger Auskünfte im Zusammenhang mit Nachlässen auferlegt, was die Anwendung dieses Paragraphen rechtfertigt.
- § 793 ZPO: Dieser Paragraph beschreibt das Verfahren zur Einlegung der sofortigen Beschwerde bei einem Beschluss des Gerichts. Es gewährleistet, dass Parteien gegen eine Entscheidung des ersten Gerichts rechtlich vorgehen können, was für die Wahrung der Rechte des Gläubigers von Bedeutung ist. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers wurde hier als statthaft und zulässig erachtet, was zur Korrektur des ersten Urteils führte.
- § 2314 BGB: Dieser Paragraph betrifft die Verpflichtungen von Erben hinsichtlich des Nachlasses und verpflichtet diese zur Auskunftserteilung über den Bestand des Erbes. Die Vorschrift dient dem Schutz der Gläubiger, da sie sicherstellen soll, dass nach einem Erbfall alle relevanten Informationen über die Vermögenswerte bereitgestellt werden. Im aktuellen Fall wurde festgestellt, dass die Schuldnerin ihren Auskunftspflichten nicht nachgekommen ist, was den Erlass des Zwangsgeldes zur Folge hatte.
- OLG Stuttgart – Az.: 19 W 4/23 (Orientierungssatz 1): Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart präzisiert, dass eine unvertretbare Handlung nur dann nicht vollstreckt werden kann, wenn der Schuldner nachweisen kann, dass er alle Möglichkeiten zur Erfüllung seiner Pflichten ausgeschöpft hat. Dies ist besonders relevant, da die Schuldnerin im Streitfall nicht darlegen konnte, dass sie alles unternommen hat, um die notwendigen Auskünfte zu erlangen, was die Grundlage für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen bildet.
- § 887 ZPO: Dieser Paragraph regelt die Durchsetzung von Vollstreckungstiteln und sieht vor, dass der Schuldner im Vollstreckungsverfahren mit Einwänden gehört werden kann, insbesondere wenn er behauptet, die Pflicht sei bereits erfüllt. Die Anwendung dieses Paragraphen im vorliegenden Fall zeigt, dass die Schuldnerin nicht erfolgreich argumentieren konnte, dass ihre Verpflichtungen erfüllt wurden, was zur Festsetzung des Zwangsgeldes führte.
Das vorliegende Urteil
OLG Stuttgart – Az.: 19 W 4/23 – Beschluss vom 08.08.2023
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.