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Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers infolge medikamentöser Schmerztherapie

OLG Brandenburg – Az.: 3 W 49/13 – Beschluss vom 13.01.2014

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 15.07.2013 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 2.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 16.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Mit handschriftlichem Testament vom 21.08.2011 setzte der Erblasser die Antragstellerin, seine Schwester, als Alleinerbin ein. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Erblasser nach einer schweren Darmkrebsoperation zur Rehabilitation in der Klinik am W… in B…. Dort wurde eine palliative Chemotherapie durchgeführt. Ferner erfolgte eine medikamentöse Schmerztherapie.

Im vorliegenden Verfahren beantragt die Antragstellerin, ihr aufgrund des Testamentes vom 21.08.2011 einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist.

Der Beteiligte zu 2. wendet sich gegen die Ausstellung des beantragten Erbscheins. Er hegt aufgrund der Behandlung des Erblassers mit Schmerzmitteln Zweifel an dessen Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Abfassung des Testamentes vom 21.08.2011.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet.

Zur Begründung hat es ausgeführt, es bestünden keine konkreten Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers, die Anlass zu weiteren Nachforschungen gäben. Dass der Erblasser mit Schmerzmitteln behandelt worden sei, reiche hierfür angesichts der Stellungnahme der Klinik vom 26.06.2013, nach der der Erblasser bis zum 24.08.2011 voll orientiert gewesen sei, nicht aus. Ein Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens bestehe deshalb nicht.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 2. mit seiner Beschwerde.

Er meint, aus der Behandlung mit den Schmerzmitteln Fentanyl und Pethidin, die unter anderem zu einer Beeinträchtigung der Wahrnehmungsfähigkeit und zu einer Bewusstseinstrübung führe, ergebe sich ein hinreichender Anhaltspunkt für die Testierunfähigkeit des Erblassers, so dass die Einholung eines psychiatrischen oder neurologischen Gutachtens erforderlich sei.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem erkennenden Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß §§ 38, 58 ff FamFG zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2. hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Erblasser hat die Beteiligte zu 1) durch das handschriftliche Testament vom 21.08.2011 wirksam zur Alleinerbin eingesetzt.

Die genannte letztwillige Verfügung war nicht wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam.

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Maßgebend ist die Fähigkeit des Testierenden, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Willensentschließung von eigenständigen Erwägungen leiten zu lassen (BayOLG Beschluss vom 18.02.2003, 1 Z BR 136/02; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2012, I-3 Wx 273/11,3, FamRZ 2013, 159).

Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewissheit des Gerichts nachgewiesen ist. Die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit eines Erblassers trifft deshalb grundsätzlich denjenigen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (BayOLG, Beschluss vom 07.09.2004, 1 ZBR 073/04, 1 Z, FamRZ 2005, 555).

Im Erbscheinsverfahren verlangt die Klärung der im Wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit eines Erblassers gegeben waren, vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu überprüfen. Ergeben sich aus objektivierbaren Tatsachen oder Hilfstatsachen herzuleitende Zweifel an der Testierfähigkeit bei Testamentserrichtung sind diese regelmäßig durch Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären (BayOLG, FamRZ 2005, 555; BayOLG, Beschluss vom 18.02.2003, 1 Z BR 136/02; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2229 Rn 11, 12).

Dies zugrunde gelegt lässt sich vorliegend nicht feststellen, dass der Erblasser am 21.08.2011 testierunfähig gewesen ist.

Die den Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung behandelnden Ärzte der Klinik am W… haben in ihrer Stellungnahme vom 26.06.2013 dargelegt, dass der Erblasser am 21.08.2011 im Rahmen der medikamentösen Schmerztherapie mit Fentanyl-Pflastern, Ibuprofen, Metamizol und Pethidin behandelt worden sei, diese Behandlung aber nicht zu einer Bewusstseinstrübung geführt habe. Der Erblasser habe sich zwar in einem reduzierten Allgemeinzustand und reduziertem Ernährungszustand befunden, sei aber zu Ort, Person und Zeit voll orientiert gewesen.

Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass entgegen dieser Einschätzungen derjenigen Personen, die im fraglichen Zeitpunkt unmittelbar Kontakt mit dem Erblasser hatten, dieser sich zu diesem Zeitpunkt aufgrund der medikamentösen Behandlung nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befunden hat, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung nicht mehr erkennen und sich bei seiner Willensentschließung nicht mehr von eigenständigen Erwägungen leiten lassen konnte, so dass Anlass für weitere Ermittlungen bestünden, sind nicht ersichtlich und werden vom Beschwerdeführer auch nicht aufgezeigt. Der Beschwerdeführer hatte keinen Kontakt zum Erblasser und diesen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht persönlich erlebt. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, dass solche Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten bei dem Erblasser konkret in Erscheinung getreten seien.

Soweit der Beschwerdeführer sich darauf beruft, bereits daraus, dass der Erblasser im Testament seinen, des Beschwerdeführers, zweiten Vornamen fälschlicherweise mit J… statt mit R… angegeben habe, ergebe sich, dass er nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte hätte gewesen sein können, kann dem nicht gefolgt werden. Der Erblasser gibt seine vier Geschwister im Wesentlichen korrekt mit Vornamen, Namen und Geburtsnamen an. Wenn ihm hierbei allein bei dem zweiten Vornamen des Beschwerdeführers ein Fehler unterlaufen ist, lässt dies keine Rückschlüsse auf eine Einschränkung der Testierfähigkeit zu. Auch dass er die Lebensgefährtin Frau Ki… im Testament nicht erwähnt hat, obwohl er sie finanziell habe bedenken wollen, bietet keinen Anlass für Zweifel an der Testierfähigkeit. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass die Unterstützung der Lebensgefährtin aus der Erbmasse mit dem Erblasser in einem persönlichen Gespräch vereinbart worden sei und sie diese Vereinbarung auch einhalten werde, so dass es durchaus plausibel ist, dass der Erblasser die Lebensgefährtin nicht ausdrücklich im Testamten bedacht hat.

Die vom Beschwerdeführer angeführten Zweifel beruhen letztlich allein auf dessen Vermutung, die bei der Verabreichung der genannten Medikamente beschriebenen und möglichen Nebenwirkungen hätten beim Erblasser zu einer Bewusstseinstrübung solchen Ausmaßes geführt, dass er nicht mehr testierfähig gewesen sei. Allein die theoretische Möglichkeit, dass eine Schmerztherapie mit den genannten Mitteln bei entsprechender Dosierung dazu führen kann, dass die Wahrnehmung eines Patienten so beeinträchtigt ist, dass er die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung nicht mehr erkennen kann, bietet aber angesichts der insoweit eindeutigen Stellungnahme der den Erblasser behandelnden Ärzte keinen Grund zu der Annahme, dass auch bei ihm eine solche Bewusstseinsstörung vorgelegen hat. Insoweit besteht ohne Beschreibung von konkreten, gegen die Testierfähigkeit sprechenden Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten des Erblassers zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes kein Anlass für weitere Ermittlungen, insbesondere gebietet es der Amtsermittlungs-grundsatz vorliegend nicht, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Von einem solchen Gutachten sind ohne weitere Anhaltspunkte keine Erkenntnisse über die Testierfähigkeit des Erblassers bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt zu erwarten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 131Abs. 4, 30 Abs. 1 KostO.

 

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