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Erbvertrag – Verfügungsbefugnis des Erblassers über sein Vermögen

Ein Geschwisterstreit um ein Erbe eskaliert vor Gericht: Eine Tochter fordert ausstehende Ratenzahlungen für ein Grundstück, das die verstorbene Mutter ihrem Bruder verkauft hatte. Doch ein nachträglicher Erlass der Mutter sorgt für Zündstoff und stellt die Richter vor eine schwierige Entscheidung. Kann die Tochter ihr Erbe einklagen oder war die Mutter in ihrem Recht, ihrem Sohn die Schulden zu erlassen?

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Fall betrifft die Klage einer Tochter auf Zahlung rückständiger Raten aus einem Grundstückskaufvertrag nach dem Tod ihrer Mutter.
  • Der Beklagte und die Klägerin sind Geschwister, deren Mutter hatte den Kaufvertrag 2014 abgeschlossen.
  • Der Vertrag sah eine zinslose Stundung des Kaufpreises vor, die Beklagte zahlte jedoch nur bis Ende 2016.
  • Im Erbvertrag wurde ein Vermächtnis angeordnet, welches einen Erlass der zukünftigen Zahlungen vorsah, jedoch keine Rückstände berücksichtigte.
  • Die Mutter faktisch erklärte 2021 ihren Verzicht auf die zukünftigen Zahlungen des Beklagten.
  • Das Landgericht wies die Klage der Klägerin ab und erkannte keinen Zahlungsanspruch.
  • Die Entscheidung bemängelte, dass die Klägerin trotz ihres Erbenstatus keinen Anspruch auf die rückständigen Zahlungen geltend machen konnte.
  • Das Gericht stellte fest, dass der Erlass der Kaufpreisschuld durch die Erblasserin rechtlich nicht auf die rückständigen Tilgungsbeträge angewendet werden konnte.
  • Für die Klägerin ergeben sich aus der Entscheidung keine Ansprüche auf die geforderten Zahlungen.
  • Die Entscheidung verdeutlicht, dass Vermächtnisse und Erbschaften klare Bedingungen für die Zahlung von Schulden haben müssen, um durchsetzbar zu sein.

Erbvertrag im Fokus: Sicherheit und Planung in der Nachlassregelung

Der Erbvertrag ist ein zentrales Element im Erbschaftsrecht und ermöglicht es dem Erblasser, bereits zu Lebzeiten verbindliche Regelungen über die Verteilung seines Vermögens nach dem Tod zu treffen. Im Gegensatz zu einem Testament, das flexibler gestaltet werden kann und jederzeit geändert werden kann, bietet der Erbvertrag eine höhere rechtliche Sicherheit, da er in der Regel nur durch eine einvernehmliche Vereinbarung der Beteiligten geändert werden kann. Dies schafft eine klare Verfügungsbefugnis für den Erblasser und gibt den Erben Planungssicherheit hinsichtlich ihres künftigen Erbes.

Bei der Nachlassplanung spielt der Erbvertrag eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn es um die gesetzliche Erbfolge oder die Regelung von Pflichtteilen geht. Durch gezielte Vermögensübertragungen kann der Erblasser sicherstellen, dass sein Nachlass gemäß seinen Wünschen verteilt wird, was auch Enterbungen oder spezielle Auflagen umfasst. Die rechtliche Absicherung solcher Vereinbarungen ist förderlich, um späteren Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft vorzubeugen.

Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der die Bedeutung des Erbvertrags und seine Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis des Erblassers widerspiegelt.

Der Fall vor Gericht


Erbvertrag und Kaufpreiserlass: Gericht weist Klage auf Ratenzahlung ab

Erbvertrag und Nachlassregelung
Der Erbvertrag ermöglicht dem Erblasser verbindliche Regelungen zur Vermögensverteilung nach dem Tod, während er zu Lebzeiten über sein Vermögen frei verfügen kann. (Symbolfoto: Ideogram gen.)

Ein Gerichtsfall zwischen Geschwistern um rückständige Raten aus einem Grundstückskaufvertrag wurde zugunsten des beklagten Bruders entschieden. Die Klägerin, als Alleinerbin ihrer verstorbenen Mutter, forderte die Zahlung von 6.000 Euro für drei ausstehende Monatsraten aus dem Jahr 2019.

Hintergrund des Rechtsstreits

Die Mutter der Parteien hatte 2014 ihr Grundstück für 300.000 Euro an den Sohn verkauft, mit einer Ratenzahlungsvereinbarung von 2.000 Euro monatlich. In einem späteren Erbvertrag wurde festgelegt, dass die Tochter Alleinerbin werden sollte. Zudem wurde ein Vermächtnis angeordnet, das dem Sohn künftige Tilgungsbeträge erlassen sollte, jedoch nicht rückständige Zahlungen.

Umstrittener Kaufpreiserlass

Im September 2021 unterzeichnete die Mutter eine Erklärung, in der sie auf alle zukünftigen Zahlungen verzichtete und dem Sohn die restliche Kaufpreissumme erließ. Nach ihrem Tod klagte die Tochter auf Zahlung der rückständigen Raten.

Gerichtliche Entscheidung

Das Gericht wies die Klage ab und bestätigte die Wirksamkeit des Erlassvertrags. Es betonte, dass die Erblasserin zu Lebzeiten frei über ihr Vermögen verfügen konnte. Die Richter sahen keinen Missbrauch dieser Verfügungsfreiheit, da der Erlass als familiär und persönlich billigenswert eingestuft wurde.

Begründung des Gerichts

Bei der Beurteilung berücksichtigte das Gericht mehrere Faktoren:

  1. Die Raten sollten ursprünglich den Lebensunterhalt der Eltern sichern.
  2. Der Beklagte hatte sich umfassend um finanzielle und bürokratische Angelegenheiten der Eltern gekümmert.
  3. Die Eltern waren nicht mehr auf die Ratenzahlungen angewiesen.
  4. Der Erlass sollte dem Sohn und seinen studierenden Kindern in finanziellen Schwierigkeiten helfen.

Das Gericht betonte, dass nicht nur ein lebzeitiges Eigeninteresse der Erblasserin, sondern auch andere Rechtfertigungsgründe bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen seien.

Rechtliche Bewertung

Die Richter stellten klar, dass ein Erbvertrag den Erblasser grundsätzlich nur von Todes wegen bindet. Zu Lebzeiten bleibt die Verfügungsfreiheit über das Vermögen erhalten, sofern kein Missbrauch vorliegt. Im vorliegenden Fall sah das Gericht die Umstände des Erlasses als insgesamt billigenswert an und wies daher die Berufung der Klägerin zurück.


Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung unterstreicht, dass ein Erbvertrag die Verfügungsfreiheit des Erblassers zu Lebzeiten grundsätzlich nicht einschränkt. Ein Erlass von Kaufpreisraten kann trotz erbvertraglicher Bindung wirksam sein, wenn er nach einer Gesamtabwägung als familiär und persönlich billigenswert erscheint. Dabei sind nicht nur lebzeitige Eigeninteressen des Erblassers, sondern auch andere Rechtfertigungsgründe wie familiäre Unterstützung zu berücksichtigen. Dies stärkt die testamentarische Freiheit und den Schutz familiärer Vermögensübertragungen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation wie die Klägerin befinden, hat dieses Urteil wichtige Auswirkungen für Sie. Es zeigt, dass Erblasser trotz eines bestehenden Erbvertrags zu Lebzeiten weitgehend frei über ihr Vermögen verfügen können, solange kein Missbrauch vorliegt. Als potenzieller Erbe sollten Sie beachten, dass Schulderlasse oder Schenkungen des Erblassers grundsätzlich wirksam sein können, auch wenn sie Ihre Erberwartungen schmälern. Das Gericht berücksichtigt bei der Beurteilung eines möglichen Missbrauchs verschiedene Faktoren, wie familiäre Umstände oder finanzielle Notlagen. Wenn Sie glauben, dass ein Erblasser missbräuchlich gehandelt hat, müssen Sie dies im Streitfall beweisen können. Es ist ratsam, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um Ihre Position zu stärken.


FAQ – Häufige Fragen

In dieser FAQ-Rubrik finden Sie wertvolle Informationen rund um die Erbvertrag und Nachlassregelung, die Ihnen helfen, Ihre rechtlichen Fragen klar zu beantworten und Ihre Entscheidungen fundiert zu treffen. Erfahren Sie, wie Sie Ihren Nachlass effektiv gestalten und rechtliche Fallstricke vermeiden können. Tauchen Sie ein in die wichtigsten Aspekte und sichern Sie sich das nötige Wissen für eine erfolgreiche Nachlassplanung.

Welche Rechte hat ein Erblasser trotz eines bestehenden Erbvertrags zu Lebzeiten?

Auch wenn ein Erbvertrag besteht, behält der Erblasser zu Lebzeiten weitgehende Verfügungsrechte über sein Vermögen. Der Erbvertrag schränkt primär die Testierfreiheit ein, nicht aber die Verfügungsfreiheit unter Lebenden.

Verfügungsfreiheit zu Lebzeiten

Gemäß § 2286 BGB kann der Erblasser über sein Vermögen durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden frei verfügen. Das bedeutet, Sie können als Erblasser trotz eines Erbvertrags:

  • Ihr Vermögen verkaufen, verschenken oder anderweitig übertragen
  • Neue Schulden aufnehmen oder Kredite vergeben
  • Immobilien belasten oder veräußern
  • Wertgegenstände verbrauchen oder zerstören

Diese Freiheit ermöglicht es Ihnen, Ihr Vermögen weiterhin nach Ihren Wünschen zu nutzen und zu verwalten. Stellen Sie sich vor, Sie möchten nach Abschluss eines Erbvertrags eine längere Reise unternehmen – dies wäre trotz des Vertrags ohne Weiteres möglich.

Grenzen der Verfügungsfreiheit

Ihre Verfügungsfreiheit ist jedoch nicht grenzenlos. Der Gesetzgeber hat Schutzmaßnahmen für den Vertragspartner vorgesehen:

  1. Schenkungen in Benachteiligungsabsicht: Nach § 2287 BGB kann der Vertragserbe die Herausgabe einer Schenkung verlangen, wenn Sie diese in der Absicht vorgenommen haben, ihn zu beeinträchtigen. Dies gilt jedoch erst nach Ihrem Tod und nur, wenn die Schenkung in den letzten zehn Jahren vor dem Erbfall erfolgte.
  2. Vertragliche Einschränkungen: Sie können im Erbvertrag selbst Beschränkungen Ihrer Verfügungsfreiheit vereinbaren. Wenn Sie beispielsweise zusichern, bestimmte Vermögenswerte nicht zu veräußern, sind Sie daran gebunden.

Testierfreiheit

Ihre Testierfreiheit ist durch den Erbvertrag eingeschränkt. Sie können keine Verfügungen von Todes wegen treffen, die den Rechten des Vertragserben widersprechen. Möchten Sie nach Abschluss des Erbvertrags Änderungen vornehmen, benötigen Sie die Zustimmung aller Vertragsparteien.

Beachten Sie: Trotz dieser Einschränkungen bleibt Ihnen als Erblasser ein erheblicher Handlungsspielraum. Sie können Ihr Vermögen weiterhin aktiv gestalten und nutzen, solange Sie nicht gezielt den Vertragserben benachteiligen.

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Unter welchen Umständen kann ein Erblasser Schulden erlassen, ohne dass dies als Missbrauch gilt?

Ein Erblasser kann Schulden grundsätzlich erlassen, solange er zu Lebzeiten über sein Vermögen frei verfügen darf. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wenn er durch einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament gebunden ist. In solchen Fällen muss der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse nachweisen können, um einen Schuldenerlass nicht als missbräuchlich erscheinen zu lassen.

Kriterien für einen zulässigen Schuldenerlass

Ein Schuldenerlass wird als zulässig erachtet, wenn er nach dem Urteil eines objektiven Beobachters angesichts der gegebenen Umstände auch ohne Rücksicht auf die Erbeinsetzung vorgenommen worden wäre. Folgende Aspekte können dabei eine Rolle spielen:

  • Familiäre Verpflichtungen: Wenn Sie als Erblasser beispielsweise einem in Not geratenen Familienmitglied helfen möchten, kann dies als legitimes Eigeninteresse gelten.
  • Moralische oder soziale Gründe: Erlassen Sie Schulden aus ethischen Überlegungen oder zur Unterstützung wohltätiger Zwecke, kann dies ebenfalls als nicht missbräuchlich angesehen werden.
  • Wirtschaftliche Überlegungen: Dient der Schuldenerlass dazu, Ihre eigene finanzielle Situation zu verbessern, etwa durch die Vermeidung von Insolvenzverfahren bei Schuldnern, kann dies als berechtigtes Eigeninteresse gewertet werden.

Grenzen des Schuldenerlasses

Trotz der grundsätzlichen Verfügungsfreiheit gibt es Einschränkungen:

  1. Bindung durch Erbvertrag: Haben Sie als Erblasser einen Erbvertrag geschlossen, sind Sie in Ihrer Verfügungsbefugnis eingeschränkt. Schenkungen, zu denen auch ein Schuldenerlass zählt, können dann nach § 2287 BGB vom Vertragserben angefochten werden, wenn sie in der Absicht vorgenommen wurden, den Vertragserben zu beeinträchtigen.
  2. Gemeinschaftliches Testament: Ähnliche Einschränkungen gelten, wenn Sie mit Ihrem Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben. Auch hier können Verfügungen, die den Zweck des Testaments gefährden, anfechtbar sein.
  3. Pflichtteilsergänzungsansprüche: Beachten Sie, dass ein Schuldenerlass als Schenkung gewertet werden kann und somit Pflichtteilsergänzungsansprüche auslösen könnte.

Dokumentation und Begründung

Um einen Schuldenerlass rechtssicher zu gestalten, sollten Sie als Erblasser:

  • Ihre Beweggründe für den Erlass schriftlich festhalten.
  • Den Erlass in einem angemessenen Verhältnis zu Ihrem Gesamtvermögen gestalten.
  • Bei größeren Beträgen oder in Zweifelsfällen die Zustimmung der potenziellen Erben einholen.

Wenn Sie diese Aspekte berücksichtigen, können Sie als Erblasser Schulden erlassen, ohne dass dies als Missbrauch gewertet wird. Entscheidend ist, dass Sie ein nachvollziehbares lebzeitiges Eigeninteresse darlegen können und nicht in der Absicht handeln, Ihre Erben zu benachteiligen.

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Wie wirkt sich ein Vermächtnis in einem Erbvertrag auf spätere Verfügungen des Erblassers aus?

Ein Vermächtnis in einem Erbvertrag schränkt die Testierfreiheit des Erblassers erheblich ein. Spätere Verfügungen, die das Recht des Vermächtnisnehmers beeinträchtigen würden, sind grundsätzlich unwirksam.

Bindungswirkung des Erbvertrags

Wenn Sie ein Vermächtnis in einem Erbvertrag festlegen, entfaltet dies eine starke Bindungswirkung. Im Gegensatz zu einem Testament können Sie einen Erbvertrag nicht einseitig widerrufen oder ändern. Diese Bindung gilt auch für Vermächtnisse, die im Erbvertrag angeordnet wurden.

Auswirkungen auf spätere Verfügungen

Stellen Sie sich vor, Sie haben in einem Erbvertrag Ihrem Neffen ein wertvolles Gemälde als Vermächtnis zugesagt. Wenn Sie später in einem Testament dieses Gemälde jemand anderem vermachen möchten, wäre diese spätere Verfügung unwirksam. Der Anspruch Ihres Neffen auf das Gemälde bleibt bestehen.

Grenzen der Bindungswirkung

Die Bindungswirkung betrifft jedoch nur Verfügungen, die das Recht des Vermächtnisnehmers beeinträchtigen würden. Sie können weiterhin über Ihr übriges Vermögen frei verfügen, solange dies nicht die Erfüllung des Vermächtnisses gefährdet.

Möglichkeiten zur Änderung

Trotz der starken Bindungswirkung gibt es einige Möglichkeiten, einen Erbvertrag zu ändern:

  1. Einvernehmliche Aufhebung: Sie können den Erbvertrag gemeinsam mit dem anderen Vertragspartner aufheben oder ändern.
  2. Rücktrittsrecht: Wenn Sie sich im Erbvertrag ein Rücktrittsrecht vorbehalten haben, können Sie dieses unter bestimmten Umständen ausüben.
  3. Anfechtung: In Ausnahmefällen, etwa bei Irrtum oder Täuschung, kann eine Anfechtung möglich sein.

Beachten Sie, dass die Bindungswirkung eines Erbvertrags Ihnen zwar Sicherheit in der Nachfolgeplanung gibt, aber auch Ihre Flexibilität einschränkt. Überlegen Sie daher sorgfältig, ob ein Erbvertrag für Ihre persönliche Situation das richtige Instrument ist.

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Welche Rechte haben Erben, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögenswerte verschenkt oder Schulden erlässt?

Erben haben verschiedene Rechte, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögenswerte verschenkt oder Schulden erlässt. Diese Rechte sollen sicherstellen, dass das Erbe nicht durch Schenkungen oder Schulderlasse unangemessen geschmälert wird.

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Wenn Sie als pflichtteilsberechtigter Erbe enterbt wurden, können Sie einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen. Dieser Anspruch ermöglicht es Ihnen, Schenkungen des Erblassers aus den letzten zehn Jahren vor seinem Tod anteilig zum Nachlass hinzuzurechnen. Der Wert der Schenkungen wird dabei jährlich um 10% gemindert. Stellen Sie sich vor, der Erblasser hat fünf Jahre vor seinem Tod 100.000 Euro verschenkt. In diesem Fall würden 50.000 Euro dem Nachlass hinzugerechnet.

Herausgabeanspruch bei Erbvertrag

Wenn ein Erbvertrag besteht, haben Sie als Vertragserbe besondere Rechte. Der Erblasser darf zwar grundsätzlich weiterhin über sein Vermögen verfügen, aber er darf keine Schenkungen in der Absicht vornehmen, Sie als Erben zu beeinträchtigen. In einem solchen Fall können Sie nach dem Tod des Erblassers die Herausgabe des Geschenks vom Beschenkten verlangen. Dies gilt jedoch nur, wenn die Schenkung in Benachteiligungsabsicht erfolgte.

Ausgleichungspflicht unter Miterben

Wenn Sie gemeinsam mit Geschwistern erben, kann eine Ausgleichungspflicht bestehen. Hat der Erblasser einem Kind zu Lebzeiten größere Zuwendungen gemacht, müssen diese unter Umständen beim Erbausgleich berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für Ausstattungen wie Ausbildungskosten oder Existenzgründungshilfen.

Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung

In bestimmten Fällen können Sie als Erbe eine Schenkung oder einen Schulderlass anfechten. Dies ist möglich, wenn der Erblasser einem Irrtum unterlag oder getäuscht wurde. Stellen Sie sich vor, der Erblasser hat einem vermeintlich mittellosen Verwandten Geld geschenkt, der in Wahrheit vermögend war. In einem solchen Fall könnten Sie die Schenkung möglicherweise anfechten.

Auskunftsanspruch

Als Erbe haben Sie einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Beschenkten. Sie können Informationen über Art, Umfang und Zeitpunkt der Schenkung verlangen. Dies hilft Ihnen, Ihre Rechte besser einschätzen und durchsetzen zu können.

Beachten Sie, dass diese Rechte oft an bestimmte Fristen und Voraussetzungen geknüpft sind. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch muss beispielsweise innerhalb von drei Jahren nach Kenntnis vom Erbfall geltend gemacht werden. Zudem gelten für verschiedene Arten von Zuwendungen unterschiedliche Regeln. Eine Schenkung an den Ehegatten wird beispielsweise anders behandelt als eine Schenkung an eine gemeinnützige Organisation.

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Welche Faktoren berücksichtigen Gerichte bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Vermögensverfügungen des Erblassers?

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Vermögensverfügungen des Erblassers berücksichtigen Gerichte mehrere wichtige Faktoren:

Lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers

Das anerkennungswürdige lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers ist ein zentraler Faktor. Gerichte prüfen, ob die Vermögensverfügung aus Sicht eines objektiven Beobachters unter Berücksichtigung der Umstände und der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Wenn Sie beispielsweise als Erblasser eine Schenkung tätigen, um Ihre Pflege im Alter sicherzustellen, könnte dies als legitimes Eigeninteresse anerkannt werden.

Beeinträchtigungsabsicht

Gerichte untersuchen, ob der Erblasser die Absicht hatte, den Erben zu beeinträchtigen. Eine solche Absicht wird angenommen, wenn kein nachvollziehbares lebzeitiges Eigeninteresse an der Vermögensverschiebung erkennbar ist. Stellen Sie sich vor, Sie verfügen über Ihr Vermögen kurz vor Ihrem Tod, ohne erkennbaren Grund – dies könnte als Beeinträchtigungsabsicht gewertet werden.

Zeitpunkt und Umfang der Verfügung

Der Zeitpunkt der Vermögensverfügung in Relation zum Erbfall sowie der Umfang der Verfügung im Verhältnis zum Gesamtvermögen spielen eine wichtige Rolle. Verfügungen, die kurz vor dem Tod getätigt werden oder einen Großteil des Vermögens betreffen, werden von Gerichten kritischer betrachtet.

Verhältnis zum Begünstigten

Das persönliche Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Begünstigten der Vermögensverfügung wird ebenfalls berücksichtigt. Verfügungen zugunsten enger Vertrauter oder neuer Lebenspartner werden oft genauer geprüft, insbesondere wenn sie zu Lasten langjähriger Familienmitglieder gehen.

Einhaltung von Formvorschriften

Gerichte prüfen, ob alle rechtlichen Formvorschriften bei der Vermögensverfügung eingehalten wurden. Bei einer Schenkung von Immobilien ist beispielsweise eine notarielle Beurkundung erforderlich. Die Nichteinhaltung solcher Vorschriften kann die Rechtmäßigkeit der Verfügung in Frage stellen.

Vereinbarkeit mit bestehenden Verträgen

Die Vereinbarkeit der Verfügung mit bestehenden Erbverträgen oder gemeinschaftlichen Testamenten wird geprüft. Wenn Sie als Erblasser beispielsweise in einem Erbvertrag bestimmte Zusagen gemacht haben, können spätere Verfügungen, die diesen widersprechen, als unrechtmäßig angesehen werden.

Wirtschaftliche Auswirkungen

Die wirtschaftlichen Folgen der Verfügung für die Erben werden berücksichtigt. Gerichte prüfen, ob die Verfügung den Erben unverhältnismäßig benachteiligt oder ob sie im Rahmen des Üblichen und Angemessenen bleibt.

Bei der Beurteilung dieser Faktoren gehen Gerichte stets einzelfallbezogen vor und wägen die verschiedenen Aspekte gegeneinander ab. Die Rechtmäßigkeit einer Vermögensverfügung hängt letztlich von der Gesamtschau aller Umstände ab.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Erbvertrag: Ein Erbvertrag ist eine verbindliche Vereinbarung zwischen dem Erblasser und einem oder mehreren Vertragspartnern über die Erbfolge. Im Gegensatz zum Testament kann er nicht einseitig geändert werden. Er wird oft in Familien genutzt, um klare Verhältnisse zu schaffen, z.B. wenn ein Kind den elterlichen Betrieb übernehmen soll. Der Erbvertrag schränkt die Testierfreiheit ein, gibt aber dem Erben mehr Sicherheit. Trotz Erbvertrag behält der Erblasser grundsätzlich die Verfügungsgewalt über sein Vermögen zu Lebzeiten.
  • Vermächtnis: Ein Vermächtnis ist eine Zuwendung aus dem Nachlass, die der Erblasser einer bestimmten Person zukommen lassen möchte, ohne diese zum Erben zu machen. Der Vermächtnisnehmer hat einen Anspruch gegen den Erben auf Herausgabe des vermachten Gegenstands oder Wertes. Im vorliegenden Fall wurde ein Vermächtnis angeordnet, das dem Sohn künftige Tilgungsbeträge erlassen sollte. Vermächtnisse können sowohl im Testament als auch im Erbvertrag angeordnet werden und bieten Flexibilität bei der Nachlassplanung.
  • Erlassvertrag: Ein Erlassvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, durch die der Gläubiger auf seine Forderung ganz oder teilweise verzichtet. Er führt zum Erlöschen der Schuld ohne Erfüllung. Im Fall unterzeichnete die Mutter eine Erklärung, die als Erlassvertrag gewertet wurde. Erlassverträge können formlos geschlossen werden, außer wenn für die zu erlassende Forderung eine besondere Form vorgeschrieben ist. Sie sind ein wichtiges Instrument zur Schuldenregulierung und Vermögensübertragung.
  • Verfügungsfreiheit des Erblassers: Trotz eines Erbvertrags behält der Erblasser grundsätzlich die Freiheit, zu Lebzeiten über sein Vermögen zu verfügen. Diese Freiheit ist nur durch das Verbot des Rechtsmissbrauchs eingeschränkt. Der Erblasser darf sein Vermögen verbrauchen, verschenken oder anderweitig darüber verfügen, solange dies nicht gezielt zur Benachteiligung des Vertragserben geschieht. Diese Regelung soll einen Ausgleich zwischen der Bindungswirkung des Erbvertrags und der persönlichen Freiheit des Erblassers schaffen.
  • Missbrauch der Verfügungsfreiheit: Ein Missbrauch der Verfügungsfreiheit liegt vor, wenn der Erblasser ohne anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse wesentliche Vermögenswerte anderen zuwendet und damit den Vertragserben benachteiligt. Gerichte prüfen hier das „lebzeitige Eigeninteresse“ des Erblassers und andere Rechtfertigungsgründe. Familiäre Unterstützung, wie im vorliegenden Fall, kann ein solcher Grund sein. Die Grenze zwischen zulässiger Verfügung und Missbrauch ist oft fließend und bedarf einer Gesamtabwägung aller Umstände.
  • Gesamtabwägung: Bei der rechtlichen Beurteilung von Verfügungen des Erblassers nehmen Gerichte eine umfassende Gesamtabwägung aller relevanten Umstände vor. Dabei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt, wie die Bindung des Erblassers an den Erbvertrag, Gründe für die Benachteiligung des Vertragserben, familiäre Verhältnisse, finanzielle Situationen und sittliche Verpflichtungen. Diese Abwägung soll eine ausgewogene und faire Entscheidung ermöglichen, die sowohl die Interessen des Erblassers als auch die des Vertragserben berücksichtigt.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 397 Abs. 1 BGB (Erlassvertrag): Ein Erlassvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner, durch die der Gläubiger auf seine Forderung ganz oder teilweise verzichtet. Der Erlassvertrag führt zum Erlöschen der Schuld. Im vorliegenden Fall hat die Mutter durch die Erklärung vom 08.09.2021 dem Beklagten die restliche Kaufpreissumme erlassen, was als Erlassvertrag zu werten ist und zum Erlöschen der Kaufpreisschuld führte.
  • § 2290 BGB (Bindung des Erblassers an den Erbvertrag): Nach Abschluss eines Erbvertrages kann der Erblasser grundsätzlich keine Verfügungen von Todes wegen mehr treffen, die den Vertragserben beeinträchtigen würden. Im vorliegenden Fall ist relevant, dass die Mutter zu Lebzeiten über ihr Vermögen verfügen konnte, solange dies nicht in Widerspruch zu den Verfügungen von Todes wegen im Erbvertrag stand. Der Erlass der Kaufpreisschuld stellt eine Verfügung unter Lebenden dar und ist daher grundsätzlich zulässig.
  • § 2268 BGB (Verfügungen unter Lebenden): Auch nach Abschluss eines Erbvertrages bleibt der Erblasser berechtigt, Verfügungen unter Lebenden zu treffen, solange diese nicht gegen den Erbvertrag verstoßen oder beeinträchtigend auf den Vertragserben wirken. Die Mutter war daher berechtigt, die Kaufpreisschuld zu erlassen, da dies eine Verfügung unter Lebenden darstellt.
  • §§ 2287, 2288 BGB (Schutz des Vertragserben): Diese Paragraphen schützen den Vertragserben vor beeinträchtigenden Verfügungen des Erblassers. Im vorliegenden Fall ist relevant, dass der Vertragserbe (die Klägerin) grundsätzlich nur dann geschützt ist, wenn die Verfügung des Erblassers (der Erlass) beeinträchtigend wirkt oder wenn ein Missbrauch der Verfügungsfreiheit vorliegt.
  • § 105 Abs. 1 BGB (Nichtigkeit der Willenserklärung): Eine Willenserklärung ist nichtig, wenn der Erklärende geschäftsunfähig ist. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Mutter bei Abgabe der Erlasserklärung geschäftsunfähig war. Da dies nicht nachgewiesen werden konnte, ist die Erlasserklärung wirksam.

Das vorliegende Urteil

OLG Oldenburg – Az.: 3 U 14/24 – Beschluss vom 10.07.2024


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