Erbvertrag und Leibrente: Ein Düsseldorfer Rechtsstreit um die Wirksamkeit von Testamenten und Vermächtnissen
Der Fall, der vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf verhandelt wurde, dreht sich um die komplizierte Materie der Erbverträge und der damit verbundenen Leibrente. Im Kern geht es um die Frage, ob eine Anfechtung eines Erbvertrages aus dem Jahr 1977 wirksam ist oder nicht. Die Klägerin, die zweite Ehefrau des verstorbenen Erblassers, fordert die Auszahlung einer Leibrente, die ihr durch diesen Erbvertrag zugesichert wurde. Der Beklagte, der Sohn des Erblassers aus erster Ehe, ist jedoch der Ansicht, dass ein früherer Erbvertrag Gültigkeit besitzt und die Anfechtung des späteren Erbvertrages nicht wirksam ist.
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Übersicht
Die Historie der Erbverträge und die Rolle der Leibrente
Der Erblasser, der eine Spedition betrieb, hatte in erster Ehe bereits mehrere Erbverträge mit seiner ersten Frau abgeschlossen. Diese Verträge bestimmten, dass der gemeinsame Sohn, der Beklagte, Alleinerbe und Nachfolger des Unternehmens sein sollte. Nach dem Tod der ersten Ehefrau heiratete der Erblasser die Klägerin und schloss mit ihr einen neuen Erbvertrag. In diesem wurde der Sohn weiterhin als Alleinerbe eingesetzt, der Klägerin jedoch eine Leibrente zugesichert. Der Beklagte stimmte diesem Erbvertrag zu und zahlte die Leibrente bis Ende 2014 an die Klägerin.
Streit um die Anpassung der Leibrente
Im Jahr 2005 schlug der Beklagte vor, die Höhe der Leibrente anlässlich des 65. Geburtstags der Klägerin zu kürzen. Die Klägerin lehnte dies ab. 2013 kam es erneut zu Diskussionen über die Höhe der Leibrente, und die Parteien einigten sich auf eine Anpassung. Diese Vereinbarung hatte jedoch nur eine Laufzeit von drei Jahren.
Die Widerklage und die Frage der Wirksamkeit
Der Beklagte stellte schließlich die Zahlungen ein und behauptete, das Vermächtnis sei unwirksam. Er reichte eine Widerklage ein, in der festgestellt werden sollte, dass die Vermächtnisse im Erbvertrag von 1977 unwirksam sind. Das Gericht wies diese Widerklage jedoch größtenteils ab.
Das Urteil und seine Konsequenzen
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, dass der Beklagte an die Klägerin 22.000 € nebst Zinsen sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 4.437,39 € zahlen muss. Darüber hinaus wurde der Beklagte auf die Anschlussberufung hin verurteilt, an die Klägerin weitere 82.500 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil macht deutlich, dass die Anfechtung des Erbvertrages von 1977 nicht wirksam wurde und die Klägerin weiterhin Anspruch auf die im Erbvertrag festgelegte Leibrente hat.
Das vorliegende Urteil
OLG Düsseldorf – Az.: I-7 U 12/16 – Urteil vom 21.04.2017
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das am 11.12.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal teilweise abgeändert und neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 22.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.4.2015 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von 4.437,39 € zu zahlen. Wegen des weitergehenden Antrages auf Zahlung außergerichtlicher Kosten wird die Klage abgewiesen.
Auf die Widerklage hin wird festgestellt, dass die in dem zwischen dem am 6.7.1998 verstorbenen, zuletzt in R wohnhaft gewesenen Erblasser Herrn H F und der Klägerin am 11.11.1977 vor dem Notar W S in R zu UR-Nr. abgeschlossenen Erbvertrag angeordneten Vermächtnisse zu Gunsten der Klägerin unwirksam sind mit der Maßgabe, dass sich der Beklagte nicht auf die Unwirksamkeit der Vermächtnisse berufen kann. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Auf die Anschlussberufung wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 82.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.6.2016 zu zahlen.
3. Dem Beklagten wird als Erbe die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlass des am 6.7.1998 verstorbenen Erblassers H F vorbehalten. Dieser Vorbehalt betrifft nicht die Kostenentscheidung.
4. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat der Beklagte zu tragen.
5. Dieses und das angegriffene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob eine Anfechtung eines Erbvertrages wirksam geworden ist. Die Klägerin fordert die Zahlung der Leibrente aus einem Erbvertrag von 1977, während der Beklagte der Auffassung ist, dass ein früherer Erbvertrag gelte, weil dessen Anfechtung nicht wirksam geworden sei.
Der Erblasser H F betrieb eine Spedition mit zwei Niederlassungen und war in erster Ehe mit seiner Frau K verheiratet. Die Ehegatten errichteten in den Jahren 1962, 1968 und 1971 notarielle Erbverträge, wobei der jüngere den älteren jeweils ersetzte. In diesen Erbverträgen (Anlagen K 1 bis K 3) erklärten sie, dass der gemeinsame Sohn, der Beklagte, Alleinerbe nach dem Erblasser sein und die Spedition fortführen solle. Der Ehefrau wurde der Nießbrauch an dem gesamten Nachlass vermacht, hinsichtlich des Unternehmens beschränkt auf eine lebenslange monatliche Rente nach der Besoldungsgruppe A 14 des Besoldungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen. Frau K F verstarb am 25.9.1974.
Am 22.3.1977 heiratete der Erblasser die Klägerin. Am 11.11.1977 errichteten sie einen neuen Erbvertrag, in welchem der Erblasser seinen Erbvertrag aus dem Jahr „1968“ anfocht, den Beklagten als Alleinerben und die Klägerin als Vermächtnisnehmerin einsetzte (Anl. K 4). Das ihr ausgesetzte Vermächtnis enthält insbesondere eine Leibrente nach dem Gehalt eines Regierungsdirektors der Besoldungsgruppe A 15 nach dem Bundesbesoldungsgesetz, die jährlich 13-fach zu entrichten war. Die Klägerin verzichtete auf Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Erblasser.
Am 8.2.1978 unterzeichnete der Beklagte eine privatschriftliche Erklärung, er habe eine Abschrift des Erbvertrages vom 11.11.1977 erhalten und er sei mit dem Inhalt der Regelung einverstanden. Der Notar reichte eine beglaubigte Ablichtung der Anfechtungserklärung nebst Erklärung des Beklagten vom 8.2.1978 an das Nachlassgericht ein, welche dort am 24.5.1978 einging. Mit Schreiben vom 6.10.1986 übersandte der Notar dem Nachlassgericht eine auszugsweise Ausfertigung der Urkunde vom 11.11.1977. Die Akten AG Remscheid 5 IV 53 – 55/75 und 5 IV 332 – 333/98 waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Eheleute errichteten am 2.4.1998 vor dem Notar eine Ergänzung zum Erbvertrag von 1977 (Anlage K 5), mit der der Klägerin das Vermögen des Erblassers in S vermacht wurde. Am 10.6.1998 schlossen der Erblasser und der Beklagte einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag, in dem sich der Beklagte mit dem im Erbvertrag vom 2.4.1998 angeordneten Vermächtnis einverstanden erklärte und er insoweit auf sein künftiges Pflichtteilsrecht an dem in S belegenen Vermögen des Erblassers verzichtete (Anlage K 12, Bl. 84).
Nach dem Tod des Erblassers am 6.7.1998 bis Ende des Jahres 2014 zahlte der Beklagte an die Klägerin die im Vermächtnis zugewandte Leibrente.
Am 25.10.2005 wandte sich der Beklagte an die Klägerin mit dem Ansinnen, anlässlich Ihres 65. Geburtstages den Betrag der Leibrente wie bei einem Pensionär zu kürzen. In dem Schreiben heißt es:
„Konzentriert man sich auf das Wesentliche unseres Erbvertrages, so wird vor allem klar, dass eines für alle Zeiten gewährleistet sein soll: Versorgungssicherheit. Ich verbürge mich, stets dafür einzutreten, und so würde es im Erbfall auch mein Rechtsnachfolger tun. Als Hauptverantwortlicher unserer Betriebe bin ich jedoch ebenso verpflichtet, die Kontinuität des Leistungsvermögens im Auge zu behalten. Diese resultiert aber nicht aus Konsum, sondern aus Investition der Mittel zur Erhaltung und Modernisierung des Anlagevermögens. Als Konsequenz wird letztlich auch Deine Versorgung auf ein solides Fundament gestellt.“
Die Klägerin antwortete mit Anwaltsschreiben vom 17.11.2005 (Anl. B1, Bl. 63) und wies darauf hin, dass bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Textes des Erbvertrages folge, dass die Leibrente entsprechend dem Gehalt eines Regierungsdirektors der Besoldungsgruppe A 15, Dienstaltersstufe 11 nach dem Bundesbesoldungsgesetz bis zum Lebensende gezahlt werden müsse.
Anfang 2013 kam es zwischen den Parteien erneut zu einem Austausch über die Höhe der Leibrente. Der Beklagte war der Auffassung, dass sich in den letzten 15 Jahren die Entwicklung der Beamtenversorgung, nach der sich die Versorgungsleistung der Klägerin berechnet, immer weiter von der Realwirtschaft entfernt habe und dass deswegen die Leibrente zu kürzen sei. Die Parteien einigten sich in einem Gespräch, welches der Beklagte im Schreiben vom 7.2.2013 (Anl. K 8) wie folgt zusammenfasste:
„Dies vorausgeschickt hast Du mich nach dreiwöchiger Bedenkzeit gestern um ein erneutes Gespräch gebeten, welches heute morgen in Deinem Haus geführt wurde. Nach ausführlicher Betrachtung der Gesamtsituation haben wir uns auf der Basis eines von Dir gemachten Kompromissvorschlages im beiderseitigen Einvernehmen auf folgende Regelung verständigt:
1. Auf eine Nachzahlung, die den Anhebungen vom 1.3.2012 und 1.1.2013 entsprächen, wird für die Zeit bis heute verzichtet.
2. Die monatliche Versorgungszahlung wird von heute EUR 5.329,58 zukünftig auf genau EUR 5.500,00 angehoben.
3. Die neue Leistungsrate bis zum 1.3.2013 erstmalig fällig.
4. Die Laufzeit dieser Vereinbarung beträgt drei Jahre. Im Februar 2016 werden die Beteiligten zu einem erneuten Lagegespräch zusammentreffen.
5. Ferner wurde abgesprochen, dass die Pflegearbeiten für den Garten (Mähen, Unkraut, Laub) künftig direkt von Dir vergeben und bezahlt werden.
In welcher Weise der Winterdienst, den meine Mitarbeiter seit 15 Jahren freiwillig und ohne Berechnung verrichtet haben, Bestandteil der gefundenen Einigung sein soll, wurde heute noch nicht besprochen.
Ich habe veranlasst, dass der Bankauftrag entsprechend unserer neuen Regelung geändert und pünktlich wirksam werden wird.“
Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 26.2.2013 (Bl. 110). Am 23.12.2014 kündigte der Beklagte an, in Zukunft keine Vermächtniszahlungen mehr zu leisten, da das Vermächtnis unwirksam sei. Die im Januar 2015 fällige Zahlung blieb aus. Mit Schreiben vom 22. Januar 2015 forderte die Klägerin dem Beklagten zur Weiterzahlung der Leibrente auf.
Mit der Klage fordert die Klägerin die 13. Leibrentenzahlung für das Jahr 2014 sowie die Leibrentenzahlungen für die Monate Januar, Februar und März 2015 zu jeweils 5.500 €. Die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit hat die Klägerin nach einem Streitwert für die Rente für einen 3,5 fachen Jahreswert (13 Monate mal 5.500 € mal 3,5 = 250.250,- €), nach dem Wohnrecht mit einem 7.5 -fachen Betrag der einjährigen Leistung (12 Monate mal 7,5 Jahre mal 1.200 € Miete = 108.000 €), und damit insgesamt mit 358.250 € berechnet. Sie verlangt Anwaltskosten nach einer Geschäftsgebühr mit dem Faktor 2,0 (Berechnung Bl. 21). Für den Fall, dass die erbvertragliche Regelung keinen Bestand haben sollte, macht sie hilfsweise Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche an dem Nachlass des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes geltend.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 22.000 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Kosten i.H.v. 6.528,34 € zu zahlen.
Sie hat hilfsweise im Wege der Stufenklage beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1.
a) Auskunft über den Bestand und Wert des Nachlasses des am 6.7.1998 in Remscheid verstorbenen H F zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das im Einzelnen umfasst:
aa) alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva);
bb) alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva);
cc) alle ergänzungsbedürftigen Schenkungen, die der Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigt hat;
b) den Wert der H F GmbH & Co. KG (AG W, HRA) sowie der F V GmbH (AG W, HRB) sowie der zum Nachlass gehörenden Immobilien durch Sachverständigengutachten zu ermitteln;
2.
für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet worden sein sollte, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er den Bestand des Nachlasses so vollständig und richtig angegeben hat, als er dazu in der Lage ist;
3.
Nach Auskunftserteilung und Wertermittlung gemäß Klageantrag zu 1a und Ermittlung des Wertes der H F GmbH & Co. KG, der F V GmbH sowie der zum Nachlass gehörenden Immobilien gemäß Klageantrag zu 1b) an die Klägerin den Pflichtteil in Höhe einer Pflichtteilsquote von ein Viertel des sich nach dem Klageantrag zu Z. 1 berechneten Nachlasswertes nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat er beantragt, festzustellen, dass die in dem zwischen dem am 6.7.1998 verstorbenen, zuletzt in R wohnhaft gewesenen Erblasser Herr H F und der Klägerin am 11.11.1977 vor dem Notar W S in R zur UR-Nr. abgeschlossenen Erbvertrag angeordneten Vermächtnisse zu Gunsten der Klägerin unwirksam sind.
Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, der Erbvertrag aus dem Jahr 1977 sei unwirksam, weil der Erblasser lediglich den Erbvertrag aus dem Jahr 1968 angefochten habe. Der Erbvertrag aus dem Jahr 1971 bestehe daher fort. Jedenfalls sei die Anfechtung verfristet. Die Anfechtungserklärung habe gegenüber dem Nachlassgericht in der Form des §§ 2282 Abs. 3 BGB erfolgen müssen, die Anfechtung sei in dieser Form jedoch nicht fristgerecht beim Nachlassgericht eingegangen. Der Klägerin stehe kein Arglisteinwand zur Seite. Der Beklagte habe erst im Jahr 2014 von seinem Verfahrensbevollmächtigten von der Unwirksamkeit der Vermächtnisregelung erfahren. Die Zahlung in Unkenntnis der Nichtschuld begründe keine Arglist. Ferner erhebt er die Einrede der Bereicherung gemäß § 821 BGB. Pflichtteilsansprüche seien verjährt. Im Übrigen erhebt er die Einrede der Beschränkung der Haftung auf den Nachlass gemäß § 780 ZPO.
Das Landgericht hat den Beklagten auf die Klage hin zur Zahlung von 22.000 € verurteilt. Mit dem Schreiben des Beklagten an die Klägerin vom 7.2.2013 habe sich der Beklagte gegenüber der Klägerin zur Erbringung einer monatlichen Versorgungszahlung in Form einer Leibrente von 5.500 € verpflichtet. Hierbei handele es sich um eine von der Vermächtniseinsetzung abgekoppelte, neue Regelung mit Vergleichscharakter. Dem Schriftformerfordernis des §§ 761 S. 1 BGB sei durch die Briefform genügt worden. Die Kosten des Prozessbevollmächtigten seien gemäß §§ 280 Abs. 1 S. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB gerechtfertigt. Der Beklagte habe ernsthaft und endgültig die Erfüllung verweigert. Auf die Widerklage hat das Landgericht die beantragte Feststellung getroffen und im Tenor die Maßgabe hinzugefügt, dass sich der Beklagte nicht auf die Unwirksamkeit der Vermächtnisse berufen kann. Die Widerklage sei zwar teilweise begründet, weil die Anfechtung nicht rechtzeitig erklärt worden sei. Die Anfechtung sei dem Nachlassgericht gegenüber nicht innerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt. Der Beklagte könne sich jedoch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht auf die Unwirksamkeit berufen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Der Beklagte rügt, dass das Landgericht den Schriftwechsel vom Februar 2013 unzutreffend gewürdigt habe. Die Parteien hätten im Februar 2013 lediglich zur Höhe verhandelt, jedoch keinen zusätzlichen, von dem ursprünglichen Schuldgrund losgelösten neuen Vertrag schließen wollen. Eine Zuwendung bis Ende Januar 2016 stelle keine Leibrente auf Lebenszeit im Sinne des § 759 BGB dar. Wollte man die Vereinbarung als abstraktes Schuldanerkenntnis auslegen, hätte es als Schenkung gemäß § 518 Absatz I S. 2 BGB der notariellen Form bedurft. Jedenfalls sei es gemäß § 812 BGB kondizierbar. Auf die Widerklage habe der Beklagte etwas anderes als beantragt, etwas völlig Wertloses erhalten, da die Maßgabe des Urteilstenors nicht beantworte, welche Rechtsfolgen das Durchgreifen des Arglisteinwandes haben solle. Die Voraussetzung des Arglisteinwandes läge nicht vor. Die Formbedürftigkeit der Erklärung vom 8.2.1978 schütze den Beklagten. Widersprüchliches Verhalten lasse die Rechtsordnung zu, solange das Verhalten nicht rechtsmissbräuchlich sei, eine Zahlung auf eine unerkannte Nichtschuld sei nicht rechtsmissbräuchlich.
Der Beklagte beantragt: Das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 11. Dezember 2015, 2 O 66/15, wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage des Beklagten wird festgestellt, dass die in dem zwischen dem am 6.7.1998 verstorbenen, zuletzt in R wohnhaft gewesenen Erblasser, Herrn H F, und der Klägerin am 11.11.1997 vor dem Notar W S in R zu UR – Nr. abgeschlossenen Erbvertrag angeordneten Vermächtnisse zu Gunsten der Klägerin unwirksam sind, und die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen;
den Beklagten auf die Anschlussberufung zu verurteilen, an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 82.500 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Mit der Anschlussberufung verlangt die Klägerin Zahlung für 15 weitere Monate, für die Monate April 2015 bis Mai 2016 (14 Monate) sowie die 13. Monatszahlung für 2015. Sie beanstandet, dass das Landgericht ihr eine Kostenquote von 10 % auferlegt habe, denn die Widerklage hätte bereits aufgrund des selbständigen Leibrentenversprechens des Beklagten abgewiesen werden müssen.
II.
Die Berufung hat hinsichtlich des Zahlungsanspruchs zur Hauptforderung und hinsichtlich der Entscheidung zur Widerklage keinen, hinsichtlich der Höhe der vorgerichtlichen Anwaltskosten teilweisen Erfolg. Die Anschlussberufung der Klägerin hat Erfolg.
1.
Die Berufung des Beklagten hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von 22.000 € hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht gemäß § 2147 BGB gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 4 Raten zu je 5.500 € zu. Das Vermächtnis ergibt sich aus § 2 des Erbvertrages des Erblassers mit der Klägerin vom 11.11.1977 (Anlage K 4). Danach erhielt die Klägerin von dem Beklagten als Erben des Erblassers beginnend mit dem Ableben des Erblassers eine Leibrente entsprechend dem Gehalt eines Regierungsdirektors der Besoldungsgruppe A 15 in der Dienstaltersstufe elf nach dem Bundesbesoldungsgesetz. Diese Zahlung ist von den Beklagten als Erben jährlich 13-fach zu entrichten. Es kann dahingestellt bleiben, ob entsprechend der Auffassung des Landgerichts in dem Schreiben der Parteien vom 7. Februar 2013 eine eigenständige, neue Regelung geschaffen worden ist.
Dieses Vermächtnis ist zwar gem. § 2289 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wie das Landgericht auf die Widerklage rechtskräftig festgestellt hat; die Klägerin hat die Feststellung nicht mit der Berufung angegriffen.
Der Beklagte kann sich aber auf die Beeinträchtigung seines Erbrechts aus dem nicht rechtzeitig angefochtenen Erbvertrag vom 21.10.1971 und damit auf den Schutz des §§ 2289 I S. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Arglisteinwandes (§ 242 BGB) nicht berufen. Die formlose Einwilligung des vertragsmäßig bedachten Erben in eine seine Rechte beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen nimmt ihm nicht den Schutz des § 2287 BGB. Sie kann aber ausnahmsweise den Arglisteinwand begründen (BGH, Urteil vom 12.7.1989, IVa ZR 174/88, BGHZ 108, 252; Musielak, Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2017, § 2289 Rn 18). So liegt der Fall hier.
Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden (BGHZ 132, 119; BGHZ 121, 224, 233). Treuwidrig kann allerdings das Verhalten einer Partei sein, die über längere Zeit aus einem wichtigen Vertrag Vorteile gezogen hat und sich nunmehr ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen will. Bei einem Bürgen kommt dies beispielsweise in Betracht, wenn er als Gesellschafter der Hauptschuldnerin aus der Gewährung des Kredits jahrelang mittelbar Vorteile gezogen, durch sein Handeln ein berechtigtes Vertrauen des Gläubigers auf die Wirksamkeit des Vertrages begründet und jener im Hinblick darauf seine Leistungen erbracht hat (BGH, Urteil vom 28. November 1957 – VII ZR 42/57, BGHZ 26, 142, 151 f; BGH, Urteil vom 28. Januar 1993 – IX ZR 259/91 -, BGHZ 121, 224, 233 f).
Maßgebend ist die Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens. Widersprüchliches Verhalten ist missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn der eine Teil mit seinem Verhalten einen Vertrauenstatbestand schafft und der andere Teil in Hinblick darauf bestimmte Dispositionen getroffen hat, etwa wenn die Vertragspartner eine rechtliche Regelung längere Zeit in einem bestimmten Sinn auslegen und wenn der andere Teil sich auf eine gleichbleibende Handhabung eingerichtet hat. So konnte sich ein Erbe wegen widersprüchlichen Verhaltens auf die Unwirksamkeit eines mit einem gemeinschaftlichen Testament unvereinbaren Erbvertrags nicht berufen, wenn er beim Abschluss des Erbvertrags mitgewirkt und die Bestimmung des Erblassers gebilligt hat (BGH, Urteil vom 28. April 1958 – III ZR 98/56, MDR 1958, 490).
Die Beurteilung erfolgt anhand der besonderen Vorgänge des Einzelfalles, seiner Vorgeschichte und der nachfolgenden Entwicklung. Das gesamte Verhalten des Beklagten über Jahrzehnte zeigt, dass er selber von der Wirksamkeit des Erbvertrages ausging und dass er entsprechend bei der Klägerin einen entsprechenden Vertrauenstatbestand schuf. Beide Parteien erarbeiteten gemeinsam von 1978 bis 2013 über 35 Jahre eine durchgehende Vertrauensbasis, auf die sich die im Jahre 1940 geborene Klägerin zum Zeitpunkt der Zahlungseinstellung im Alter von 74 Jahren verlassen darf. Dieses Vertrauen erschöpft sich nicht in der Zahlung seit dem Tod 1998 bis Ende 2014. Schon 1978 hat der Beklagte mit seinem Einverständnis zum Erbvertrag von 1977 zu erkennen gegeben, dass er mit der Verfügung seines Vaters einverstanden war. Wenn dieses nach der späteren Rechtsprechung des BGH auch keine rechtliche Bindung entfaltete, begründete die Erklärung im Zusammenhang mit der jahrelangen Umsetzung das gerechtfertigte Vertrauen der Klägerin auf den Bestand der Vereinbarung, selbst wenn der Beklagte, wie er behauptet, die Erklärung ungelesen unterschrieben haben sollte. Nachfolgend hat der Beklagte 1998 hinsichtlich der in S belegenen Vermögensgegenstände der Übertragung auf die Klägerin zugestimmt und so erneut deutlich gemacht, dass der Wille des Vaters hinsichtlich der Versorgung seiner neuen Ehefrau umgesetzt wird. In allen Schreiben bis hin zur Zahlungseinstellung ab 2015 hat der Beklagte keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich an die Anordnung seines Vaters halten möchte, die Klägerin entsprechend zu versorgen. Dieses wird besonders deutlich in dem Schreiben vom 25.10.2005, dem er die Versorgungssicherheit so klar herausstellte, dass er sich „verbürgte“, stets dafür einzustehen, dass die Versorgung für alle Zeiten gewährleistet sei. Auch sein Schreiben vom 7.2.2013 bestärkte das gemeinsame Vertrauen, weil er dort nach ausführlicher Erörterung der Gesamtsituation im beiderseitigen Einvernehmen auf Vorschlag der Klägerin einen Kompromiss skizzierte, der die monatliche Versorgungszahlung bestätigte und die Höhe der Leibrente neu regelte. Das Vertrauen der Klägerin ist schutzwürdig. Der Beklagte hatte von Anfang an die Einschätzung, dass er das Unternehmen mit der Verpflichtung erbte, zeitgleich für die Versorgung der Klägerin eintreten zu müssen. Die Klägerin hingegen hat selbst wenn sie über Vermögen verfügen sollte, nach so langer Zeit der Zahlungen und der Bestätigungen des Vertrauensschutzes wegen ihres Alters keine Möglichkeit mehr, sich anderweitig laufende Versorgungsleistungen zu beschaffen oder gar die Rückzahlung zu bewerkstelligen.
Rechtsfolge des widersprüchlichen Verhaltens ist, dass sich der Beklagte nicht darauf berufen kann, dass der Erbvertrag von 1977 der früheren Anordnung von 1971 widerspreche. Das vertrauensbegründende Verhalten führt dazu, dass der Beklagte die Regelung aus 1977 akzeptieren und die Versorgung weiter gewähren muss.
c)
Der Höhe nach sind monatlich derzeit mindestens 5.500 € geschuldet, nachdem sich die Parteien am 7.2.2013 auf diese Höhe geeinigt haben und eine höhere oder niedrige Leistungsrate bislang nicht abweichend vereinbart worden ist.
2.
Die Berufung hat teilweise Erfolg hinsichtlich der Nebenforderung. Es ist keine 2,0, sondern nur eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG angemessen.
In durchschnittlichen Rechtssachen fällt die 1,3-fache Geschäftsgebühr als Regelgebühr an. Eine höhere Gebühr kann nur gefordert werden, wenn eine Tätigkeit umfangreich und schwierig und daher „überdurchschnittlich“ war (BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – I ZR 59/14 -, NJW 2015, 3244; BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – IX ZR 110/10, NJW 2011, 1603; Urteil vom 11. Juli 2012 – VIII ZR 323/11, NJW 2012, 2813). Aus dem Gebührenrahmen ergibt sich zwar rechnerisch eine Mittelgebühr von 1,5, die jedoch durch die „Kappungsgrenze“ auf eine 1,3-fache Gebühr abgesenkt worden ist. Ob eine Rechtssache als durchschnittlich anzusehen ist, bestimmt sich gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.
Die Angelegenheit war vom Sachverhalt überschaubar, da die Erbverträge und sonstigen Sachverhaltsdetails mit Dokumenten in chronologischer Reihenfolge leicht darstellbar waren. Rechtlich war die Tätigkeit mit zwei wesentlichen Fragestellungen aus dem BGB, der Wirksamkeit des Erbvertrages und der Anwendung des § 242 BGB, durchschnittlich. Beide Parteien diskutierten seit Jahren eine Absenkung der Zahlungen, so dass die Einkommens- und Vermögensverhältnisse einer durchschnittlichen Bewertung nicht entgegenstehen. Der Senat berücksichtigt ferner, dass sich die verbleibende wirtschaftliche Bedeutung für die Parteien bereits in der Höhe des Streitwertes und damit auch in der Höhe der Vergütung niederschlägt.
Die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit hat die Klägerin nach einem Streitwert für die Rente für einen 3,5 fachen Jahreswert (13 Monate mal 5.500 € mal 3,5 = 250.250,- €) berechnet. Hinzukommt die Tätigkeit hinsichtlich des Nießbrauchs am Grundstück. Bei einem monatlichen Wert von 1.200 € (Bl. 20) ergibt sich ein Jahreswert von 14.400,- €. Für das Jahr 2015 ist nach der Tabelle zu § 14 BewG ein Multiplikator von 9,166 zugrunde zu legen, so dass der Nießbrauch mit 131.990.40 € zu bewerten ist. Insgesamt beträgt der Gegenstandswert damit (250.250,- + 131.990,40 =) 382.240,40 €.
Bei einer Geschäftsgebühr von 1,3 berechnet sich vorgerichtliche Anwaltskosten bei einem Wert von 382.240,40 € wie folgt:
- 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2.300 VV RVG 3.708,90
- Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 RVG 20,–
- Zwischensumme 3.728,90
- 19 % Umsatzsteuer 708,49
- Gesamt: 4.437,39
3.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Berufung des Beklagten gegen die teilweise Abweisung der Widerklage erfolglos ist. Es kann dahinstehen, ob es zutreffend gewesen wäre, die Widerklage insgesamt abzuweisen, weil im Streitverhältnis der Parteien ein Interesse des Beklagten an der Feststellung der Unwirksamkeit des Erbvertrages nicht besteht, weil er sich auf die Unwirksamkeit nicht berufen kann. Insoweit ist der Ausspruch des Landgerichts rechtskräftig geworden und unterliegt nicht mehr der Abänderung durch den Senat.
4.
Die Anschlussberufung ist zulässig. Sie erfordert keine Beschwer. Daher kann der in erster Instanz siegreiche Kläger ausschließlich zum Zwecke der Klageerweiterung Anschlussberufung einlegen. Die Klageerweiterung (§ 264 Nr. 2 ZPO) ist begründet. Geschuldet werden die weiteren 15 Raten, die korrekt berechnet und ab Rechtshängigkeit zu verzinsen sind.
5.
Der Hilfsantrag, eine Stufenklage hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche, bedarf keiner Entscheidung, da die Klägerin Ansprüche aus dem Vermächtnis geltend machen kann.
6.
Ein Vorbehalt wird gemäß § 780 ZPO tenoriert. Nach § 780 Abs. 1 ZPO kann der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte die Beschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im Urteil vorbehalten ist. Ob die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Haftung vorliegen, ist mit der Aufnahme des Vorbehaltes nicht entschieden. Auf die Kostenentscheidung bezieht der Vorbehalt sich nicht (Zöller-Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 780 Rn. 7, 12).
III.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte gemäß §§ 92 II, 97 ZPO zu tragen. Die Kostenquote von 10 % zu Lasten der Klägerin ist nicht gerechtfertigt. Ein Teilunterliegen liegt nicht darin, dass das Landgericht unangefochten die Unwirksamkeit der Vermächtnisse festgestellt hat. Maßgebend für die Kostenquote ist der Erfolg der Parteien im konkreten Rechtsstreit. Im Ergebnis hat die Widerklage keinen Erfolg, weil sich der Beklagte gerade nicht auf die Unwirksamkeit des Erbvertrages berufen kann. Der Erfolg der Berufung bei der Nebenforderung ist geringfügig.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe, gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat eine Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Rechtsfrage zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH NJW-RR 2010, 1047-1048, Tz. 3 nach juris; MüKoZPO/Krüger, 5. Auflage, § 543, Rn. 7).
Bei Anwendung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtssache klärungsbedürftig ist. Der Weg über § 242 BGB ist in der Entscheidung des BGH zur Formbedürftigkeit von Erklärungen, die die Nähe zum Erbverzicht haben (BGH, Urteil vom 12.7.1989, IVa ZR 174/88, BGHZ 108, 252), vorgegeben. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Aus diesen Gründen ist die Revision auch nicht gem. § 543 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO zuzulassen.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz des Beklagten vom 10.04.2017 gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
Der Streitwert wird in Abänderung der Streitwertfestsetzung der ersten Instanz (§ 63 III Nr. 2 GKG) für die erste und zweite Instanz auf 382.240,40 € festgesetzt.
Maßgebend ist der negative Feststellungsantrag der Widerklage. Die Widerklage umfasst sämtliche Vermächtnisse, d.h. das Leibrentenversprechen und den Nießbrauch am Wohnhausgrundstück. Die monatlichen Zahlungen werden gemäß § 9 Satz 1 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei 13 Raten pro Jahr zu je 5.500 € ergeben sich 250.250 €. Die Klageanträge über 22.000 € bzw. 82.500,- € sind nicht damit zusammenzurechnen. Insoweit besteht wirtschaftliche Identität, § 45 I 3 GKG. Für den Nießbrauch am Grundstück mit einem monatlichen Wert von 1.200 € (Bl. 20) ergibt sich ein Jahreswert von 14.400,- €. Für das Jahr 2015 ist nach der Tabelle zu § 14 BewG ein Multiplikator von 9,166 zugrunde zu legen, so dass der Nießbrauch mit 131.990.40 € zu bewerten ist.