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Ersatzberufung der Kinder der nach Testamentserrichtung weggefallenen Geschwister

OLG München – Az.: 31 Wx 31/11 – Beschluss vom 13.04.2011

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 7. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben dem Beteiligten zu 1 die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 70.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der verwitwete, kinderlose Erblasser ist im August 2010 im Alter von 85 Jahren verstorben. Seine Ehefrau ist 1988 vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 (geboren 1927) ist der Bruder des Erblassers. Ein weiterer Bruder (geboren 1915) ist Anfang 2008 vorverstorben; die Beteiligten zu 2 und 3 sind seine Söhne. Von seinen beiden Schwestern ist eine kinderlos vorverstorben, die andere unter Hinterlassung eines Sohnes.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben in Höhe von rund 140.000 €. Das 425 m² große Hausgrundstück in München hat der Erblasser Mitte 1999 dem Beteiligten zu 2 und dessen Ehefrau überlassen.

Es liegen zwei handschriftliche Testamente vor. Das Testament vom 12.1.1999 lautet auszugsweise:

„Ich … setze hiermit meine zwei Brüder Josef und Heinrich P. als Erben meines Kapitalvermögens, je zur Hälfte, ein.

Das Haus in … München erbt mein Neffe Reinhold P. und dessen Frau … Dafür ist die Familie verpflichtet, die Grabstätte … sieben Jahre zu pflegen. Das Grab kann dann aufgelöst werden.“

Mit Testament vom 23.8.1999 hat der Erblasser bestimmt:

„Ich … möchte, dass das vorhandene Geld zu gleichen Teilen an meine Brüder Heinrich und Josef P. aufgeteilt wird. Das Haus und Grundstück wurde beim Notar … meinem Neffen Reinhold P. und dessen Frau am 20. Juli 1999 überschrieben.“

Der Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, ihm sei der Anteil seines vorverstorbenen Bruders Heinrich angewachsen, und hat die Erteilung eines Erbscheins als Alleinerbe beantragt. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben dagegen die Auffassung vertreten, der Anteil ihres verstorbenen Vaters stehe ihnen als Ersatzerben zu. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 7.12.2010 den vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein bewilligt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Nachlassgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beteiligte zu 1 Alleinerbe aufgrund des Testaments vom 23.8.1999 ist.

Der Erblasser hat mit dem Testament vom 23.8.1999 sein Kapitalvermögen, das im Wesentlichen sein gesamtes Vermögen darstellte, seinen beiden Brüdern zu gleichen Teilen zugewandt. Das ist als Erbeinsetzung anzusehen, auch wenn die Bedachten nicht ausdrücklich als Erben bezeichnet sind. Eine ausdrückliche Regelung für den Fall, dass einer der zu Erben eingesetzten Brüder vor dem Erblasser verstirbt, enthält das Testament nicht; es ist deshalb auslegungsbedürftig.

1. Gemäß § 2099 BGB geht das Recht der Ersatzerben der Anwachsung vor. Es ist deshalb bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung vorweg zu prüfen und festzustellen, ob Ersatzerben (§ 2096 BGB) bestimmt sind. Wenn der Erblasser seine Geschwister bedacht hat, kann die für die Einsetzung von Abkömmlingen geltende Auslegungsregel des § 2069 BGB nicht angewandt werden, auch nicht analog (vgl. OLG München NJW-RR 2007, 1162/1164 m. w. N.). Es ist jedoch anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob im Wege der gegebenenfalls ergänzenden Testamentsauslegung ein entsprechender (hypothetischer) Wille des Erblassers für die Berufung der Kinder der nach Testamentserrichtung weggefallenen Geschwister als Ersatzerben festgestellt werden kann. Die für die Annahme eines derartigen Erblasserwillens notwendige Andeutung in der letztwilligen Verfügung selbst kann in solchen Fällen bereits in der Tatsache der Berufung der Geschwister als nahestehender Verwandter des Erblassers unter Hinweis auf diese verwandtschaftliche Funktion gesehen werden (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 569; BayObLG FamRZ 2005, 68/69 m. w. N.).

Ein starkes Indiz dafür, dass der Erblasser weniger die Personen als die jeweiligen Stämme der Geschwister bedenken wollte, kann darin liegen, wenn die Geschwister wie bei der gesetzlichen Erbfolge gleichmäßig bedacht werden, der Erblasser sich also mehr vom formalen Kriterium der Gleichbehandlung leiten lässt, als davon, zu wem er ein gutes oder weniger gutes Verhältnis hat (vgl. OLG München NJW-RR 2007, 1162/1164).

2. Im vorliegenden Fall sind keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Erblasser seinen Bruder Heinrich „als ersten seines Stammes“ bedenken wollte. Wie das Nachlassgericht zu Recht hervorgehoben hat, war dem Erblasser gerade nicht an einer gleichmäßigen Aufteilung seines Vermögens an seine Geschwister bzw. deren Stämme gelegen. So ordnet der Erblasser in der letztwilligen Verfügung vom 12.1.1999 an, dass seine Brüder Josef und Heinrich jeweils die Hälfte des Kapitalvermögens erhalten sollen und wendet zugleich dem Sohn des Bruders Heinrich, dem Beteiligten zu 2, das wertvolle Hausgrundstück in München zu. Der Sohn der bei Testamentserrichtung bereits verstorbenen Schwester wird hingegen nicht erwähnt. Das rund sieben Monate später errichtete Testament vom 23.8.1999 trägt dem Umstand Rechnung, dass der Grundbesitz im Juli 1999 dem Beteiligten zu 2 und dessen Ehefrau überschrieben worden war, und ist im Übrigen inhaltsgleich mit dem Testament vom Januar 1999. Der gesamte Inhalt der beiden letztwilligen Verfügungen spricht dafür, dass sich der Erblasser bei der Regelung der Erbfolge nicht von den Gesichtspunkten der Gleichbehandlung der Geschwister und der gleichmäßigen Aufteilung des Vermögens unter deren Stämme hat leiten lassen, sondern von individuellen Erwägungen, die von seinem persönlichen Verhältnis zu den Bedachten bestimmt waren. Das von den Beteiligten zu 2 und 3 beschriebene gute persönliche Verhältnis zum Erblasser trägt nicht die Schlussfolgerung, dass der Erblasser sie für den Fall des Vorversterbens ihres Vaters als Ersatzerben berufen wollte, zumal nach Darstellung des Beteiligten zu 1 auch zu ihm und seiner Familie ein gutes persönliches Verhältnis bestanden hat. Soweit der Beteiligte zu 2 auf die ihm erteilten Vollmachten verweist – Vorsorgevollmacht vom Juli 1999, Bankvollmachten vom Januar 2007 -, ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser ihn über die zu Lebzeiten durchgeführte Zuwendung des Hauses hinaus auch als Ersatzerben berufen wollte. Das gleiche gilt für die Einsetzung des Beteiligten zu 2 als Bezugsberechtigten für eine kurz vor dem Tod abgeschlossene Rentenversicherung. Das vom Beteiligten zu 2 beschriebene Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Erblasser spricht vielmehr dafür, dass für den Erblasser bei der Verteilung seines Vermögens – zu Lebzeiten und von Todes wegen – das persönliche Näheverhältnis zu einzelnen Verwandten maßgeblich war und nicht der formale, der gesetzlichen Erbfolge nahekommende Gesichtspunkt der gleichmäßigen Behandlung der Geschwisterstämme.

Die von den Beschwerdeführern berichtete Äußerung des Erblassers anlässlich der Beerdigung seines Bruders Heinrich im Februar 2008, wonach die Beteiligten zu 2 und 3 den Anteil ihres Vaters an seinem Erbe erhalten sollten, lässt keinen hinreichend zuverlässigen Rückschluss auf seine Willensrichtung bei der rund neun Jahre zurückliegenden Testamentserrichtung zu. Dasselbe gilt für seine Bemerkungen bei der Übernahme der Rechnung bei Gaststättenbesuchen sowie einer Geburtstagsfeier im Jahr 2009 („Das zahlst sowieso Du als Erbe“, „Das zahle ich aus Eurem Erbe“). Weiterer Ermittlungen hierzu bedarf es deshalb nicht.

III.

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf § 84 FamFG. Für die Festsetzung des Geschäftswerts (§ 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1 KostO) ist das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführer am Erfolg ihres Rechtsmittels maßgeblich. Dieses entspricht der Hälfte des Nachlasswertes.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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