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Gemeinschaftliches Testament – Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung

OLG München – Az.: 31 Wx 337/17 – Beschluss vom 07.12.2017

I. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München, Nachlassgericht, vom 14.08.2017 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdeführer hat die den Beteiligten zu 1) und 2) im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.

Gründe

I.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist nämlich das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass sich die Erbfolge nach dem notariellen Testament vom 28.05.2015 richtet.

1. Die Erblasserin und ihr vorverstorbener zweiter Ehemann hatten sich mit handschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 07.12.2004 gegenseitig zu Alleinerben und den Beteiligten zu 3) zum Schlusserben des Längstlebenden eingesetzt. Die Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 3) war jedoch, wie das Nachlassgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht wechselbezüglich, so dass die Erblasserin nicht gehindert war, durch Testament vom 28.05.2015 neu zu testieren.

a) Nach § 2270 Abs. 1 BGB sind in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Verfügungen dann wechselbezüglich und damit für den überlebenden Ehegatten bindend getroffen, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll (BayObLG FamRZ 2005, 1931 mwN.). Maßgeblich ist allein der übereinstimmende Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (BGHZ 112, 229, 233). Ob Wechselbezüglichkeit im Sinne des § 2270 BGB vorliegt, ist nicht generell zu bestimmen, sondern muss für jede einzelne Verfügung gesondert geprüft und bejaht werden (BGH NJW-RR 1987, 1410; OLG München FamRZ 2010, 1846, <1847>). Dies setzt zunächst voraus, dass die einzelnen Verfügungen ermittelt und festgestellt werden. Erst wenn dies der Fall ist, kann sich die Frage anschließen, ob einer bestimmten Verfügung Wechselbezüglichkeit beizumessen ist. Enthält ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung der Wechselbezüglichkeit, muss nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert ermittelt werden, ob sie wechselbezüglich ist oder nicht (BGH NJW-RR 1987, 1410).

Führt die Ermittlung des Erblasserwillens weder zur gegenseitigen Abhängigkeit noch zur gegenseitigen Unabhängigkeit der beidseitigen Verfügung, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zu Gunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt oder ihm sonst nahe steht. Diese Auslegungsregel ist erst dann heranzuziehen, wenn nach Überprüfung aller inner- und außerhalb des Testaments liegenden Umstände verbleibende Zweifel am Erblasserwillen nicht zu beseitigen sind. (BayObLG FamRZ 2005, 1931). Ob zwischen den Verfügungen vom Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament der im § 2270 BGB bezeichnete Zusammenhang der Wechselbezüglichkeit besteht, ist – sofern dies nicht eindeutig ist – durch Auslegung nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB) zu entscheiden.

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind wechselbezüglich alleine die Verfügungen der Testierenden mit denen sie sich gegenseitig zu Erben des jeweils anderen eingesetzt haben. Denn die Erbeinsetzung des einen Ehegatten sollte mit der gleichzeitigen Erbeinsetzung des anderen Ehegatten stehen und fallen.

c) Bezüglich der Schlusserbeneinsetzung enthält das gemeinsame Testament keine ausdrückliche Erklärung der Ehegatten hinsichtlich einer Wechselbezüglichkeit ihrer letztwilligen Verfügungen. Es ist daher auslegungsbedürftig. Der Senat teilt allerdings nicht die Auffassung des Beteiligten zu 3), dass seine (Schluss)Erbeinsetzung bereits ein Indiz für die Wechselbezüglichkeit zwischen der Einsetzung der Erblasserin durch ihren vorverstorbenen Ehemann und – im Gegenzug dazu – die Einsetzung des Beschwerdeführers als Schlusserbe durch die Erblasserin ist. Die Ehe der Testierenden war kinderlos. Ist – wie hier – der eingesetzte Schlusserbe mit keinem der testierenden Ehegatten verwandt oder verschwägert, entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein Ehegatte seinen Partner regelmäßig das Recht belassen will, als Überlebender jederzeit die Schlusserbeneinsetzung abzuändern. Das gilt insbesondere auch in Bezug auf caritative oder gemeinnützige als Schlusserbe eingesetzte Organisationen wie den Beteiligten zu 3) (Palandt/Weidlich: BGB 76. Auflage <2017>, § 2270 Rn.6; Burandt in: Burandt/Rojahn: Erbrecht, 2. Auflage <2014> § 2270 Rn.27; BayObLG FamRZ 1986,604 <606>). Der Vortrag des Beteiligten zu 3), es hätten mehrere Gespräche zwischen dem Ehemann der Erblasserin und dem Vorstand des Beteiligten zu 3) stattgefunden, in welchem es auch um die wirtschaftliche Situation des Beteiligten zu 3) und eine mögliche Unterstützung des Beteiligten zu 3) durch den Ehemann der Erblasserin und um die Frage der Erbschaftsbesteuerung gegangen sein soll, stellt keine tragfähige Grundlage für den Schluss dar, dass die überlebende Erblasserin an die Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 3) gebunden sein sollte. Die Ausführungen des Beteiligten zu 3) mag eine gewisse Aussagekraft für die Frage der Motivation der Ehegatten haben, dass der Beteiligte zu 3) überhaupt in den Genuss deren Vermögens gelangen sollte. Für die Frage, ob der überlebende kinderlose Ehegatte auch an die Zuwendung gebunden sein sollte, ergeben sich daraus ebenso wenig Anhaltspunkte wie aus dem Umstand, dass der Ehemann der Erblasserin sporadischen Kontakt zum Erwerb oder zur Urlaubsversorgung eines Haustieres hatte und ein eventuell zurückbleibendes Haustier nicht im eigentlich zuständigen XXX Tierheim, sondern im Tierheim des Beteiligten zu 3) versorgt wissen wollte. Hätten die Ehegatten eine Bindung an die Schlusserbeneinsetzung gewollt, so hätte es nahegelegen, dass sie auch das Procedere hinsichtlich eines zurückbleibenden Haustiers im Testament geregelt hätten. Dieses ist aber in der letztwilligen Verfügung mit keinem Wort erwähnt, wohingegen die Grabpflege geregelt wurde, was nach Auffassung des Senats aber auch nicht zwingend darauf schließen lässt, dass der jeweils längslebende der testierenden Ehegatten an die im gemeinschaftlichen Testament verfügte Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 3) gebunden sein sollte.

d) Entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 3) ergibt sich die Wechselbezüglichkeit der hier inmitten stehenden Verfügungen (Erbeinsetzung der Ehefrau im Gegenzug zu deren Einsetzung des Beteiligten zu 3) als Schlusserben) nicht aus der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB. Danach ist im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zu Gunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt oder ihm sonst nahe steht. An ein solches Näheverhältnis sind strenge Anforderungen zu stellen.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der Vortrag des Beteiligten zu 3) auch nicht geeignet, ein Naheverhältnis im Sinne einer verwandtschaftlichen Beziehung zu belegen. Aus diesem Vortrag lassen sich gerade nicht solch enge persönliche und innere Beziehungen ableiten, die mindestens dem üblichen Verhältnis zu nahen Verwandten entsprechen. Demgemäß ist auch die Einvernahme der Zeugin XXX nicht geboten, da von ihrer Aussage im Hinblick auf den bisherigen Vortrag weitere Erkenntnisse als die bereits vorgetragenen in Bezug auf das Bestehen eines Näheverhältnisses des Ehemanns der Erblasserin zum Beteiligten zu 3) nicht zu erwarten sind.

II.

Auch die im Beschwerdeschriftsatz vom 14.09.2017 erklärte Anfechtung gemäß § 2078 BGB greift, wie das Nachlassgericht richtig ausgeführt hat, nicht durch.

a) Ein Erklärungsirrtum im Sinne des § 2078 Absatz 1 BGB ist schon nicht erkennbar.

b) Nach § 2078 Abs. 2 BGB berechtigt auch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstandes zur Anfechtung, falls der Erblasser durch sie zu der Verfügung bestimmt worden ist.

Der Irrtum kann sich auf vergangene, gegenwärtige oder zukünftige Umstände beziehen. Die ausdrückliche Erwähnung der irrigen „Erwartung“ im Gesetzeswortlaut lässt keinen Zweifel daran, dass auch ein Irrtum über künftige Entwicklungen in Betracht kommt (so auch OLG Köln FamRZ 1990, 1038). Der Irrtum kann Personen, Gegenstände, politische und wirtschaftliche Verhältnisse oder Rechtsverhältnisse betreffen (Staudinger/Otte BGB <2013> § 2078 BGB Rn. 14).

Im Rahmen des § 2078 Abs. 2 BGB können nur Irrtümer die Anfechtung rechtfertigen, die bewegender Grund für den letzten Willen waren (BGH NJW-RR 1987, 1412/1413), d.h. ohne die der Erblasser die Verfügung mit Sicherheit nicht getroffen hätte (BayObLG FamRZ 1997, 1436/1437; OLG München FGPrax 2008, 254/258). Die Feststellungslast für die anfechtungsbegründenden Tatsachen trägt der Anfechtende (BayObLG FamRZ 1997, 772/773).

Dass die Erblasserin bei Abfassung des notariellen Testaments vom 28.05.2015 die Frage der Erbschaftsbesteuerung der potentiellen Erben für überhaupt irgendwie ausschlaggebend gehalten hätte, dass sie bei Kenntnis der Steuerlast die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) nicht vorgenommen hätte, dafür ist der insoweit feststellungsbelastete Beteiligte zu 3) bislang jeden Beweis schuldig geblieben. Es erscheint dem Senat jedenfalls lebensnäher, dass die Frage der Erbschaftssteuer, mit der die Erben belastet werden, für die Erblasserin bei Abfassung des Testaments überhaupt keine Rolle spielte und somit auch keinen bewegenden Grund für ihren letzten Willen darstellt.

III.

Die Beschwerdeführerin hat kraft Gesetzes die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen (§ 22 Abs. 1 GNotKG). Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) beruht auf § 84 FamFG. Nach § 84 FamFG soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat; dies gilt auch für ein Rechtsmittel, das eingelegt und dann zurückgenommen wurde (vgl. Keidel/Zimmermann FamFG 19. Auflage <2017> § 84 Rn. 19). Besondere Umstände, die es angemessen erscheinen lassen, keine Kostenerstattung anzuordnen, liegen nicht vor. Insbesondere erfolgten die Behauptungen hinsichtlich des Bestehens eines Anfechtungsgrundes nach § 2078 Absatz2 BGB „ins Blaue hinein“, so dass es billigem Ermessen entspricht, dem Beschwerdeführer auch die im Beschwerdeverfahren angefallenen außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1) und 2) aufzuerlegen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 36 GNotKG. Dieser entspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels und entspricht dem Wert der von ihm verfolgten eigenen Rechtsposition (OLG München ZEV 2017, 634 <641>). Dieses ist darauf gerichtet, einen Erbschein als Alleinerbe nach der Erblasserin zu erlangen, somit in Höhe des Nachlasswertes festzusetzen. Da der Nachlasswert bislang nicht feststeht, bleibt die Festsetzung des Geschäftswerts bis zur Ermittlung des Nachlasswertes durch das Nachlassgericht vorbehalten.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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