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Pflichtteilsanspruch – Anspruchshöhe unter Berücksichtigung eines Erbverzichts

OLG Köln – Az.: 24 U 48/20 – Urteil vom 21.01.2021

Die Berufung der Beklagten gegen das am 20.03.2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – 13 O 136/19 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 358.584,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.12.2018 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 143.823,51 EUR vom 22.12.2018 bis zum 28.08.2019 zu zahlen abzüglich am 03.08.2020 gezahlter 24.987,66 EUR.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ihre Schwester, einen Pflichtteilsanspruch geltend. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Teilanerkenntnisurteil vom 03.02.2020 zur Zahlung von 143.823,51 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Durch das angefochtene Urteil hat es der Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 358.584,95 EUR nebst Zinsen sowie weitere Zinsen auf den anerkannten Teilbetrag zuerkannt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 BGB in Höhe von insgesamt 502.408,46 EUR. Dies entspreche einem Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte der Erbmasse. Da die Beklagte am 29.01.1985 durch gerichtlich protokollierten Vergleich auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichtet habe, sei sie bei der Feststellung des Erbteils für die Berechnung des Pflichtteils nicht mitzuzählen. Der Erbverzicht sei nicht wirksam aufgehoben worden. Eine wirksame Aufhebung des Verzichts sei nicht durch die notarielle Beurkundung des Testaments am 22.03.2010 erfolgt. Die Aufhebung des Erbverzichtsvertrags bedürfe der notariellen Beurkundung. Das notarielle Testament der Erblasserin vom 22.03.2010 enthalte keinen Hinweis auf eine Aufhebung des Erbverzichts. Dass die Erblasserin und die Beklagte einen – auch stillschweigend möglichen – Vertrag über die Aufhebung des Erbverzichts geschlossen hätten, der in die Beurkundung des notariellen Testaments vom 22.03.2010 Eingang gefunden habe, habe die Beklagte nicht darlegen können. Dem Beweisangebot der Beklagten auf Vernehmung des Notars Dr. A sei nicht nachzugehen gewesen, da es sich um einen Ausforschungsbeweis handele. Auch das notariell beurkundete einseitige „Einverständnis zur Aufhebung eines Erbverzichts“ vom 12.07.2019 könne eine Aufhebung des Erbverzichts nicht bewirken. Ein Aufhebungsvertrag nach dem Tod des Erblassers sei nicht mehr möglich. Bei der Berechnung der Höhe des Nachlasswertes sei eine latente Steuerlast nicht zu berücksichtigen. Maßgebend sei allein der Verkehrswert der Immobilie. Es sei auch nicht dargetan oder ersichtlich, dass der Wert der Immobilie allein durch deren Verkauf realisiert werden könne. Auch der Hilfsantrag der Beklagten sei jedenfalls unbegründet. Die Vorschriften der §§ 232 ff. BGB setzen die Verpflichtung zu einer – hier nicht geschuldeten – Sicherheitsleistung voraus. Es sei auch kein Abzug für laufend e Grabpflegekosten in Höhe eines kapitalisierten Betrages von 7.500 EUR vorzunehmen. Kosten für die laufende Grabpflege nach erstmaliger Herrichtung der Grabstätte seien keine Beerdigungskosten i.S.d. § 1968 BGB. Bei der Berechnung des Nachlasswertes und damit bei der Pflichtteilsberechnung finde auch der Wert von Schmuckstücken der Erblasserin in Höhe von 20.000,00 EUR keine Berücksichtigung. Die Beklagte habe mit dem erst im Verhandlungstermin überreichtem Schriftsatz vom 31.01.2020 nicht ansatzweise dargelegt, wie sich der von ihr behauptete Wert der Schmuckstücke zusammensetze. Sie sei insoweit zudem beweisfällig geblieben. Allein die Inbezugnahme von nicht näher kommentierten Lichtbildern sei weder zur Darlegung noch zum Beleg des Wertes geeignet. Zurückbehaltungsrechte stünden der Beklagten bereits deshalb nicht zu, weil die Klägerin die Forderungen, hinsichtlich derer sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufe, bereits nicht substantiiert dargelegt habe und im Übrigen auch beweisfällig geblieben sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese geltend macht: Nach dem Willen der Erblasserin und der Beklagten sei der Erb- und Pflichtteilsverzicht aus dem Jahr 1985 durch das notarielle Testament vom 22.3.2010 aufgehoben worden. Das Landgericht habe den auf Vernehmung des Streithelfers der Klägerin gerichteten Beweisantritt zu Unrecht als Ausforschungsbeweis qualifiziert und diesen rechtsfehlerhaft übergangen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei die latente Steuerlast bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs zu berücksichtigen. Grabpflegekosten seien Beerdigungskosten, weil der Nutzungsberechtigte nach § 40 Abs. 1 der Friedhofssatzung zur Unterhaltung der Grabstätte verpflichtet sei. Das Landgericht habe gegen seine Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO verstoßen, indem es sie nicht darauf hingewiesen habe, dass es ihren Vortrag zu Kostenerstattungsansprüchen aus dem Nachlass- und Beschwerdeverfahren in Höhe von insgesamt 24.987,66 EUR für unsubstantiiert halte. Diese Kosten seien unstreitig.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,  unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,  die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2020 haben die Parteien den Rechtstreit in der Hauptsache in Höhe eines Betrages von 24.987,66 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein – weiterer – Pflichtteilsanspruch in Höhe 358.584,95 EUR abzüglich am 03.08.2020 gezahlter 24.987,66 EUR gemäß § 2303 Abs. 1 BGB zu. Sie ist von der Erblasserin enterbt worden und demzufolge gemäß § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB pflichtteilsberechtigt.

a.

Ihre Pflichtteilsquote beläuft sich auf 1/2.

Der Pflichtteil eines Abkömmlings besteht gemäß § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil bestimmt sich nach der jeweiligen Nachlassquote. Um diese zu ermitteln, sind gemäß § 2310 BGB alle diejenigen Personen mitzuzählen, die, soweit sie nicht von der Erbfolge ausgeschlossen wären, hypothetisch erben würden. Die für die Bestimmung der Höhe des Pflichtteils gedanklich zugrunde zulegende Quote ist also die, nach der der Pflichtteilsberechtigte bei seiner fingierten gesetzlichen Erbfolge erben würde (BeckOGK/Obergfell, 1.9.2020, BGB § 2303 Rn. 44). In diesem Fall wäre die Klägerin Alleinerbin der Erblasserin geworden. Da der von der Beklagten in dem Prozessvergleich vom 29.01.1985 erklärte Erbverzicht – weiterhin – wirksam ist, wird sie gemäß § 2310 S. 2 BGB nicht mitgezählt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Erbverzicht nicht durch das notarielle Testament vom 22.03.2010, in dem die Beklagte zur Alleinerbin berufen worden ist, aufgehoben worden. Zwar kann ein Erbverzicht aufgehoben werden, wie sich aus § 2351 BGB ergibt. Hierfür ist aber ein Vertragsschluss zwischen den Beteiligten erforderlich, die den ursprünglichen Verzichtsvertrag geschlossen haben (BeckOGK/Everts, 1.9.2020, BGB § 2351 Rn. 5), der aufgrund des Verweises auf § 2348 BGB der notariellen Beurkundung bedarf (BeckOGK/Everts, 1.9.2020, BGB § 2351 Rn. 7). In dem notariellen Testament vom 22.03.2010 ist explizit keine Aufhebung des Erbverzichts enthalten. Dahin gestellt bleiben kann, ob ein solcher Aufhebungsvertrag – wie das Landgericht es angenommen hat – durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann, sowie ferner, ob sich dem notariellen Testament vom 30.03.2010 ein dahingehender Wille der Erblasserin entnehmen lässt. Denn jedenfalls fehlt es an einer entsprechenden – stillschweigenden – formwirksamen Erklärung der Beklagten. Die Beklagte wird in der notariellen Urkunde nicht einmal als Erschienene erwähnt. Angesichts dessen fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass eine von ihr – konkludent – abgegebene Erklärung notariell beurkundet worden ist. Eine möglicherweise stillschweigende – notariell beurkundete – Erklärung der Erblasserin könnte deshalb lediglich ein Angebot auf Aufhebung des Erbverzichts darstellen, welches die Beklagte aber erst durch ihr notariell beurkundetes Einverständnis zur Aufhebung eines Erbverzichts vom 12.07.2019 nach dem Tod der Erblasserin – und damit nicht wirksam – angenommen hätte. Denn eine Annahme des Angebots auf Abschluss eines Erbverzichts- oder Pflichtteilsverzichtsvertrages ist nach dem Tod des Erblassers nicht mehr möglich (BGH NJW 1997, 521, 522; Burandt/Rojahn/Große-Boymann, 3. Aufl. 2019, BGB § 2346 Rn. 6). Dies muss gleichermaßen für die Annahme des Angebots auf Aufhebung eines solchen Vertrages gelten.

Aus Vorstehendem folgt zugleich, dass es einer Einvernahme des Streithelfers der Klägerin dazu, welche Vorstellungen die Erblasserin und die Beklagte bei der Beurkundung des notariellen Testaments vom 22.03.2020 hatten, nicht bedurfte.

b.

Der Wert des Nachlasses beträgt – wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat – 1.035.394,58 EUR. Er bemisst sich nach den §§ 2311 bis 2313 BGB. Gemäß § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB wird der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt.

aa.

Er ist nicht um eine latente Steuerschuld hinsichtlich des Hausgrundstücks in der B 367-373 in C zu reduzieren.

Nach der in Rechtsprechung und Literatur herrschenden Meinung mindern latente Steuern den Wert eines Nachlassgegenstandes nicht, wenn er – wie es auch vorliegend der Fall ist – nach dem Ertragswert (Fortführungswert) ermittelt und nicht in engem Zusammenhang mit dem Erbfall veräußert oder aufgegeben wird (OLG Hamm, Urteil vom 27.10.2016, 10 U 61/07 juris Rn 151; BeckOGK/Blum, BGB, Stand 01.08.2020, § 2311 Rn. 193; Rösler in: Groll/Steiner, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 5. Aufl. 2019, Pflichtteil, Rn. 26 104b).

Dagegen ist der Wert des Nachlassgegenstands um latente Steuern zu reduzieren, soweit der Wert nach dem Liquidationswert ermittelt oder der Gegenstand in engem Zusammenhang mit dem Erbfall veräußert oder aufgegeben wird, selbst wenn dies auf einem freien Entschluss des Erben beruht (vgl. BGH ZEV 2011, 89; NJW-RR 1993, 131, 132; NJW 1987, 1260, 1262; NJW 1982, 2497, 2498; BGH, Urteil vom 26.04.1972, IV ZR 114/70, zitiert nach juris; OLG Hamm, a.a.O.; OLG München, Urteil vom 14.01.2003, 23 U 1830/02, juris Rn. 45 f.; vgl. auch LG Hagen. Urteil vom 24.05.2012, 4 O 330/09, juris; BeckOGK/Blum, a.a.O.; Birkenheier in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2311 BGB (Stand: 03.04.2020), Rn. 59; Lohr/Prettl in: Schlitt/Müller, Handbuch des Pflichtteilsrechts, 2. Aufl., § 4 Rn. 85). Die latenten Ertragsteuern sind dann unvermeidbare Veräußerungskosten (Rösler in: Groll/Steiner, a.a.O., Rn. 26, 104b.)

Der Senat schließt sich dieser herrschenden Auffassung an. Ein pauschaler Abzug latenter Ertragssteuern ohne Rücksicht auf eine Veräußerung eines Unternehmens übersieht, dass bei fortgeführtem Unternehmen stille Reserven überhaupt nicht aufgedeckt werden und deshalb keine Steuern anfallen. Rein hypothetische Steuern können nicht zu einer Verringerung des Pflichtteilsanspruches führen. Andernfalls würde das Vorhandensein von Unternehmensvermögen im Nachlass eine pauschale Benachteiligung des Pflichtteilsberechtigten bedeuten (BeckOGK/Blum, BGB, 01.08.2020, § 2311 Rn. 211). Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich (Rösler in: Groll/Steiner,a.a.O., Rn. 26. 105a). Hierin läge auch ein Verstoß gegen das Stichtagsprinzip. Nach der Wurzeltheorie können zwar solche wertbildenden oder wertbeeinflussenden Faktoren Berücksichtigung finden, die zum Stichtag bereits im Kern angelegt waren, sich allerdings erst später manifestieren. Bei einer latenten Steuer ist jedoch unklar, zu welchem Zeitpunkt bzw. ob sich diese überhaupt manifestiert (BeckOGK/Blum, BGB, 01.08.2020, § 2311 Rn. 211).

Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Bundesgerichtshof im Rahmen des Zugewinnausgleichs latente Ertragsteuern stets als wertmindernde Veräußerungskosten abzieht, unabhängig davon, ob eine Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist. Dies ist die Konsequenz aus der dort angewandten Bewertungsmethode, bei der der Wert danach ermittelt wird, welcher Erlös bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Deshalb darf nicht außer Betracht bleiben, dass wegen der damit verbundenen Auflösung der stillen Reserven dem Verkäufer wirtschaftlich nur der um die fraglichen Steuern verminderte Erlös verbleibt; es handelt sich um unvermeidbare Veräußerungskosten (BGH, NJW 2011, 2572, 2575 f.).

bb.

Weiter zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Grabpflegekosten nicht zum Passivbestand des Nachlasses zählen. Dieser umfasst u.a. die „den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten“ i.S.v. § 1967 Abs. 2 BGB, d.h. die Erbfallschulden (vgl. BeckOGK/Blum, BGB 01.08.2020, § 2311 Rn. 73), zu denen gemäß § 1968 BGB die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers gehören.

Nach der in Rechtsprechung und Literatur vorherrschenden Meinung, welche der Senat teilt, sind die Kosten der Grabpflege nicht Teil der Beerdigungskosten. Denn die Beerdigung ist mit der Herrichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte abgeschlossen (vgl. BGH NJW 1973, 2103, 2104; BeckOKBGB/Lohmann, 55. Ed. 1.8.2020, § 1968 Rn. 5; MünchKommBGB/Küpper, 8. Aufl., § 1968 Rn. 4).

Soweit von Teilen der Rechtsprechung und Literatur eine Einordnung der Grabpflegekosten als Nachlassverbindlichkeiten unter Hinweis darauf befürwortet wird, dass die Grabpflegekosten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG von dem steuerpflichtigen Erwerb abzugsfähig sind (vgl. Damrau ZEV 2004, 456), überzeugt dies nicht. Denn § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG nennt ausdrücklich – gesondert – die Kosten der Bestattung des Erblassers, die Kosten für ein angemessenes Grabdenkmal und die Kosten für die übliche Grabpflege. Dies verdeutlicht, dass auch der Gesetzgeber die Kosten der Grabpflege nicht als Kosten der Bestattung betrachtet, denn anderenfalls wären diese nicht neben denjenigen der Bestattung aufzuführen. Im Übrigen setzt die steuerliche Abzugsfähigkeit der Kosten der Grabpflege auch nicht voraus, dass der Erbe rechtlich zu deren Tragung verpflichtet ist (MünchKommBGB/Küpper, a. a. O., § 1968 Rn. 4). Auch der Umstand, dass die Grabpflege einer Rechtspflicht entsprechen mag, wenn die jeweilige Friedhofssatzung den Nutzungsberechtigten zur Unterhaltung der Grabstätte verpflichtet (so LG Heidelberg ZEV 2011, 583; zustimmend BeckOGKBGB/Grüner, Stand 01.04.2020, § 1968 Rn. 65), führt nicht dazu, dass die Grabpflegekosten solche der Bestattung sind (so aber auch AG Neuruppin ZEV 2007, 597). Dass nach öffentlichem Recht eine Verpflichtung besteht, die Grabstätte in ordentlichem Zustand zu halten, begründet nämlich keine Ausgleichsverpflichtung des Erben (MünchKommBGB/Küpper, 8. Aufl., § 1968 Rn. 4). Vorliegend kommt hinzu, dass die Instandhaltungspflicht nach dem Vortrag der Beklagten nach der Friedhofssatzung der Stadt Bonn den Grabnutzungsberechtigten trifft, der nicht notwendig mit dem oder den Erben identisch sein muss (vgl. für eine entsprechende Konstellation auch OLG Köln [2. Zivilsenat], ZEV 2015, 355).

cc.

Die Klageforderung ist auch nicht durch die seitens der Beklagten konkludent erklärte Aufrechnung mit einem angeblichen Schadensersatzanspruch in Höhe von 20.000 EUR wegen angeblich von der Klägerin nicht zurückgegebenen Schmucks der Erblasserin gemäß § 389 BGB teilweise erloschen. Einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Zwar sind diese Vorschriften auf den Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB anwendbar (ausführlich BGH, NJW 2016, 3235 ff.), auf den die Beklagte sich mutmaßlich als Rechtsnachfolgerin der Erblasserin stützen möchte. Der Anspruch aus §§ 280, 281 BGB setzt aber grundsätzlich eine vorherige Fristsetzung voraus (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 21). Eine solche ist nicht dargetan. Ein Schadensersatzanspruch – gleich aus welchem Rechtsgrund – scheitert im Übrigen aber auch daran, dass die Beklagte zum Wert des Schmuckes nicht substantiiert vorgetragen hat. Sie hat weder dargelegt, um welche Schmuckstücke es sich im einzelnen handelt, noch, welchen Wert diese jeweils besitzen. Vielmehr hat sie sich darauf beschränkt, ein Konvolut von Fotografien vorzulegen. Entgegen der Auffassung der Beklagten musste das Landgericht anhand der Lichtbilder auch kein Sachverständigengutachten zum Wert der abgebildeten Schmuckstücke einholen. Einem Sachverständigen hätten nämlich mangels Darlegungen seitens der Beklagten jegliche Anknüpfungstatsachen für die Wertbestimmung gefehlt. Es ist weder vorgetragen worden, aus welchen Materialien die Schmuckstücke bestehen, noch lässt sich dies anhand der Lichtbilder feststellen.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2020 in der Hauptsache in Höhe von 24.987,66 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gemäß § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Dies entspricht der Billigkeit unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes. Die Berufung hätte auch hinsichtlich dieses Betrages keinen Erfolg gehabt. Der Beklagten stand in Höhe des Betrages von 24.987,66 EUR kein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB zu. Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn sich Ansprüche gegenüberstehen, die beiderseits gleichartige Leistungen, insbesondere Geldleistungen, zum Gegenstand haben. Sind die beiderseitigen Leistungen verrechenbar, ist eine zur Zug um Zug-Verurteilung führende Zurückbehaltung im Allgemeinen weder sinnvoll noch angebracht und deshalb regelmäßig in eine Aufrechnung umzudeuten (BGH NJW 2000, 278, 279). Dies kommt vorliegend indes aufgrund des entgegenstehenden Willens der Beklagten nicht in Betracht. Die Beklagte hat  im Schriftsatz vom 31.01.2020 ausdrücklich erklärt, keine Aufrechnung zu erklären, sondern ein Zurückbehaltungsrecht ausüben zu wollen.

Im Übrigen wäre die Erklärung der Aufrechnung in Höhe des Betrages von 24.987,66 EUR aber auch nicht sinnvoll gewesen, da die Beklagte eine aufrechenbare Gegenforderung in der von ihr genannten Höhe bis zur mündlichen Verhandlung vom 10.12.2020 nicht belegt hatte. Zu Unrecht macht die Beklagte geltend , das entsprechende Vorbringen sei in erster Instanz unstreitig gewesen. Insoweit übersieht sie zum einen, dass das Landgericht den Vortrag im Tatbestand als streitig behandelt hat und ein Tatbestandsberichtigungsantrag nicht gestellt worden ist. Zum anderen war der Vortrag aber auch nach Aktenlage in erster Instanz nicht unstreitig: Vielmehr hatte die Klägerin im Schriftsatz vom 24.01.2020 darauf hingewiesen, dass die Kostenfestsetzungsverfahren noch nicht abgeschlossen seien, und angesichts dessen die Richtigkeit der von der Beklagten mitgeteilten Kosten in Zweifel gezogen. Soweit die Beklagte die Kosten eines noch nicht abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens auf 1.000 EUR geschätzt hatte, war ihr Vortrag zudem nicht hinreichend substantiiert. Die weiteren – angeblichen – Kostenerstattungsansprüche über 14.704,71 EUR und 9.282,95 EUR sind nicht belegt worden. Die Beklagte hat weder Kostenfestsetzungsbeschlüsse vorgelegt noch war die Zusammensetzung der von ihr im Schriftsatz vom 11.10.2019 genannten Zahlen einer Überprüfung zugänglich.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt bis 380.000,00 EUR.

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