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Vorrang Aufgebot unbekannter Erben vor Verfahren zur Todeserklärung verschollener Personen

Erbrecht: Wenn unbekannte Erben höhere Priorität haben als die Todeserklärung

Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Urteil Az.: I-15 W 80/13 den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Der Beschluss betont, dass die Ablehnung eines Aufgebotsverfahrens durch das Amtsgericht unzureichend begründet war und betont die Notwendigkeit, unbekannte Erben vor einer Todeserklärung verschollener Personen aufzurufen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-15 W 80/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Oberlandesgericht Hamm hat das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins zurück an das Amtsgericht verwiesen, nachdem es den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben hat.
  • Die zentrale Streitfrage war die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Feststellung möglicher Erben, was das Amtsgericht abgelehnt hatte.
  • Das Gericht kritisierte die unzureichende Begründung des Amtsgerichts und hob hervor, dass ein Aufgebotsverfahren in Betracht kommt, um unbekannte Erben festzustellen.
  • Das Amtsgericht hatte fälschlicherweise ein Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz als vorrangig angesehen, was das Oberlandesgericht korrigierte.
  • Die Beteiligten zu 1 bis 4, Nachkommen der Erblasserin, hatten gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde eingelegt.
  • Die juristische Vertretung der Beschwerdeführer ist zulässig und die Beschwerde war sowohl form- als auch fristgerecht.
  • Das Gericht unterstrich, dass bei klar festgestelltem Tod eines Menschen, ein Aufgebotsverfahren statt einer Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz angebracht ist.
  • Die Entscheidung betont die Bedeutung einer umfassenden Beweiserhebung vor Gerichtsentscheidungen, insbesondere in Erbschaftsangelegenheiten.
  • Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hatte unzureichend ihr Ermessen ausgeübt, was zu einer falschen Entscheidung führte.
  • Die Feststellung der Erbfolge hängt davon ab, ob K im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin noch lebte, wobei keine ausreichenden Beweise für ihr Überleben vorlagen.

Erbrecht: Auf der Suche nach unbekannten Erben

Im Erbrecht kann es vorkommen, dass potenzielle Erben trotz umfangreicher Nachforschungen nicht gefunden werden. In solchen Fällen stellt sich die Frage, welches Verfahren zum Auffinden der rechtmäßigen Erben anzuwenden ist.

Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: das Aufgebotsverfahren zur Ermittlung unbekannter Erben oder die Todeserklärung verschollener Personen. Letzteres kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn ernsthaft bezweifelt wird, dass die gesuchte Person noch am Leben ist. Die Entscheidung für das richtige Vorgehen hat weitreichende Konsequenzen und erfordert eine sorgfältige rechtliche Prüfung.

➜ Der Fall im Detail


Streit um die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens

Das Oberlandesgericht Hamm hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die Erteilung eines Erbscheins und die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens ging.

Verschollen
(Symbolfoto: Jeff Lueders /Shutterstock.com)

Die Erblasserin, geboren 1909 und verstorben 1998, hinterließ keine direkten Nachkommen, sodass die Frage der gesetzlichen Erben relevant wurde. Nachdem das Amtsgericht Essen ein Aufgebotsverfahren durchführte und feststellte, dass das Land Nordrhein-Westfalen Erbe wurde, beantragten die Abkömmlinge der Geschwister der Mutter der Erblasserin, als Erben anerkannt zu werden. Die besondere Komplikation entstand, da unklar war, ob die 1892 geborene Schwester der Mutter der Erblasserin im Zeitpunkt des Todes noch lebte oder bereits verstorben war, ohne dass weitere Dokumentation über ihr Leben oder mögliche Nachkommen existierte.

Das Urteil des OLG Hamm zur Aufhebung des Amtsgerichtsbeschlusses

Das OLG Hamm entschied, den Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben und das Verfahren zur Erteilung des Erbscheins zurückzuverweisen. Das Gericht stellte fest, dass das Amtsgericht unzureichend geprüft hatte, ob die Voraussetzungen für ein Aufgebotsverfahren zur Klärung der Erbenfrage gegeben waren. Zudem wurde kritisiert, dass das Amtsgericht fälschlicherweise annahm, dass eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz vorrangig sei. Das Oberlandesgericht erklärte, dass eine solche Todeserklärung nicht in Frage kommt, wenn aus den Umständen klar hervorgeht, dass die betreffende Person verstorben sein muss, was bei einer Person, die im Jahr der Entscheidung älter als 120 Jahre gewesen wäre, der Fall ist.

Rechtliche Erwägungen des Gerichts

Das OLG Hamm betonte, dass die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach § 2358 Abs. 2 BGB erforderlich sei, um festzustellen, ob noch Erben existieren könnten. Das Gericht wies darauf hin, dass der Tod der 1892 geborenen Schwester der Mutter der Erblasserin aufgrund ihres Alters als sicher anzunehmen ist, was ein Aufgebotsverfahren jedoch nicht ausschließt. Die Prüfung, ob sie möglicherweise noch gelebt hat oder ob ihre eventuellen Nachkommen als Erben in Betracht kommen, sei notwendig.

Bedeutung der Entscheidung für das Erbrecht

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung in Erbschaftsfällen, besonders wenn die Erbfolge unklar ist und historische Lebensdaten eine Rolle spielen. Das Gericht machte deutlich, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen, wie das Verschollenheitsgesetz und das Aufgebotsverfahren, präzise angewendet werden müssen, um die Rechte potenzieller Erben zu wahren.

Implikationen für zukünftige Erbscheinverfahren

Das Urteil hat Implikationen für die Handhabung ähnlicher Fälle, in denen die Erben nicht eindeutig feststellbar sind. Es stellt klar, dass Gerichte eine vollständige Beweisaufnahme durchführen müssen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Dies beinhaltet die Überprüfung aller verfügbaren Informationen und gegebenenfalls die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens, um unbekannte Erben aufzufinden oder auszuschließen.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein Aufgebotsverfahren und wann wird es angewendet?

Ein Aufgebotsverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, bei dem unbekannte Rechtsinhaber öffentlich aufgefordert werden, innerhalb einer bestimmten Frist ihre Ansprüche oder Rechte anzumelden. Geschieht dies nicht, wird durch ein Ausschlussurteil der Verlust des Rechts festgestellt.

Das Aufgebotsverfahren findet in verschiedenen Bereichen Anwendung. Häufig wird es im Erbrecht genutzt, wenn der Erbe keinen vollständigen Überblick über mögliche Nachlassverbindlichkeiten hat. Der Erbe kann dann die Nachlassgläubiger im Wege des Aufgebotsverfahrens auffordern, ihre Forderungen anzumelden. Meldet ein Gläubiger seine Forderung nicht fristgerecht an, haftet der Erbe dem ausgeschlossenen Gläubiger nur noch mit dem vorhandenen Nachlass. So kann der Erbe das Risiko ausschließen, mit seinem Eigenvermögen für unbekannte Nachlassschulden einstehen zu müssen.

Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich ist die Kraftloserklärung von abhandengekommenen oder vernichteten Urkunden wie Sparbüchern, Hypotheken- oder Grundschuldbriefen. Auch zur Klärung von Eigentumsverhältnissen an Grundstücken kann ein Aufgebotsverfahren durchgeführt werden, wenn der im Grundbuch eingetragene Eigentümer unauffindbar ist und der Eigenbesitzer das Grundstück bereits seit 30 Jahren wie sein eigenes besitzt.

Das Aufgebotsverfahren wird nur auf Antrag eingeleitet. Zuständig ist in der Regel das Amtsgericht. Ist der Antrag zulässig, erlässt das Gericht das Aufgebot, das öffentlich bekannt gemacht wird. Nach Ablauf der Aufgebotsfrist und Prüfung eventueller Anmeldungen entscheidet das Gericht durch Ausschließungsbeschluss.

Wie wird festgestellt, ob jemand als verstorben gilt, wenn keine direkten Beweise vorliegen?

Bei der Feststellung des Todes ohne direkte Beweise sind folgende Punkte wichtig:

  • Es muss eine sorgfältige Prüfung aller Umstände erfolgen, die Rückschlüsse auf den Tod zulassen. Dazu gehören das Alter der Person, die Zeitspanne seit dem letzten Lebenszeichen und das Fehlen jeglicher Informationen über ein Fortleben.
  • In Deutschland ist die Todeserklärung im Verschollenheitsgesetz geregelt. Voraussetzung ist, dass vernünftigerweise kein Zweifel am Tod der Person besteht, auch wenn keine Leiche gefunden wurde.
  • Eine Todeserklärung kann frühestens 1 Jahr nach dem letzten Lebenszeichen beantragt werden, wenn die Person das 80. Lebensjahr vollendet hätte. Ansonsten beträgt die Frist 5 Jahre.
  • Bei Verschollenheit unter lebensbedrohlichen Umständen, z.B. bei Schiffsuntergang oder Flugzeugabsturz, kann die Todeserklärung auch schon nach kürzerer Frist erfolgen.
  • Zuständig für die Todeserklärung ist das Amtsgericht am letzten inländischen Wohnsitz des Verschollenen.
  • Mit der Todeserklärung wird der Verschollene rechtlich einem Verstorbenen gleichgestellt. Es wird ein Sterbezeitpunkt festgelegt, der sich nach den Umständen richtet.

Zusammengefasst erfordert die Todesfeststellung ohne Leichnam eine genaue Prüfung aller Indizien, die für den Tod sprechen. In Deutschland regelt das Verschollenheitsgesetz die Voraussetzungen und das Verfahren einer Todeserklärung, wenn vernünftigerweise kein Zweifel am Tod besteht.

Welche Rolle spielt das Verschollenheitsgesetz in Erbschaftsangelegenheiten?

Das Verschollenheitsgesetz (VerschG) spielt eine wichtige Rolle in Erbschaftsangelegenheiten, wenn der Tod einer Person nicht eindeutig feststeht. Es regelt die Voraussetzungen und das Verfahren zur Todeserklärung eines Verschollenen.

Für die Abwicklung einer Erbschaft ist normalerweise der Tod des Erblassers Voraussetzung. Ist eine Person jedoch verschollen, also ihr Aufenthalt längere Zeit unbekannt und bestehen ernstliche Zweifel an ihrem Fortleben, kann sie nach den Regelungen des VerschG auf Antrag für tot erklärt werden.

Das Verschollenheitsgesetz ist in zweierlei Hinsicht für das Erbrecht relevant:

  1. Der Verschollene kann selbst Erbe sein. Solange er nicht für tot erklärt ist, kann der Nachlass nicht an die nächsten Erben verteilt werden.
  2. Der Verschollene kann eine Erbschaft hinterlassen. Auch hier ist die Todeserklärung Voraussetzung für die Eröffnung eines Testaments oder die Erteilung eines Erbscheins an die Erben.

Das zuständige Amtsgericht führt auf Antrag der Angehörigen oder anderer Berechtigter das Aufgebotsverfahren nach §§ 13 ff. VerschG durch. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, erklärt es den Verschollenen für tot und setzt einen Zeitpunkt des Todes fest. Damit wird der Tod des Verschollenen rechtlich bewiesen und die erbrechtlichen Folgen treten ein.

Das Verschollenheitsgesetz schafft somit Rechtssicherheit in Erbschaftsfällen, in denen der Tod des Erblassers nicht nachgewiesen werden kann. Es ermöglicht den Erben die Durchsetzung ihrer Rechte, auch wenn keine Sterbeurkunde vorliegt.

Was passiert mit dem Erbe, wenn keine direkten Nachkommen vorhanden sind?

Wenn keine direkten Nachkommen wie Kinder, Enkel oder Urenkel vorhanden sind, kommen nach der gesetzlichen Erbfolge folgende Personen als Erben in Betracht:

Erben zweiter Ordnung: Dazu gehören die Eltern des Erblassers sowie deren Nachkommen, also Geschwister, Nichten und Neffen des Verstorbenen. Sie erben zu gleichen Teilen.

Erben dritter Ordnung: Hierzu zählen die Großeltern des Erblassers und deren Nachkommen, also Onkel, Tanten, Cousins und Cousinen. Lebt ein Großelternteil nicht mehr, treten an dessen Stelle seine Abkömmlinge.

Erben noch fernerer Ordnungen wie Urgroßeltern und deren Nachkommen kommen in der Praxis nur sehr selten zum Zug, da sich so weit entfernte Verwandte oft nur schwer ermitteln lassen.

War der Erblasser verheiratet, erbt der überlebende Ehegatte neben den Verwandten zweiter Ordnung zu 1/2, neben Großeltern zu 3/4. Sind weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, erhält der Ehepartner die gesamte Erbschaft.

Lassen sich überhaupt keine gesetzlichen Erben ermitteln oder schlagen alle das Erbe aus, fällt der Nachlass an den Staat, das sogenannte Fiskuserbrecht. Der Staat haftet dann aber nur beschränkt mit dem Nachlass für Nachlassverbindlichkeiten.

Um solche Konstellationen und unerwünschte Ergebnisse der gesetzlichen Erbfolge zu vermeiden, empfiehlt es sich, durch Testament oder Erbvertrag selbst eine Regelung zu treffen und gezielt Erben zu bestimmen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

§ 2358 Abs. 2 BGB
Regelt die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Feststellung unbekannter Erben. Im vorliegenden Fall war dieses relevant, um mögliche Erben zu identifizieren, deren Existenz oder Verbleib unbekannt ist.

§ 1 Abs. 2 Verschollenheitsgesetz (VerschG)
Bestimmt die Bedingungen, unter denen eine Todeserklärung zulässig ist. Im diskutierten Fall war entscheidend, dass eine Todeserklärung ausgeschlossen ist, wenn keine ernsthaften Zweifel am Tod der Person bestehen.

§ 10 Verschollenheitsgesetz (VerschG)
Beschäftigt sich mit der Lebensvermutung und ihrer Widerlegung. Hier war relevant, ob für die 1892 geborene Person aufgrund ihres Alters von 106 Jahren zum Zeitpunkt des Todes der Erblasserin eine Lebensvermutung bestand.

§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG
Wurde angewendet, um das Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins aufgrund von Mängeln im amtsgerichtlichen Verfahren zurückzuverweisen und eine erneute Prüfung zu fordern.

§ 10 Abs. 2 FamFG
Legitimiert die Vertretung durch einen Bevollmächtigten im familiengerichtlichen Verfahren, was für die Rechtmäßigkeit der Vertretung der Beschwerdeführer relevant war.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-15 W 80/13 – Beschluss vom 26.02.2014

Der Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren zur Bescheidung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 2) vom 5.07.2012 wird zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die am 21.02.1909 in L, jetzt F, geborene Erblasserin ist am 10.08.1998 in F verstorben, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen.

Die Erblasserin war verheiratet. Der Ehemann ist vorverstorben. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, die ohne eigene Abkömmlinge zu hinterlassen, vorverstorben sind.

Die Erblasserin war die Tochter der T, geborene K, die vorverstorben ist, ohne weitere Abkömmlinge zu hinterlassen.

Die Mutter der Erblasserin hatte zwei Geschwister, die am 2.03.1891 geborene W, geborene K (verstorben am 26.11.1980) und die am 9.08. 1892 geborene K, über die weitere urkundliche Nachweise nicht vorliegen.

Aus der Ehe der W mit W1 sind fünf Kinder hervorgegangen, von denen drei kinderlos vorverstorben sind.

Die am 3.04.1921 geborene Tochter I, geborene W, ist am 30.12.1998 verstorben und von ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1) beerbt worden.

Der am 4.07.1929 geborene Sohn W2 ist am 21.12.1981 verstorben. Er hat vier Abkömmlinge hinterlassen, die Beteiligten zu 2) bis 4) und den am 1995 kinderlos verstorbenen W.

Das Amtsgericht Essen hat nach Durchführung eines Aufgebotsverfahrens betreffend die Erblasserin mit Beschluss vom 20.10.2005 festgestellt, dass Erbe das Land Nordrhein-Westfalen geworden ist (150 VI 541/98).

Mit Antrag vom 5.07.2012 hat die Beteiligte zu 2) beantragt, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, nach dem die Erblasserin von der Mutter der Beteiligten zu 1) zu ½ und von den Beteiligten zu 2) bis 4) jeweils zu 1/6 beerbt worden ist. Ergänzend hat die Beteiligte zu 2) ausgeführt, dass für die am 9.08.1892 geborene K nur eine Geburtsurkunde, ausgestellt vom Standesamt L unter dem 11.08.1892, vorhanden sei. Weitere Eintragungen über die K gebe es dort nicht. In der noch lebenden Verwandtschaft gebe es keine Erkenntnisse über deren weiteren Verbleib. Weitere Ermittlungsansätze seien nicht gegeben, so dass die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens in Bezug auf die Existenz möglicher Kinder der K angeregt werde.

Mit Beschluss vom 10.01.2013 hat das Amtsgericht Essen den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen.

Zur Begründung hat die Rechtspflegerin ausgeführt, dass die Durchführung des Aufgebotsverfahrens nach § 2358 Abs. 2 BGB in ihrem pflichtgemäßen Ermessen stehe. Da hier eine Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz in Betracht komme, sei ein Aufgebotsverfahren nicht angezeigt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4), der das Amtsgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Auf Anregung des Senats haben die Beteiligten zu 1) bis 4) mit Schriftsatz vom 20.03.2013 beantragt, das Verfahren zur Erteilung des Erbscheins unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) ist zulässig.

Die Beschwerde ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Vertretung der Beteiligten zu 1) bis 4) durch ihren Bevollmächtigten ist nach § 10 Abs. 2 FamFG zulässig, da der Bevollmächtigte als registrierter Erlaubnisnehmer einem Rechtsanwalt gleichsteht (§ 3 Abs. 2 Einführungsgesetz zum Rechtsdienstleistungsgesetz).

Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Erbscheinsverfahrens an das Amtsgericht (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG).

Das amtsgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, vor der Entscheidung wäre eine umfangreiche Beweiserhebung erforderlich und die Beteiligten zu 1) bis 4) haben die Zurückverweisung beantragt.

Die vom Amtsgericht – Rechtspfleger – abgelehnte Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach § 2358 Abs. 2 BGB zum Ausschluss der als Miterbin in Betracht kommenden K und deren eventuell vorhandener Nachkommen ist nicht mehr durch das insoweit bestehende pflichtgemäße Ermessen gedeckt.

Die amtsgerichtliche Entscheidung lässt aufgrund der nur unzureichenden Begründung bereits nicht erkennen, ob die Rechtspflegerin das Aufgebotsverfahren bereits abgelehnt hat, weil sie ein Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz – rechtsirrig – für vorrangig gehalten hat, oder ob sie unabhängig von dieser Rechtsansicht das ihr zustehende Ermessen noch ausgeübt hat.

Der Durchführung des Aufgebotsverfahrens steht entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin nicht entgegen, dass ein Verfahren zur Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz (im Folgenden: VerschG) vorrangig wäre (Senat FGPrax 1999, 27). Ein Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz scheidet nach § 1 Abs. 2 VerschG nämlich immer dann aus, wenn der Tod des Betreffenden nach den Umständen nicht zweifelhaft ist. Wann zweifelsfrei aus den Umständen zu entnehmen ist, dass jemand verstorben sein muss, bestimmt sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung. Nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände dürfen für einen vernünftig Denkenden keine Zweifel an dem Tode bestehen (Staudinger-Habermann, BGB, Neubearbeitung 2013, § 1 VerschG [im Band Einleitung zum BGB und Allgemeiner Teil 1], Rn.11). Dies ist z.B. der Fall, wenn feststeht, dass der Betreffende die höchstmögliche Lebenszeit eines Menschen überschritten haben müsste (Staudinger-Habermann a.a.O., dortiges Beispiel: Alter von 120 Jahren). Die am 9.08.1892 geborene K wäre im Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung bereits älter als 120 Jahre gewesen. Ihr Tod kann daher nicht zweifelhaft sein.

Für die Frage, ob K Miterbin nach der Erblasserin geworden ist, kommt es allerdings ausschließlich darauf an, ob sie im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin am 10.08.1998 noch lebte. Entsprechende tatsächliche Feststellungen können nicht getroffen werden. K hätte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Lebensalter von 106 Jahren erreicht haben müssen. Eine Vermutung dafür, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hat, besteht nicht. Die Lebensvermutung nach § 10 VerschG greift nicht ein, weil diese voraussetzt, dass die betroffene Person im Sinne des § 1 VerschG verschollen ist, greift also nur ein, wenn ernste Zweifel am Fortleben der Person begründet sind (Staudinger-Habermann, a.a.O. § 10 VerschG Rn.3). Für die Feststellung der gesetzlichen Erbfolge kann also lediglich von Bedeutung sein, ob etwaige Abkömmlinge an die Stelle der K getreten sind. In diesem Zusammenhang besteht deshalb kein Hinderungsgrund zur Durchführung eines Aufgebots nach § 2358 Abs. 2 BGB.

Da ein Aufgebotsverfahren daher in Betracht kommt, hätte die Rechtspflegerin das ihr hinsichtlich dessen Durchführung zukommende Ermessen ausüben müssen.

Das lässt sich der Entscheidung bereits nicht entnehmen. Zudem hätte die Rechtspflegerin bei pflichtgemäßer Ausübung des ihr zustehenden Ermessens zu dem Ergebnis kommen müssen, dass ein Aufgebotsverfahren durchzuführen ist.

Hinsichtlich der K liegt nur eine Geburtsurkunde vor. Wären weitere personenstandsrechtlich relevante Ereignisse eingetreten, wie zum Beispiel Verheiratung, Geburt von Kindern, Tod, hätten diese dem zuständigen Standesamt gemeldet und von diesem an das Standesamt L, jetzt F, weitergeleitet werden müssen. Dieses ist nicht geschehen. Möglichkeiten für weitere erfolgsversprechende Ermittlungen sind daher nicht gegeben und werden insbesondere auch nicht von der Rechtspflegerin aufgezeigt. Es bleibt nur das Aufgebotsverfahren.

Die Durchführung des Aufgebotsverfahrens stellt eine umfangreiche Beweisaufnahme dar, die vom Amtsgericht durchzuführen sein wird.

Der Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung ist gestellt worden.

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