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Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten

Erbstreit um Auskunftsansprüche auf Nachlasswerte

Im Fall OLG Köln, Az.: I-1 U 56/13, wurde die Berufung der Beklagten abgelehnt, womit die Entscheidung des Landgerichts Köln bestätigt wurde, die den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch der Klägerin in Bezug auf die Unternehmensbeteiligung des Erblassers anerkennt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-1 U 56/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts Köln, welches der Klägerin einen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch zusprach.
  2. Der Anspruch der Klägerin umfasst die Vorlage von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Geschäftsbüchern der letzten fünf Jahre vor dem Todestag des Erblassers.
  3. Zusätzlich hat die Klägerin das Recht, ein Sachverständigengutachten zur Wertermittlung der Beteiligung des Erblassers an der „W GmbH“ einzuholen.
  4. Die Rechtsprechung begründet diesen Anspruch aufgrund der Notwendigkeit, versteckte Werte wie stille Reserven und den Firmenwert zu ermitteln, die nicht direkt aus den Geschäftsunterlagen ersichtlich sind.
  5. Die im Gesellschaftsvertrag festgelegte Bewertungsmethode, insbesondere das Stuttgarter Verfahren, wurde als nicht bindend für die Wertermittlung angesehen.
  6. Die bereits erfolgte geringfügige Veräußerung der Gesellschaftsanteile kurz nach dem Erbfall beeinflusst den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch der Klägerin nicht.

Der umstrittene Auskunftsanspruch des Erben

Der Auskunftsanspruch des Erben gegen den Pflichtteilsberechtigten ist ein komplexes Thema im Erbrecht. Einerseits haben Erben das Recht, umfassende Informationen über den Nachlass zu erhalten. Andererseits stehen den Pflichtteilsberechtigten ebenfalls Ansprüche auf Auskunft zu, um ihre Rechte wahren zu können.

Diese unterschiedlichen Interessen kollidieren nicht selten miteinander und führen zu rechtlichen Auseinandersetzungen. Dabei geht es insbesondere um die Frage, welche konkreten Informationen der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten offenlegen muss. Das Spannungsfeld zwischen den berechtigten Ansprüchen auf Transparenz und den Persönlichkeitsrechten der Beteiligten erfordert eine sorgfältige Abwägung im Einzelfall.

➜ Der Fall im Detail


Der Streit um Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche im Erbrecht

In einem aktuellen Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln, unter dem Aktenzeichen I-1 U 56/13, ging es um die Auseinandersetzung zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten bezüglich des Auskunftsanspruchs über Nachlasswerte. Der Klägerin, als Erbin, stand ein Anspruch auf detaillierte Informationen über die Unternehmensbeteiligung des verstorbenen Erblassers zu. Die Beklagte, eine Pflichtteilsberechtigte, hatte gegen das ursprüngliche Urteil des Landgerichts Köln Berufung eingelegt, die jedoch abgewiesen wurde. Das zentrale rechtliche Problem lag in der Bewertung von Unternehmensanteilen, die Teil des Nachlasses waren, und ob die Klägerin berechtigt war, detaillierte Geschäftsunterlagen und ein unabhängiges Sachverständigengutachten zu verlangen.

Gericht bestätigt umfassenden Auskunftsanspruch

Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und erklärte den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch der Klägerin für rechtens. Der Anspruch umfasst die Vorlage von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Geschäftsbüchern der letzten fünf Jahre vor dem Tod des Erblassers. Zusätzlich wurde der Klägerin das Recht zugesprochen, ein Sachverständigengutachten zur Bewertung der Beteiligung des Erblassers an der „W GmbH“ einzuholen. Die Begründung des Gerichts stützte sich auf § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB, der Pflichtteilsberechtigten in bestimmten Fällen solche Ansprüche gewährt, besonders wenn die Bewertung der Nachlassgegenstände ohne fachkundige Unterstützung schwierig ist.

Relevanz von sachverständiger Bewertung im Erbrecht

Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung einer unabhängigen und fachkundigen Bewertung von Unternehmensanteilen im Rahmen von Erbstreitigkeiten. Das Gericht hebt hervor, dass die Klägerin Anspruch auf ein Gutachten hat, da stille Reserven und der Firmenwert des Unternehmens nicht allein aus den Geschäftsunterlagen ersichtlich sind. Solch ein Gutachten soll den Pflichtteilsberechtigten eine realistische Einschätzung des Unternehmenswertes ermöglichen, was wiederum für die Berechnung des Pflichtteils essenziell ist.

Die Unzulässigkeit der Berufung und ihre Gründe

Die Berufung der Beklagten wurde als unzulässig betrachtet, da die vorgebrachten Argumente das Gericht nicht von einem Fehler in der Erstentscheidung überzeugen konnten. Wichtig war dabei auch, dass die Veräußerung der Gesellschaftsanteile kurz nach dem Erbfall unter außergewöhnlichen Bedingungen stattfand und daher nicht als Maßstab für die Bewertung herangezogen werden konnte. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, in Erbsachen eine von den Parteien unabhängige Bewertung heranzuziehen.

Juristische Feinheiten der Entscheidung

Das Gericht lehnte es ab, die üblichen Bewertungsmethoden wie das Stuttgarter Verfahren ohne weiteres zu akzeptieren, da diese nicht zwingend den tatsächlichen Wert der Unternehmensanteile widerspiegeln. Die Entscheidung zeigt auf, dass im Erbrecht eine flexible und den individuellen Umständen angepasste Bewertung erforderlich ist, um den wahren Wert von Nachlassgegenständen zu erfassen und gerechte Pflichtteilansprüche zu sichern.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein Auskunftsanspruch im Erbrecht?

Der Auskunftsanspruch ist ein wichtiges Instrument im deutschen Erbrecht, um Transparenz über den Nachlass zu schaffen. Er ermöglicht es Erben und Pflichtteilsberechtigten, vom Erben Auskunft über den Bestand und Wert des Nachlasses zu verlangen.

Grundlage für den Auskunftsanspruch ist § 2314 BGB. Danach hat der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen ein Verzeichnis des Nachlasses vorzulegen und über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Anspruch umfasst alle beim Erbfall tatsächlich vorhandenen Nachlassgegenstände, Nachlassverbindlichkeiten, Schenkungen des Erblassers und ausgleichungspflichtige Zuwendungen.

Neben dem Pflichtteilsberechtigten steht der Auskunftsanspruch auch dem Alleinerben, Vorerben, Nacherben und Miterben zu. Miterben sind untereinander ausnahmsweise zur Auskunft verpflichtet, insbesondere über erhaltene Vorempfänge vom Erblasser.

Der Auskunftsanspruch besteht nicht nur gegenüber Erben, sondern auch gegenüber Dritten wie Banken, Versicherungen oder sonstigen Personen, die etwas über den Nachlass wissen. Als Rechtsnachfolger des Erblassers können die Erben von diesen Stellen umfassend Auskunft verlangen.

Kommt der Verpflichtete seiner Auskunftspflicht nicht nach, kann der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden. Zur Absicherung der Richtigkeit kann eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden. Der Auskunftsanspruch verjährt erst nach 30 Jahren und geht auf die Erben über.

Insgesamt dient der Auskunftsanspruch dazu, den Berechtigten die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, um ihre erbrechtlichen Ansprüche beziffern und geltend machen zu können. Er schafft Klarheit über die Zusammensetzung des Nachlasses und trägt so zu einer gerechten Verteilung unter den Erben bei.

Wer hat Anspruch auf Auskunft über den Nachlass?

Folgende Personen haben einen Auskunftsanspruch über den Nachlass:

Pflichtteilsberechtigte, die nicht Erben sind, haben gemäß § 2314 BGB einen Anspruch gegen den Erben auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Der Erbe muss dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen ein Verzeichnis des Nachlasses vorlegen und über dessen Wert Auskunft erteilen.

Neben Pflichtteilsberechtigten steht der Auskunftsanspruch auch folgenden Erben zu:

  • Dem Alleinerben
  • Dem Vorerben und dem Nacherben nach Eintritt des Nacherbfalls
  • Den Miterben untereinander, insbesondere über erhaltene Vorempfänge vom Erblasser

Der Auskunftsanspruch richtet sich nicht nur gegen Erben, sondern auch gegen Dritte wie Banken, Versicherungen oder sonstige Personen, die etwas über den Nachlass wissen. Als Rechtsnachfolger des Erblassers können die Erben von diesen Stellen umfassend Auskunft verlangen.

Ziel des Auskunftsanspruchs ist es, den Berechtigten die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, um ihre erbrechtlichen Ansprüche beziffern und geltend machen zu können. Er schafft Transparenz über die Zusammensetzung des Nachlasses aus Aktiva und Passiva und ermöglicht so eine gerechte Aufteilung unter den Erben.

Welche Unterlagen können im Rahmen des Auskunftsanspruchs eingefordert werden?

Im Rahmen des Auskunftsanspruchs können Pflichtteilsberechtigte und Erben vom Auskunftsverpflichteten die Vorlage verschiedener Unterlagen verlangen, um den Bestand und Wert des Nachlasses zu ermitteln:

  • Grundsätzlich muss der Erbe dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen ein Verzeichnis des Nachlasses vorlegen und über dessen Bestand Auskunft erteilen. Ein Anspruch auf Überlassung von Belegen wie Kontoauszügen besteht in der Regel aber nicht.
  • Gehört jedoch ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung zum Nachlass, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben die Vorlage von Geschäftsunterlagen fordern, um den Unternehmenswert einschätzen zu können. Dazu zählen insbesondere:
  • Bilanzen der letzten Jahre vor dem Erbfall
  • Gewinn- und Verlustrechnungen
  • Zugrundeliegende Geschäftsbücher und Belege
  • Auch Erben können von Dritten wie Banken, Versicherungen oder sonstigen Personen, die etwas über den Nachlass wissen, umfassend Auskunft verlangen. Als Rechtsnachfolger des Erblassers haben sie darauf einen Anspruch.
  • Miterben sind untereinander ausnahmsweise zur Auskunft verpflichtet, insbesondere über vom Erblasser erhaltene Vorempfänge und Schenkungen.

Ziel ist es, den Berechtigten durch Einsicht in relevante Unterlagen die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, um Ansprüche wie den Pflichtteil beziffern und geltend machen zu können. Vor allem bei Unternehmen im Nachlass sind detaillierte Geschäftsunterlagen erforderlich, um den Wert sachgerecht ermitteln zu können.

Warum ist ein Sachverständigengutachten im Erbrecht von Bedeutung?

Ein Sachverständigengutachten spielt im Erbrecht eine wichtige Rolle, um den Wert von Nachlassgegenständen objektiv und fachkundig zu ermitteln. Dies ist in folgenden Fällen von besonderer Bedeutung:

Zur Berechnung von Pflichtteilsansprüchen muss der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls bestimmt werden. Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Anspruch darauf, dass der Erbe den Wert durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ermittelt, wenn der Wert nicht auf andere Weise zuverlässig festgestellt werden kann.

Befinden sich im Nachlass Immobilien, Unternehmensbeteiligungen, Kunstgegenstände oder andere schwer zu bewertende Vermögenswerte, ist die Beauftragung eines unabhängigen Sachverständigen oft unumgänglich. Nur so lässt sich der Wert dieser Nachlassgegenstände verlässlich beziffern.

Auch für die Ermittlung der Erbschaft- und Schenkungsteuer kann ein Sachverständigengutachten erforderlich sein, wenn der nach steuerlichen Bewertungsvorschriften ermittelte Wert offensichtlich von dem tatsächlichen Verkehrswert abweicht. Durch ein Gutachten lässt sich dann ggf. eine niedrigere Bemessungsgrundlage und damit eine Reduzierung der Steuerlast erreichen.

Schließlich dient ein Sachverständigengutachten auch dazu, Streit zwischen den Erben über die Aufteilung des Nachlasses zu vermeiden. Wenn alle Beteiligten den vom neutralen Experten ermittelten Wert akzeptieren, erleichtert dies eine einvernehmliche Erbauseinandersetzung.

Insgesamt schafft ein fundiertes Gutachten eine objektive und belastbare Grundlage für die Bewertung von Nachlassgegenständen. Es hilft, Konflikte zu vermeiden und eine gerechte Verteilung unter den Erben sicherzustellen.

Kann der Auskunftsanspruch verweigert werden, wenn der Nachlass bereits verteilt wurde?

Nein, der Auskunftsanspruch von Pflichtteilsberechtigten und Miterben besteht auch dann, wenn der Nachlass bereits verteilt wurde. Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:

Der Pflichtteilsanspruch entsteht und bemisst sich nach dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2311 BGB). Für die Berechnung ist daher die Zusammensetzung und der Wert des Nachlasses bei Eintritt des Erbfalls maßgeblich, unabhängig von der späteren Verteilung.

Auch wenn der Erbe den Nachlass bereits verteilt hat, muss er dem Pflichtteilsberechtigten auf Verlangen ein Verzeichnis des Nachlasses vorlegen und über dessen Bestand Auskunft erteilen (§ 2314 BGB). Eine bereits erfolgte Verteilung entbindet ihn nicht von dieser Verpflichtung.

Gleiches gilt für den Auskunftsanspruch unter Miterben. Auch hier kommt es für den Anspruch auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbengemeinschaft an, also den Erbfall. Spätere Verfügungen über Nachlassgegenstände lassen den Auskunftsanspruch unberührt.

Der Auskunftsanspruch verjährt erst 30 Jahre nach dem Erbfall (§ 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Pflichtteilsberechtigte und Miterben können ihn also auch noch lange nach der Verteilung des Nachlasses geltend machen.

Würde eine Verteilung des Nachlasses den Auskunftsanspruch ausschließen, könnten Erben diesen durch schnelles Handeln faktisch aushebeln. Dies würde dem Zweck des Anspruchs zuwiderlaufen, den Berechtigten die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können.

Die Unabhängigkeit des Auskunftsanspruchs von einer bereits erfolgten Nachlassverteilung stellt somit sicher, dass Pflichtteilsberechtigte und Miterben auch nachträglich noch Transparenz über den Nachlass einfordern und ihre Ansprüche geltend machen können.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB
    Regelt den Anspruch von Pflichtteilsberechtigten auf Auskunft über den Wert von Nachlassgegenständen und die Vorlage relevanter Unterlagen, um eine Wertermittlung vornehmen zu können. Dies ist zentral für den vorliegenden Fall, da es um den Auskunftsanspruch gegenüber den Erben geht, speziell bezüglich der Unternehmensbeteiligung des Erblassers.
  • § 2314 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB
    Erweitert den Auskunftsanspruch auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Bewertung schwierig zu bewertender Nachlassgegenstände wie Unternehmensanteile. Die Notwendigkeit eines Gutachtens ergibt sich aus der Komplexität der Bewertung verdeckter Vermögenswerte wie stiller Reserven oder Firmenwerte.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben)
    Dient als Grundlage für die Beurteilung, ob und in welchem Umfang Auskunftsansprüche im Erbrecht gerechtfertigt sind, speziell wenn gesetzliche Regelungen fehlen oder unzureichend sind. Dieser Paragraph könnte für den Auskunftsanspruch eines Erben gegenüber einem Pflichtteilsberechtigten relevant sein, falls andere spezifische Regelungen nicht anwendbar sind.
  • § 2315 BGB
    Regelt die Berücksichtigung von Zuwendungen bei der Berechnung des Pflichtteils. Ist relevant für die Bestimmung, welche Vermögenswerte in die Berechnung des Pflichtteils einfließen und wie diese zu bewerten sind, was im Kontext der erforderlichen Auskunft und Bewertung wichtig ist.
  • § 97 Abs. 1 ZPO
    Bestimmt die Kostenpflicht bei unterliegender Berufung in Zivilprozessen. Dies betrifft die Kostenentscheidung im vorliegenden Urteil, wonach die Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat.
  • § 543 Abs. 2 ZPO
    Legt fest, unter welchen Voraussetzungen die Revision gegen ein Urteil zulässig ist. Im analysierten Fall wurde die Revision nicht zugelassen, was auf die Einschätzung des Gerichts hindeutet, dass es sich um keine rechtlich grundsätzliche Frage von allgemeiner Bedeutung handelt, sondern um eine Einzelfallentscheidung.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-1 U 56/13 – Urteil vom 10.01.2014

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26.06.2013 – 4 O 39/13 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung der Beklagten, mit der das Urteil des Landgerichts nur hinsichtlich der Ziff. 2 (2) des Tenors sowie hinsichtlich der Widerklage angegriffen wird, ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat der Klage im angegriffenen Punkt zu Recht und mit zutreffender Begründung stattgegeben und die Widerklage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

1.)

Der Klägerin steht gegen die Beklagte der unter Ziff. 2 (2) zugesprochene Anspruch auf Vorlage von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen sowie zugrundeliegender Geschäftsbücher für die fünf zurückliegenden Jahre vor dem Todestag des Erblassers sowie auf Einholung und Vorlage eines Gutachtens eines unparteilichen Sachverständigen bzgl. der Beteiligung des Erblassers zu 10 Prozent an der „W GmbH“ (W GmbH) zu.

a)

Der Anspruch der Klägerin auf Wertermittlung in Form eines Sachverständigengutachtens ergibt sich aus § 2314 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB. Da sich dem Pflichtteilsberechtigten vielfach ohne sachverständige Hilfe aus den Geschäftsunterlagen die für die Bewertung besonders bedeutsamen stillen Reserven, die Ertragskraft des Unternehmens und der zu berücksichtigende Firmenwert nicht vollständig erschließen lassen, ist es gerechtfertigt, ihm in solchen Fällen einen Anspruch darauf einzuräumen, dass der Wert durch einen unparteiischen Sachverständigen ermittelt wird (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. Urt. v. 30.10.1974, IV ZR 41/73, zit. nach juris, Tz. 35; Urt. v. 08.07.1985, II ZR 150/84, zit. nach juris, Tz. 11; Urt. v. 04.10.1989, IVa ZR 198/88, zit. nach juris, Tz. 12; OLG Köln, Urt. v. 04.03.1998, 13 U 152/97, zit. nach juris Tz. 9; Urt. v. 05.10.2005, 2 U 153/04, juris Tz. 60).

b)

Der Anspruch auf Vorlage der bezeichneten Unterlagen folgt aus § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach der Pflichtteilsberechtigte verlangen kann, dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Auch wenn im Allgemeinen kein Anspruch auf Vorlage von Belegen besteht, so ist allgemein anerkannt (z.B. BGH Urt. v. 02.11.1960, V ZR 124/59, zit. nach juris Tz. 19; OLG Köln, Urt. v. 04.03.1998, 13 U 152/97, zit. nach juris, Tz. 2; OLG Düsseldorf Urt. v. 17.05.1996, 7 U 126/95, NJW-RR 1997, 454, 455; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 2314 Rn. 10), dass der gem. § 2314 BGB Auskunftsberechtigte, sofern zum Nachlass ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung gehört, nicht nur Auskunft über den Wert des Unternehmens und der Unternehmensgegenstände verlangen, sondern er darüber hinaus auch die Vorlage der notwendigen Geschäftsunterlagen fordern kann, die ihn in den Stand setzen, die Ermittlung jener Werte selbst vorzunehmen. Zu den danach vorzulegenden Unterlagen gehören außer den Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen des Unternehmens auch die zugrundeliegenden Geschäftsbücher und Belege. Diese Unterlagen können, da für die Ermittlung des Geschäftswerts im Allgemeinen die Ertragslage des Unternehmens in der Vergangenheit von Bedeutung ist, für einen länger zurückliegenden Zeitraum verlangt werden, regelmäßig 5 Jahre.

c)

Die beiden Ansprüche auf Einholung eines Sachverständigengutachtens und auf Vorlage von Belegen sind auch nicht dadurch hinfällig geworden, dass die Gesellschaftsanteile bereits kurz nach dem Erbfall für 10.000,- € veräußert worden sind. Die von der Beklagten diesbezüglich herangezogen Rechtsprechung zur Bewertung von Nachlassgegenständen anhand des im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbfall tatsächlich erzielten Verkaufserlöses (BGH, Beschluss v. 25.11.2010, IV ZR 124/09, zit. nach juris, Tz. 5) ist vorliegend nicht anzuwenden.

aa)

Zwar kann der erzielte Kaufpreis grundsätzlich einen Anhaltspunkt für die Werthaltigkeit eines Unternehmensanteils darstellen. Dies gilt aber nur bei einem Verkauf auf dem freien Markt an einen unbeteiligten Dritten. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Hier erfolgte aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Regelungen ein Verkauf an die übrigen Gesellschafter der GmbH, und zwar zu einem Preis, dessen Ermittlung ebenfalls im Gesellschaftsvertrag geregelt ist. Darüber hinaus führt die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 12.03.2012 (GA 15) selbst aus, dass die 10.000,- € aus Kulanz gezahlt worden seien und es sich eher um eine Schenkung gehandelt habe, denn die 10.000,- € würden nicht mit dem wahren Wert des Gesellschaftsanteils übereinstimmen, da der Wert des Unternehmens vielmehr bei 0,- € läge (GA 17). Der BGH hat im o.g. Urteil aber selbst die Einschränkung gemacht, dass die Orientierung am Kaufpreis nur gelten könne, wenn keine außergewöhnlichen Verhältnisse gegeben seien. Genau solche sind hier aber gegeben.

bb)

Es kann daher offenbleiben, ob die Rechtsprechung des BGH – wofür aber einiges spricht – aus einem weiteren Grund nicht anwendbar ist. Nach dem Urteil des OLG Frankfurt v. 02.05.2011 (1 U 249/10, zit. nach juris, Tz. 5) soll die Rechtsprechung des BGH zur Bewertung von Nachlassgegenständen anhand des im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erbfall tatsächlich erzielten Verkaufserlöses nicht einschlägig sein, weil sie sich auf die 3. Stufe einer pflichtteilsrechtlichen Stufenklage, d. h. auf die Frage, auf welcher Bewertungsgrundlage der Pflichtteilsanspruch zu errechnen ist, beziehe, während ein nach § 2314 BGB einzuholendes Sachverständigengutachten letztlich nicht der Beantwortung dieser Frage diene, sondern vielmehr der vorläufigen Unterrichtung des Pflichtteilsberechtigten, dem die Beurteilung des Risikos eines Rechtsstreits über den Pflichtteil erleichtert werden soll, etwa eine Einschätzung zu der Frage, ob der tatsächlich erzielte Kaufpreis dem Verkaufswert entspricht oder ob besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine abweichende Bewertung rechtfertigen könnten.

cc)

Auch die bereits erfolgte Begutachtung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren und die Bewertung des Steuerberaters der Beklagten (K 18 = AH 86-94), steht einer erneuten Begutachtung des Verkehrswertes nicht entgegen. Die Klägerin muss sich nicht an dieser Bewertungsmethode festhalten lassen. Vielmehr hat der beauftragte Sachverständige im Rahmen des § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB selbstständig ein geeignetes Verfahren zu wählen. Die Festlegung auf ein bestimmtes Verfahren zur Wertermittlung widerspräche dem Informationszweck der Vorschrift (OLG Köln, Urt. v. 04.03.1998, 13 U 152/97, zit. nach juris, Tz. 10; OLG München, Urt. v. 15.01.1988, 14 U 572/87, NJW-RR 1988, 390 f.). Dies gilt insbesondere für die Anwendung des sog. Stuttgarter Verfahrens, da dieses Verfahren gemäß § 12 Abs. 2 ErbStG überwiegend zur steuerrechtlichen Beurteilung angewandt wurde und sich für die Bewertung von Gesellschaftsanteilen andere Verfahren als geeigneter herausgestellt haben. Dabei wird regelmäßig mit der heute herrschenden Auffassung von dem Ertragswert auszugehen sein (BGH, Urt. v. 24.09.1984, II ZR 256/83, zit. nach juris, Tz. 10).

d)

Die Beklagte – jedenfalls gegen den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch – kann auch nicht einwenden, dass aufgrund der Festschreibungen im Gesellschaftsvertrag zwingend vom sog. Stuttgarter Verfahren zur Wertermittlung des Anteils auszugehen sei. Dies ergibt sich schon aufgrund einer Kontrollüberlegung: Das Pflichtteilsrecht garantiert dem Berechtigten eine gewisse Mindestbeteiligung am Nachlass, gerade auch gegen den Willen des Erblassers, etwa wenn dieser den Berechtigten von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der vom Pflichtteilsrecht erfasste Anteil am Nachlasswert ist folglich der Dispositionsbefugnis von Todes wegen entzogen (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 2303 Rn. 1). Damit wäre es aber nicht in Einklang zu bringen, wenn der Erblasser mittelbar, etwa durch eine Regelung, wie ein Unternehmensanteil zu bewerten sei, auf den Wert des Nachlasses und damit auch die Höhe des Pflichtteils Einfluss nehmen könnte.

Ein Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch käme lediglich dann nicht in Betracht, wenn bereits feststünde, dass in der Sache kein Zahlungsanspruch bestehen kann. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

Die Klägerin hat daher den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch, um den objektiven Wert der Unternehmensbeteiligung zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu erfahren.

2.)

Die Widerklage der Beklagten hat das Landgericht Köln ebenfalls zu Recht abgewiesen.

a)

Es kann offenbleiben, ob es überhaupt eine Anspruchsgrundlage für ein derartiges Auskunftsbegehren eines Erben gegen einen Pflichtteilsberechtigten gibt, was dem Senat zweifelhaft erscheint. Eine gesetzliche Regelung existiert nicht und eine analoge Anwendung der gesetzlich geregelten erbrechtlichen Auskunftsansprüche wird abgelehnt (so jüngst ausdrücklich OLG München, Urt. v. 21.03.2013, 14 U 3585/12, zit. nach juris, Tz. 37 ff.).

In Betracht käme demnach allenfalls ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB. Dieser setzt nach allgemeiner Ansicht voraus, dass es eine zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umstand seines Rechts im Unklaren ist und der Verpflichtete die erforderliche Auskunft unschwer geben kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 260 Rn. 4 m.w.N.). Diese Voraussetzungen dürften nicht gegeben sein. Es dürfte jedenfalls an der letzten Voraussetzung fehlen, denn die Klägerin ist eine weitergehende Auskunft eben gerade nicht unschwer möglich. Die streitgegenständliche Zuwendung erfolgte anlässlich ihres 18. Geburtstags, mithin knapp 22 Jahre vor dem Auskunftsbegehren der Beklagten. Die Klägerin hat alle ihr zumutbaren Anstrengungen unternommen, um Nachweise bzgl. dieser Zuwendung zu erhalten (schriftliche Nachfrage bei der damaligen Bank, K 21= GA 47).

b)

Selbst wenn man der Beklagten zur Berechnung des geschuldeten Pflichtteils einen Auskunftsanspruch gegen die Klägerin in analoger Anwendung der erbrechtlichen Auskunftsansprüche oder aus § 242 BGB zubilligen wollte, so wäre die Klägerin diesem Begehren ausreichend nachgekommen, so dass jedenfalls Erfüllung eingetreten ist. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 18.05.2013 (B6 = K 20 = GA 45) Angaben zu unentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers an die Klägerin gemacht. Daraus ergibt sich eindeutig, dass sie keine Zuwendungen i.S.d. § 2315 Abs. 1 BGB erhalten haben will. Letztlich kommt es daher auf die genaue Höhe der erhaltenen Beträge nicht an.

c)

Es kommt daher nicht mehr auf die Frage an, ob der Klägerin eine weitergehende Auskunft noch möglich und zumutbar wäre.

3.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

III.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine von den Umständen des konkreten Falles abhängige Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 2.000,- EUR

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