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Erbverzicht als Gegenleistung für Grundstückübertragung

Erbvertrag und Formvorschriften: OLG Düsseldorf entscheidet über Verjährung und Wirksamkeit

Das OLG Düsseldorf entschied im Fall I-7 U 153/12, dass die Beklagte trotz Formunwirksamkeit des ursprünglichen Erb-/Pflichtteilsverzichts, notariell auf ihre Erbansprüche verzichten muss, da das zugrunde liegende schuldrechtliche Kausalgeschäft wirksam bleibt. Der Anspruch des Klägers auf diesen Verzicht verjährt nicht gemäß § 196 BGB, da er sich auf die Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks bezieht und somit einer zehnjährigen Verjährungsfrist unterliegt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-7 U 153/12 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Das Oberlandesgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil des Landgerichts Duisburg, das die Beklagte verpflichtet, formwirksam auf ihre Erbansprüche zu verzichten.
  2. Das Gericht erklärte, dass der schuldrechtliche Vertrag trotz derformunwirksamen Erbverzichtserklärung gültig ist.
  3. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Urteils durch Sicherheitsleistung abwenden, die Revision wurde jedoch zugelassen.
  4. Ein Formmangel beim Erb-/Pflichtteilsverzicht führte nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, sondern nur zur Notwendigkeit einer neuen formwirksamen Verzichtserklärung.
  5. Die Beklagte kann sich nicht auf Verjährung berufen, da der Anspruch erst mit der Mitteilung des Formfehlers an die Beklagte zu laufen begann.
  6. Die Vertragsparteien hatten ursprünglich einen Übertragungs- und Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag geschlossen, welcher die Übertragung eines Hausgrundstücks beinhaltete.

Erb- und Pflichtteilsverzicht – Rechtliche Aspekte

Erb- und Pflichtteilsverzichte sind rechtliche Instrumente, die es erlauben, die gesetzliche Erbfolge zu modifizieren. Damit können Personen im Voraus auf künftige Erbansprüche oder Pflichtteilsansprüche verzichten. Dies geschieht häufig im Rahmen von Übertragungsverträgen, bei denen Vermögenswerte zu Lebzeiten auf Nachkommen übertragen werden.

Solche Vereinbarungen unterliegen strengen Formvorschriften und erfordern die Mitwirkung eines Notars. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind komplex, da zahlreiche Aspekte des Erb- und Pflichtteilsrechts sowie des Schuldrechts zu berücksichtigen sind. Insbesondere die Wirksamkeit solcher Verzichtserklärungen ist von zentraler Bedeutung.

➜ Der Fall im Detail


Erbverzicht als Gegenleistung für Grundstücksübertragung: Ein juristischer Streit um Form und Verjährung

Im Jahr 1989 schlossen die Parteien einen notariell beurkundeten Übertragungs- und Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag. Der Kläger übertrug dabei ein Hausgrundstück an die Beklagte, die im Gegenzug auf jegliche Erbansprüche verzichtete. Diese Vereinbarung führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung, als ein Formmangel im Vertrag offenbart wurde: Der Erblasser hatte den Vertrag nicht persönlich geschlossen, was nach § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich ist. Dieser Mangel sollte durch eine neue Beurkundung geheilt werden, was jedoch zu weiteren Disputen zwischen den Parteien führte. Der Kläger forderte die Beklagte auf, eine formwirksame Erklärung abzugeben, was diese jedoch abhängig von einem neuen Angebot machte.

Das Urteil des Landgerichts Duisburg und die Berufung

Das Landgericht Duisburg gab der Klage statt und verpflichtete die Beklagte, notariell auf ihre Erbansprüche zu verzichten. Das Gericht begründete dies damit, dass die Parteien nicht nur den dinglichen Erbverzicht, sondern auch einen schuldrechtlichen Erbverzichtsvertrag abschließen wollten, welcher die eingehaltene Form des § 2348 BGB erfüllt. Die Beklagte erhob jedoch die Verjährungseinrede und argumentierte, dass die Ansprüche des Klägers verjährt seien, da sie auf einem Vertrag von 1989 basierten und somit der zehnjährigen Verjährungsfrist unterlägen.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Berufung der Beklagten zurück und bestätigte das Urteil des Landgerichts. Es argumentierte, dass das schuldrechtliche Kausalgeschäft trotz des formunwirksamen Erbverzichts gültig bleibt. Eine Stellvertretung bei der Erklärung des Verzichts sei zulässig, und die Unwirksamkeit des abstrakten Verfügungsakts berühre nicht die Gültigkeit des Kausalgeschäfts. Weiterhin wurde die Annahme einer rechtlichen Einheit, die eine Gesamtnichtigkeit nach § 139 BGB rechtfertigen würde, abgelehnt.

Rechtliche Prinzipien und deren Anwendung im Urteil

Das Gericht stützte sich auf das Abstraktionsprinzip, das besagt, dass die Nichtigkeit eines Vollzugsgeschäfts nicht die Wirksamkeit des zugrunde liegenden Kausalgeschäfts beeinflusst. Dies ist insbesondere relevant, wenn keine konkreten Anhaltspunkte für einen gemeinsamen Vertragswillen vorliegen, der beide Geschäfte verbindet. Der Fall verdeutlicht die komplexe Natur des Erbrechts, wo formale Anforderungen und die Absichten der Parteien oft zu intensiven rechtlichen Debatten führen.

Verjährungsfragen und ihre Klärung durch das Gericht

Die Frage der Verjährung spielte eine wesentliche Rolle in der Entscheidungsfindung des Gerichts. Es wurde festgestellt, dass der Anspruch des Klägers nicht als erbrechtlicher Anspruch nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB gilt und daher nicht der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegt. Stattdessen fällt dieser unter § 196 BGB, der eine zehnjährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Gegenleistung für die Übertragung von Eigentum an einem Grundstück vorsieht. Die Verjährung begann erst mit der Mitteilung des Formfehlers, wodurch die rechtzeitige Klageerhebung die Verjährung hemmte.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was ist ein Erbverzicht und welche Konsequenzen hat er?

Ein Erbverzicht ist ein Vertrag zwischen einem potenziellen Erben und dem Erblasser, in dem der Erbe auf sein gesetzliches Erbrecht und Pflichtteilsrecht verzichtet. Der Erbverzicht muss notariell beurkundet werden, um rechtswirksam zu sein.

Die Folgen eines Erbverzichts sind weitreichend: Der Verzichtende ist von der Erbfolge ausgeschlossen und hat nach dem Tod des Erblassers keinerlei Ansprüche mehr auf das Erbe oder den Pflichtteil. Der Erbverzicht erstreckt sich in der Regel auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, sofern nichts anderes vereinbart wurde.

Häufig erfolgt ein Erbverzicht gegen eine Abfindung, die der Erblasser dem Verzichtenden zahlt. Diese Abfindung gilt steuerrechtlich als Schenkung und unterliegt der Schenkungssteuer. Der Erbverzicht kann für den Erblasser sinnvoll sein, um sein Vermögen gezielt an bestimmte Personen zu übertragen und Erbstreitigkeiten zu vermeiden. Für den Verzichtenden bedeutet er jedoch den endgültigen Verlust seiner Erbansprüche.

Ein Erbverzicht sollte daher gut überlegt sein. Es empfiehlt sich in jedem Fall, vorab rechtlichen Rat einzuholen, um die konkreten Auswirkungen im Einzelfall abzuschätzen. Ist der Erbverzicht einmal erklärt, kann er nur unter engen Voraussetzungen wieder aufgehoben werden.

Welche formalen Anforderungen gelten für einen Erbverzichtsvertrag?

Ein Erbverzichtsvertrag muss folgende formale Anforderungen erfüllen, um wirksam zu sein:

  1. Notarielle Beurkundung: Der Erbverzichtsvertrag bedarf zwingend der notariellen Beurkundung (§ 2348 BGB). Ohne diese Form ist der Vertrag nichtig.
  2. Anwesenheit der Vertragsparteien: Bei der Beurkundung müssen grundsätzlich beide Vertragsparteien – der Erblasser und der Verzichtende – persönlich anwesend sein. Der Erblasser kann sich nicht vertreten lassen, sonst ist der Verzicht unwirksam. Der Verzichtende darf sich hingegen vertreten lassen.
  3. Schriftform: Der Vertrag muss schriftlich verfasst werden. Mündliche Abreden oder formlose Vereinbarungen genügen den Anforderungen nicht.
  4. Individuelle Ausgestaltung: Es gibt keinen allgemeingültigen Muster-Erbverzichtsvertrag, da er dem jeweiligen Einzelfall angepasst werden muss. Der Notar berät hier zu den konkreten Gestaltungsmöglichkeiten.
  5. Gebühren: Für die Beurkundung des Erbverzichtsvertrags wird eine doppelte Notargebühr erhoben, deren Höhe sich nach dem Wert des Verzichts richtet.

Die Einhaltung dieser Formvorschriften ist essentiell. Verstöße können den gesamten Erbverzichtsvertrag unwirksam machen. Um dies zu vermeiden, ist die Einbindung eines Notars unerlässlich, der die Wirksamkeit durch die Beurkundung sicherstellt und die Beteiligten zu Gestaltungsmöglichkeiten und Rechtsfolgen berät.

Was bedeutet das Abstraktionsprinzip im Kontext eines Erbverzichts?

Das Abstraktionsprinzip besagt, dass das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft (z.B. der Erbverzichtsvertrag) und das dingliche Verfügungsgeschäft (der eigentliche Verzicht auf das Erbrecht) rechtlich voneinander getrennt zu betrachten sind. Auch wenn der Erbverzichtsvertrag unwirksam sein sollte, etwa weil er sittenwidrig oder anfechtbar ist, bleibt der erklärte Erbverzicht selbst davon zunächst unberührt.

Für die Praxis bedeutet dies: Selbst wenn sich später herausstellt, dass der Erbverzichtsvertrag rechtliche Mängel aufweist, ist der Verzichtende zunächst weiterhin von der Erbfolge ausgeschlossen. Er kann nicht automatisch wieder Erbe werden. Um die Folgen eines unwirksamen Vertrags zu beseitigen, müssen die Beteiligten den Erbverzicht aktiv rückabwickeln, etwa durch Anfechtung oder Aufhebung.

Es gibt jedoch Ausnahmen vom Abstraktionsprinzip. Leidet das Verfügungsgeschäft unter demselben Mangel wie der Erbverzichtsvertrag, sind ausnahmsweise beide unwirksam (sog. Fehleridentität). Das ist etwa der Fall, wenn der Verzichtende bei Abgabe beider Erklärungen geschäftsunfähig war. Auch eine Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung kann sich auf Vertrag und Verzicht zugleich erstrecken.

Das Abstraktionsprinzip dient letztlich der Rechtssicherheit. Es verhindert, dass die Wirksamkeit des Erbverzichts nachträglich von schwer überprüfbaren Umständen des Vertragsschlusses abhängt. Gerade bei Erbverzichten, die oft viele Jahre vor dem Erbfall erklärt werden, schafft dies Klarheit. Andererseits kann es unbillig sein, am Verzicht festzuhalten, wenn der Vertrag von Anfang an fehlerhaft war. Hier schafft das Bereicherungsrecht einen angemessenen Ausgleich.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB
    Regelt die persönliche Abgabe von Erklärungen im Rahmen von Erb- und Pflichtteilsverzichten. Im vorliegenden Fall war der Erb-/Pflichtteilsverzicht formunwirksam, da der Erblasser die Erklärung nicht persönlich abgegeben hatte. Diese Vorschrift ist zentral, da sie die Gültigkeit des Erbverzichts direkt betrifft.
  • § 2348 BGB
    Erlaubt die Stellvertretung bei der Abgabe von Erbverzichten, wenn diese formgerecht, etwa durch notarielle Beurkundung, erfolgt. Dies ist relevant, da im Fall trotz formunwirksamen ursprünglichen Verzichts ein gültiges schuldrechtliches Geschäft bestand, das durch § 2348 BGB gedeckt sein könnte.
  • § 196 BGB
    Definiert die Verjährungsfristen für Ansprüche, die aus der Übertragung des Eigentums an einem Grundstück resultieren. Im diskutierten Fall wurde argumentiert, dass der Anspruch auf Erbverzicht als Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks unter diese Regelung fällt, was die zehnjährige Verjährungsfrist begründet.
  • § 139 BGB
    Behandelt die Teilnichtigkeit von Verträgen und deren Auswirkungen auf den gesamten Vertrag. Im Kontext wurde argumentiert, dass die Unwirksamkeit eines Teils des Vertrages (der Erbverzicht) nicht automatisch die Unwirksamkeit des gesamten Vertrages nach sich zieht.
  • Abstraktionsprinzip
    Ein Grundprinzip des deutschen Zivilrechts, das besagt, dass das Verpflichtungsgeschäft (schuldrechtlicher Vertrag) und das Erfüllungsgeschäft (dingliche Übertragung) rechtlich unabhängig voneinander sind. Im Fall war dies relevant, da trotz formunwirksamem Erbverzicht das zugrunde liegende Kausalgeschäft als wirksam angesehen wurde.
  • § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB
    Beschreibt spezifische erbrechtliche Ansprüche und deren Verjährungsfristen. Obwohl dieser Paragraph nicht direkt anwendbar war, da der Anspruch nicht als erbrechtlich klassifiziert wurde, spielt er eine Rolle in der Diskussion um die Verjährung von Ansprüchen, die im vorliegenden Fall geführt wurde.


Das vorliegende Urteil

OLG Düsseldorf – Az.: I-7 U 153/12 – Urteil vom 20.12.2013

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 10.05.2012 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Erklärung gegenüber dem persönlich anwesenden Kläger abzugeben ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist -wie auch das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung- vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien – die Beklagte persönlich und der Kläger vertreten durch Frau A B – schlossen am 12.09.1989 einen notariell beurkundeten Übertragungs- und Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag, wonach der Kläger das Hausgrundstück F-K-Str. in M-S im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die Beklagte übertrug und die Beklagte auf jegliche Erbansprüche, Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsergänzungsansprüche und jegliche Unterhaltsansprüche verzichtete. Im Jahre 1990 veräußerte der Kläger im Einvernehmen mit der Beklagten das Hausgrundstück an einen Dritten; den Kaufpreis von 300.000,- DM erhielt die Beklagte.

Anlässlich einer Urkundenanforderung durch die Beklagte stellte der den Vertrag beurkundende Notar im Juli 2011 fest, dass der Erb-/Pflichtteilsverzicht formunwirksam ist, weil der Erblasser ihn nicht – wie nach § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlich – persönlich geschlossen hatte.

Dies teilte der Notar der Beklagten mit und regte die Heilung des Formmangels durch eine neue Beurkundung an. Die Beklagte antwortete, dass sie ein erneutes – den heutigen Vermögensverhältnissen angepasstes – Angebot ihres Vaters erwarte, wenn er sie aus der gesetzlichen Erbfolge erneut entfernen und einen vorzeitigen Erbausgleich wolle.

Der Kläger meint, die Beklagte habe in der notariellen Urkunde zugleich die schuldrechtliche Verpflichtung, einen Erb-/Pflichtteilsverzicht zu erklären, übernommen und nimmt die Beklagte daraus auf Abgabe einer formwirksamen Verzichtserklärung in Anspruch.

Das Landgericht, auf dessen Urteil – auch wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge – gemäß § 540 ZPO Bezug genommen wird, hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, gegenüber dem Kläger in notarieller Form zu erklären, dass sie ausdrücklich auf jegliche Erbansprüche, Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsergänzungsansprüche und Ansprüche ähnlicher Art, die sich im Falle des Todes des Klägers aufgrund der gesetzlichen Stellung als Kind des Klägers ergeben würden, verzichtet. Zur Begründung hat das Erstgericht ausgeführt, dass dem dinglichen Verfügungsgeschäft ein schuldrechtliches Kausalgeschäft, gerichtet auf Vornahme des dinglichen Erbverzichts, zugrundeliege. Die Parteien hätten nicht nur den dinglichen Erbverzicht, sondern auch den schuldrechtlichen Erbverzichtsvertrag schließen wollen; letztgenannter bedürfe nur der (hier eingehaltenen) Form des § 2348 BGB und nicht derjenigen des § 2347 Abs. 2 BGB. Aufgrund dessen sei die Beklagte zur Vornahme des dinglichen Erbverzichts verpflichtet.

Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte weiterhin eine Abweisung der Klage. Sie erhebt die Verjährungseinrede; gemäß § 196 BGB verjährten Ansprüche auf die Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück in 10 Jahren. Ein erbrechtlicher Anspruch liege nicht vor. Die Anspruchsgrundlage sei der am 12.09.1989 geschlossene Vertrag und keine Norm aus dem 5. Buch des BGB.

Desweiteren vertritt die Beklagte auch in zweiter Instanz die Auffassung, dass die Unwirksamkeit des abstrakten erbrechtlichen Verfügungsgeschäfts gemäß § 139 BGB zugleich die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts bewirke.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 10.05.2012 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Erklärung gegenüber dem persönlich anwesenden Kläger abzugeben ist.

Der Kläger verteidigt das zu seinen Gunsten ergangene Urteil des Landgerichts und wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Für eine Anwendung des § 139 BGB sei kein Raum. Gerade auch die nach Abschluss des Vertrages vom 12.09.1989 getroffene Vereinbarung, dass die Beklagte den Verkaufserlös statt des Hausgrundstücks erhalten sollte, zeige, dass die Parteien keinen sog. Einheitswillen in Bezug auf das Kausalgeschäft und das Erfüllungsgeschäft gehabt hätten. Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch. Die Verjährung beginne erst mit dem 22.07.2011, als der Beklagten durch Schreiben des Notars Dr. M der Formfehler mitgeteilt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger hat, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, aus dem dem (formunwirksamen) Erbverzicht zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäft einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine formwirksame Erklärung des Erbverzichts (BGHZ 37, 319; Schotten in Staudinger BGB-Neubearbeitung 2010, § 2346 Rn 115 ff; Wegerhoff in Münch-Komm. zum BGB, 6. A., § 2346 Rn 22 f).

Das zwischen den Parteien geschlossene Kausalgeschäft war insgesamt wirksam; nach allgemeiner Auffassung (Palandt-Weidlich, BGB, 73. A., § 2347, Rn 2 m. w. Nachw.) gilt der Grundsatz, dass der Erblasser persönlich handeln muss, nur für das Verfügungsgeschäft, nicht aber für das schuldrechtliche Kausalgeschäft. Bei Abschluss des Kausalgeschäfts ist daher hinsichtlich der Verpflichtung zur Mitwirkung beim erbrechtlichen Verfügungsgeschäft Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht eine Stellvertretung des Erblassers nach den allgemeinen Vorschriften in gleicher Weise wie für den Verzichtenden zulässig. Erklärt der Stellvertreter des Erblassers zugleich den Pflichtteilsverzicht, berührt dessen Unwirksamkeit die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts nicht (Weidlich, Anm. zum Beschluss des OLG Düsseldorf vom 21.06.2011 – 3 Wx 56/11 -, ZEV 2011, 529 ff). Mit Rücksicht auf das Abstraktionsprinzip hat die Nichtigkeit eines Vollzugsgeschäfts grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts (Schotten, RNotZ 2012, 94 f).

Ebenso kann aufgrund des Abstraktionsprinzips die Annahme eines Bedingungszusammenhangs bzw. einer Rechtseinheit im Sinne des § 139 BGB nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Einheitswillen der Vertragspartner vorliegen. Es genügen weder ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang noch ein äußerer Zusammenhang durch die Aufnahme beider Rechtsgeschäfte in einer Urkunde oder ein Sicherungsbedürfnis des Verzichtenden, insbesondere zur Sicherung des Erhalts der Abfindungsleistung (Weidlich, a.a.O.; Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2347 Rn 2; Keller, ZEV 2005, 229; Roth in Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2010, § 139 Rn 54, 57; a.A. offenbar OLG Düsseldorf, 3. ZS., ZEV 2011, 529). Teilweise (Schotten in Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2010, § 2346 Rn 151; Damrau-Kurze, Erbrecht, 2.A., § 2346 Rn 10) wird eine Verbindung des abstrakten Verfügungsgeschäfts mit dem Kausalgeschäft zu einer vertraglichen Einheit mit der Folge des § 139 BGB für grundsätzlich nicht möglich erachtet.

Im vorliegenden Fall könnte man allenfalls darüber nachdenken, ob eine Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts auch den dinglichen Erbverzicht (wenn er denn formwirksam erklärt worden wäre) erfassen sollte, nicht jedoch umgekehrt. Gerade auch die vom Landgericht herangezogene Regelung in § 12 des notariellen Vertrages vom 12.09.1989, wonach bei Unwirksamkeit einer Bestimmung die anderen Bestimmungen des Vertrages dennoch Gültigkeit haben sollten, zeigt, dass kein Einheitswille bei den Vertragsschließenden vorhanden gewesen ist. Das Kausalgeschäft, aus dem der Kläger Ansprüche herleitet, ist somit wirksam und wird nicht von der Unwirksamkeit des dinglichen Erbverzichts erfasst, so dass hier die ohnehin nur ausnahmsweise anzunehmende Rechtseinheit zwischen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft zu verneinen ist.

Die Beklagte ist nicht berechtigt, nach § 214 Abs. 1 BGB die Leistung zu verweigern, weil der Anspruch des Klägers nicht verjährt ist.

Die erstmalige Erhebung der Verjährungseinrede in der Berufungsinstanz ist hier zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, weil die den Verjährungseintritt begründenden Tatsachen unstreitig sind (Zöller-Heßler, ZPO, 29. A., § 531 Rn 20). Die Einrede greift jedoch nicht durch.

Der Anspruch des Klägers wäre verjährt, wenn es sich weder um einen erbrechtlichen Anspruch im Sinne von § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung noch um einen Anspruch auf die Gegenleistung für die Übertragung eines Rechts an einem Grundstück im Sinne des seit dem 01.01.2002 geltenden § 196 BGB handelte.

Für den erbrechtlichen Anspruch nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. galt eine dreißigjährige Verjährungsfrist, die am 01.01.2010 bei Inkrafttreten des ErbVerjRÄndG (vom 24.09.2009) noch nicht abgelaufen war, so dass es sich um einen am 01.01.2010 noch nicht verjährten Anspruch handeln würde, für den die nach neuem Recht geltende 3-Jahres-Frist gemäß Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EGBGB ab dem 01.01.2010 zu laufen begonnen hätte, die durch die auf den 13.12.2011 rückwirkende Klageerhebung rechtzeitig gehemmt worden wäre.

Bei dem hier geltend gemachten Anspruch handelt es sich um keinen erbrechtlichen Anspruch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2007, 2174) sind mit „erbrechtlichen Ansprüchen“ alle Ansprüche gemeint, die sich „aus“ dem mit „Erbrecht“ überschriebenen Buch 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergeben, wobei auf die rein formale Zugehörigkeit abgestellt wird (Peters/Jacoby in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2009, § 197 Rn 21).

Im vorliegenden Fall wird ein – nicht im 5. (und auch keinem sonstigen) Buch des BGB geregelter – Anspruch aus dem Kausalgeschäft zum Erbverzicht geltend gemacht. Hierbei handelt es sich nicht um ein Schuldverhältnis aus Erbrecht. Erbrechtlich geprägt ist lediglich ein Gegenstand des Vertrages, so wie es z.B. auch beim Erbschaftskauf der Fall ist. Das Kausalgeschäft zum Erbverzicht ist im Gegensatz zum abstrakten Erbverzicht rein schuldrechtlicher Natur (Schotten in Staudinger, BGB-Neubearbeitung 2010, Einleitung zu §§ 2346 – 2352, Rn 39). Das dem Übertragungs- und Erb-/Pflichtteils- sowie Unterhaltsverzichtsvertrag der Parteien vom 12.09.1989 vorgelagerte Grundgeschäft ist damit ein gegenseitiger Vertrag im Sinne der §§ 320 – 326 BGB, mit dem sich der Erblasser zur Übertragung des Grundstücks und die Gegenseite zum Abschluss des Verzichtsvertrages verpflichtet hat (vgl. Schotten in Staudinger, a.a.O., § 2346 Rn 122; Hau in juris-PK BGB, 6. A., § 2346 Rn 27; Wegerhoff in Münch.-Komm. zum BGB, 6. A., § 2346 Rn 22; Keller, ZEV 2005, 229; OLG Celle, ZEV 2008, 485).

Dass es sich bei den Ansprüchen der Beklagten aus diesem Vertrag nicht um erbrechtliche, sondern rein schuldrechtliche Ansprüche handelt, dürfte zweifelsfrei sein (vgl. OLG Celle, ZEV 2008, 485; Hau in juris-PK BGB, a.a.O.). Dies hat dann aber auch für den Anspruch des (künftigen) Erblassers auf die Gegenleistung, die auf Abgabe von Willenserklärungen gerichtet ist, zu gelten, selbst wenn eine dieser Willenserklärungen ihre Grundlage im Erbrecht hat.

Im vorliegenden Fall geht es nicht um nach dem Tod einer Person entstandene Ansprüche, sondern um vertragliche Ansprüche unter Lebenden im Hinblick auf ein Erbrecht und nicht „aus“ einem Erbrecht.

Handelt es sich mithin um keinen erbrechtlichen, sondern einen schuldrechtlichen Anspruch, so unterliegt dieser aber der 10jährigen Verjährung nach § 196 BGB, weil er – wie oben ausgeführt – die Gegenleistung für die Übertragung des Rechts an einem Grundstück darstellt. Auch wenn der Erb-, Pflichtteils- und Unterhaltsverzicht der Beklagten in dem notariellen Vertrag vom 12.09.1989 nicht ausdrücklich als Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks in M/S bezeichnet worden ist, ergibt sich dies aus dem Gesamtzusammenhang. Die Beklagte, die schon damals ein gespanntes Verhältnis zum Kläger hatte, hätte das Grundstück nicht übertragen bekommen, wenn sie nicht verzichtet hätte. Entgegen ihrer im Schriftsatz vom 04.12.2013 geäußerten Ansicht stand die Grundstücksübertragung nicht nur in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zum Unterhaltsverzicht. Etwaige Unterhaltsansprüche, auf die die Beklagte für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verzichtet hat, werden an letzter Stelle genannt, so dass der an erster Stelle genannte Verzicht auf Erb- und Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche dahinter jedenfalls nicht völlig zurücktritt.

Nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB finden die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung.

Der Anspruch des Klägers ist am 01.01.2002 noch nicht verjährt gewesen, weil für ihn die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung vom 01.01.1964 gegolten hat. Da die Verjährungsfrist nach dem BGB in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung ( § 196 BGB n.F.) kürzer ist als nach dem BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung, wird gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB die kürzere Frist von dem 01.01.2002 an berechnet. Sie lief am 01.01.2012 ab und wurde durch die am 13.12.2011 erhobene und am 24.01.2012 zugestellte Klage gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Da die Zustellung „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO erfolgte – der Kläger hat den unter dem 28.12.2011 in Rechnung gestellten Gerichtskostenvorschuss am 11.01.2012 gezahlt -, wirkt sie auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage zurück.

Damit ist der vom Kläger hier geltend gemachte Anspruch auf Abgabe einer auf einen formgültigen Erbverzicht gerichteten Willenserklärung als Gegenleistung für die Übertragung des Eigentums an dem Hausgrundstück in M-S nicht verjährt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 in Verbindung mit § 711 ZPO.

Die Revision wird nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen, weil der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Beschluss vom 21.06.2011 (ZEV 2011, 529) die Auffassung vertreten hat, die Nichtigkeit eines unter Verstoß gegen § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB erklärten Erbverzichts könne nach § 139 BGB die Nichtigkeit auch des schuldrechtlichen Grundgeschäfts zur Folge haben.

Streitwert II. Instanz: 1.000.000,- EUR

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