Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Die Bedeutung rechtsgültiger Testamente im Erbrecht: Ein prägnanter Fall
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche formalen Voraussetzungen muss ein handschriftliches Testament erfüllen?
- Wie wird die Testierfähigkeit einer Person rechtlich beurteilt?
- Wer muss die Testierunfähigkeit im Streitfall beweisen?
- Ab wann kann eine psychische Erkrankung die Testierfähigkeit einschränken?
- Welche Beweismittel werden zur Prüfung der Testierfähigkeit herangezogen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Augsburg
- Datum: 23.02.2024
- Aktenzeichen: 2 VI 2135/23
- Verfahrensart: Verfahren zur Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses
- Rechtsbereiche: Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Beteiligter B.: Antragsteller, der die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt hat und dessen Antrag vom Gericht angenommen wurde.
- Beteiligter M.: Sohn des Erblassers, der ebenfalls die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt hatte, indem er behauptete, dass er aufgrund der gesetzlichen Erbfolge Alleinerbe sei. Sein Antrag wurde abgelehnt. Er argumentierte, dass das Testament ungültig sei, da es seiner Meinung nach vom Erblasser nicht eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde. Zudem zweifelte er an der Testierfähigkeit des Erblassers.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Erblasser, ein britischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Augsburg, verstarb zwischen dem 14.03.2023 und dem 17.03.2023. Er hatte ein Eigenhändiges Testament verfasst, in dem er sein Vermögen verteilte, und litt unter einer schizoaffektiven Psychose. Sein Sohn M., der keinen regelmäßigen Kontakt zu ihm hatte, zweifelte die Testierfähigkeit des Erblassers an und beantragte die Bestellung eines Nachlasspflegers sowie die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, um als Alleinerbe anerkannt zu werden.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage bestand darin, ob das Testament vom 24.03.2022 wirksam ist und ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierfähig war. Der Sohn M. stellte in Frage, ob sein Vater aufgrund seiner psychischen Erkrankung und der Gestaltung des Testaments testierfähig war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht entschied, dass das Testament wirksam ist und der Antrag von M. auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zurückgewiesen wird. Auch der Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers wurde abgelehnt.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass das Testament formwirksam und eigenhändig geschrieben war und keine Zweifel an der Echtheit bestanden. Zudem ergaben die eingesehenen Arztberichte keine Verdachtsmomente, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht testierfähig gewesen sei. M. hatte keine Vergleichsschriftproben zur Anfechtung der Echtheit des Testaments vorgelegt und auch keinen Antrag auf ein Gutachten zur Testierfähigkeit gestellt.
- Folgen: M. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst. Die Erteilung des beantragten Erbscheins wird bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Das Urteil stärkt die Bedeutung der Beweislast im Falle von Anfechtungen der Testierfähigkeit und unterstreicht den formalen Anforderungen an ein eigenhändiges Testament.
Die Bedeutung rechtsgültiger Testamente im Erbrecht: Ein prägnanter Fall
Die Gestaltung eines Testaments ist ein wichtiger Schritt, um den eigenen letzten Willen rechtssicher zu dokumentieren. Gerade im Erbrecht spielen Formvorschriften eine zentrale Rolle, da die Wirksamkeit einer testamentarischen Verfügung oft von der Einhaltung bestimmter rechtlicher Anforderungen abhängt. Ob eigenhändiges oder notarielles Testament – die Art der Testamentserstellung kann weitreichende Folgen für die Vermögensaufteilung und die Rechtsnachfolge haben.
Ein weiteres relevantes Element des Erbrechts ist der Pflichtteil, der bestimmten Erben einen festgelegten Anteil am Nachlass sichert, auch wenn dieser im Testament nicht berücksichtigt wird. Um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Testamentsprüfung zu erleichtern, sollten Erblasser die gängigen Regeln und Möglichkeiten zur Widerrufung eines Testaments sowie die Rolle eines Testamentsvollstreckers kennen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der die Anforderungen an ein wirksames Testament veranschaulicht.
Der Fall vor Gericht
Testierunfähigkeit muss vom Anfechtenden bewiesen werden – AG Augsburg stärkt Position formgültiger Testamente
Das Amtsgericht Augsburg hat in einem erbrechtlichen Streitfall die Beweislast für die Testierunfähigkeit eindeutig dem Erben zugewiesen, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft. Im konkreten Fall ging es um das Testament eines britischen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Augsburg, der zwischen dem 14. und 17. März 2023 verstorben war.
Handschriftliches Testament trotz psychiatrischer Vorgeschichte wirksam
Der Erblasser hatte am 24. März 2022 ein eigenhändiges Testament verfasst, in dem er seinen Nachlass in verschiedenen prozentualen Anteilen auf mehrere Personen verteilte. Obwohl der Erblasser unter einer schizoaffektiven Psychose litt und sich seit 2004 in ambulanter Langzeitbehandlung befand, erkannte das Gericht das Testament als formwirksam an. Die Tatsache, dass nur die Überschrift maschinengeschrieben war und der Erblasser verkürzte Vornamen sowie prozentuale Aufteilungen verwendete, beeinträchtigte die Wirksamkeit des Testaments nicht.
Gerichtliche Prüfung der Testierfähigkeit
Der uneheliche Sohn des Erblassers, der seit 2011 keinen Kontakt mehr zu seinem Vater hatte, zweifelte sowohl die Echtheit der Handschrift als auch die Testierfähigkeit seines Vaters zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung an. Das Gericht forderte daraufhin Vergleichsschriftproben an und zog ärztliche Berichte heran. Ein handschriftlicher Brief des Erblassers aus dem Jahr 2009 bestätigte die Echtheit der Handschrift. Die ärztlichen Unterlagen zeigten, dass der Erblasser trotz mehrerer stationärer Aufenthalte als „wach, bewusstseinsklar und umfassend orientiert“ beschrieben wurde.
Medizinische Dokumentation spricht für Testierfähigkeit
Die vorliegenden ärztlichen Berichte dokumentierten zwar mehrere stationäre Aufenthalte zwischen 2003 und 2017 wegen einer schizoaffektiven Störung, jedoch war die produktiv-psychotische Symptomatik zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vollständig abgeklungen. Das Gericht sah daher keine Notwendigkeit für ein zusätzliches Sachverständigengutachten zur Testierfähigkeit. Dem Sohn wurde die Möglichkeit eingeräumt, ein gerichtliches Gutachten auf eigene Kosten zu beantragen, wovon er keinen Gebrauch machte.
Das Amtsgericht wies den Antrag des Sohnes auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zurück, da dieser die behauptete Testierunfähigkeit nicht nachweisen konnte. Auch der Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers wurde abgelehnt, da andere Beteiligte die laufende Verwaltung des Nachlasses bereits übernahmen. Die Kostenentscheidung folgte den üblichen Regelungen des Erbscheinsverfahrens, wonach jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Schlüsselerkenntnisse
„Das Urteil stellt klar, dass die Beweislast für eine behauptete Testierunfähigkeit bei demjenigen liegt, der sich darauf beruft. Ein Testament ist formwirksam, wenn es eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist, wobei auch verkürzte Schreibweisen und einfache Formulierungen ausreichen. Die bloße Behauptung einer psychischen Erkrankung reicht nicht aus, um die Unwirksamkeit eines Testaments zu begründen – es müssen konkrete Beweise für die Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorgelegt werden.“
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie die Gültigkeit eines Testaments aufgrund vermuteter Testierunfähigkeit anzweifeln, müssen Sie hierfür konkrete Beweise vorlegen – die bloße Behauptung einer psychischen Erkrankung genügt nicht. Bei handschriftlichen Testamenten sind auch einfache Formulierungen und Abkürzungen rechtlich wirksam, solange der Wille des Erblassers klar erkennbar ist. Um die Echtheit einer Unterschrift anzufechten, sollten Sie Vergleichsschriftproben vorlegen können. Bedenken Sie: Wer ein Testament anfechten möchte, trägt die Beweislast und muss aktiv nachweisen, dass zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung keine Testierfähigkeit vorlag.
Ihr Erbrecht sicher gestalten
Das Urteil des Amtsgerichts Augsburg verdeutlicht, wie wichtig eine sorgfältige Beweisführung im Erbrecht ist. Gerade bei der Anfechtung eines Testaments wegen Testierunfähigkeit sind die rechtlichen Hürden hoch. Um Ihre Interessen optimal zu wahren und unnötige Kosten zu vermeiden, ist eine frühzeitige Beratung durch erfahrene Rechtsanwälte im Erbrecht entscheidend. Wir unterstützen Sie gerne dabei, die notwendigen Schritte einzuleiten und Ihre Rechte effektiv durchzusetzen. Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und die bestmögliche Strategie zu entwickeln.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche formalen Voraussetzungen muss ein handschriftliches Testament erfüllen?
Ein wirksames handschriftliches Testament muss nach § 2247 BGB zwingend folgende Formvorschriften erfüllen:
Handschriftlichkeit
Der gesamte Text des Testaments muss vollständig handschriftlich verfasst sein. Ein am Computer oder mit Schreibmaschine erstelltes Testament ist unwirksam, selbst wenn es unterschrieben wurde. Die individuelle Handschrift dient dabei der Überprüfung der Echtheit des Dokuments.
Unterschrift
Die eigenhändige Unterschrift ist unverzichtbar und muss am Ende des Testaments stehen. Sie muss aus Vor- und Familiennamen bestehen, wobei auch Unterzeichnungen wie „Papa“ oder ein Kosename ausreichen können, wenn sich daraus die Identität des Erblassers eindeutig ergibt.
Datum und Ort
Die Angabe von Datum und Ort der Testamentserrichtung ist eine Soll-Vorschrift. Fehlen diese Angaben, führt dies nicht automatisch zur Unwirksamkeit. Allerdings kann das Testament ungültig sein, wenn sich dadurch Zweifel an der Gültigkeit ergeben und der Zeitpunkt der Errichtung nicht anderweitig ermittelt werden kann.
Nachträgliche Änderungen
Wenn Sie Änderungen am Testament vornehmen möchten, müssen diese ebenfalls handschriftlich erfolgen. Jede Änderung ist mit neuem Datum und erneuter Unterschrift zu versehen.
Testierfähigkeit
Ein handschriftliches Testament können Sie nur wirksam errichten, wenn Sie testierfähig sind. Dies bedeutet:
- Sie müssen mindestens 16 Jahre alt sein
- Sie müssen geistig in der Lage sein, die Bedeutung Ihrer Entscheidungen zu verstehen
- Sie müssen das Testament ohne fremde Hilfe verfassen können
Häufige Formfehler
Ihr Testament wird unwirksam, wenn:
- Es teilweise oder vollständig mit Computer oder Schreibmaschine geschrieben wurde
- Die Unterschrift fehlt oder nicht am Ende steht
- Der Text unleserlich ist
- Symbole statt Text verwendet wurden
Die strengen Formvorschriften dienen der Rechtssicherheit und sind eng auszulegen. Selbst wenn Ihr Wille eindeutig erkennbar ist, führen Formfehler zur Unwirksamkeit des Testaments.
Wie wird die Testierfähigkeit einer Person rechtlich beurteilt?
Die Testierfähigkeit einer Person wird nach § 2229 BGB beurteilt. Grundsätzlich gilt jede volljährige Person als testierfähig, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird.
Gesetzliche Voraussetzungen
Eine Person ist testierunfähig, wenn sie wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung ihrer testamentarischen Verfügungen zu verstehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Wenn Sie ein Testament errichten möchten, müssen Sie in der Lage sein, die Tragweite Ihrer Entscheidungen zu erfassen und frei von äußeren Einflüssen zu handeln.
Beurteilung durch Fachexperten
Die Beurteilung der Testierfähigkeit erfolgt durch Fachärzte für Psychiatrie. Ein Hausarzt oder Internist ist dafür nicht ausreichend qualifiziert. Der Psychiater untersucht dabei zwei zentrale Aspekte:
- Das kognitive Element: Können Sie die Bedeutung Ihrer Verfügungen verstehen?
- Das voluntative Element: Können Sie nach dieser Einsicht frei handeln?
Besonderheiten bei Demenz
Bei einer Demenzerkrankung wird die Testierfähigkeit differenziert betrachtet. Bei leichter Demenz besteht in der Regel noch Testierfähigkeit. Auch können sogenannte „lichte Momente“ auftreten, in denen eine Person vorübergehend testierfähig ist.
Gerichtliche Prüfung
Im Streitfall prüft das Nachlassgericht die Testierfähigkeit. Die Beweislast trägt derjenige, der die Testierunfähigkeit behauptet. Das Gericht berücksichtigt dabei:
- Psychiatrische Gutachten
- Zeugenaussagen über das Verhalten des Erblassers
- Krankenakten und ärztliche Befundberichte
Bei einem notariellen Testament hat die Beurteilung der Testierfähigkeit durch den Notar eine Indizwirkung, ist aber nicht bindend für spätere gerichtliche Verfahren.
Wer muss die Testierunfähigkeit im Streitfall beweisen?
Die Beweislast für die Testierunfähigkeit trägt derjenige, der sich auf sie beruft. Dies bedeutet in der Regel, dass die gesetzlichen Erben, die das Testament anfechten möchten, die Beweislast tragen.
Grundsatz der Testierfähigkeit
Jede Person gilt grundsätzlich als testierfähig, bis zur vollen Überzeugung des Gerichts das Gegenteil bewiesen ist. Dies gilt auch dann, wenn für den Erblasser eine Betreuung oder Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet war.
Anforderungen an den Beweis
Für einen erfolgreichen Nachweis der Testierunfähigkeit können Sie folgende Beweismittel nutzen:
- Medizinische Unterlagen und Krankenakten
- Zeugenaussagen von Ärzten oder Pflegepersonal
- Sachverständigengutachten
Besondere Beweissituationen
In bestimmten Fällen kann sich die Beweislast umkehren. Wenn Sie nachweisen können, dass der Erblasser vor und nach der Testamentserrichtung testierunfähig war, spricht der erste Anschein dafür, dass die Testierunfähigkeit auch zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestand.
Allerdings kann dieser Anscheinsbeweis durch den Nachweis sogenannter „lichter Zwischenräume“ erschüttert werden. In diesem Fall wechselt die Beweislast wieder zu den gesetzlichen Erben.
Bei einem undatierten Testament und nachgewiesener zeitweiser Testierunfähigkeit muss derjenige, der Rechte aus dem Testament herleiten will, beweisen, dass das Testament in einem Zeitraum der Testierfähigkeit errichtet wurde.
Das Nachlassgericht muss im Erbscheinsverfahren von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen durchführen. Bei nicht behebbaren Zweifeln an der Testierunfähigkeit muss das Gericht von einer Testierfähigkeit des Erblassers ausgehen.
Ab wann kann eine psychische Erkrankung die Testierfähigkeit einschränken?
Eine psychische Erkrankung führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit. Die Beurteilung erfolgt stets auf zwei Ebenen:
Diagnostische Ebene
Zunächst muss eine krankheitswertige psychische Störung vorliegen. Bei der Beurteilung werden verschiedene Krankheitsbilder unterschiedlich bewertet:
Bei Depressionen und bipolaren Störungen bleibt die Testierfähigkeit in der Regel erhalten, selbst wenn die Erkrankung schwer ausgeprägt ist. Dies gilt auch dann, wenn die Person später Suizid begeht.
Bei Demenzerkrankungen kommt es auf den Schweregrad an. Bei leichter Demenz ist die Testierfähigkeit meist noch gegeben, während sie bei mittelschwerer und schwerer Demenz häufig fehlt.
Auswirkungen auf die Willensbildung
Entscheidend ist, ob die Person trotz der Erkrankung:
- Die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidungen erkennen kann
- Eine dem allgemeinen Verständnis entsprechende Würdigung der Außendinge und Lebensverhältnisse vornehmen kann
- Frei von krankhaftbedingten Einflüssen auf die Entscheidung ist
Besondere Fallkonstellationen
Bei Schizophrenie sind die intellektuellen Fähigkeiten meist nicht eingeschränkt. Die Testierunfähigkeit kann jedoch eintreten, wenn starke Wahnvorstellungen oder Halluzinationen auftreten, besonders wenn diese sich auf die Erbschaft oder die Erben beziehen.
Auch Alkoholismus oder Drogenkonsum führen nicht automatisch zur Testierunfähigkeit. Maßgeblich ist der konkrete Zustand zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.
Die Beweislast liegt bei denjenigen, die sich auf die Testierunfähigkeit berufen. Ein psychiatrisches Sachverständigengutachten ist dabei das wichtigste Beweismittel.
Welche Beweismittel werden zur Prüfung der Testierfähigkeit herangezogen?
Die Prüfung der Testierfähigkeit erfolgt durch verschiedene Beweismittel, wobei das psychiatrische Sachverständigengutachten das wichtigste Instrument darstellt. Die Gerichte benötigen für ihre Entscheidung eine fundierte medizinische Einschätzung, die nur durch Fachärzte für Psychiatrie erfolgen kann.
Medizinische Dokumentation
Für die Beurteilung der Testierfähigkeit sind medizinische Unterlagen von zentraler Bedeutung:
- Krankenakten und Befundberichte der behandelnden Ärzte
- Pflegedokumentationen von Pflegediensten oder Seniorenwohnheimen
- MDK-Gutachten zur Pflegebedürftigkeit
- Patientenunterlagen von Krankenhäusern
Zeugenaussagen
Besonders wertvoll sind Aussagen von neutralen Personen, die den Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung erlebt haben. Als Zeugen kommen insbesondere in Betracht:
- Medizinisches Personal und Pflegekräfte
- Nachbarn und Freunde
- Bankangestellte
- Sonstige unabhängige Beobachter
Notarielle Feststellungen
Bei notariellen Testamenten dokumentiert der Notar seine Wahrnehmungen zur Geschäftsfähigkeit des Erblassers. Diese Feststellungen haben jedoch nur eine eingeschränkte Beweiskraft, da Notaren meist die erforderlichen medizinischen Fachkenntnisse fehlen.
Anforderungen an die Beweisführung
Für die gerichtliche Prüfung müssen konkrete Anhaltspunkte für eine mögliche Testierunfähigkeit vorgetragen werden. Die bloße Behauptung einer Testierunfähigkeit reicht nicht aus. Vielmehr müssen nachvollziehbare Umstände dargelegt werden, die Zweifel an der Testierfähigkeit begründen.
Bei der Bewertung der Beweismittel gilt: Wer sich auf die Testierunfähigkeit beruft, muss diese zur vollen Überzeugung des Gerichts nachweisen. Dabei reicht eine mathematische Gewissheit nicht aus – das Gericht muss nach freier Überzeugung und unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung entscheiden.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Testierfähigkeit
Die rechtliche Fähigkeit, ein gültiges Testament zu errichten. Sie setzt voraus, dass der Erblasser volljährig ist und die Bedeutung seiner Entscheidungen verstehen sowie nach dieser Einsicht handeln kann. Diese Fähigkeit wird nach § 2229 BGB vermutet – das bedeutet, wer sie anzweifelt, muss das Gegenteil beweisen. Psychische Erkrankungen oder Demenz können die Testierfähigkeit einschränken. Bei Zweifeln prüfen Gerichte oft anhand medizinischer Gutachten, ob zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung Testierfähigkeit bestand.
Eigenhändiges Testament
Eine privatschriftliche Form des Testaments, die vollständig handgeschrieben und vom Erblasser unterschrieben sein muss (§ 2247 BGB). Anders als beim notariellen Testament erfolgt keine rechtliche Beratung oder Prüfung. Der Erblasser muss Ort und Datum angeben. Maschinenschriftliche Elemente sind unzulässig und können zur Unwirksamkeit führen. Beispiel: Ein handgeschriebener Brief mit Datum, der die gewünschte Verteilung des Vermögens festlegt und unterschrieben ist.
Pflichtteil
Ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass für bestimmte nahe Angehörige (§§ 2303 ff. BGB). Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und steht Kindern, Ehegatten und Eltern zu, wenn sie durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurden. Der Pflichtteilsberechtigte hat einen Geldanspruch gegen die Erben. Beispiel: Enterbt ein Vater seinen Sohn komplett, kann dieser trotzdem seinen Pflichtteil einfordern.
Nachlasspfleger
Ein vom Nachlassgericht bestellter Verwalter, der den Nachlass sichert und verwaltet, wenn die Erben unbekannt oder unsicher sind (§ 1960 BGB). Er vertritt die Interessen potentieller Erben und verhindert, dass Nachlasswerte verloren gehen. Seine Aufgaben enden, wenn die Erbberechtigten feststehen. Beispiel: Bei einem verschollenen Erben wird ein Nachlasspfleger bestellt, um dessen mögliche Erbansprüche zu wahren.
Schizoaffektive Psychose
Eine psychische Erkrankung, die sowohl Symptome einer Schizophrenie als auch einer affektiven Störung aufweist. Im erbrechtlichen Kontext kann sie die Testierfähigkeit beeinflussen, muss dies aber nicht zwangsläufig. Entscheidend ist der Zustand zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Die bloße Diagnose reicht nicht aus, um die Testierfähigkeit anzuzweifeln – es bedarf konkreter Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit.
Europäisches Nachlasszeugnis
Ein standardisiertes Dokument nach EU-Verordnung Nr. 650/2012, das die Rechtsstellung von Erben, Vermächtnisnehmern und Testamentsvollstreckern in grenzüberschreitenden Erbfällen nachweist. Es erleichtert die Durchsetzung von Rechten in anderen EU-Staaten. Anders als der nationale Erbschein gilt es in allen EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark, Irland) ohne weitere Formalitäten.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 2247 BGB (Eigenhändiges Testament):
Ein eigenhändiges Testament muss vollständig handschriftlich vom Erblasser verfasst und unterschrieben sein. Dieses Testament ermöglicht die einfache, persönliche Regelung der Erbfolge ohne notarielle Unterstützung. Maschinenschriftliche Ergänzungen, wie Orts- und Datumsangaben, sind unschädlich, solange der Hauptinhalt handschriftlich niedergelegt wurde.
Im vorliegenden Fall wurde das Testament des Erblassers vom 24.03.2022 als formwirksam anerkannt, da es handschriftlich erstellt und unterschrieben wurde. Die maschinenschriftliche Überschrift beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit, da der übrige Inhalt eindeutig persönlich verfasst wurde. - § 2229 Abs. 4 BGB (Testierfähigkeit):
Die Testierfähigkeit setzt voraus, dass der Erblasser die Bedeutung seiner Erklärung erkennt und entsprechend handeln kann. Eine psychische Erkrankung allein führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit; es müssen konkrete Hinweise auf eine fehlende Willensbildung vorliegen.
Das Gericht hat festgestellt, dass trotz der schizoaffektiven Psychose des Erblassers keine Anzeichen für eine Testierunfähigkeit vorlagen. Die vorliegenden ärztlichen Berichte bestätigten, dass der Erblasser bewusstseinsklar und orientiert war, sodass eine Testierfähigkeit nicht ausgeschlossen werden konnte. - § 81 FamFG (Kostenregelung im Erbscheinsverfahren):
Im Erbscheinsverfahren werden Kosten grundsätzlich von den Beteiligten selbst getragen, es sei denn, das Gericht entscheidet ausnahmsweise anderweitig. Eine gesonderte Entscheidung zur Kostenverteilung erfolgt im Rahmen der Billigkeit.
Im vorliegenden Beschluss wurde auf eine Kostenentscheidung verzichtet. Die Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, und die Gerichtskosten richten sich nach der Kostenordnung, ohne abweichende Festlegungen. - § 1960 BGB (Nachlasspflegschaft):
Ein Nachlasspfleger wird bestellt, wenn der Nachlass bis zur Ermittlung der Erben gesichert werden muss. Voraussetzung ist ein Sicherungsbedürfnis, das hier vom Gericht nicht gesehen wurde, da sich die Beteiligten um die Verwaltung des Nachlasses kümmern.
Der Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers wurde abgelehnt, da keine Notwendigkeit bestand. Die Beteiligten verwalten den Nachlass ordnungsgemäß, und es gab keine Hinweise auf eine Gefährdung des Nachlasswertes. - Art. 3 Abs. 1 EuErbVO (Zuständigkeit für den Nachlass):
Die Europäische Erbrechtsverordnung regelt die Zuständigkeit für grenzüberschreitende Nachlassangelegenheiten. Zuständig ist grundsätzlich das Gericht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Im vorliegenden Fall war das Amtsgericht Augsburg zuständig, da der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, obwohl er ausschließlich britischer Staatsbürger war. Dies ist entscheidend für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses.
Das vorliegende Urteil
AG Augsburg – Az.: 2 VI 2135/23 – Beschluss vom 23.02.2024
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