Eine Erbin gewann als Teil einer Erbengemeinschaft einen Prozess und wollte ihre kompletten Anwaltskosten vom Verlierer erstattet bekommen. Doch trotz des Sieges sprach ihr das Gericht nur exakt 237,76 Euro zu – der Grund lag in den getrennten Wegen der Miterben.
Übersicht
- Das Urteil in 30 Sekunden
- Die Fakten im Blick
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss ich meine Anwaltskosten als Erbe selbst tragen, auch wenn wir den Prozess gewinnen?
- Wann werden meine Anwaltskosten für einen eigenen Anwalt in einer Erbengemeinschaft erstattet?
- Muss ich meine Anwaltskosten als Erbe selbst tragen, auch wenn wir den Prozess gewinnen?
- Die Prozesskosten im Erbrecht: wann zahlt die Gegenseite?
- Was ist der Unterschied zwischen einer Erbengemeinschaft und einer „Auftraggebermehrheit“?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil 36 O 1607/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Urteil in 30 Sekunden
- Das Problem: Eine Erbin gewann einen Gerichtsprozess. Sie wollte ihre Anwaltskosten vollständig vom Verlierer erstattet bekommen. Das Gericht sprach ihr jedoch nur einen kleinen Teil davon zu.
- Die Rechtsfrage: Bekommt eine Erbin, die mit anderen Erben gemeinsam verklagt wurde, die Kosten für ihren eigenen Anwalt immer voll erstattet?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht befand, dass die Erbin keinen zwingenden Grund für einen separaten Anwalt dargelegt hatte. Interne Streitigkeiten waren während des Hauptprozesses nicht erkennbar.
- Die Bedeutung: Wenn Parteien wie eine Erbengemeinschaft gemeinsam verklagt werden, werden Kosten für mehrere Anwälte nur erstattet, wenn eine separate Vertretung zwingend nötig war. Diese Notwendigkeit muss im Prozess sichtbar gewesen sein.
Die Fakten im Blick
- Gericht: Landgericht Memmingen
- Datum: 18.12.2024
- Aktenzeichen: 36 O 1607/23
- Verfahren: Kostenfestsetzungsbeschluss
- Rechtsbereiche: Kostenrecht, Zivilprozessrecht, Erbrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Partei, die einen Rechtsstreit vor dem Landgericht Memmingen führte. Sie wehrte sich gegen die volle Erstattung der Anwaltskosten einer der Beklagten.
- Beklagte: Drei Parteien, die eine Erbengemeinschaft bildeten. Die Beklagte zu 3, die den Rechtsstreit gewann, wollte die Kosten für ihren eigenen Anwalt erstattet bekommen.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Drei Beklagte bildeten eine Erbengemeinschaft, von denen zwei einen gemeinsamen Anwalt hatten und eine Beklagte einen eigenen. Nach dem Gewinn des Rechtsstreits wollte die Beklagte mit dem eigenen Anwalt die dadurch entstandenen höheren Kosten erstattet bekommen.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Können die vollen Anwaltskosten erstattet werden, wenn sich einzelne Mitglieder einer Erbengemeinschaft im Prozess von jeweils eigenen Anwälten vertreten lassen, obwohl die anderen gemeinsam vertreten wurden?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Das Gericht setzte einen Teil der von der Beklagten beantragten Anwaltskosten fest, lehnte aber die Erstattung der zusätzlichen Kosten für den separaten Anwalt ab.
- Zentrale Begründung: Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es keine Notwendigkeit für die Beauftragung eines separaten Anwalts gab, da die Interessen aller Beklagten im Prozess übereinstimmten und mögliche interne Streitigkeiten zu spät und ohne Bezug zum Fall vorgetragen wurden.
- Konsequenzen für die Parteien: Die klagende Partei muss der Beklagten zu 3 nur einen geringeren Betrag als ursprünglich gefordert erstatten, da die höheren Kosten für den separaten Anwalt nicht übernommen werden.
Der Fall vor Gericht
Warum bekam eine Erbin nur 237,76 Euro für ihren Anwalt?
Eine Erbin gewinnt einen Prozess und will ihre Anwaltskosten vom Verlierer erstattet bekommen. Eine klare Sache, sollte man meinen. Doch statt der vollen Summe sprach ihr das Landgericht Memmingen exakt 237,76 Euro zu. Keine runde Zahl, kein Kompromiss, sondern ein Betrag, der aus einer kühlen juristischen Berechnung stammt. Diese Entscheidung zerlegt die scheinbar einfache Frage, wer für den Anwalt aufkommen muss, wenn zerstrittene Erben zwar gemeinsam verklagt werden, aber getrennte Wege gehen.
Weshalb ist eine Erbengemeinschaft vor Gericht ein Sonderfall?
Im Zentrum des Falles stand eine Erbengemeinschaft aus drei Personen. Die Klägerpartei hatte alle drei verklagt. Zwei der Erben beauftragten einen gemeinsamen Anwalt. Die dritte Erbin nahm sich eine eigene Rechtsvertretung. Gemeinsam gewannen sie den Prozess. Die unterlegene Klägerpartei musste nun die Kosten der Gewinner tragen. Hier stieß die dritte Erbin auf ein Problem.

Das Gesetz behandelt eine Erbengemeinschaft nicht wie drei einzelne Personen. Juristen sprechen von einer „Auftraggebermehrheit“. Man kann es sich wie eine Sportmannschaft vorstellen, die als Einheit antritt. Die Mannschaft bekommt einen Trainer, nicht jeder Spieler einen eigenen. Beauftragt die Mannschaft aus internen Gründen mehrere Trainer, ist das ihre Sache. Der Gegner muss im Fall einer Niederlage nur die Kosten für einen notwendigen Trainer erstatten. Die Kosten für getrennte Anwälte bei einer Erbengemeinschaft sind daher nur erstattungsfähig, wenn es dafür einen zwingenden Grund gab.
Welchen entscheidenden Fehler machte die Erbin bei ihrer Begründung?
Die Erbin mit dem eigenen Anwalt argumentierte, die Beauftragung sei notwendig gewesen. Es habe erhebliche Differenzen und Streitigkeiten mit den beiden anderen Miterben gegeben. Eine gemeinsame Vertretung sei ihr unzumutbar gewesen. Das war ihr zentrales Argument, um die vollen Kosten für ihre separate anwaltliche Vertretung erstattet zu bekommen.
Das Gericht pulverisierte diese Begründung mit einer einfachen Gegenfrage: Warum wurde dieser Streit erst jetzt thematisiert? Während des gesamten Hauptprozesses hatten die Richter davon nichts bemerkt. Alle drei Erben verfolgten dasselbe Ziel: die Abweisung der Klage. Die Erbin schloss sich den Anträgen und Ausführungen ihrer Miterben an. Von einem Interessenkonflikt, der eine getrennte Vertretung nötig gemacht hätte, war nach außen nichts zu sehen.
Der Vortrag über die internen Zerwürfnisse kam erst im Kostenfestsetzungsverfahren – also in der Phase, in der nur noch über die Rechnungen gestritten wird. Das war aus Sicht des Gerichts zu spät. Die Notwendigkeit eines zweiten Anwalts muss sich aus dem eigentlichen Prozessverlauf ergeben. Nachträgliche Erklärungen können eine im Verfahren nicht sichtbare Notwendigkeit nicht heilen. Das Gericht schlug sogar eine Alternative vor: Bei internem Streit hätte die Erbengemeinschaft einen gemeinsamen, neutralen dritten Anwalt beauftragen können.
Wie kam das Gericht auf die exakte Summe von 237,76 Euro?
Das Gericht lehnte die Erstattung der tatsächlichen Kosten für den zweiten Anwalt ab. Es stellte stattdessen eine fiktive Rechnung auf. Die Richter fragten: Was hätte der Anwalt der beiden anderen Erben an zusätzlichem Honorar verlangen können, wenn er die dritte Erbin einfach mitvertreten hätte?
Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sieht für diesen Fall eine sogenannte Erhöhungsgebühr vor. Für jeden weiteren Mandanten in derselben Sache steigt die Gebühr des Anwalts leicht an. Dieser pauschale Aufschlag soll den geringfügig höheren Aufwand abgelten. Man spricht hier von einer fiktiven Mehrvertretungsvergütung. Die Erbin erhielt also nicht die realen Kosten ihres Anwalts, sondern nur den Betrag, den ein gemeinsamer Anwalt als Bonus bekommen hätte.
Diese Erhöhungsgebühr belief sich im konkreten Fall auf 199,80 Euro. Darauf rechnete das Gericht die gesetzliche Umsatzsteuer von 19 Prozent, was 37,96 Euro ausmachte. Die Summe dieser beiden Posten ergab den festgesetzten Betrag von 237,76 Euro.
Die Urteilslogik
Ein Gericht legt präzise fest, unter welchen Voraussetzungen die unterlegene Partei die Kosten für getrennt beauftragte Anwälte der Gegenseite tragen muss.
- Einheitliche Vertretung: Eine Erbengemeinschaft tritt vor Gericht als eine Einheit auf, daher trägt der Gegner im Falle einer Niederlage grundsätzlich nur die Kosten für eine gemeinsame anwaltliche Vertretung.
- Erkennbare Notwendigkeit der Trennung: Die Notwendigkeit, getrennte Anwälte zu beauftragen, muss sich klar aus dem Verlauf des Hauptprozesses ergeben; nachträgliche Begründungen, die während des Verfahrens nicht ersichtlich waren, reichen nicht aus.
- Berechnung der Erstattung: Ist eine separate anwaltliche Vertretung nicht begründet, erstattet die unterlegene Partei lediglich die fiktiven Mehrkosten, die ein gemeinsamer Anwalt für die Vertretung weiterer Mandanten in derselben Sache erhalten hätte.
Insgesamt verdeutlicht die Entscheidung, dass die Erstattungsfähigkeit von Prozesskosten stets eine nach außen erkennbare und notwendige Begründung erfordert.
Benötigen Sie Hilfe?
Steht Ihre Erbengemeinschaft vor Fragen zur Erstattung getrennter Anwaltskosten? Erhalten Sie eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Sachverhalts.
Das Urteil in der Praxis
Mit diesem Urteil endet eine Ära für alle, die interne Streitigkeiten als Freibrief für getrennte Anwälte sahen. Die knappen 237,76 Euro sind keine Lappalie, sondern ein scharfes Signal: Wer als Teil einer Mehrheit den eigenen Anwalt will, muss die Notwendigkeit dafür im Prozessverlauf sichtbar machen, nicht erst in der Kostenabrechnung. Das Gericht macht unmissverständlich klar, dass nach außen homogene Parteien auch kostentechnisch als Einheit behandelt werden. Eine gnadenlose Lektion für jeden, der hofft, private Zwistigkeiten würden am Ende vom Gegner bezahlt.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich meine Anwaltskosten als Erbe selbst tragen, auch wenn wir den Prozess gewinnen?
Ja, als Erbe in einer Erbengemeinschaft tragen Sie Ihre eigenen Anwaltskosten oft selbst, selbst nach einem gewonnenen Prozess. Der Grund: Das Gericht betrachtet die Erbengemeinschaft als eine Einheit, eine „Auftraggebermehrheit“. Separater Rechtsbeistand wird nur bei zwingendem, nachweisbarem Interessenkonflikt erstattet.
Diese juristische Sichtweise überrascht viele, ist aber logisch: Eine Erbengemeinschaft hat vor Gericht ein gemeinsames Ziel. Juristen nennen das „Auftraggebermehrheit“, vergleichbar mit einer Mannschaft, die nur einen Trainer braucht. Der Prozessverlierer muss lediglich die Kosten für diesen einen „Team-Anwalt“ tragen.
Das Landgericht Memmingen zeigte dies drastisch: Eine Erbin, die trotz gewonnenen Prozesses nur 237,76 Euro ihrer Anwaltskosten zurückbekam, erlebte genau diese harte Realität. Ihr Fehler? Sie hatte einen eigenen Anwalt, ohne dem Gericht einen zwingenden, nach außen erkennbaren Interessenkonflikt mit Miterben aufzuzeigen. Ohne diesen klaren Nachweis, dass ein eigener Anwalt unabdingbar war, erstattet der Gegner lediglich eine fiktive „Erhöhungsgebühr“ – ein geringer Bonusbetrag für die Mehrvertretung durch einen gemeinsamen Anwalt. Ihre tatsächlichen Kosten bleiben damit Ihr Problem.
Bevor Sie als Teil einer Erbengemeinschaft einen eigenen Anwalt wählen, besprechen Sie akribisch mit Ihren Miterben die Option eines gemeinsamen Rechtsbeistands, um sich vor hohen Eigenkosten zu schützen.
Wann werden meine Anwaltskosten für einen eigenen Anwalt in einer Erbengemeinschaft erstattet?
Ihre Anwaltskosten für einen eigenen Anwalt in einer Erbengemeinschaft werden nur erstattet, wenn Sie dem Gericht während des Hauptprozesses einen zwingenden, nach außen erkennbaren Interessenkonflikt mit Ihren Miterben glaubhaft darlegen konnten, der eine gemeinsame Vertretung unzumutbar machte. Gerichte fordern hier einen echten, objektiv nachvollziehbaren Grund, nicht bloße interne Differenzen.
Das Gesetz trennt strikt zwischen persönlichen Zerwürfnissen und tatsächlichen juristischen Interessengegensätzen, die prozessual relevant sind. Reine interne Familienzwistigkeiten reichen dafür nicht aus. Es muss eine Situation vorliegen, in der die Vertretung durch einen gemeinsamen Anwalt objektiv unmöglich war, weil Ihre Positionen im Prozess unvereinbar waren.
Eine Erbin verlor trotz Prozesssieg einen Großteil ihrer Anwaltskosten genau deshalb. Sie behauptete zwar massive interne Streitigkeiten mit ihren Miterben, doch diese kamen erst im späteren Kostenfestsetzungsverfahren zur Sprache. Der Haken: Während des Hauptprozesses hatten die Richter davon nichts bemerkt. Ihre prozessuale Haltung, die sich den Anträgen der Miterben anschloss, sprach Bände gegen einen tatsächlichen Interessenkonflikt. Solche nachträglichen Erklärungen sind aus Sicht des Gerichts wertlos.
Sprechen Sie jeden Interessenkonflikt, der einen eigenen Anwalt rechtfertigt, bereits in den ersten Schriftsätzen klar und detailliert vor Gericht an – Dokumentation ist alles.
Muss ich meine Anwaltskosten als Erbe selbst tragen, auch wenn wir den Prozess gewinnen?
Ja, als Erbe einer Erbengemeinschaft sitzen Sie unter Umständen auf Ihren Anwaltskosten, selbst nach einem gewonnenen Prozess. Der Grund: Beauftragen Sie einen separaten Anwalt, obwohl das Gericht keine zwingende Notwendigkeit dafür sah, trägt der Gegner nur die Kosten für eine einheitliche Vertretung der Erbengemeinschaft.
Juristen nennen das eine „Auftraggebermehrheit“. Ähnlich einer Rudermannschaft: Gewinnt das Boot, zahlt der Gegner den Steuermann für die Mannschaft, nicht für jeden Ruderer einen eigenen Coach. Haben Sie und Ihre Miterben aus internen Gründen getrennte Anwälte, tragen Sie dieses Kostenrisiko meist selbst.
Die bittere Wahrheit: Separate Anwaltskosten werden nur erstattet, wenn ein nach außen erkennbarer, zwingender Interessenkonflikt mit den Miterben eine gemeinsame Vertretung unmöglich machte. Ohne diesen klaren Nachweis zahlen Prozessverlierer lediglich einen symbolischen Betrag. Das Landgericht Memmingen sprach einer Erbin so nur 237,76 Euro zu – die fiktive „Erhöhungsgebühr“ für einen gemeinsamen Anwalt, nicht ihre tatsächliche Rechnung.
Klären Sie vor Beauftragung eines eigenen Anwalts akribisch mit allen Miterben, ob eine gemeinsame Vertretung Ihr Kostenrisiko nicht drastisch minimiert.
Die Prozesskosten im Erbrecht: wann zahlt die Gegenseite?
Gewinnen Sie einen Prozess im Erbrecht, zahlt die Gegenseite grundsätzlich Ihre Prozesskosten. Doch Vorsicht: Dies umfasst meist nur die Kosten für EINEN gemeinsamen Anwalt. Sind Sie Teil einer Erbengemeinschaft, werden individuelle Anwaltskosten separater Vertreter nur erstattet, wenn ein zwingender, vom Gericht anerkannter Interessenkonflikt Ihre Einzelvertretung unumgänglich machte.
Der Grund: Juristen sehen eine Erbengemeinschaft als Einheit, als sogenannte „Auftraggebermehrheit“. Für das Gericht ist es unerheblich, ob Sie sich intern streiten oder nicht. Solange alle dasselbe Prozessziel verfolgen – etwa die Abweisung einer Klage – wäre ein Anwalt für alle ausreichend. Denken Sie an ein Team: Der Gegner zahlt nur den Team-Trainer, nicht für jeden Spieler einen separaten Coach.
Kosten für separate Anwälte einzelner Erben trägt die Gegenseite nur, wenn ein echter, unüberbrückbarer Interessenkonflikt vorlag, der eine gemeinsame Vertretung unmöglich machte und dies auch gerichtlich anerkannt wurde. Dies ist der Fall, wenn ein Erbe prozessual andere Anträge stellt oder diametral entgegengesetzte Ziele verfolgt als seine Miterben. Eigene, nicht erstattungsfähige Anwaltskosten, beispielsweise bei einer unterlegenen Klage oder nicht anerkannten separaten Anwaltskosten, müssen Sie als Erbe immer selbst tragen.
Klären Sie frühzeitig mit Ihrem Anwalt, welche Kosten im Erbrecht erstattungsfähig sind und welche Kostenrisiken Sie als Erbe tragen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Erbengemeinschaft und einer „Auftraggebermehrheit“?
Eine Erbengemeinschaft ist eine rechtliche Einheit, die gemeinsam Eigentum erbt und vor Gericht als Partei auftritt. Juristen behandeln sie jedoch oft als „Auftraggebermehrheit“. Das bedeutet: Die Gemeinschaft agiert als eine Partei und hat im Prozess grundsätzlich nur Anspruch auf die Kosten für einen gemeinsamen Anwalt, selbst wenn mehrere Erben beteiligt sind.
Der Grund liegt in der Natur der Erbengemeinschaft: Sie ist eine Zweckgemeinschaft, die den Nachlass als Ganzes verwaltet. Obwohl aus mehreren Personen bestehend, verfolgen diese im Prozess ein gemeinsames Ziel. Ein passender Vergleich: Ein Fußballteam tritt an; es braucht einen Trainer. Beauftragt es aus internen Gründen mehrere, zahlt der Gegner im Erfolgsfall nur die Kosten für einen notwendigen Trainer. Das Gesetz sieht es ähnlich.
Diese juristische Einstufung ist keine bloße Formalie, sie hat finanzielle Konsequenzen. Denn beauftragen Sie als einzelner Erbe einen eigenen Anwalt, obwohl die Gemeinschaft einen gemeinsamen Vertreter hätte haben können, bleiben Sie im Regelfall auf diesen Kosten sitzen – selbst bei einem Prozesssieg. Gerichte erkennen die Notwendigkeit mehrerer Anwälte nur an, wenn ein unüberbrückbarer, prozessrelevanter Interessenkonflikt vorlag.
Machen Sie sich bewusst, dass Gerichte Erbengemeinschaften in Prozessen oft als „Auftraggebermehrheit“ einstufen; Sie müssen daher proaktiv einen zwingenden Grund für separate Anwälte nachweisen, um volle Kostenerstattung zu erreichen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Auftraggebermehrheit
Juristen bezeichnen als Auftraggebermehrheit eine Gruppe von Personen, die vor Gericht gemeinsam als eine Partei auftreten und dabei dasselbe Prozessziel verfolgen. Das Gesetz geht davon aus, dass in solchen Fällen ein einziger Anwalt ausreicht, um die Interessen aller Mandanten umfassend zu vertreten. Dieser Ansatz soll unnötige Kosten im Rechtsstreit vermeiden und die Effizienz des Verfahrens fördern.
Beispiel: Obwohl die Erbengemeinschaft aus drei Personen bestand, sahen die Richter sie als eine Auftraggebermehrheit an, da alle Erben die Abweisung der Klage anstrebten.
Erbengemeinschaft
Eine Erbengemeinschaft ist eine Gruppe von Personen, die einen Nachlass gemeinsam erben und diesen bis zur endgültigen Verteilung des Vermögens gemeinschaftlich verwalten. Ihr Hauptzweck ist die gemeinsame Auseinandersetzung und Auflösung des Nachlasses. Vor Gericht wird eine Erbengemeinschaft oft als Einheit betrachtet, um die Prozessführung zu vereinfachen und das Kostenrisiko für den Gegner zu begrenzen.
Beispiel: Die Erbengemeinschaft wurde im vorliegenden Fall von der Klägerpartei als eine Einheit verklagt, obwohl sie aus drei einzelnen Erben bestand.
Erhöhungsgebühr
Die Erhöhungsgebühr ist ein im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgesehener Aufschlag auf die Anwaltsgebühr, der anfällt, wenn ein Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Mandanten vertritt. Dieser pauschale Bonus soll den geringfügig höheren Arbeitsaufwand honorieren, den die Bearbeitung eines Falles für zusätzliche Mandanten mit sich bringt. Das Gesetz erkennt damit an, dass der Anwalt trotz identischen Sachverhalts einen Mehraufwand für die Betreuung mehrerer Personen hat.
Beispiel: Die unterlegene Partei musste der Erbin nur die fiktive Erhöhungsgebühr von 199,80 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zahlen, da keine Notwendigkeit für einen separaten Anwalt bestand.
Interessenkonflikt
Ein Interessenkonflikt beschreibt eine Situation, in der die Ziele oder Positionen mehrerer Parteien so gegensätzlich sind, dass eine gemeinsame rechtliche Vertretung undenkbar wäre. Das Rechtssystem verlangt in solchen Fällen eine separate anwaltliche Vertretung, um sicherzustellen, dass jede Partei ihre spezifischen Ansprüche und Argumente optimal durchsetzen kann. Dies schützt die Rechtsinteressen der Einzelnen und gewährleistet einen fairen Prozess.
Beispiel: Die Erbin konnte dem Gericht keinen nach außen erkennbaren Interessenkonflikt mit ihren Miterben aufzeigen, der einen eigenen Anwalt gerechtfertigt hätte.
Kostenfestsetzungsverfahren
Das Kostenfestsetzungsverfahren ist ein eigenständiger juristischer Abschnitt nach einem abgeschlossenen Prozess, in dem gerichtlich darüber entschieden wird, wer welche Anwalts- und Gerichtskosten endgültig tragen muss. In diesem Verfahren werden die erstattungsfähigen Kosten der Parteien formell geprüft und per Beschluss festgesetzt. Es dient dazu, die finanziellen Folgen eines Rechtsstreits verbindlich zu klären und die Vollstreckung der Kostenerstattung zu ermöglichen.
Beispiel: Der Vortrag der Erbin über interne Streitigkeiten kam erst im Kostenfestsetzungsverfahren zur Sprache, was das Gericht als zu spät bewertete.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Kostentragungspflicht im Zivilprozess und Notwendigkeit von Prozesskosten (§ 91 Abs. 1 Zivilprozessordnung)
Wer einen Zivilprozess verliert, muss in der Regel die notwendigen Kosten der Gegenseite, einschließlich der Anwaltskosten, erstatten.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieser Paragraph ist die Grundlage dafür, dass die Erbin überhaupt einen Anspruch auf Erstattung ihrer Anwaltskosten hatte, da die Gegenpartei den Prozess verloren hatte. - Notwendigkeit separater anwaltlicher Vertretung bei mehreren Parteien (Auslegung von § 91 Abs. 1 Zivilprozessordnung bei einer Auftraggebermehrheit)
Wenn mehrere Personen in einem Prozess auf derselben Seite stehen und dieselben Interessen verfolgen, wird in der Regel nur ein Anwalt als notwendig angesehen.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Obwohl die Erbengemeinschaft aus drei Personen bestand, wurde sie vom Gericht als Einheit betrachtet, die grundsätzlich nur einen Anwalt benötigt hätte, da alle das gleiche Prozessziel verfolgten und dasselbe Ziel verfolgten. - Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung (Grundsatz der prozessualen Offenlegung)
Die Notwendigkeit einer gesonderten anwaltlichen Vertretung muss sich aus dem Verlauf des Hauptprozesses ergeben und kann nicht erst nachträglich im Kostenfestsetzungsverfahren wirksam geltend gemacht werden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Erbin scheiterte, weil sie die internen Streitigkeiten, die eine separate Vertretung nötig gemacht hätten, erst nach Abschluss des Hauptprozesses vortrug, obwohl im Prozess selbst keine Anzeichen dafür erkennbar waren. - Erhöhungsgebühr bei Vertretung mehrerer Auftraggeber (§ 7 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz)
Vertritt ein Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Personen, erhöht sich seine Gebühr um einen bestimmten Prozentsatz für jede weitere Person.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da das Gericht die separate Vertretung der Erbin nicht als notwendig ansah, erhielt sie nicht die vollen Kosten ihres Anwalts, sondern nur den Betrag, den der Anwalt ihrer Miterben zusätzlich erhalten hätte, wenn er auch sie vertreten hätte.
Das vorliegende Urteil
LG Memmingen – Az.: 36 O 1607/23 – Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.12.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

Dr. jur. Christian Gerd Kotz ist Notar in Kreuztal und seit 2003 Rechtsanwalt. Als versierter Erbrechtsexperte gestaltet er Testamente, Erbverträge und begleitet Erbstreitigkeiten. Zwei Fachanwaltschaften in Verkehrs‑ und Versicherungsrecht runden sein Profil ab – praxisnah, durchsetzungsstark und bundesweit für Mandanten im Einsatz.
