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Übersicht
- 1 ✔ Der Fall: Kurz und knapp
- 2 Nachlasspfleger veräußert Luxus-Cabrio – Streit vor Gericht
- 3 ✔ Der Fall vor dem OLG Karlsruhe
- 4 ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- 5 ✔ FAQ – Häufige Fragen
- 5.1 Welche Befugnisse hat ein Nachlasspfleger bei der Verwaltung des Nachlasses?
- 5.2 Was muss ein Nachlasspfleger bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen beachten?
- 5.3 Können Erben gegen Entscheidungen des Nachlasspflegers Einspruch erheben und wie erfolgt dies?
- 5.4 Welche Rolle spielt das Nachlassgericht im Entscheidungsprozess des Nachlasspflegers?
- 5.5 Welche Kriterien werden bei der Bewertung von Nachlassgegenständen herangezogen?
- 6 § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- 7 ⇓ Das vorliegende Urteil vom OLG Karlsruhe
✔ Der Fall: Kurz und knapp
- Die Beschwerde richtet sich gegen die Genehmigung eines Nachlassgerichts zur Veräußerung eines Fahrzeugs.
- Es gibt Streit über die Echtheit des Testaments, das eine Alleinerbin festlegt.
- Kinder des Erblassers aus früheren Beziehungen bestreiten die Echtheit des Testaments.
- Das Nachlassgericht genehmigte die Veräußerung des Fahrzeugs dennoch.
- Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Beschwerde gegen diese Entscheidung zurückgewiesen.
- Das Gericht entschied, dass der Nachlasspfleger in seinem Ermessensspielraum handelte.
- Es wurde festgestellt, dass ein bereits in Streit befindliches Testament keinen Einfluss auf die Veräußerung des Fahrzeugs hat.
- Die Entscheidung des Gerichts war, die Erbenrechte durch notwendige Maßnahmen der Verwaltung zu schützen.
- Der Nachlasspfleger handelt im Interesse aller Beteiligten, auch gegen gegenseitige Anfechtungen.
- Diese Entscheidung betont, dass Nachlasspfleger Entscheidungen treffen können, die nicht sofort von aufkommenden Erbstreitigkeiten beeinflusst werden.
Nachlasspfleger veräußert Luxus-Cabrio – Streit vor Gericht
Das Erbe ist eine komplexe rechtliche Angelegenheit, die oft Fragen und Unsicherheiten aufwirft. Wenn ein Verstorbener keine klaren Verfügungen hinterlassen hat, kann ein Nachlasspfleger eingesetzt werden, um den Nachlass zu verwalten. Dieser Nachlasspfleger hat dabei einen gewissen Ermessensspielraum, der jedoch nicht grenzenlos ist. Im Falle von Rechtsgeschäften, die vom Nachlasspfleger getätigt wurden, können diese unter bestimmten Umständen angefochten werden. Worauf es dabei ankommt und welche Aspekte zu beachten sind, wird im Folgenden näher beleuchtet.
✔ Der Fall vor dem OLG Karlsruhe
Nachlasspfleger veräußert Porsche aus dem Nachlass
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Nachlasspfleger zum Verkauf eines Porsche 911 GTS Cabriolet aus dem Nachlass berechtigt ist. Der Erblasser hinterließ neben dem Fahrzeug auch einen Obstbaubetrieb. Es existierte ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament des Erblassers und seiner Ehefrau, die Alleinerbin sein sollte. Die Echtheit dieses Testaments wird jedoch von zwei Kindern des Erblassers aus einer früheren Beziehung bestritten.
Aufgrund der ungeklärten Erbfolge wurde ein Nachlasspfleger für die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses eingesetzt. Zwischen den Beteiligten bestehen erhebliche Differenzen. Die finanzielle Situation des Nachlasses ist angespannt, da der Obstbaubetrieb mit Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 605.000 € belastet ist und ein jährlicher Schuldendienst von rund 104.000 € zu leisten ist.
Verkauf des Porsche-Cabriolets zum Händlereinkaufswert
Der Nachlasspfleger beauftragte ein Kurzgutachten, das für den Porsche einen Händlereinkaufswert von 95.300 € ermittelte. Um liquide Mittel zur Entlastung des Nachlasses zu erzielen, beantragte der Nachlasspfleger die Genehmigung zum Verkauf des betrieblich nicht genutzten Fahrzeugs zu diesem Preis. Das Nachlassgericht erteilte die Genehmigung, wogegen die Ehefrau des Erblassers Beschwerde einlegte.
Sie argumentierte, das Fahrzeug könne zu einem wesentlich höheren Preis von ca. 125.000 € veräußert werden. Außerdem zweifelte sie die Unparteilichkeit des Gutachters an, da dieser von einem potenziellen Käufer beauftragt worden sei. Der Nachlasspfleger habe nicht ausreichend dargelegt, weshalb der Verkauf des Fahrzeugs zwingend notwendig sei.
OLG: Ermessensentscheidung des Nachlasspflegers nicht zu beanstanden
Das OLG Karlsruhe wies die Beschwerde zurück. Der Nachlasspfleger habe im Rahmen seines Ermessensspielraums gehandelt. Eine zwingende Notwendigkeit des Verkaufs sei nicht erforderlich. Es genüge, dass der Nachlasspfleger nach pflichtgemäßem Ermessen Maßnahmen zur Erhaltung des Nachlasses ergreife.
Der aktuell ungenutzte, im Wert verfallende Porsche könne durch den Verkaufserlös zur signifikanten Reduzierung der Nachlassverbindlichkeiten beitragen. Die vorgelegten Vergleichsangebote zum Fahrzeugwert seien ungeeignet, da sie Händlerverkaufspreise beinhalteten und nicht den hier maßgeblichen Einkaufswert. Auch die Beauftragung des Kurzgutachtens sei nicht zu beanstanden.
Gerichtliche Genehmigung zu Recht erteilt
Nach Auffassung des OLG hat das Nachlassgericht die Genehmigung zum Verkauf des Fahrzeugs zum ermittelten Händlereinkaufswert zu Recht erteilt. Der Nachlasspfleger müsse nicht zwingend ein weiteres ausführliches und für den Nachlass noch kostenintensiveres Gutachten einholen, sondern dürfe sich auf das vorliegende Kurzgutachten stützen. Er bewege sich damit innerhalb seines Ermessensspielraums bei der pflichtgemäßen Verwaltung und Sicherung des Nachlasses im Interesse der unbekannten Erben.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung verdeutlicht den weiten Ermessensspielraum des Nachlasspflegers bei der Verwaltung des Nachlasses. Er ist nicht auf die Zustimmung aller Beteiligten angewiesen, sondern hat eigenständig im Interesse des Nachlasses zu handeln. Maßgeblich ist, dass er dabei pflichtgemäß vorgeht und nachvollziehbare Gründe für sein Handeln darlegen kann. Eine zwingende Notwendigkeit für Maßnahmen ist nicht erforderlich, solange sie der Erhaltung des Nachlasses dienen.
✔ FAQ – Häufige Fragen
Das Thema: Nachlasspfleger-Entscheidungen wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.
- Welche Befugnisse hat ein Nachlasspfleger bei der Verwaltung des Nachlasses?
- Was muss ein Nachlasspfleger bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen beachten?
- Können Erben gegen Entscheidungen des Nachlasspflegers Einspruch erheben und wie erfolgt dies?
- Welche Rolle spielt das Nachlassgericht im Entscheidungsprozess des Nachlasspflegers?
- Welche Kriterien werden bei der Bewertung von Nachlassgegenständen herangezogen?
Welche Befugnisse hat ein Nachlasspfleger bei der Verwaltung des Nachlasses?
Ein Nachlasspfleger hat verschiedene Befugnisse bei der Verwaltung des Nachlasses, die sich nach dem ihm zugewiesenen Wirkungskreis richten. Seine Hauptaufgabe besteht darin, den Nachlass zu sichern und zu verwalten, bis die Erben ermittelt oder die Erbschaft angenommen wurde. Dabei handelt er als gesetzlicher Vertreter der unbekannten oder nicht erreichbaren Erben.
Zu den Befugnissen des Nachlasspflegers gehört die Verwaltung des Nachlassvermögens. Er darf Nachlassgegenstände veräußern, wenn dies zur Erhaltung des Nachlasswertes notwendig ist. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn durch den Verkauf von Gegenständen unnötige Kosten oder Rechtsstreitigkeiten vermieden werden können. Der Nachlasspfleger darf auch Nachlassverbindlichkeiten begleichen, jedoch nur aus den Mitteln des Nachlasses und unter Berücksichtigung der beschränkten Erbenhaftung. Dazu zählen unter anderem die Kündigung von Mietverträgen oder der Widerruf von Vollmachten.
Der Nachlasspfleger ist verpflichtet, den Nachlass zu ermitteln und ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Er muss sich einen Überblick über das Vermögen des Erblassers verschaffen, indem er beispielsweise Konten überprüft und Lebensversicherungsverträge kontrolliert. Er darf auch professionelle Erbenermittler einschalten, wenn seine eigenen Bemühungen zur Ermittlung der Erben erfolglos bleiben.
Eine wichtige Einschränkung der Befugnisse des Nachlasspflegers ist, dass er keine Maßnahmen zur Verteilung oder Verwertung des Nachlasses ohne Zustimmung des Nachlassgerichts durchführen darf. Dies bedeutet, dass er beispielsweise keine Immobilien oder Kunstobjekte verkaufen kann, ohne vorher die Genehmigung des Gerichts einzuholen.
Der Nachlasspfleger ist dem Nachlassgericht gegenüber rechenschaftspflichtig. Er muss über seine Tätigkeit einen Rechenschaftsbericht abgeben, aus dem sich alle relevanten Geschäftsvorgänge nachvollziehen lassen. Er haftet den Erben gegenüber für die Wahrnehmung ihrer Interessen und kann bei Pflichtverletzungen zur Verantwortung gezogen werden.
Zusammengefasst hat der Nachlasspfleger weitreichende Befugnisse zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, jedoch unterliegt er dabei bestimmten Einschränkungen und ist dem Nachlassgericht rechenschaftspflichtig.
Was muss ein Nachlasspfleger bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen beachten?
Ein Nachlasspfleger muss bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen mehrere rechtliche Vorgaben und Pflichten beachten, um die Maßnahme rechtlich abzusichern.
Zunächst ist es wichtig, dass der Nachlasspfleger die Genehmigung des Nachlassgerichts einholt, wenn es sich um bedeutende Nachlassgegenstände wie Immobilien handelt. Dies ist notwendig, da das Nachlassgericht sicherstellen muss, dass die Veräußerung im Interesse der Erben erfolgt und keine Vermögenswerte unnötig verloren gehen. Ein Beispiel hierfür ist der Verkauf eines Grundstücks, bei dem das Gericht prüft, ob ein besonderer sachlicher Grund für den Verkauf vorliegt, wie etwa die Notwendigkeit, liquide Mittel zur Deckung von Verbindlichkeiten zu beschaffen oder eine drohende Wertminderung des Grundstücks zu verhindern.
Der Nachlasspfleger muss zudem ein Nachlassverzeichnis erstellen und dieses beim Nachlassgericht einreichen. Dieses Verzeichnis dient der vollständigen Erfassung aller Nachlassgegenstände und ist Grundlage für die Verwaltung und eventuelle Veräußerung von Nachlassgegenständen.
Weiterhin ist der Nachlasspfleger rechenschaftspflichtig gegenüber dem Nachlassgericht und den Erben. Er muss regelmäßig Berichte über seine Tätigkeiten und die Verwaltung des Nachlasses vorlegen. Dies umfasst auch die Dokumentation von Veräußerungen und die Verwendung der Erlöse.
Ein Nachlasspfleger hat auch die Pflicht, die Interessen der Erben zu wahren. Das bedeutet, dass er bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen stets im besten Interesse der Erben handeln muss. Dies schließt ein, dass er einen angemessenen Verkaufspreis erzielt und keine Vermögenswerte unter Wert verkauft.
Zusammengefasst muss der Nachlasspfleger bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen die Genehmigung des Nachlassgerichts einholen, ein Nachlassverzeichnis erstellen, regelmäßig Berichte vorlegen und stets im besten Interesse der Erben handeln.
Können Erben gegen Entscheidungen des Nachlasspflegers Einspruch erheben und wie erfolgt dies?
Erben können gegen Entscheidungen eines Nachlasspflegers Einspruch erheben, wenn sie der Meinung sind, dass diese Entscheidungen ihre Interessen beeinträchtigen. Es gibt mehrere rechtliche Mittel, die Erben in solchen Fällen zur Verfügung stehen.
Zunächst sollten Erben den Nachlasspfleger frühzeitig auf ein Fehlverhalten hinweisen. Ändert der Nachlasspfleger sein Verhalten nicht, haben die Erben das Recht, das Nachlassgericht anzurufen und eine Anweisung an den Nachlasspfleger zu beantragen. Diese Anweisung kann beispielsweise den Verzicht auf die Einrede der Verjährung betreffen, um die Ansprüche der Erben zu sichern.
Falls eine Anordnung des Nachlassgerichts den Bestand des Nachlasses und damit die Rechtsstellung der Erben beeinträchtigt, steht den Erben ein Beschwerderecht gemäß § 59 Abs. 1 FamFG zu. Dies bedeutet, dass Erben gegen solche Anordnungen Beschwerde einlegen können, um ihre Rechte zu schützen.
Ein weiteres Mittel ist die Beschwerde gegen die Anordnung der Nachlasspflegschaft selbst. Diese Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei und kann dazu beitragen, dass unnötige Kosten vermieden werden. Erben können eine solche Beschwerde einlegen, wenn sie der Meinung sind, dass die Gründe für die Anordnung der Nachlasspflegschaft nicht mehr gegeben sind.
Sollte der Nachlasspfleger seine Pflichten verletzen oder die Interessen der Erben gefährden, kann das Nachlassgericht als letzte Maßnahme die Entlassung des Nachlasspflegers anordnen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn mildere Mittel, wie beispielsweise Ordnungsmittel, nicht erfolgreich waren.
Zusammengefasst haben Erben mehrere Möglichkeiten, gegen Entscheidungen eines Nachlasspflegers vorzugehen. Sie können das Nachlassgericht um Anweisungen bitten, Beschwerde gegen Anordnungen einlegen oder im Extremfall die Entlassung des Nachlasspflegers beantragen. Diese rechtlichen Mittel stellen sicher, dass die Interessen der Erben gewahrt bleiben.
Welche Rolle spielt das Nachlassgericht im Entscheidungsprozess des Nachlasspflegers?
Das Nachlassgericht spielt eine zentrale Rolle im Entscheidungsprozess des Nachlasspflegers. Es überwacht die Tätigkeit des Nachlasspflegers und stellt sicher, dass die Interessen der Erben gewahrt bleiben. Das Gericht hat mehrere Aufgaben und Befugnisse, die es ihm ermöglichen, diese Überwachung effektiv durchzuführen.
- Überwachung und Genehmigung: Das Nachlassgericht beaufsichtigt den Nachlasspfleger gemäß § 1837 BGB. Es prüft regelmäßig die Vermögensaufstellungen, Berichte und Abrechnungen des Nachlasspflegers. Zudem muss der Nachlasspfleger für bestimmte Rechtsgeschäfte die Genehmigung des Gerichts einholen, insbesondere bei einseitigen Rechtsgeschäften wie der Anfechtung oder dem Rücktritt von Verträgen.
- Entlassung des Nachlasspflegers: Das Nachlassgericht kann den Nachlasspfleger entlassen, wenn konkrete Umstände vorliegen, die eine Gefährdung der Interessen der Erben erkennen lassen. Vor einer Entlassung muss das Gericht jedoch zunächst mildere Mittel wie Ordnungsgelder aussprechen.
- Vergütung des Nachlasspflegers: Das Nachlassgericht ist auch für die Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers zuständig. Es prüft die Angemessenheit der Stundensätze und des Zeitaufwands. Eine Vergütung nach Prozentsätzen des Nachlasswertes ist nicht statthaft. Das Gericht muss sicherstellen, dass die Vergütung den erbrachten Leistungen und der Qualifikation des Nachlasspflegers entspricht.
- Sicherung des Nachlasses: Gemäß § 1960 BGB hat das Nachlassgericht die Aufgabe, den Nachlass bis zur Annahme der Erbschaft zu sichern. Dies ist besonders wichtig, wenn der Erbe unbekannt ist oder ungewiss ist, ob er die Erbschaft annimmt. Der Nachlasspfleger wird in diesem Fall als gesetzlicher Vertreter des Erben bestellt.
- Prüfung der Notwendigkeit der Nachlasspflegschaft: Das Nachlassgericht muss auch prüfen, ob eine Nachlasspflegschaft überhaupt notwendig ist. Es gibt keinen Zwang, immer eine Nachlasspflegschaft anzuordnen. Das Gericht muss Alternativen in Betracht ziehen und die Erbenermittlung selbst vorantreiben, wenn dies möglich ist.
- Rechtsmittel: Entscheidungen des Nachlassgerichts können angefochten werden. Betroffene, wie der Nachlasspfleger oder die Erben, haben die Möglichkeit, gegen Beschlüsse des Nachlassgerichts Beschwerde einzulegen. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen des Gerichts korrekt und im besten Interesse aller Beteiligten sind.
Das Nachlassgericht hat somit eine umfassende Kontroll- und Überwachungsfunktion, die sicherstellt, dass der Nachlasspfleger seine Aufgaben ordnungsgemäß und im Interesse der Erben erfüllt.
Welche Kriterien werden bei der Bewertung von Nachlassgegenständen herangezogen?
Bei der Bewertung von Nachlassgegenständen werden verschiedene Kriterien herangezogen, um den genauen Wert zu ermitteln. Diese Kriterien sind entscheidend, um den Nachlasswert korrekt zu bestimmen, was wiederum Auswirkungen auf die Erbschaftssteuer und die Verteilung des Erbes hat.
- Wert zum Todeszeitpunkt: Der Wert der Nachlassgegenstände wird zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ermittelt. Dies bedeutet, dass der aktuelle Marktwert der Gegenstände an diesem spezifischen Datum zugrunde gelegt wird.
- Schenkungen: Schenkungen, die innerhalb von zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers erfolgt sind, werden dem Nachlass hinzugerechnet. Diese Schenkungen erhöhen den Nachlasswert, wobei Freibeträge je nach Verwandtschaftsverhältnis zwischen Schenker und Beschenktem variieren.
- Individuelle Bewertungskriterien: Für verschiedene Vermögenswerte gelten unterschiedliche Bewertungskriterien. Beispielsweise müssen bei der Bewertung eines Autos Marke, Modell, Baujahr, Kilometerstand und der allgemeine Zustand berücksichtigt werden. Diese wertbildenden Faktoren sind entscheidend, um den genauen Wert des Fahrzeugs zu bestimmen.
- Sachverständige Unterstützung: In vielen Fällen wird die Bewertung durch Sachverständige unterstützt, insbesondere wenn der Wert eines Nachlassgegenstandes streitig ist. Diese Experten können eine realistische und marktgerechte Bewertung vornehmen.
- Ermittlung durch Erben und Nachlassgericht: Die Erben erstellen zunächst ein Nachlassverzeichnis, das dann an das Nachlassgericht übergeben wird. Das Gericht kann den genauen Nachlasswert ermitteln und gegebenenfalls korrigieren, falls Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit des Verzeichnisses bestehen.
- Rechtliche Rahmenbedingungen: Die Bewertung muss den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, und es besteht die Möglichkeit, dass Pflichtteilsberechtigte oder andere Interessierte die Richtigkeit der Angaben überprüfen und gegebenenfalls eine eidesstattliche Versicherung verlangen können.
- Beweislast und Kosten: Wenn ein Pflichtteilsberechtigter einen anderen Verkehrswert als den tatsächlichen Veräußerungserlös behauptet, trägt er die Beweislast und die Kosten für die erforderliche Wertermittlung.
Diese Kriterien gewährleisten, dass der Nachlasswert korrekt und fair ermittelt wird, was für die gerechte Verteilung des Erbes und die Berechnung der Erbschaftssteuer von großer Bedeutung ist.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 1960 BGB (Nachlasspflegschaft): Dieser Paragraph regelt die Anordnung der Nachlasspflegschaft durch das Nachlassgericht, wenn die Erben unbekannt sind oder wenn ihre Interessen gefährdet erscheinen. Im vorliegenden Fall wurde eine Nachlasspflegschaft angeordnet, um den Nachlass zu sichern und zu verwalten.
- § 1638 BGB (Veräußerung von Nachlassgegenständen): Der Paragraph besagt, dass ein Vormund die Zustimmung des Familiengerichts zur Veräußerung von Nachlassgegenständen benötigt. Analog dazu benötigt der Nachlasspfleger oft die Genehmigung des Nachlassgerichts für Verkäufe, was im Entscheidungsprozess eine Rolle spielt.
- § 2220 BGB (Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger): Hier wird geregelt, dass der Testamentsvollstrecker die Pflicht hat, den Nachlass zu sichern und zu verwalten, was auch für den Nachlasspfleger gilt. Dies erklärt, warum der Nachlasspfleger in diesem Fall das Fahrzeug verkaufen möchte, um den Nachlass zu verwalten.
- § 2279 BGB (Anfechtung durch Erben): Dieser Paragraph erlaubt es Erben, ein Testament anzufechten, wenn sie beweisen können, dass es ungültig ist. Die Anfechtung durch die Kinder des Erblassers, die behaupten, das Testament sei nicht echt, fällt unter diese Bestimmung.
- § 2080 BGB (Anfechtungsgründe): Hier werden die Gründe aufgelistet, aus denen ein Testament angefochten werden kann, beispielsweise wegen Irrtums oder Täuschung. Im Fall der strittigen Unterschrift des Testaments spielen diese Anfechtungsgründe eine Rolle.
- § 2154 BGB (Ehegattentestamente): Dieser Paragraph regelt das Ehegattentestament, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzen. Das bestehende Ehegattentestament stellt die Grundlage dar, auf der die Witwe als Alleinerbin benannt wurde.
- § 81 FamFG (Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen): Dieses Gesetz erlaubt Beteiligten, gegen Entscheidungen des Nachlassgerichts Beschwerde einzulegen. Im vorliegenden Fall hat die Beteiligte Ziffer 1 von diesem Recht Gebrauch gemacht, jedoch ohne Erfolg.
- OLG Karlsruhe Beschluss Az. 14 W 112/22: Der Beschluss gibt an, dass die Beschwerde der Witwe gegen die nachlassgerichtliche Entscheidung zurückgewiesen wurde. Diese Entscheidung zeigt die gerichtliche Beurteilung im Streit um den Verkauf des Fahrzeugs.
⇓ Das vorliegende Urteil vom OLG Karlsruhe
OLG Karlsruhe – Az.: 14 W 112/22 (Wx) – Beschluss vom 16.01.2023
1. Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Konstanz vom 18.10.2022, Az. 3 VI 288/21, wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
3. Der Gegenstandswert wird auf 95.300 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde richtet sich gegen die nachlassgerichtliche Genehmigung der Veräußerung eines zum Nachlass gehörenden Fahrzeugs Porsche 911 GTS Cabriolet.
Der Erblasser war in erster Ehe mit der Beteiligten Ziffer 1 verheiratet. Die Beteiligten Ziffer 3 und 4 sind die Kinder des Erblassers aus einer früheren, nichtehelichen Beziehung des Erblassers. Die Beteiligte Ziffer 1 brachte zwei Kinder aus erster Ehe in die Ehe mit dem Erblasser ein. Die Ehe des Erblassers und der Beteiligten Ziffer 1 blieb kinderlos.
Es existiert ein eigenhändiges, gemeinschaftliches Testament des Erblassers und der Beteiligten Ziffer 1 vom 18.06.2017, wonach die Beteiligte Ziffer 1 Alleinerbin nach dem Erblasser ist. Dieses wurde am 11.03.2021 eröffnet (s. die Eröffnungsniederschrift in der Verwahrakte). Wegen der weiteren testamentarischen Regelungen wird auf das „Ehegattentestament“ verwiesen, das sich im Original in der Verwahrakte befindet.
Die Echtheit dieses Testaments wird seitens der Beteiligten Ziffer 3 und 4 bestritten. In Hinblick darauf hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Konstanz mit Beschluss vom 07.06.2021 (AS 81 ff.) das aufgrund eines Antrags der Beteiligten Ziffer 1 vom 24.03.2021 (AS 15 ff.) eröffnete Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins ausgesetzt und mit Beweisbeschluss vom 08.12.2021 (AS 393 ff.) ein graphologisches Gutachten zur Frage der Urheberschaft der über dem Namen des Erblassers angebrachten Unterschrift eingeholt. Mit Beschluss vom 28.06.2021 (AS 175 ff.) hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – Konstanz Nachlasspflegschaft für den Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses angeordnet und den Beteiligten Ziffer 2 als Nachlasspfleger bestellt. Die Sachverständige B. kam in ihrem unter dem 29.03.2022 vorgelegten Gutachten (AS 907 ff.), das unter dem 06.04.2022 (AS 1007 ff.) ergänzt worden ist, zu dem Ergebnis, dass hinsichtlich der streitigen Unterschrift eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür spreche, dass eine andere Person als der Erblasser deren Urheber sei.
Hierauf beantragten die Beteiligten Ziffer 3 und 4 am 02.06.2022 ihrerseits beim Amtsgericht – Nachlassgericht – Konstanz einen Erbschein, der sie jeweils als hälftige Miterben ausweisen solle. Hinsichtlich der Beteiligten Ziffer 1 machten sie in Hinblick auf die von ihnen behauptete Fälschung des Testaments Erbunwürdigkeit geltend. Die Beteiligte Ziffer 1 modifizierte ihren ursprünglichen Antrag im Erbscheinverfahren mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 27.07.2022 (AS 3140 ff.) dahin, dass der Erbschein die gesetzliche Erbfolge bescheinigen, sie selbst neben den Söhnen des Erblassers mithin als hälftige Miterbin ausgewiesen werden solle. Ihren ursprünglichen Antrag nahm sie mit Schriftsatz vom 26.08.2022 (AS 3241) zurück.
Zum Nachlass gehört neben einem zu Lebzeiten vom Erblasser geführten Obstbaubetrieb u.a. auch der (nicht betrieblich genutzte) streitgegenständliche Porsche 911 GTS Cabriolet. Wegen der Zusammensetzung des Nachlasses wird auf den Anfangs- und Zwischenbericht bis zum 30.09.2021 des Beteiligten Ziffer 2 vom 06.10.2021 (AS 241 ff.) sowie den aktuellen Zwischenbericht vom 02.09.2022 für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2022 (AS 3291 ff.), jeweils mit angeschlossenem Vermögensverzeichnis, verwiesen.
Der Obstbaubetrieb des Erblassers wurde zunächst von der Beteiligten Ziffer 1 als Betriebsleiterin fortgeführt. Die Finanzlage des Betriebes war aus zwischen den Beteiligten streitigen Gründen nach der Fortführung des Betriebes durch die Beteiligte Ziffer 1 von Beginn an angespannt. Weil das betriebliche Kontokorrentkonto bei der X-Bank mit ca. 100.000 € überzogen war, genehmigte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 14.06.2022 (AS 1165 ff.) die Aufnahme eines weiteren Darlehens in Höhe von 150.000 € bei der X-Bank Mit Hilfe dieses Kredits gelang die Rückführung des Kontokorrentkredites und die Betriebsfortführung. Wegen der finanziellen Lage des Nachlasses wird auf den aktuellen Zwischenbericht des Beteiligten Ziffer 2 vom 02.09.2022 für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2022 mit angeschlossenem Vermögensverzeichnis, das Bewertungsgutachten vom 26.08.2022 sowie den Schriftsatz des Beteiligten Ziffer 2 vom 02.12.2022 verwiesen. Hieraus ergeben sich u.a. Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 605.000 € sowie ein jährlicher Schuldendienst in Höhe von ca. 104.000 €, dem Einnahmen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage gegenüberstehen, die indes lediglich etwa 43.000 € betragen.
Unter anderem wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Beteiligten Ziffer 1 und den Beteiligten Ziffer 3 und 4 hinsichtlich der Eignung der Beteiligten Ziffer 1 zur Führung des Betriebes, aber auch wegen sonstiger mit der Betriebsfortführung verbundener Risiken hat der Nachlasspfleger nach Genehmigung durch Beschluss des Nachlassgerichts vom 27.06.2022 (AS 3061 ff.) ein Gutachten zur Bewertung des zum Nachlass gehörenden Obstbaubetriebes beauftragt, das die L. GmbH unter dem 26.08.2022 (AS 3363 ff.) vorgelegt hat. Die Einholung des Gutachtens diente der Prüfung, ob die Verpachtung oder der Verkauf des Obstbaubetriebes im Interesse der tatsächlichen Erben liegen könnte. Nach dem Gutachten beträgt der Verkehrswert des Obstbaubetriebes ca. 1,6 Mio. €, der Ertragswert beläuft sich auf ca. 30.000 € pro Jahr. Die Beteiligte Ziffer 1 hat die Betriebsleitung Anfang Oktober 2022 niedergelegt; diese wurde ab Mitte Oktober 2022 durch den Beteiligten Ziff. 2 auf einen Dritten übertragen, wobei der Betriebsübergang mit erheblichen Auseinandersetzungen zwischen der Beteiligten Ziffer 1 einerseits, dem Beteiligten Ziffer 2 und dem neuen Betriebsleiter andererseits einherging.
Zwischen den Beteiligten besteht keine Einigkeit, wie mit dem Obstbaubetrieb bis zur Klärung der erbrechtlichen Situation weiter verfahren werden soll. Während die Beteiligten Ziffer 3 und 4 die Verpachtung des Betriebes bis zur endgültigen Klärung jedenfalls als „Zwischenlösung“ bevorzugen, hält der Beteiligte Ziffer 2 vor dem Hintergrund des jährlich aufzubringenden Schuldendienstes und der über eine Verpachtung voraussichtlich zu erzielenden Pachteinnahmen die Veräußerung des Betriebes für angezeigt. Die auf Veranlassung des Beteiligten Ziffer 2 mit der Suche nach Kauf- oder Pachtinteressenten beauftragte L. GmbH führt die Verhandlungen mit Kauf- oder Pachtinteressenten.
Hinsichtlich des zum Nachlass gehörenden, verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs Porsche 911 GTS Cabriolet, das derzeit beim Porsche Zentrum B. in Verwahrung ist, hat der Beteiligte Ziffer 2 ein Gutachten zur Fahrzeugbewertung bei der TÜV … GmbH eingeholt, das unter dem 01.09.2022 vorgelegt wurde. Ausweislich des Gutachtens hat das Fahrzeug einen Händlerverkaufswert (mit Mehrwertsteuer) von 105.000 € und einen Händlereinkaufswert (mit Mehrwertsteuer) von 95.300 € (AS 3423 ff.). Weil das Fahrzeug für den Obstbaubetrieb nicht verwendet wird, beantragte der Beteiligte Ziffer 2 mit Schreiben vom 14.10.2022 die nachlassgerichtliche Genehmigung der Veräußerung des Fahrzeugs zum Preis von 95.300 € an die H. GmbH (AS 3575 ff.).
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Konstanz vom 18.10.2022 (AS 3597 ff.), der Beteiligten Ziffer 1 zugestellt am 20.10.2022 (AS 3683), erteilte das Nachlassgericht die Genehmigung. Zur Begründung führte es aus, dass das Fahrzeug nicht betrieblich genutzt werde und es daher in Hinblick auf die angespannte finanzielle Situation des im Nachlass befindlichen Obstbaubetriebes angezeigt sei, es zum Verkehrswert zu verkaufen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 vom 03.11.2022, beim Nachlassgericht eingegangen am selben Tag (AS 3773 ff.). Zur Begründung wird ausgeführt, dass die nachlassgerichtliche Genehmigung nicht hätte erteilt werden dürfen, da vergleichbare Fahrzeuge zu Preisen in einer Größenordnung von 125.000 € gehandelt würden. Die Beschwerdeführerin äußert Zweifel an der Unparteilichkeit des Erstellers des Gutachtens, da dieses von einem Verkaufsberater des Porsche Zentrum B., selbst Kaufinteressentin, beauftragt worden sei und die Besichtigung des Fahrzeugs in jenem Porsche Zentrum stattgefunden habe. Fraglich sei die Qualifikation des Gutachters. Die Fahrzeugbewertung sei auch deswegen nicht verwertbar, weil die Beteiligten an dem Besichtigungstermin nicht hätten teilnehmen können. Der Beteiligte Ziffer 2 habe nicht dargelegt, weshalb es zwingend notwendig sei, das Fahrzeug zu veräußern.
Die Beteiligten Ziffer 3 und 4 widersprachen der Veräußerung des Fahrzeugs zum Preis von 95.300 € mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02.11.2022 (AS 3755 ff.) ebenfalls.
Der Beteiligte Ziffer 2 ist der Beschwerde mit Schriftsatz vom 02.12.2022 entgegengetreten (AS 3985 ff.). Ernstliche Zweifel an der Unparteilichkeit des Gutachters seien nicht ersichtlich. Die Beteiligte Ziffer 1 sei vorab darüber informiert worden, dass das Fahrzeug im Porsche Zentrum B. begutachtet werde; sie habe kein Interesse daran kundgetan, bei der Begutachtung zugegen zu sein. Die seitens der Beteiligten Ziffer 1 vorgelegten Verkaufsangebote besagten nichts darüber, zu welchem Preis die Fahrzeuge tatsächlich verkauft worden seien. Hinsichtlich der Notwendigkeit des Verkaufs des betrieblich nicht genutzten Fahrzeuges zur Reduktion der betrieblichen Schulden im Umfang von ca. 605.000 € verweist der Beteiligte Ziffer 2 auf seinen Zwischenbericht vom 02.09.2022. Soweit die Beteiligte Ziffer 1 auf einen Vergleichsbetrag in Höhe von 11.492 € abstelle, habe der Beteiligten Ziffer 2 bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass dieser Betrag für die laufenden Verfahrenskosten verwendet werde.
Mit Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Konstanz vom 08.12.2022 (AS 4017 ff.) half das Nachlassgericht der Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 nicht ab.
Wegen des weiteren Sachstands wird ergänzend auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß §§ 58, 63 Abs. 2 Nr. 2, 64 FamFG eingelegt. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten Ziffer 1 als Erbprätendentin folgt aus § 59 Abs. 1 FamFG (BeckOK BGB/Siegmann/Höger, 64. Ed. 01.05.2022, BGB § 1960 Rn. 10).
Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Nachlassgericht hat die Genehmigung zum Verkauf des Fahrzeugs Porsche 911 GTS Cabriolet des Erblassers zum Verkehrswert in Höhe von 95.300 € an die H. GmbH zu Recht erteilt.
1. Gegenstand des angegriffenen Beschlusses ist die Erteilung der Genehmigung zum Verkauf eines Fahrzeugs aus dem Nachlass durch das Nachlassgericht. Hierbei handelt es sich gemäß §§ 1960 Abs. 2, 1962, 1915 Abs. 1 Satz 1, 1812 f. BGB a.F. bzw. (inhaltsgleich) §§ 1888 Abs. 1, 1849 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 BGB n.F. um ein genehmigungsbedürftiges Rechtsgeschäft des Nachlasspflegers. Dass für den Senat als Beschwerdegericht in materieller Hinsicht bereits die Neuregelungen aufgrund des zum 01.01.2023 in Kraft getretenen Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts maßgeblich sind (BGH, Beschluss vom 06.07.1983 – IV b ZB 842/81, NJW 1983, 2443; Sternal/Sternal, 21. Aufl. 2023, FamFG § 68 Rn. 65), ist im Ergebnis bedeutungslos, da die Veräußerung eines Fahrzeuges als Verfügung über ein zum Nachlass gehörendes Recht sowie die mit dem Rechtsgeschäft verbundene Annahme eines Geldbetrages, der 3.000 € übersteigt, sowohl nach altem als auch nach neuem Recht genehmigungsbedürftig war bzw. ist.
Die Erteilung der Genehmigung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Nachlassgerichts. Sie ist auch dann zu versagen, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft nicht (mehr) vorliegen (MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1960 Rn. 70).
2. Die Erteilung der Genehmigung zur Veräußerung des Fahrzeugs durch das Nachlassgericht entsprach pflichtgemäßem Ermessen.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft liegen weiterhin vor (dazu a). Die seitens des Beteiligten Ziffer 2 angestrebte Veräußerung des Fahrzeugs dient der Sicherung des Nachlasses und entspricht pflichtgemäßer Vermögenssorge (dazu b).
a) Voraussetzungen der gerichtlichen Nachlassfürsorge sind zum einen eine Unklarheit über den künftigen Erben, zum anderen ein Bedürfnis für die gerichtliche Fürsorge (zum Ganzen MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1960 Rn. 14 ff.).
aa) Der Erbe ist unbekannt, wenn über die Person des oder der Erben derzeit Unklarheit herrscht. Die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB liegen in der Regel vor, wenn über die Erbberechtigung ein Rechtsstreit schwebt. Von einem unbekannten Erben ist selbst dann auszugehen, wenn alle in Frage kommenden Erben bekannt sind, solange sich das Nachlassgericht nicht davon überzeugen kann, wer von diesen der wahre Erbe ist oder die wahren Erben sind. Soweit Erbunwürdigkeit im Raum steht, muss die Klage nach § 2342 BGB nur in der Regel erhoben und die Anfechtung erfolgt sein. Im Einzelfall kann die ernsthafte Ankündigung einer Anfechtungsklage wegen Erbunwürdigkeit bereits ausreichen, etwa bei laufenden strafrechtlichen Ermittlungen, die für die Erfolgsaussichten der Klage relevant sind (BayObLG, Beschluss vom 18.03.2002 – 1Z BR 48/01, NJW-RR 2002, 1159, 1160).
Nach diesen Maßstäben besteht hinsichtlich der Erbenstellung der Beteiligten Ziffer 1 nach wie vor Unklarheit. Zwar beruft sich die Beteiligte Ziffer 1 zwischenzeitlich selbst nicht mehr auf die Wirksamkeit des Testaments vom 18.06.2017 und sind alle gesetzlichen Erben des Erblassers bekannt. Die Beteiligten Ziffer 3 und 4 haben aber die Fortsetzung eines vor dem Landgericht Konstanz eingeleiteten Erbunwürdigkeitsverfahrens ernsthaft angekündigt (zuletzt im Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 02.11.2022, dort S. 6 = AS 3765). Aus der Akte ergibt sich ferner, dass die Staatsanwaltschaft K. ein Strafverfahren gegen die Beteiligte Ziffer 1 u.a. wegen einer möglichen Fälschung des Testaments vom 18.06.2017 führt. Unter diesen Umständen teilt der Senat die Einschätzung des Nachlassgerichts, dass die Voraussetzungen des § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB weiterhin vorliegen.
bb) Das Bedürfnis für die gerichtliche Fürsorge liegt im vorliegenden Fall auf der Hand. Angesichts der ausgeprägten Differenzen zwischen der Beteiligten Ziffer 1 und den Beteiligten Ziffer 3 und 4, die der Beteiligten Ziffer 1 auch die Veruntreuung von zum Nachlass gehörendem Vermögen vorwerfen, ist ohne die Beibehaltung der Nachlasspflegschaft eine zuverlässige Sicherung und Verwaltung des Nachlasses nicht gewährleistet. Dies gilt umso mehr, als die Sicherung des Nachlasses im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der Tatsache, dass dieser hauptsächlich aus einem Obstbaubetrieb besteht, dessen sinnvolle Bewirtschaftung zum Zwecke des Erhalts des Nachlasses dringend geregelt werden muss, mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist.
b) Der für den Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestellte Beteiligte Ziffer 2 ist als Nachlasspfleger gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben (BGH, Urteil vom 14.05.1985 – IX ZR 142/84, NJW 1985, 2596; Urteil vom 26.10.1967 – VII ZR 86/65, NJW 1968, 353). In dieser Funktion ist er nicht nur zur Verwaltung des Nachlasses, sondern auch zu Verfügungen über Nachlassgegenstände befugt. Zwar soll der Nachlasspfleger den Nachlass primär in seinem ursprünglichen Zustand erhalten. Die Erhaltung kann in der Regel aber nicht gegenständlich, sondern muss wertbezogen verstanden und beurteilt werden (OLG Braunschweig, Beschluss vom 20.04.2020 – 3 W 37/20, FGPrax 2020, 131). Daher kann auch die Veräußerung eines Nachlassgegenstandes erforderlich werden, etwa wenn dieser zu einer Mehrbelastung des Nachlasses führt oder wenn die Veräußerung zur Schadensabwendung erforderlich ist (BeckOGK/Heinemann, 01.09.2022, BGB § 1960 Rn. 139). Eine Veräußerung kann insbesondere auch geboten sein, um liquide Mittel zu erzielen (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 06.12.2019 – 21 W 142/19, FGPrax 2020, 85). Der Nachlasspfleger hat Wertverschlechterungen zu verhindern, wenn aufgrund konkreter Umstände der begründete Verdacht einer Verschlechterung des Nachlasses abzusehen ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.02.2019 – I-3 Wx 8/19, FGPrax 2019, 133, 134). Dem Nachlasspfleger ist bei Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben ein Ermessensspielraum eröffnet (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 1960 Rn 12).
Gemessen an diesen Grundsätzen entspricht die beabsichtigte und durch das Nachlassgericht genehmigte Veräußerung des Fahrzeugs zum durch das Kurzgutachten ermittelten Verkehrswert pflichtgemäßem Ermessen.
aa) Soweit die Beteiligte Ziffer 1 meint, die Veräußerung des Fahrzeugs sei nicht zwingend notwendig, ist darauf hinzuweisen, dass eine zwingende Notwendigkeit nicht Voraussetzung einer Maßnahme des Nachlasspflegers zum Zwecke der Sicherung des Nachlasses ist. Der Nachlasspfleger hat vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen diejenigen Maßnahmen zu treffen, die der Erhaltung des Nachlasses dienen. Die Veräußerung des Fahrzeuges entspricht schon deswegen pflichtgemäßem Ermessen, weil dieses aktuell – wirtschaftlich vollkommen sinnlos – ungenutzt bei einem Autohändler eingestellt und jedenfalls aufgrund fortschreitenden Alters des Fahrzeugs von Wertverlust betroffen ist, während der mit Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von ca. 605.000 € belastete Nachlass einen jährlichen Schuldendienst von ca. 104.000 € aufzubringen hat, der durch den Veräußerungserlös des Fahrzeugs signifikant reduziert werden könnte. Dass der Nachlass zudem immer wieder von Liquiditätsengpässen betroffen ist, trägt die Beteiligte Ziffer 1 selbst vor und ergibt sich aus der Notwendigkeit der Aufnahme eines weiteren Darlehens im Juni 2022. Soweit die Beteiligte Ziffer 1 meint, der Beteiligte Ziffer 2 habe die Notwendigkeit des Fahrzeugverkaufs unter finanziellen Gesichtspunkten nicht ausreichend dargelegt, teilt der Senat diese Auffassung nicht.
bb) Das Vorgehen des Beteiligten Ziffer 2 begegnet auch hinsichtlich der Veräußerung des Fahrzeugs auf Grundlage der Fahrzeugbewertung bei der TÜV … GmbH keinen durchgreifenden Bedenken. Dem Senat ist bekannt, dass derartige Kurzgutachten in vielen Fällen die Grundlage für sich anschließende Veräußerungsgeschäfte bilden, da sie – im Vergleich zu ausführlichen Gutachten etwa öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger – relativ kostengünstig sind und zügig erstellt werden. Die Beteiligte Ziffer 1 zeigt keine Umstände auf, die das Vorgehen des Beteiligten Ziffer 2 als pflichtwidrig erscheinen ließen. Soweit die Sachkunde des tätig gewordenen Gutachters in Zweifel gezogen wird, erfolgt dies ersichtlich „ins Blaue hinein“. Soweit die Beauftragung des Gutachtens durch eine Kaufinteressentin des Fahrzeugs behauptet wird, ist bereits aus dem Gutachten selbst ersichtlich, dass dies nicht zutrifft (S. 1 des Gutachtens: „… im Auftrag Herr S. …“). Nach Auffassung des Senats handelt der Nachlasspfleger nicht pflichtwidrig, weil er sich mit dem Kurzgutachten begnügt und auf die Einholung eines weiteren, ausführlicheren Gutachtens, durch das der Nachlass mit weiteren Kosten belastet würde, verzichtet. Vielmehr bewegt er sich innerhalb des einem Nachlasspfleger bei Erfüllung seiner Aufgaben zuzubilligenden Ermessensspielraumes.
cc) Soweit die Beteiligte Ziffer 1 meint, die Veräußerung des Fahrzeugs zum ermittelten Einkaufspreis sei pflichtwidrig, weil für vergleichbare Fahrzeuge wesentlich höhere Preise erzielt würden, verfängt auch dies nicht. Die Vorlage im Internet recherchierter Händlerangebote ist aus mehreren Gründen ungeeignet, das Vorgehen des Beteiligten Ziffer 2 in Zweifel zu ziehen. Zunächst handelt es sich bei sämtlichen Angeboten um Händlerangebote, die die Fahrzeuge zum Händlerverkaufswert (also einschließlich der Gewinnspanne des Händlers), nicht zum hier maßgeblichen Händlereinkaufswert anbieten (zur Differenzierung OLG Braunschweig, Urteil vom 27.04.2022 – 9 U 40/21, Rn. 88, juris). Hinzu kommt, dass ein im Internet abgegebenes Verkaufsangebot nichts darüber besagt, zu welchem Preis das angebotene Fahrzeug tatsächlich verkauft wird.
dd) Nach allem ist die beabsichtigte Veräußerung des Fahrzeugs zum im Kurzgutachten ermittelten Wert unter Verzicht auf die Einholung eines weiteren Gutachtens nicht zu beanstanden, weshalb die nachlassgerichtliche Genehmigung zu Recht erteilt worden ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG.
Der Gegenstandswert beläuft sich auf den Wert des Fahrzeugs.
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.