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Nachlassverwalter -Auskunft über Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung des Erblassers

LG Bielefeld – Az.: 18 O 177/16 – Urteil vom 19.04.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v.110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist der gerichtlich bestellte Nachlasspfleger des am 11.11.2015 verstorbenen M. F..

M. F. (im Folgenden: der Erblasser) unterhielt bei der Beklagten eine im Jahr 2004 abgeschlossene fondsgebundene Lebensversicherung zur Versicherungsnummer: xxx.

Im Rahmen dieser Versicherung hatte der Erblasser einer oder mehreren Personen ein Bezugsrecht im Sinne von § 159 VVG eingeräumt. Der Kläger hat keine Kenntnis vom Inhalt des Versicherungsscheins, insbesondere nicht von Name(n) und Adresse(n) der bezugsberechtigten Person(en).

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bekanntgabe von Name(n) und Adresse(n) der bezugsberechtigten Person(en), um dieser/ diesen gegenüber die nach seiner Behauptung der Einräumung des Bezugsrechts zugrundeliegende Schenkung widerrufen zu können und sodann, falls die Beklagte an die Bezugsberechtigte(n) noch nicht geleistet hat, von dieser/ diesen die Abtretung des Anspruchs gegen die Beklagte fordern zu können, oder, falls die Beklagte schon geleistet hat, die Herausgabe der erlangten Versicherungsleistung fordern zu können. Damit würde der Nachlasswert erhöht, was den noch unbekannten Erben bzw. etwaigen Nachlassgläubigern zugutekommen würde.

Der Erblasser und die Zeugin L. waren jeweils Eigentümer zu ½ an dem mit einem Wohngebäude bebauten Grundstück M.weg xx, I..

Der Erblasser beging am 11.11.2015 Selbstmord, indem er das, auf dem in seinem und der Zeugin L. Eigentum stehenden Grundstück, stehende Wohngebäude explodieren ließ. Er verstarb bei der Explosion. Das Gebäude wurde vollständig zerstört.

Vor dem Tod des Erblassers wurde bezüglich des genannten Grundstücks auf Antrag der Grundpfandrechtgläubigerin ein Zwangsverwaltungsverfahren eingeleitet. Zum Zwangsverwalter wurde der Kläger bestellt. Weiter wurde vor dem Tod des Erblassers auf Antrag der Zeugin L. betreffend das genannte Grundstück ein Teilungsversteigerungsverfahren eingeleitet sowie auf Antrag der Grundpfandrechtgläubigerin ein Vollstreckungsversteigerungsverfahren.

Der Erblasser hinterließ kein Testament.

Der Kläger behauptet, der Nachlass sei überschuldet.

Die Zeugin L. sei Nachlassgläubigerin.

Sie sei über viele Jahre die Lebensgefährtin des Erblassers gewesen. Die Zeugin und der Erblasser hätten gemeinsam das Grundstück in I. erworben und seien beide Schuldner der hierfür in Anspruch genommenen Finanzierung. Es habe zwischen dem Erblasser und der Zeugin massiven Streit gegeben. Sie hätten sich vor etwa 6-7 Jahren getrennt. Im Zuge der Trennung seien erhebliche Streitigkeiten zwischen der Zeugin und dem Erblasser entstanden. Diese seien in vielen Fällen vor Gericht ausgetragen worden. Streit sei entbrannt über die Frage, was mit dem gemeinsamen Hausgrundstück passiere, ob es verkauft werde und wenn ja, für welchen Preis. Hintergrund des eingeleiteten Teilungsversteigerungsverfahrens bezüglich des Grundstücks sei dieser Streit gewesen. Die Zeugin habe mit dem Erblasser nicht mehr zu einer vernünftigen Regelung bezüglich des Grundstücks kommen können. Nachdem im Versteigerungsverfahren das Sachverständigengutachten vorgelegen habe, sei aus Sicht des Erblassers die Versteigerung nicht mehr abzuwenden gewesen. Für den Erblasser habe „die Gefahr“ bestanden, dass die Zeugin L. Meistbietende sein werde. Deswegen habe der Erblasser sich in geistiger Verwirrtheit entschlossen, der Zeugin die Möglichkeit, Alleineigentümerin des Grundstücks zu werden, nicht einzuräumen und der Zeugin ein durch die Explosion völlig zerstörtes Haus zu hinterlassen mit der Folge, dass die Zeugin noch die Restverbindlichkeiten „am Halse hatte“. Dem Erblasser sei dabei klar gewesen, dass der Gebäudeversicherer Zahlungen nicht leisten werde, da der Versicherungsfall grob fahrlässig bzw. vorsätzlich herbeigeführt worden sei.

Die Versicherungsunterlagen seien durch die Folgen der Explosion zerstört worden.

Der Kläger meint in diesem Zusammenhang, dass aufgrund der geistigen Verwirrtheit des Erblassers  nicht davon auszugehen sei, dass der Erblasser die Unterlagen absichtlich zerstört habe, damit Dritte Name(n) und Anschrift(en) der bezugsberechtigten Person(en) nicht erfahren werden.

Der Erblasser habe eine weitere Lebensversicherung bei einem anderen Versicherungsunternehmen gehabt. Dort habe der Erblasser zunächst der Zeugin L., als sie noch seine Lebensgefährtin gewesen sei, ein Bezugsrecht im Sinne von § 159 VVG eingeräumt. Aufgrund des behaupteten massiven Streits zwischen dem Erblasser und der Zeugin habe der Erblasser die Einsetzung zu Ungunsten der Zeugin geändert.

Rechtsgrund der Einräumung des streitgegenständlichen Bezugsrechts sei eine Schenkung des Erblassers an die bezugsberechtigte(n) Person(en).

Ein Geheimhaltungsinteresse des Erblassers bezüglich der Identität der bezugsberechtigten Person(en) sei nicht vorhanden, weil im Normalfall der oder die Erben anhand der vorhandenen Versicherungsunterlagen leicht nachvollziehen könnten, wer ein Bezugsberechtigter sein solle. Im Normalfall, d.h. wenn die Versicherungsunterlagen nicht bei der Explosion zerstört worden wären, hätte es sich deswegen um offenkundige Tatsachen gehandelt.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger als gesetzlichem Vertreter der noch unbekannten Erben des M. F. den vollständigen Namen und die vollständige Adresse des oder der bezugsberechtigten Person/ Personen der fondsgebundenen Lebensversicherung, Versicherungsnummer: 117151906, des Erblassers M. F. bei der Beklagten zu benennen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst dazu überreichter Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2017 (Bl. 182 f d.A.) und vom 28.03.2018 (Bl. 292 f d.A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat die Akten 7 K 6/15, 7 K 19/15 und 7 L 3/15 des Amtsgerichts Lübbecke zu Informations- und Beweiszwecken beigezogen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Die Akten 7 K 6/15 betreffen die auf Antrag der Zeugin L. eingeleitete Teilungsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an dem Grundstück in I. der Zeugin L. und des Erblassers. Die Akten 7 K 19/15 betreffen die Vollstreckungsversteigerung des genannten Grundstücks auf Antrag der Grundpfandrechtgläubigerin gegen die Zeugin L. und den Erblasser. Die Akten 7 L 3/15 betreffen die Zwangsverwaltung des genannten Grundstücks auf Antrag der Grundpfandrechtgläubigerin.

Die Akten 7 L 3/15 enthalten auf Bl. 53 ff einen Bericht des Klägers in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter des gemeinsamen Grundstücks des Erblassers und der Zeugin L. an das Amtsgericht vom 31.01.2016/25.03.2016. Auf Blatt 55 enthält dieser Bericht folgende Passage zur Auseinandersetzung des Klägers als Zwangsverwalter mit der Gebäudeversicherung wegen Ansprüchen auf Versicherungsleistungen aufgrund der Zerstörung des Gebäudes:

„Ferner ist festzuhalten, dass der Versicherer offensichtlich bemüht ist, darzustellen, dass der Miteigentümer F. unter psychischen Beeinträchtigungen litt und dies möglicherweise bekannt war. Insofern hat bereits am 07.12.2015 ein umfangreiches Gespräch mit dem Schadenregulierer der Gebäudeversicherung stattgefunden. Im Rahmen dieses Gesprächs konnte sich der Unterzeichner des Eindrucks nicht erwehren, als wenn man dem Unterzeichner „aus der Nase ziehen wollte“, dass er Probleme mit dem Miteigentümer F. gehabt habe.

Dem ist jedoch nicht so. In den sechs Gesprächen, die der Unterzeichner mit dem Miteigentümer F. vor Ort führte, hatte der Unterzeichner zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass der Miteigentümer F. in irgendeiner Art und Weise psychisch beeinträchtigt gewesen ist.“

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Benennung von Namen und Adresse(n) der bezugsberechtigten Person oder Personen des streitgegenständlichen Versicherungsvertrags.

1.

Der Anspruch auf die begehrte Auskunft ergibt sich nicht aus §§ 675, 666 BGB i.V.m. § 259 Abs. 1 BGB. Ein Lebensversicherungsvertrag ist kein Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.v. § 675 BGB (vgl. m.w.N.: BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 – IV ZR 162/03 -, BGHZ 164, 297-324, zitiert nach juris; Baumann in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl. 2008, § 1 VVG, Rn. 208, zitiert nach juris).

2.

Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus der allein weiter in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des sog. allgemeinen Auskunftsanspruchs gem. § 242 BGB.

a) Es kann deswegen dahinstehen, ob dem Kläger der Auskunftsanspruch zustehen würde, weil die noch unbekannten Erben einen solchen Auskunftsanspruch haben und er diesen für die Erben als gesetzlicher Vertreter geltend machen kann oder weil der Kläger diesen Auskunftsanspruch in seiner Eigenschaft als Nachlasspfleger – mit der Pflicht gegenüber den Erben, den Nachlass sicherzustellen, dessen Werthaltigkeit zu ermitteln bzw. zu prüfen, sowie gegebenenfalls Forderungen, die gegen den Nachlass gerichtet sind, wie auch etwaige Schulden zu begleichen oder zu bestreiten – besitzt.

b) Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) besteht eine Auskunftspflicht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (BGH, Urteil vom 01. Juli 2014 – VI ZR 345/13 -, BGHZ 201, 380-386, Rn. 6 m.w.N., zitiert nach juris). Dabei kommt ein Anspruch auf Auskunftserteilung auch dann in Betracht, wenn der Hauptanspruch des Anspruchstellers, dessen Durchsetzung durch die Auskunft ermöglicht werden soll, nicht gegen den auf Auskunft in Anspruch Genommenen selbst, sondern gegen einen Dritten gerichtet ist (vgl. m.w.N.: Staudinger/Olzen/Looschelders (2015) BGB § 242, Rn. 605, zitiert nach juris). Unschwer ist die Auskunftserteilung für den Verpflichteten nur dann, wenn er durch diese Verpflichtung nicht unbillig belastet würde (BGH, Urteil vom 05. November 2002 – XI ZR 381/01 -, BGHZ 152, 307-317, Rn. 28, zitiert nach juris), sie ihm also zumutbar ist.

Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Auskunfterteilung ist zu berücksichtigen, ob der Auskunftspflichtige ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse an den Angaben geltend machen kann. Dabei sind auch datenschutzrechtliche Bestimmungen sowie die Strafvorschrift des § 203 StGB in die Betrachtung einzubeziehen (Staudinger/Olzen/Looschelders (2015) BGB § 242, Rn. 605; BGH NJW 2015, 2652 Rn 18 ff).

Nach diesem Maßstab ist der Beklagten die Erteilung der begehrten Auskunft nicht unschwer möglich; sie ist ihr nicht zumutbar, da die Beklagte durch die Erteilung der begehrten Auskunft gegen § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB verstoßen würde.

Denn die Erteilung der begehrten Auskunft durch einen Beschäftigten der Beklagten erfüllte den Tatbestand des § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB (unten aa)) und wäre nicht gerechtfertigt (unten bb)):

aa) § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB stellt für Angehörige eines privaten Lebensversicherungsunternehmens das unbefugte Offenbaren eines fremden Geheimnisses, das dem Täter in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter eines solchen Unternehmens anvertraut oder sonst bekannt geworden ist, unter Strafe. Diese Strafandrohung gilt gem. § 203 Abs. 4 StGB auch, wenn das fremde Geheimnis erst nach dem Tod des Betroffenen unbefugt offenbart wird.

Die Identität der bezugsberechtigten Person(en) ist ein Geheimnis i.S.v. § 203 Abs. 1 StGB.

Geheimnisse i.S.v. § 203 Abs. 1 StGB sind Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung derjenige, den sie betreffen, ein von seinem Standpunkt aus sachlich begründetes Interesse hat (Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB § 203 Rn. 5, beck-online).

Die Tatsache, wen der Erblasser als bezugsberechtigte Person(en) bestimmt hat, war nur einem beschränkten Personenkreis, nämlich nur dem Erblasser und der Beklagten, möglicherweise noch der/den berechtigten Person(en) bekannt.

Der Erblasser hatte auch von seinem Standpunkt aus ein sachlich begründetes Interesse an der Geheimhaltung dieser Tatsache, denn ihre Bekanntgabe an Dritte würde nach dem klägerischen Vortrag dazu führen, dass nach Widerruf des Schenkungsversprechens die zugedachte Versicherungsleistung nicht der/den Personen zukäme, die der Erblasser eingesetzt hatte. Vielmehr würde die Versicherungsleistung, nach dem sie zum Nachlass gezogen worden wäre, nach dem klägerischen Vortrag letztlich auch der Zeugin L. als Nachlassgläubigerin zugutekommen. Der Erblasser wollte der Zeugin L. jedoch nach dem klägerischen Vortrag keinerlei Vorteil zukommen lassen, vielmehr hat er sogar ein Haus vollständig zerstört, um die Zeugin in eine möglichst ungünstige Position zu bringen.

Die Identität der bezugsberechtigten Person(en) ist den Beschäftigten der Beklagten auch in ihrer Eigenschaft als Beschäftigte eines Unternehmens der privaten Lebensversicherung bekannt geworden.

Durch die Erteilung der begehrten Auskunft würde das genannte Geheimnis auch i.S.v. § 203 StGB dem Kläger offenbart werden. Das Offenbaren eines Geheimnisses liegt vor, wenn das Geheimnis an einen anderen gelangt, dem es zuvor unbekannt war (Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB § 203 Rn. 19a-19b, zitiert nach beck-online)

Dem Kläger ist die Identität der bezugsberechtigten Person(en) unbekannt.

Die Erteilung der begehrten Auskunft wäre auch unbefugt i.S.v. § 203 StGB.

Befugt ist eine Offenbarung zunächst, wenn sie mit Zustimmung des Verfügungsberechtigten erfolgt. Dann fehlt es an der Verwirklichung des Tatbestands des § 203 StGB (Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB § 203 Rn. 22, beck-online).

Ein Einverständnis des Erblassers mit der Erteilung der Auskunft liegt nicht vor.

Auch das Einverständnis des Klägers oder der Erben mit der Erteilung der Auskunft ändert nichts daran, dass die Erteilung der Auskunft unbefugt wäre. Denn die Verfügungsbefugnis über das streitgegenständliche Geheimnis ist, unter Zugrundelegung der klägerischen Behauptung, Rechtsgrund der Bestimmung der bezugsberechtigten Person(en) sei eine Schenkung, nicht auf den Kläger oder die durch ihn vertretenen Erben übergegangen. Insoweit ergibt sich aus § 205 Abs. 2 StGB, dass die Verfügungsbefugnis, soweit das Geheimnis den persönlichen Lebensbereich betrifft, höchstpersönlicher Natur ist und mit dem Tod des Berechtigten erlischt (vgl. m.w.N.: Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB § 203 Rn. 25, beck-online). Mit einer Schenkung geht eine persönliche Beziehung des Erblassers zu der/den Bezugsberechtigten einher, damit betrifft das streitgegenständliche Geheimnis den persönlichen Lebensbereich des Erblassers.

bb) Befugt ist die Offenbarung auch bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes (Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB § 203 Rn. 26, beck-online). Als Rechtfertigungsgrund kommt vorliegend nur die mutmaßliche Einwilligung des Erblassers mit der Auskunftserteilung in Betracht.

Eine mutmaßliche Einwilligung des Erblassers mit der Auskunftserteilung ist hier nicht anzunehmen:

Von einer mutmaßlichen Einwilligung des Rechtsgutträgers ist auszugehen, wenn eine Würdigung aller Umstände die Annahme rechtfertigt, dass er, wenn er gefragt werden könnte, seine Zustimmung erklären würde (Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Vorbemerkungen zu den §§ 32 ff. Rn. 54-55, beck-online).

Diese Würdigung rechtfertigt vorliegend nicht die Annahme, der Erblasser würde der Auskunftserteilung zustimmen:

Umstände, die für einen solchen mutmaßlichen Willen des Erblassers sprechen, haben die Parteien nicht behauptet.

Gegen einen solchen mutmaßlichen Willen des Erblassers spricht, dass die Bestimmung einer bezugsberechtigten Person für den Todesfall grundsätzlich erfolgt, weil der Versicherungsnehmer will, dass diese Person im Fall seines Todes den zugedachten Betrag aus der Versicherung erhalten soll, also gerade nicht die Erben diesen Betrag erhalten sollen. Die Mitteilung der Identität der bezugsberechtigten Person an die Erben bzw. ihren gesetzlichen Vertreter ist mit der Gefahr verbunden, dass der bezugsberechtigten Person das Zugedachte wieder entzogen wird, indem die Erben/ ihr Vertreter eine etwaig der Bestimmung zugrundeliegende Schenkung gegenüber der bezugsberechtigten Person widerrufen und sodann das Erlangte von der bezugsberechtigten Person herausverlangen. Damit würde die Mitteilung der Identität der bezugsberechtigten Person die Erfüllung des Willens des Erblassers, dass diese Person den zugedachten Betrag aus der Versicherung (dauerhaft) erhält, gefährden, folglich widerspricht die Mitteilung der Identität dem der Bestimmung der bezugsberechtigten Person zugrundeliegenden Willen des Versicherungsnehmers.

Auch die Behauptung der Klägerin über das Verhältnis des Klägers zu der Zeugin L., insbesondere der Selbstmord (auch) in der Absicht, der Zeugin L. neben dem vollständig zerstörten Haus noch die Verbindlichkeiten aus der Finanzierung zu hinterlassen, steht der Annahme entgegen, der Erblasser habe gewollt, dass seine Erben bzw. ihr gesetzlicher Vertreter die Identität der berechtigten Person(en) erfahren. Denn die Zeugin L. als Nachlassgläubigerin würde davon profitieren, wenn die Versicherungsleistung der bezugsberechtigten Person über den Weg des Schenkungswiderrufs und der Rückforderung des Erlangten Teil der Erbmasse werden würde. Damit stünde die Zeugin wirtschaftlich besser, als wenn die Identität der bezugsberechtigten Person(en) den Erben unbekannt und damit ein Schenkungswiderruf unmöglich bliebe.

Gegen einen solchen mutmaßlichen Willen des Erblassers spricht ferner die klägerische Behauptung, der Erblasser habe der Zeugin L. bezüglich einer anderen Lebensversicherung das ihr dort zunächst eingeräumte Bezugsrecht wegen der behaupteten Auseinandersetzungen wieder entzogen. Die Auskunftserteilung würde, den klägerischen Vortrag zugrunde gelegt, wie ausgeführt, letztlich auch die Zeugin besserstellen. Dass der Erblasser eine solche Besserstellung wollte, ist auch vor dem Hintergrund der Entziehung des Bezugsrechts bezüglich der anderen Lebensversicherung nicht anzunehmen.

Für die Annahme, der Erblasser würde der Auskunftserteilung zustimmen, spricht schließlich nicht die klägerische Behauptung, dass der Grund der Zerstörung der Versicherungsunterlagen mit der Folge, dass dem Kläger die Identität unbekannt ist, der Entschluss des Erblassers zum Selbstmord war, getroffen in geistiger Verwirrtheit, und deswegen getroffen ohne Absicht hinsichtlich der Folgen des Selbstmords – der Zerstörung des Gebäudes mit allen in ihm befindlichen Gegenständen, einschließlich der Versicherungsunterlagen. Denn das Gericht ist schon nicht davon überzeugt, dass der Erblasser am 11.11.2015 in geistiger Verwirrtheit handelte. Die Tatsache und Begehungsweise des Selbstmords lassen den Schluss auf eine Beeinträchtigung der Fähigkeit der freien Willensbildung nicht zu. Anhaltspunkte, die für die vom Kläger aufgestellte Behauptung einer solchen Beeinträchtigung sprechen, hat der Kläger nicht vorgetragen. Der Kläger stützt diese Behauptung lediglich auf den Inhalt der beigezogenen Akten. Aus den Akten ergibt sich jedoch für diese Behauptung nichts. Zum geistigen Zustand des Erblassers finden sich nur die Angaben auf Blatt 55 in den Akten 7 K 3/15. Die dortigen Angaben des Klägers, er habe in den sechs Gesprächen, die er mit dem Erblasser im Zuge der Zwangsverwaltung geführt habe, zu keinem Zeitpunkt den Eindruck gehabt, dass der Erblasser in irgendeiner Art und Weise psychisch beeinträchtigt gewesen sei, sprechen gegen eine geistige Verwirrtheit des Erblassers im fraglichen Zeitpunkt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

 

 

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