OLG München – Az.: 33 U 2216/22 – Beschluss vom 21.11.2022
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 31.03.2022, Az.: 81 O 238/22 einschließlich der Kostenentscheidung insoweit aufgehoben, als die Klage auf der Zahlungsstufe abgewiesen wurde.
2. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 31.03.2022, Az.: 81 O 238/22 zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger ¼, der Beklagte ¾.
4. Gerichtliche Kosten aus einem 35.000 € übersteigenden Streitwert werden nicht erhoben.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 350.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über erbrechtliche Ansprüche nach dem Tod der am xx.xx.2021 verstorbenen Erblasserin P. W. Der Kläger ist deren Sohn, der Beklagte deren Ehemann. Der Beklagte hat die Erblasserin aufgrund notariellen Ehe- und Erbvertrages vom xx.xx.1958 allein beerbt.
Zugunsten des Klägers ist in diesem Vertrag unter Ziffer IV. folgende Regelung enthalten:
„Der überlebende Eheteil hat jedoch den Abkömmlingen des zuerst versterbenden Eheteils vermächtnisweise eine Summe auszuzeigen, die gleich ist dem Werte des diesen Abkömmlingen gesetzlich gebührenden Pflichtteils.“
Der Kläger hat dieses Vermächtnis am xx.xx.2021 angenommen. Er nimmt den Beklagten auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sowie Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses in Anspruch, soweit sich aus dem zu erstellenden Verzeichnis Grundstücke ergeben.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO. Änderungen oder Ergänzungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen.
Den Anspruch auf Auskunft sah es als erfüllt an, da der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am xx.xx.2022 ein einfaches Nachlassverzeichnis übergeben hat. Weitere Ansprüche bestünden nicht, da der Kläger lediglich auf § 242 BGB als Anspruchsgrundlage zurückgreifen könne, insbesondere sei § 2314 Abs. 1 BGB nicht anwendbar. Den Zahlungsanspruch hat das Landgericht abgewiesen, weil der klägerische Antrag nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entspreche.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, in der er seinen erstinstanzlichen Vortrag im Wesentlichen wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt im Berufungsverfahren (Bl. 8/9 d.A., Bd. II),
1. in der 1. Stufe
a) Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am xx.xx.2021 verstorbenen Erblasserin P. W. zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das im einzelnen umfaßt:
aa) alle bei Eintritt des Erbfalls am xx.xx.2021 zum Nachlaß gehörenden Sachen, Rechte und Forderungen, einschließlich der wesentlichen Bewertungsfaktoren
bb) alle bei Eintritt des Erbfalls am xx.xx.2021 vorhandenen Nachlaßverbindlichkeiten
cc) alle Erblasserschenkungen einschließlich der Pflicht- und Anstandsschenkungen sowie alle ehebezogenen Zuwendungen,
aaa), die die Erblasserin in ihren letzten 10 Lebensjahren getätigt hat
bbb) die die Erblasserin an ihren Ehegatten während der Ehezeit getätigt hat
ccc) die die Erblasserin zu ihren Lebzeiten unter Vorbehalt eines Nießbrauchs, eines Wohnungsrechts oder sonstigen Nutzungsrechts getätigt hat
dd) alle Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere Lebensversicherungen, Unfallversicherungen und Bausparverträge
ee) alle unter Abkömmlingen ausgleichungspflichtigen Zuwendungen gemäß §§ 2050 ff BGB, die die Erblasserin zu Lebzeiten an ihre Abkömmlinge getätigt hat
b) den Wert aller nach Maßgabe der Auskunftserteilung gemäß der Ziffer 1 a, aa) gänzlich oder mit Eigentumsanteilen zum Nachlaß der Erblasserin P. W. gehörenden Grundstücke durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens auf Kosten des Nachlasses auf den Stichtag xx.xx.2021 ermitteln zu lassen
c) den Wert aller nach Maßgabe der Ziffer 1 a, cc von der Erblasserin P. W. ihrem Ehemann oder Dritten gänzlich oder teilweise unentgeltlich zugewendeten Grundstücke oder Eigentumsanteile an solchen durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens auf den Erbfallszeitpunkt xx.xx.2021 sowie auf den jeweiligen Schenkungszeitpunkt auf Kosten des Nachlasses ermitteln zu lassen.
2. in der 2. Stufe an den Kläger das aus der Auskunft und Wertermittlung gemäß Ziffer 1 a, b und c sich ergebende Vermächtnis abzüglich der vorgerichtlich hierauf bereits bezahlten 56.775,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.7.2021 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt im Berufungsverfahren (Bl. 6 d.A., Bd. II), die Berufung zurückzuweisen.
Mit Beschluss des Senats vom 04.10.2022 hat der Senat mit Zustimmung der Parteien Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet und den 24.10.2022 als den Zeitpunkt bestimmt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze samt Anlagen.
II.
Das Landgericht hat die Klage im Hinblick auf den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch zu Recht abgewiesen. Hinsichtlich der Abweisung des Anspruchs auf der Zahlungsstufe war das Urteil auf die Berufung des Klägers aufzuheben; insoweit wird das Verfahren auf einen etwaigen Antrag des Klägers hin vor dem Landgericht fortzusetzen sein.
1. Das Landgericht hat die Klage auf der Auskunftsstufe zu Recht abgewiesen.
Dem Kläger steht als Vermächtnisnehmer im konkreten Fall zwar ein Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB gegen den Beklagten zu. Dieser ist mit der Übergabe des privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses im Termin vom xx.xx.2022 aber erfüllt worden und damit erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Darüber hinausgehende Ansprüche bestehen nicht.
Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses aufgrund des im Ehe- und Erbvertrag vom xx.xx.1958 angeordneten Vermächtnisses.
a) Zwar hat der Erblasser grundsätzlich die Möglichkeit, dem Vermächtnisnehmer durch Verfügung von Todes wegen nicht nur den Vermächtnisgegenstand, sondern auch die zur Durchsetzung des Vermächtnisses gegebenenfalls erforderlichen Hilfsansprüche auf Auskunftserteilung zu vermachen. Das ist aber vorliegend nicht der Fall.
Im notariellen Ehe- und Erbvertrag vom xx.xx.1958 findet sich diesbezüglich jedenfalls keine ausdrückliche Anordnung, so dass sich ein mitvermachter Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch allenfalls im Wege der Auslegung des Erbvertrags der Ehegatten ergeben könnte.
aa) Ein entsprechender Wille der Erblasser lässt sich nicht im Wege der erläuternden Testamentsauslegung feststellen. Die im Ehe- und Erbvertrag gewählte Formulierung „… vermächtnisweise eine Summe auszuzeigen, die gleich dem Werte des … gesetzlich gebührenden Pflichtteils [ist]“, deutet eher auf einen reinen Zahlungsanspruch hin, der vom überlebenden Ehegatten ermittelt wird. Allein dass insoweit der Begriff „gesetzlich“ verwendet wird, reicht nach Auffassung des Senats nicht als Indiz dafür aus, dass die Ehegatten mit der entsprechenden Klausel alle einem Pflichtteilsberechtigten von Gesetzes wegen zustehenden Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche vermachen wollten.
bb) Auch im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung lässt sich eine derartige Regelung nicht feststellen. Zwar kann eine planwidrige Regelungslücke in einem Testament oder Erbvertrag geschlossen werden, wenn sich eine entsprechende Willensrichtung der Erblasser feststellen lässt und diese im Testament bzw. Erbvertrag zumindest angedeutet ist (Krätzschel in: Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht, 12. Aufl. 2022, § 9 Rn. 20).
Im vorliegenden Fall hat der Senat aber bereits Zweifel, ob sich im notariellen Ehe- und Erbvertrag überhaupt eine planwidrige Regelungslücke feststellen lässt. Gegen die Planwidrigkeit einer – unterstellten – Regelungslücke spricht, dass die Vertragsparteien notariell beraten worden sind und es naheliegend erscheint, dass der Notar Fragen der Durchsetzbarkeit des Vermächtnisses bedacht und zum Gegenstand der Beratung gemacht hat.
Letztlich kann dies dahinstehen, da eine – übereinstimmende – Willensrichtung beider Vertragsparteien hinsichtlich eines Auskunfts- oder Wertermittlungsanspruchs für den Vermächtnisnehmer im Erbvertrag nicht feststellbar und im Übrigen nicht einmal angedeutet ist. Auch insoweit reicht die Formulierung „gesetzlich gebührender Pflichtteil“ nicht aus.
cc) Soweit in der Literatur, teilweise unter Hinweis auf die ältere Rechtsprechung (vgl. Nachweise bei Staudinger/Otte, BGB, Neubearbeitung 2019, § 2174 Rn. 15), vertreten wird, dass die Auskunftspflicht des mit dem Vermächtnis Beschwerten „das notwendige und selbstverständliche Korrelat zum Vermächtnis“ sei, d. h. ein entsprechender Auskunftsanspruch in jedem Falle, also unabhängig vom Erblasserwillen, über § 242 BGB mitvermacht sei (vgl. auch NK-BGB/Horn, 6. Aufl. 2022, § 2174 Rn. 22), kann dahinstehen, ob dieser Ansicht zu folgen ist, denn auch nach dieser Ansicht ist der Anspruch nicht auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses gerichtet.
dd) Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil vorliegend der Vermächtnisnehmer zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge gehört (siehe dazu sogleich unter b)).
b) Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB stützen.
aa) Allerdings ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Auskunftsanspruch des mit einem Vermächtnis bedachten Pflichtteilsberechtigten nicht davon abhängt, dass dieser das Vermächtnis ausschlägt oder dass es den Wert des Pflichtteils übersteigt (BGH, Urteil vom 01.10.1958 – V ZR 53/58, NJW 1958, 1964). Anknüpfungspunkt ist insoweit, dass § 2314 Abs. 1 BGB an das Pflichtteilsrecht, nicht einen Pflichtteilsanspruch anknüpft.
bb) Ein Auskunftsanspruch besteht aber dann nicht mehr, wenn ein Pflichtteilsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (mehr) besteht (BGH, a.a.O., S. 1965; Staudinger/Herzog, BGB, Neubearbeitung 2021, § 2314 Rn. 20; MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, § 2314 Rn. 66), denn dann besteht kein Informationsbedürfnis für den Pflichtteilsberechtigten mehr, so dass die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs (zu pflichtteilsfremden Zwecken) jedenfalls rechtsmissbräuchlich ist (Staudinger/Herzog, a.a.O.).
cc) So liegt der Fall hier. Der Kläger hat nach den Feststellungen des Erstgerichts, die für den Senat bindend sind, § 529 Abs. 1 ZPO, das Vermächtnis in Höhe seines Pflichtteilsanspruchs am xx.xx.2021 angenommen, wodurch sein Pflichtteilsanspruch (vollständig) erloschen ist (NK-Erbrecht/Bock, a.a.O., § 2307 Rn. 10). Dass der Kläger nach seinem Vortrag auf die Auskunft (für die Durchsetzung des Vermächtnisses) angewiesen ist, ändert an der Rechtsmissbräuchlichkeit der Geltendmachung des im Pflichtteilsrecht wurzelnden Auskunftsanspruchs zur Durchsetzung eines Vermächtnisanspruchs im vorliegenden Falle nichts.
c) Dem Kläger steht zwar ein Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB zu, dieser ist jedoch erfüllt.
aa) Der Senat teilt die im Schrifttum vertretene Ansicht, wonach dem Vermächtnisnehmer ein allgemeiner Auskunftsanspruch von Gesetzes wegen nicht zusteht (Reymann in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2174 BGB (Stand: 03.04.2020) Rn. 176). Gestützt auf § 242 BGB ist ein solcher Anspruch jedoch insoweit anzuerkennen, als die zweckentsprechende Geltendmachung des Vermächtnisanspruchs zuverlässige Kenntnis vom Bestand des Nachlasses erfordert (Reymann in: jurisPK-BGB, a.a.O.). Insoweit gelten die Grundsätze des allgemein bejahten Auskunftsanspruchs, der greift, wenn „der Berechtigte entschuldbar über das Bestehen und den Umfang des Rechts im Unklaren und deshalb auf die Auskunft des Verpflichteten angewiesen ist, der durch sie nicht unbillig belastet wird.“ (BGH, Urteil vom 27.06.1973 – IV ZR 50/72, NJW 1973, 1876; MüKoBGB/Lange, a.a.O., Rn. 71). Die Informationsrechte des Vermächtnisnehmers orientieren sich dabei einzelfallbezogen an den für die erfolgversprechende Rechtsverfolgung unentbehrlichen Angaben (Sarres, ZEV 2001, 225 (229)).
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze teilt der Senat die Ansicht des Landgerichts im angefochtenen Urteil, dass der Auskunftsanspruch hier über die Vorlage eines einfachen Nachlassverzeichnisses nicht hinausgeht, denn der Kläger ist vorliegend (nur) Vermächtnisnehmer und kein Pflichtteilsberechtigter, der Pflichtteilsansprüche geltend macht. Soweit § 2314 Abs. 1 BGB auch einen Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses gewährt, rechtfertigt sich dies durch die herausgehobene Stellung des Pflichtteilsrechts, das eine grundrechtlich geschützte, grundsätzlich nicht entziehbare Teilhabe am Nachlass gewährt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.04.2005 – 1 BvR 1644/00, NJW 2005, 1561). Dies rechtfertigt auch weitreichende Eingriffe in die ebenfalls grundrechtlich geschützte Position des Erben, der auf Kosten des Nachlasses gegebenenfalls einen Notar beauftragen muss, um ein Nachlassverzeichnis erstellen zu lassen.
Im Hinblick auf den auf § 242 BGB gestützten Auskunftsanspruch besteht ein Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses jedoch nicht (MüKoBGB/Lange, a.a.O. Rn. 72). Dem Vermächtnisnehmer kommt schon keine dem Pflichtteilsberechtigten vergleichbare Rechtsposition zu. Das zeigt sich bereits daran, dass ein Vermächtnis unwirksam ist, wenn der vermachte Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht (mehr) zum Nachlass gehört (§ 2169 Abs. 1 BGB) und dass der Vermächtnisnehmer nur eine nachrangige Stellung einnimmt (vgl. § 1991 Abs. 4 BGB). Da es dem pflichtteilsberechtigten Vermächtnisnehmer unbenommen ist, das Vermächtnis auszuschlagen und stattdessen seinen Pflichtteil zu beanspruchen, ist nicht ersichtlich, wieso dem Pflichtteilsberechtigten, der sich zur Annahme des Vermächtnisses entschließt, dieselben Rechte zustehen sollten wie einem Pflichtteilsberechtigten. § 2307 Abs. 1 BGB sieht dieses unbeschränkte Wahlrecht ausdrücklich vor, damit dem Pflichtteilsberechtigten vom Erblasser nicht ein Vermächtnis von oftmals zweifelhaftem Wert an Stelle des Pflichtteils aufgedrängt werden kann (Müller-Engels in: BeckOK/BGB, Stand: 01.05.2022, § 2307 Rn. 1). Entscheidet sich der Pflichtteilsberechtigte gleichwohl für die Annahme des Vermächtnisses und verliert damit endgültig seine Pflichtteilsansprüche, stehen ihm auch (nur) Informationsrechte auf der Grundlage von Treu und Glauben zu, aus denen sich aber ein Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses grundsätzlich nicht ergibt.
cc) Zu Recht ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, dass der Auskunftsanspruch erfüllt ist. Soweit der Kläger mit seiner Berufungsbegründung (S. 9) vorträgt, dass das Grundstück mit der Flurnummer 405/10 nicht enthalten sei, würde dies – den Vortrag als zutreffend unterstellt – die Erfüllung des Anspruchs und sein Erlöschen nicht hindern. Schon im Rahmen des § 2314 BGB besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Berichtigung oder Vervollständigung eines seitens des Auskunftspflichtigen als abschließend angesehenen privaten Nachlassverzeichnisses, vielmehr ist der Auskunftsberechtigte auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung zu verweisen (OLG Hamburg, Urteil vom 28.09.2016, 2 U 29/15, MittBayNot 2018, 357; MüKoBGB/Lange, a.a.O., Rn. 35). Im Rahmen des nach § 242 BGB vorzulegenden Nachlassverzeichnisses können keine anderen Grundsätze gelten.
2. Zutreffend hat das Landgericht die Klage auch im Hinblick auf die vom Kläger begehrte Wertermittlung auf Kosten des Nachlasses, die allein Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, abgewiesen.
a) Die Klage war schon unzulässig, soweit sie mit dem Anspruch auf Auskunftserteilung auf derselben Stufe erhoben worden war, denn beide Ansprüche stehen in einem Stufenverhältnis zueinander – erst auf der Grundlage der erteilten Auskunft stellt sich die Frage der Wertermittlung (OLG Koblenz, Urteil vom 08.11.2012 – 2 U 834/11, BeckRS 2013, 2065; Fleischer/Horn in: Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, 5. Aufl. 2018, § 63 Rn. 14) – und können demzufolge nicht auf derselben Stufe geltend gemacht werden.
Schon deswegen wäre die Berufung des Klägers insoweit zurückzuweisen.
b) Gleichwohl konnte das Landgericht die Klage insoweit bereits endgültig abweisen, da ein Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses vorliegend auch in der Sache nicht besteht.
aa) Insoweit gelten zunächst die unter 1. gemachten Ausführungen entsprechend, soweit der Anspruch auf § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB gestützt wird.
bb) Ein solcher Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 242 BGB. Soweit der BGH in der Entscheidung vom 02.06.1993 (IV ZR 259/92, NJW 1993, 2737) einen Wertermittlungsanspruch des pflichtteilsberechtigten Erben (auf eigene Kosten) gegen den angeblich vom Erblasser beschenkten Miterben anerkannt hat, können die dortigen Erwägungen nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Die rechtliche Stellung des Vermächtnisnehmers ist mit der eines pflichtteilsberechtigten Miterben nicht zu vergleichen.
Im Übrigen besteht auch nach Ansicht des BGH (a.a.O.) der Anspruch von vornherein nur auf Vorlage eines Wertermittlungsgutachtens, das auf Kosten des Gläubigers, nicht aber auf Kosten des Nachlasses erstellt wird.
cc) Schließlich ist auch nicht dargetan, dass sich der Kläger die Kenntnis vom Wert des Nachlasses nicht auch ohne das Wertermittlungsgutachten verschaffen könnte, zumal dieses, wie auch im Rahmen des Pflichtteilsanspruchs, für die Höhe etwaiger Ansprüche ohnehin nicht verbindlich wäre (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2004 – 1 U 206/03, ZEV 2004, 468; OLG Köln, Urteil vom 05.10.2005 – 2 U 153/04, ZEV 2006, 77; Staudinger/Herzog, a.a.O. § 2314 Rn. 269).
3. Keinen Bestand kann die Entscheidung des Landgerichts jedoch haben, soweit sogleich der Zahlungsanspruch des Klägers abgewiesen worden ist.
Die Parteien hatten, der Systematik der Stufenklage entsprechend, zunächst nur auf der Auskunfts- und Wertermittlungsstufe verhandelt. Da über die für spätere Stufen angekündigten Anträge grundsätzlich getrennt und nacheinander zu verhandeln ist (BGH, Versäumnisurteil vom 15.11.2000 – IV ZR 274/99, NJW 2001, 833; Krätzschel in: NK-Nachfolgerecht, 2. Aufl. 2019, § 254 ZPO Rn. 14), konnte eine Entscheidung über die Zahlungsstufe insoweit (noch) nicht ergehen.
Zwar kann ausnahmsweise über die Stufenklage insgesamt entschieden werden, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Leistungsanspruch die materiellrechtliche Grundlage fehlt (BGH, Urteil vom 28.11.2001 – VIII ZR 37/01; NJW 2002, 1042). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor, da das Erstgericht (lediglich) davon ausgegangen ist, dass der Antrag des Klägers den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO nicht entspreche, mithin die Klage wegen fehlender Bezifferung des Anspruchs unzulässig sei. Die Bezifferung des Zahlungsanspruchs ist dem Kläger jedoch noch bis zur Antragstellung in der Zahlungsstufe möglich, gerade dies entspricht dem Wesen der Stufenklage. Ob und in welcher Höhe er sie beziffern will, obliegt seiner Entscheidung, die er noch nicht treffen muss, solange in der Auskunftsstufe verhandelt wird, wie es hier der Fall war.
III.
1. Im Rahmen der vom Senat zu treffenden Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass durch die vollständige Klageabweisung und die umfassende Berufungseinlegung der gesamte Vermächtnisanspruch dem Senat zur Entscheidung angefallen ist.
Die Berufung des Klägers ist erfolglos, soweit Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche abgewiesen worden sind, sie ist erfolgreich, soweit er sich gegen die Abweisung seiner Zahlungsansprüche gewendet hat.
Der Senat bewertet das klägerische Interesse am (weitergehenden) Auskunftsanspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses mit 10% und im Hinblick auf die Wertermittlung mit 15%, was der im Tenor ausgeurteilten Kostenquote von ¼ zu ¾ entspricht.
Da kein Antrag der Parteien auf Übergang in die Zahlungsstufe vorlag, das Landgericht gleichwohl über sie entschieden hat, hält es der Senat für angemessen, die gerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens insoweit niederzuschlagen, als sie aus einem 35.000 € übersteigenden Streitwert im Berufungsverfahren entstehen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.