Das europäisches Nachlasszeugnis: Regelung der Erbschaft im EU-Ausland.
Durch das sogenannte europäische Nachlasszeugnis soll in einem Erbfall mit Auslandsbezug die Erbenstellung erleichtert werden, da Erben diese Erbenstellung natürlich nachweisen müssen. Das europäische Nachlasszeugnis ist dabei sehr eng an das deutsche Erbrecht angelehnt, welches ja den Erbschein als Nachweis der Erbenstellung der Nachlassempfänger kennt. Ebenso wie der Erbschein dient auch das europäische Nachlasszeugnis den Testamentsvollstreckern bzw. Nachlassverwaltern zur Durchführung des letzten Willens von dem Verstorbenen.
Welchen rechtlichen Stellenwert hat das europäische Nachlasszeugnis?
Auf der Grundlage des Artikels 63 der EU-ErbVO sichert das europäische Nachlasszeugnis sowohl die rechtliche Stellung des Vermächtnisnehmers bzw. Erben in einem Erbfall als auch die Zuweisung von bestimmten Vermögenswerten der Nachlassgeber. Das europäische Nachlasszeugnis erfüllt jedoch noch eine weitere, extrem wichtige Funktion. Es gibt der Person, die in diesem Nachlasszeugnis genannt wird, das Recht zur Testamentsvollstreckung bzw. Nachlassverwaltung.
Da es innerhalb der EU keine einheitliche Regelung gibt, welche Behörde zuständig für die Ausstellung des europäischen Nachlasszeugnisses gibt, gelten die allgemeinen Zuständigkeitsregeln. Diese richten sich für gewöhnlich nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Nachlassgebers.
Wer darf einen Antrag auf ein europäisches Nachlasszeugnis stellen?
Um einen Antrag auf ein europäisches Nachlasszeugnis zu stellen muss natürlich eine entsprechende Berechtigung vorliegen. In der gängigen Praxis gibt es drei verschiedene Personengruppen, die eine Berechtigung zur Antragsstellung bei der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes innerhalb der EU innehaben.
Diese Personengruppen sind
- die rechtmäßigen Erben
- die etwaigen Vermächtnisnehmer
- die Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker
Um einen Antrag auf das europäische Nachlasszeugnis zu stellen ist es gemäß dem Artikel 65 der EU-ErbVO erforderlich, dass gewisse Mindestangaben wie
- die Daten des Erblassers
- die Daten des Antragstellers
- der beabsichtigte Zweck des Nachlasszeugnisses
an die zuständige Behörde zu geben. Diese Behörde führt dann auf der Grundlage des Artikels 66 der EU-ErbVO die sogenannte Prüfung von Amts wegen durch. Hierzu ist die Behörde nach dem EU-Recht verpflichtet. Die Prüfung bezieht sich dabei auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der von dem Antragssteller gemachten Angaben.
Eine Behörde darf von dem Antragssteller verlangen, dass dieser die Richtigkeit der gemachten Angaben eidesstattlich versichert. Erfolgt dieser Schritt steht die ausstellende Behörde in der Pflicht, das europäische Nachlasszeugnis so schnell wie möglich bzw. unverzüglich auszustellen.
Eine ausstellende Behörde hat unter gewissen Umständen das Recht, die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses zu verweigern. Das EU-Recht schreibt diesbezüglich vor, dass die Behörde auch etwaige Einwände gegen den Antrag auf Erstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses zu prüfen hat. Liegen derartige Einwände vor oder ist die Erstellung des europäischen Nachlasszeugnisses mit anderweitigen Sachverhalten nicht vereinbar, so hat die Erstellung zu unterbleiben.
Ist das europäische Nachlasszeugnis erst einmal erteilt, so entfaltet sich seine Wirkung uneingeschränkt im Wirkungskreis aller EU-Mitgliedsstaaten. Eine weitergehende Wirksamkeitserklärung ist hierfür nicht erforderlich, allerdings muss die ausstellende Behörde jede beteiligte Person davon unterrichten, dass eine Ausstellung des europäischen Nachlasszeugnisses erfolgt ist.
Korrekturen, Änderungen und Widerrufe
Antragsberechtigte Personen haben die Möglichkeit, wenn ganz bestimmte Voraussetzungen vorliegen, auch Änderungen oder sogar einen Widerruf des europäischen Nachlasszeugnisses zu erwirken. Die rechtlichen Grundlagen hierfür sind die Artikel 71 sowie 72 der EU-ErbVO. Der Artikel 72 kommt dann zur Anwendung, wenn das europäische Nachlasszeugnis angefochten werden soll. Die Anfechtung erfolgt dann bei dem zuständigen Gericht des jeweiligen EU-Mitgliedsstaates, in welchem das europäische Nachlasszeugnis ausgestellt wurde. Überdies ist es auch möglich, die reine Wirksamkeit des europäischen Nachlasszeugnisses auszusetzen. Hierfür muss eine entsprechend berechtigte Person ein entsprechend berechtigtes Interesse an der Aussetzung nachweisen. Auch die ausstellende Behörde kann diese Aussetzung erwirken.
Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen einem deutschen Erbschein und einem europäischen Nachlasszeugnis?
Auch wenn das europäische Nachlasszeugnis und auch der deutsche Erbschein sehr viele Gemeinsamkeiten aufweisen, so gibt es dennoch Unterschiede. Diese Unterschiede bewegen sich sowohl im Bereich der Detailfragen, als auch bei generellen Grundsätzlichkeiten. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass das europäische Nachlasszeugnis lediglich eine begrenzte Gültigkeitsdauer von sechs Monaten hat, während hingegen der deutsche Erbschein unbegrenzt gültig ist.
Die reine Wirksamkeit des europäischen Nachlasszeugnisses kann selbstverständlich durch die ausstellende Behörde festgelegt werden. Dies muss von einer berechtigten Person beantragt werden. Natürlich müssen hierfür auch entsprechende Voraussetzungen vorliegen.
Ein weiterer, wesentlicher, Unterschied zwischen dem europäischen Nachlasszeugnis und dem deutschen Erbschein ist der Umstand, dass die Wirksamkeit des europäischen Nachlasszeugnisses von der Richtigkeit der getätigten Angaben abhängig ist. Der sogenannte Schutz im guten Glauben entfällt jedoch bei dem europäischen Nachlasszeugnis schon, wenn eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Bei dem deutschen Erbschein entfällt dieser Schutz erst bei einer positiven Unrichtigkeitskenntnis. Auch im Hinblick auf die Legitimation gibt es gravierende Unterschiede. Der deutsche Erbschein dient lediglich als Aussage über die Stellung des Inhabers während das europäische Nachlasszeugnis eine Ausweisfunktion auch für Nachlassverwalter bzw. Testamentsvollstrecker innehat.
Wann sollte welches Dokument beantragt werden?
Auch wenn im Tode letztlich alle Menschen gleich sind, so ist die Frage der Erbschaft nicht immer gleichlautend geklärt. Für viele Erben oder Nachlassempfänger stellt sich dann die Frage, ob ein Erbschein oder ein europäisches Nachlasszeugnis beantragt werden sollte. Diese Frage kann im Grunde genommen recht simpel geklärt werden. Bei einem Erbfall mit Auslandsbezug sollten die Erben bzw. Nachlassempfänger auf jeden Fall ein europäisches Nachlasszeugnis beantragen. Im Hinblick auf die Kostenfrage macht dies im Vergleich zu den Kosten eines Erbscheins keinen gravierenden Unterschied, da auch die Kosten eines europäischen Nachlasszeugnisses auf der Basis des Erbvermögens berechnet werden.
Es ist zwar recht simpel die Frage zu beantworten, wann ein Erbschein und wann ein europäisches Nachlasszeugnis beantragt werden sollte, doch gibt es in den verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten auch unterschiedliche Erbregelungen bzw. entsprechende steuerliche Fragen. Da das Antragsverfahren mitunter kompliziert und langwierig werden kann ist anwaltliche Hilfe in vielen Fällen angezeigt. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann in diesem Fall sehr viel schneller und auch entsprechend rechtssicher das Antragsverfahren starten und wird auch gegenüber Behörden sehr viel sicherer auftreten können. Wenn bei Ihnen ein Erbfall mit Auslandsbezug aufgetreten ist sollten Sie daher nicht in Eigenregie das ganze Prozedere starten, sondern sich vielmehr vorab erst einmal anwaltliche Beratung sichern. Wir stehen diesbezüglich sehr gern mit unserem erfahrenen und hoch kompetenten Team zu Ihrer Verfügung und geben Ihnen in dieser schwierigen Zeit sowohl außergerichtlich als auch gerichtlich Beistand. Kontaktieren Sie einfach unsere Kanzlei und vereinbaren Sie mit uns einen entsprechenden Termin, in welchem wir uns Ihrer Sache annehmen.