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Testamentarischer Erbschein ohne Testament- Überzeugungsbildung bei fehlendem Testament

Testamentarische Erbfolge trotz verlorenem Testament

In einem Erbschaftsfall hat das AG Hameln entschieden, dass ein verlorenes Testament der Ausstellung eines Erbscheins nicht entgegensteht. Grundlage ist die formgültige Erstellung des Testaments und dessen Inhalt, der durch Zeugenaussagen nachgewiesen wurde.

Direkt zum Urteil: Az.: 18 VI 135/21 springen.

Verlorenes Testament und Erbschein

Die Erblasserin hatte ein handschriftliches Testament erstellt, in dem sie eine Alleinerbin einsetzte. Dieses Testament ging verloren, als es zur Eröffnung und Beantragung eines Erbscheins beim Amtsgericht eingereicht wurde. Trotz des Verlusts der Urkunde hielt das Gericht die formgültige Erstellung und den Inhalt des Testaments für bewiesen.

Nachweis durch Zeugenaussagen

Die Antragstellerin, eine Rechtsanwältin und ein Zeuge bestätigten die Existenz und den Inhalt des Testaments. Die Antragsgegnerin konnte keinen Widerruf des Testaments nachweisen. Das Gericht entschied, dass die nicht mehr vorhandene körperliche Urkunde der Ausstellung eines Erbscheins nicht entgegensteht.

Aussetzung der sofortigen Wirksamkeit

Die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses wurde gemäß § 354 Abs. 1, 352e FamFG ausgesetzt. Damit bleibt die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt.

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Das vorliegende Urteil

AG Hameln – Az.: 18 VI 135/21 – Beschluss vom 24.02.2022

Die aufgrund des Antrags der Beteiligten zu 1 vom 17.03.2021 zur Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

Es ist beabsichtigt, den Erbschein wie beantragt zu erteilen.

Der beantragte Erbschein widerspricht aber dem erklärten Willen der Beteiligten zu 2.

Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses ist auszusetzen und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückzustellen.

Gründe

Die Antragstellerin hat beantragt, einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist. Der Antrag stützt sich auf testamentarische Erbfolge aufgrund eines Testaments, das die Erblasserin im Jahre 2017 handschriftlich erstellt und unterschrieben hat. In diesem Testament hat sie die Antragstellerin als Alleinerbin eingesetzt und bestimmt, dass die Antragsgegnerin eine Abfindung von 5.000,- Euro erhalten soll.

Die Antragstellerin hat den Antrag wie folgt begründet:

Die Erblasserin habe in dem handschriftlich verfassten und unterschriebenen Testament die Alleinerbfolge der Antragstellerin angeordnet. Das Testament sei nicht lediglich ein Entwurf, sondern gebe tatsächlich den letzten Willen der Erblasserin wieder. Das Testament habe die Erblasserin in einem Umschlag verwahrt, den sie zusätzlich mit einem Blümchenaufkleber verschlossen hatte. Um sicherzustellen, dass das Testament formgültig sei, habe sie ausdrücklich die aus Anlass eines Hausübergabevertrages anwesende Rechtsanwältin G. um Beratung gebeten. Das Testament habe sie sodann in einem Aktenordner in einer Anrichte im Wohnzimmer abgelegt.

Das Testament habe der Lebenspartner der Antragstellerin, der Zeuge F. H., in einem größeren Umschlag zusammen mit einem Anschreiben beim Amtsgericht in H. eingeworfen. In der Nachlassabteilung des Amtsgerichts sei jedoch nur das Anschreiben, nicht hingegen das in dem kleineren Umschlag befindliche Testament angekommen.

Diesem Antrag hat die Antragsgegnerin widersprochen. Sie bestreitet,

  • dass die Erblasserin im Jahr 2017 ein eigenhändiges formgültiges Testament verfasst habe,
  • den Inhalt des Testaments,
  • dass das Testament der Rechtsanwältin G. vorgelegt worden sein soll,
  • dass das Testament durch den Zeugen F. H. in den Briefkasten des Amtsgerichts Hameln eingeworfen wurde,
  • dass das Testament in einem kleinen Umschlag war, der sich in einem größeren Umschlag befand,
  • dass das Testament verloren gegangen sein soll.

Sie behauptet, dass die Erblasserin das Testament zwischen Errichtung im Jahre 2017 und dem Erbfall vernichtet oder auf sonstige Weise widerrufen habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Anhörung der Antragstellerin und der Antragsgegnerin. Es hat ferner das zu den Akten gelangte Übersendungsschreiben zum Testament vom 13.01.2021 mit Posteingangsstempel des Amtsgerichts in H. vom 14.01.2021 gewürdigt. Weiterhin hat es eine schriftliche Aussage und den Aktenvermerk der Rechtsanwältin B.-C. eingeholt, die die Antragstellerin in Zusammenhang mit dem Testament konsultiert hat. Schließlich hat das Gericht die Zeugin K. G. und den Zeugen F. H. zur Existenz und zum Inhalt des Testaments vernommen.

Hinsichtlich des Übersendungsschreibens wird auf Bl. 13 der Testamentsakte verwiesen. Hinsichtlich der schriftlichen Stellungnahme von Frau B.-C. wird auf Bl. 32 bis 39 d.A. verwiesen. Die Einzelheiten zur Anhörung der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sowie die Aussagen der Zeugen K. G. und F. H. ergeben sich aus dem Protokoll des Erörterungstermins vom 21.02.2022 (Bl. 44 ff. d.A.).

Aufgrund der Beweisaufnahme hält das Gericht folgende Tatsachen für festgestellt:

Die Erblasserin hat im Jahr 2017 ein formgültiges handschriftliches Testament erstellt und unterschrieben. Darin hat sie bestimmt, dass die Antragstellerin ihre Alleinerbin sein soll. Das Testament hat sie in einem kleinen Umschlag, verschlossen durch einen Blümchenaufkleber, bei ihren Dokumenten in einem Aktenordner verwahrt. Das Testament verblieb nicht im Entwurfsstadium, sondern stellt den letzten Willen der Erblasserin dar.

Nach dem Erbfall wollte die Antragstellerin das Testament zur Eröffnung und Beantragung eines Erbscheins beim Amtsgericht in H. abgeben. Hierzu telefonierte sie mit Rechtspflegerin N., die sie über das weitere Vorgehen aufklärte. Die Antragstellerin fertigte ein Anschreiben und steckte den mit Blümchenaufkleber verschlossenen, kleinen Umschlag mit Testament in einen größeren Umschlag. Diesen Umschlag brachte der Zeuge F. H. zum Amtsgericht in H. und steckte den Umschlag samt Testament in den Briefkasten des Amtsgerichts in H.. Da lediglich das Anschreiben in der Nachlassabteilung des Amtsgerichts angekommen ist, ist zu vermuten, dass das Testament bei der Postöffnung im großen Umschlag verblieben und zusammen mit dem großen Umschlag entsorgt wurde.

Weitere Ermittlungen sind nicht geboten.

Der Umstand, dass das Testament nunmehr nicht mehr als körperliche Urkunde vorliegt, steht der Ausstellung eines Erbscheins nicht entgegen. Maßgeblich für die Erstellung eines Erbscheins ist, dass das Nachlassgericht zur sicheren Überzeugung gelangt, dass die Erblasserin oder der Erblasser ein formgültiges Testament erstellt hat. Dies hält das Gericht aus oben geschilderten Umständen, insbesondere aufgrund der Bekundungen der Antragstellerin, der Rechtsanwältin G. und des Zeugen F. H. für bewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den Widerruf des Testaments (§ 2253 BGB) nicht bewiesen. Das Gericht hat die Antragsgegnerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihr der Beweis des Widerrufs obliegt. Die Antragsgegnerin hat – hierzu befragt – keine Umstände benannt, die einen Widerruf auch nur nahelegen könnten. Sie hat weder ein anderslautendes, späteres Testament (§ 2254 BGB) vorgelegt noch Beweis angetreten für eine willentliche Vernichtung des streitgegenständlichen Testaments (§ 2255 BGB). Vielmehr hat sie bekundet, seit 2013 keinen Kontakt mehr zur Erblasserin gehabt zu haben.

Die sofortige Wirksamkeit wird gemäß § 354 Abs. 1, 352e FamFG ausgesetzt.

 

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