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Testamentsverfügungen zugunsten Ersatzerben eines weggefallenen Schlusserben

Kammergericht Berlin entscheidet über gemeinschaftliches Testament und Enterbung

Im Fall des Kammergerichts Berlin (Az.: 6 W 155/14) vom 19. Dezember 2014 wurde entschieden, dass die Enterbung der Antragstellerin durch das eigenhändige Testament des Erblassers unwirksam ist. Der Erblasser war aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments mit seiner verstorbenen Ehefrau an einer abweichenden Testierung gehindert. Die Antragstellerin wurde nicht als Alleinerbin eingesetzt, da ihr Bruder vor Eintritt des Schlusserbfalls verstorben ist und keine klare Regelung für diesen Fall im Testament festgelegt wurde.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 W 155/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unwirksamkeit der Enterbung: Die Enterbung der Antragstellerin im eigenhändigen Testament des Erblassers ist unwirksam.
  2. Bindung durch gemeinschaftliches Testament: Der Erblasser war durch ein gemeinschaftliches Testament mit seiner verstorbenen Ehefrau gebunden.
  3. Keine Alleinerbin: Die Antragstellerin wurde nicht als Alleinerbin eingesetzt.
  4. Vorzeitiger Tod des Bruders: Der Bruder der Antragstellerin ist vor dem Schlusserbfall verstorben.
  5. Fehlende Regelung für den Wegfall des Bruders: Im Testament fehlte eine klare Regelung für den Fall des Wegfalls des Bruders.
  6. Mögliche Ersatzerben: Die Festlegung von Ersatzerben wurde nicht eindeutig getroffen.
  7. Keine Anwachsung des Erbteils: Der Erbteil des verstorbenen Bruders wuchs der Antragstellerin nicht zu.
  8. Weitere Klärung notwendig: Ein weiteres Erbscheinsverfahren ist erforderlich, um die Erbfolge vollständig zu klären.

Testamentsverfügungen zugunsten Ersatzerben eines weggefallenen Schlusserben

Im Erbrecht spielen Ersatzerben eine wichtige Rolle, wenn ein Schlusserbe wegfällt. Laut § 2094 Abs. 1 BGB werden mehrere Erben, die die gesetzliche Erbfolge ausschließen, eingesetzt. Wenn ein Schlusserbe wegfällt, kann sein Erbteil nicht automatisch auf einen Ersatzerben übergehen. Im Rahmen der Testamentsauslegung können aus Schlusserben regelmäßig keine Ersatzerben werden, da es an einer entsprechenden testamentarischen Regelung fehlt.

Um dies zu vermeiden, sollten Testierende in ihrem Testament klarstellen, wer an die Stelle eines weggefallenen Erben treten soll und einen Ersatzerben benennen. Dies kann beispielsweise durch eine Anwachsungsklausel geschehen, bei der der weggefallene Erbanteil dem verbleibenden Schlusserben anwächst. Eine weitere Möglichkeit ist die Regelung eines Vorausvermächtnisses zugunsten aller anderen Mit-erben, hilfsweise deren Ersatzerben. Es ist jedoch zu beachten, dass die Auslegung von Testamenten und die Bestimmung von Ersatzerben im Einzelfall komplex sein kann und eine individuelle rechtliche Beratung empfehlenswert ist.

Komplexe Verflechtungen im Erbfall: Das Urteil des KG Berlin

Im Zentrum des Falls, verhandelt vom Kammergericht Berlin unter dem Aktenzeichen 6 W 155/14, steht eine Auseinandersetzung um ein gemeinschaftliches Testament. Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hatten im Dezember 2002 ein solches Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben und ihre beiden Kinder als Schlusserben einsetzten. Der Knackpunkt in diesem Fall ergab sich aus der eigenhändigen Testamentsänderung des Erblassers im April 2013, durch die er seine Tochter und die Nachkommen seines verstorbenen Sohnes enterbte.

Die juristische Herausforderung: Enterbung versus gemeinschaftliches Testament

Diese Testamentsänderung warf die zentrale rechtliche Frage auf: Inwiefern konnte der Erblasser eigenmächtig das gemeinschaftlich mit seiner Ehefrau erstellte Testament ändern und seine Tochter enterben? Das Nachlassgericht sah die Enterbung als wirksam an, wohingegen das Kammergericht Berlin zu einem anderen Schluss kam. Die Richter betonten, dass die Einsetzung der Kinder als Schlusserben eine wechselbezügliche Verfügung im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB darstellte, die den Erblasser an eine abweichende Testierung und damit an die Enterbung der Tochter hinderte.

Die Rolle des Schlusserben bei vorzeitigem Tod

Ein weiteres Kernproblem des Falls war der vorzeitige Tod des Bruders der Antragstellerin, der ebenfalls als Schlusserbe eingesetzt war. Hier stellte sich die Frage, wie der Erbteil des verstorbenen Bruders behandelt werden sollte. Das Gericht wendete § 2069 BGB an, der besagt, dass bei Wegfall eines eingesetzten Erben ohne spezifische testamentarische Regelung Ersatzerben berufen werden. In diesem Fall wären das die Nachkommen des verstorbenen Bruders gewesen.

Entscheidungsgründe und ihre Bedeutung für die Erbfolge

Die endgültige Entscheidung des Gerichts war, dass die Enterbung der Tochter unwirksam war und sie nicht automatisch Alleinerbin wurde, da die Frage des Schlusserbenteils ihres Bruders durch das Fehlen einer klaren testamentarischen Regelung offenblieb. Weiterhin wurde festgelegt, dass die Enterbung des Sohnes des verstorbenen Bruders durch das Testament von 2013 wirksam war. Das Gericht wies damit beide Beschwerden der Antragstellerin ab.

Fazit: Das Urteil des Kammergerichts Berlin zeigt die Komplexität von Erbfällen auf, besonders im Kontext gemeinschaftlicher Testamente und der Rolle von Schlusserben. Es verdeutlicht die Wichtigkeit klarer testamentarischer Regelungen, um rechtliche Unklarheiten und Konflikte nach dem Erbfall zu vermeiden.

Weitere Details zum Urteil können im vollständigen Urteilstext nachgelesen werden.

✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt

Was bedeutet wechselbezügliche Verfügung im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments?

Eine wechselbezügliche Verfügung im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments bezieht sich auf Verfügungen, die ein Ehegatte nur aufgrund der Verfügung des anderen Ehegatten getroffen hat. Diese Verfügungen sind in der Regel miteinander verbunden und abhängig voneinander, was bedeutet, dass die Verfügung eines Ehegatten in der Regel nicht ohne die entsprechende Verfügung des anderen Ehegatten getroffen würde.

Ein gemeinsames Merkmal wechselbezüglicher Verfügungen ist ihre Bindungswirkung. Nach dem Tod eines der Ehegatten erlischt für den überlebenden Ehepartner das Recht zum Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen. Dies bietet Sicherheit für den zuerst verstorbenen Ehepartner, dass der überlebende Ehepartner die zentralen Verfügungen des gemeinsamen Testaments nicht ändern kann.

Ein typisches Beispiel für eine wechselbezügliche Verfügung ist, wenn Ehepartner sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und ihre Kinder als Erben des zuletzt Verstorbenen bestimmen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Nichtigkeit oder der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen Verfügung zur Folge hat. Darüber hinaus kann ein einseitiger Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung durch einen Ehegatten nur unter bestimmten Bedingungen erfolgen.

Wenn die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung nicht ausdrücklich im Testament festgelegt ist, ist die gesetzliche Auslegungsregel maßgebend. Danach ist eine wechselbezügliche Verfügung im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

Inwiefern ist die Enterbung in einem eigenhändigen Testament rechtlich wirksam?

Eine wechselbezügliche Verfügung im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments bezieht sich auf Verfügungen, die ein Ehegatte nur aufgrund der Verfügung des anderen Ehegatten getroffen hat. Diese Verfügungen sind in der Regel miteinander verbunden und abhängig voneinander, was bedeutet, dass die Verfügung eines Ehegatten in der Regel nicht ohne die entsprechende Verfügung des anderen Ehegatten getroffen würde.

Ein gemeinsames Merkmal wechselbezüglicher Verfügungen ist ihre Bindungswirkung. Nach dem Tod eines der Ehegatten erlischt für den überlebenden Ehepartner das Recht zum Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen. Dies bietet Sicherheit für den zuerst verstorbenen Ehepartner, dass der überlebende Ehepartner die zentralen Verfügungen des gemeinsamen Testaments nicht ändern kann.

Ein typisches Beispiel für eine wechselbezügliche Verfügung ist, wenn Ehepartner sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen und ihre Kinder als Erben des zuletzt Verstorbenen bestimmen.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Nichtigkeit oder der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen Verfügung zur Folge hat. Darüber hinaus kann ein einseitiger Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung durch einen Ehegatten nur unter bestimmten Bedingungen erfolgen.

Wenn die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung nicht ausdrücklich im Testament festgelegt ist, ist die gesetzliche Auslegungsregel maßgebend. Danach ist eine wechselbezügliche Verfügung im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

Welche Rolle spielt § 2271 Abs. 2 BGB bei der Testamentsänderung nach dem Tod eines Ehepartners?

§ 2271 Abs. 2 BGB spielt eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob und inwieweit der überlebende Ehepartner nach dem Tod des anderen Ehepartners ein gemeinschaftliches Testament ändern kann. Nach dieser Vorschrift erlischt das einseitige Widerrufsrecht des überlebenden Ehepartners mit dem Tod des anderen Ehepartners, wenn es sich um bindende wechselbezügliche Verfügungen handelt. Das bedeutet, dass der überlebende Ehepartner die im Testament getroffenen Verfügungen nicht mehr einseitig ändern kann, wenn diese Verfügungen wechselbezüglich und damit bindend sind.

Eine wechselbezügliche Verfügung liegt vor, wenn die Verfügungen der Ehepartner so miteinander verbunden sind, dass die eine Verfügung ohne die andere nicht getroffen worden wäre. Typischerweise trifft dies auf das sogenannte Berliner Testament zu, bei dem sich die Ehepartner gegenseitig als Alleinerben einsetzen und gemeinsame Kinder oder Dritte als Schlusserben nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehepartners.

Die Bindungswirkung, die durch § 2271 Abs. 2 BGB entsteht, soll die wechselbezüglichen Verfügungen der Ehepartner vor einseitigen Änderungen durch den überlebenden Ehepartner schützen. Dies dient dem Schutz des Erblasserwillens und der Sicherheit der Schlusserben, die in der Regel die Kinder sind. Eine Änderung des Testaments nach dem Tod eines Ehepartners ist daher nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen möglich, beispielsweise durch Anfechtung oder wenn das Testament eine ausdrückliche Änderungsbefugnis vorsieht.

Was geschieht mit dem Erbteil, wenn ein Schlusserbe vor dem Erbfall verstirbt?

Wenn ein Schlusserbe vor dem Erbfall verstirbt, also bevor der Erblasser stirbt, hängt das Schicksal des Erbteils von den Regelungen im Testament oder Erbvertrag ab. In einem Berliner Testament beispielsweise setzen sich Ehepartner gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen ihre Kinder als Schlusserben, die erst nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehepartners erben sollen.

Stirbt ein Schlusserbe vor dem letzten Elternteil, so wird der überlebende Ehepartner für den frei werdenden Anteil am Erbe von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments oder Erbvertrags nicht mehr gebunden, es sei denn, es wurden Ersatzerben bestimmt. Das bedeutet, dass der überlebende Ehepartner in diesem Fall die Möglichkeit hat, über den frei gewordenen Erbteil neu zu verfügen, sofern keine Ersatzerbenregelung getroffen wurde.

Falls im Testament oder Erbvertrag keine Regelung für den Fall des Vorversterbens eines Schlusserben getroffen wurde, kann der überlebende Ehegatte testamentarische Verfügungen treffen, die den frei gewordenen Erbteil neu zuweisen. Wenn Ersatzerben benannt wurden, treten diese an die Stelle des vorverstorbenen Schlusserben.

Die konkrete Erbfolge und wer letztendlich den Erbteil des vorverstorbenen Schlusserben erhält, muss durch Auslegung des Testaments oder Erbvertrags ermittelt werden. Dabei ist der Wille des Erblassers maßgeblich. Ist keine entsprechende Regelung vorhanden und wurden keine Ersatzerben eingesetzt, kann es dazu kommen, dass der überlebende Ehepartner oder andere Erbberechtigte durch gesetzliche Erbfolge oder neue testamentarische Bestimmungen über den Nachlass verfügen können.

Wie wird entschieden, wer als Ersatzerbe in einem Testament berufen ist?

Die Entscheidung, wer als Ersatzerbe in einem Testament berufen ist, trifft der Erblasser selbst durch eine entsprechende testamentarische Anordnung. Ein Ersatzerbe tritt an die Stelle des ursprünglich eingesetzten Erben, falls dieser vor oder nach dem Erbfall wegfällt, beispielsweise durch Vorversterben oder Ausschlagung der Erbschaft.

Die Bestimmung eines Ersatzerben im Testament dient dazu, die gesetzliche Erbfolge zu vermeiden, falls der ursprünglich eingesetzte Erbe nicht zur Erbfolge berufen sein kann. Ohne eine solche Bestimmung würde im Falle des Wegfalls eines Erben die gesetzliche Erbfolge greifen oder der Erbteil des weggefallenen Erben würde den übrigen Miterben anwachsen.

Die Ersatzerbenanordnung kann umfassend für alle möglichen Gründe des Wegfalls eines Erben erfolgen, und der Erblasser kann auch mehrere Ersatzerben nebeneinander oder nacheinander berufen. Es ist auch möglich, dass sich eine Ersatzerbschaft unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, wenn keine ausdrückliche Ersatzerbschaft bestimmt wurde, aber die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Falls das Testament keine klare Regelung enthält, wer als Ersatzerbe berufen ist, muss durch Auslegung des Testaments ermittelt werden, ob und welche Person der Erblasser als Ersatzerben bestimmen wollte. Ist dies nicht möglich, kann es zu einer Anwendung der gesetzlichen Erbfolge kommen. In Zweifelsfällen, wenn beispielsweise unklar ist, ob jemand als Ersatzerbe oder als Nacherbe eingesetzt ist, gilt die Person gemäß § 2102 Abs. 2 BGB als Ersatzerbe.

Es ist wichtig, dass der Erblasser bei der Bestimmung von Ersatzerben klare und eindeutige testamentarische Regelungen trifft, um zu vermeiden, dass in Zweifelsfällen ungewollte gesetzliche Folgen eintreten oder die Auslegung durch die Rechtsprechung notwendig wird.

Welche rechtlichen Folgen hat die Anwendung von § 2069 BGB auf die Erbfolge?

Die Anwendung von § 2069 BGB hat bestimmte rechtliche Folgen für die Erbfolge. Dieser Paragraph des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) regelt die sogenannte Ersatzerbfolge. Wenn der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat und dieser nach der Errichtung des Testaments wegfällt, treten im Zweifel dessen Abkömmlinge an seine Stelle.

Die Anwendung von § 2069 BGB kann jedoch zu Meinungsstreitigkeiten führen, insbesondere in Bezug auf die Frage, ob die Ersatzberufung bezüglich des weggefallenen Schlusserben ebenfalls wechselbezüglich ist. Einige Gerichtsentscheidungen haben diese Ansicht unterstützt, während andere sie abgelehnt haben.

Es ist auch zu beachten, dass § 2069 BGB nicht analog auf entfernte Verwandte angewendet werden kann. Wenn das Testament keine ausdrückliche Erbeinsetzung enthält und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Ersatzerben die Kinder des weggefallenen Erben sein sollten, kann die Ersatzerbfolge nicht in Betracht gezogen werden.

In einigen Fällen kann die Anwendung von § 2069 BGB zu einer Bindungswirkung führen, was bedeutet, dass der überlebende Ehegatte an die testamentarische Verfügung gebunden ist. Wenn jedoch die Auslegung im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit zu keinem Ergebnis führt, kommt § 2270 Abs. 2 BGB zur Anwendung.

Es ist auch wichtig zu beachten, dass die Anwendung von § 2069 BGB bei der Ausschlagung einer Erbschaft berücksichtigt werden muss. Wenn der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat und dieser die Erbschaft ausschlägt, treten im Zweifel dessen Abkömmlinge an seine Stelle.

Insgesamt hängen die rechtlichen Folgen der Anwendung von § 2069 BGB stark von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab, einschließlich der genauen Formulierung des Testaments und der Beziehungen zwischen den beteiligten Personen.


Das vorliegende Urteil

KG Berlin – Az.: 6 W 155/14 – Beschluss vom 19.12.2014

Die Beschwerden der Antragstellerin vom 27. Mai 2014 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 24. April 2014 und vom 24. September 2014 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 01. September 2014 (früheres Az. 6 W 160/14) werden auf ihre Kosten bei einem Beschwerdewert von 100.000 € zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist die gemeinsame Tochter des Erblassers und seiner im März 2008 vorverstorbenen Ehefrau.

Mit gemeinschaftlichen Testament vom 16. Dezember 2002, auf das Bezug genommen wird (Beiakte 62 IV 244/13 Bl. 19/20), haben sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und ihre gemeinsamen Kinder, die Antragstellerin und deren am 02. August 2008 verstorbenen Bruder als Schlusserben eingesetzt.

Unter dem 29. April 2013 hat der Erblasser ein eigenhändiges Testament erstellt und in amtliche Verwahrung gegeben. Mit dieser letztwilligen Verfügung hat er die Antragstellerin und deren Sohn sowie den Sohn seines verstorbenen Sohnes enterbt. Dieser hat am 28. August 2008 die Erbschaft nach seinem Vater ausgeschlagen (begl. Kopie Bl. 10 d.A.). Wegen der weiteren Verfügungen des Erblassers, in denen auch sein Bruder, der Beteiligte zu 2., erwähnt wird, wird auf das Testament vom 29. April 2013 (Beiakte 62 IV 244/13, Bl. 16/17) verwiesen.

Die Antragstellerin hat mit notarieller Erbscheinsverhandlung vom 29. November 2013 unter Hinweis darauf, dass ihr unter dem 26. November 2008 ein Erbschein als Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Bruder erteilt worden ist, die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin nach ihrem Vater ausweist. Mit Schreiben des beurkundenden Notars vom 01. März 2014 hat sie hilfsweise beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie und ihren verstorbenen Bruder als Miterben zu gleichen Teilen ausweist.

Das Nachlassgericht hat die Anträge mit Beschluss vom 24. April 2014, dem beurkundenden Notar zugegangen am 28. April 2014, zurückgewiesen. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbe-vollmächtigten vom 27. Mai 2014, per Fax eingegangen am selben Tag, hat die Antragstellerin Beschwerde erhoben, mit der sie ihren Hauptantrag weiterverfolgt und hilfsweise beantragt, ihr einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, der sie und den Sohn des verstorbenen Sohnes des Erblassers je zu 1/2 als Erben ausweist.

Mit Beschluss vom 01. September 2014, zugestellt am 04. September 2014 hat das Nachlass-gericht der Beschwerde betreffend den Hauptantrag nicht abgeholfen und den geänderten Hilfsantrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 24. September 2014, beim Nachlassgericht eingegangen am selben Tag, der das Nachlassgericht mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerden der Antragstellerin sind gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig, sie sind jeweils form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache bleiben die Beschwerden jedoch ohne Erfolg, denn die Zurückweisung der Erbscheinsanträge durch das Nachlassgericht erfolgte im Ergebnis zu Recht:

1. Beschwerde vom 27. Mai 2014 gegen die Zurückweisung des Hauptantrages:

Die Zurückweisung des Hauptantrages – Erteilung eines Erbscheins, der die Antragstellerin als Alleinerbin ausweist – erfolgte zu Recht, weil die Antragstellerin nicht Alleinerbin geworden ist.

a) Allerdings folgt der Senat der angefochtenen Entscheidung nicht, soweit das Nachlassgericht die Enterbung der Antragstellerin durch das eigenhändige Testament des Erblassers vom 29. April 2013 für wirksam erachtet.

Erblasser war aufgrund des gemeinschaftlich mit seiner vorverstorbenen Ehefrau errichteten Testaments vom 16. Dezember 2002 i.V.m. § 2271 Abs. 2 BGB an einer abweichenden Testierung und damit an einer Enterbung der Antragstellerin gehindert, weil die Einsetzung der Antragstellerin als Schlusserbin eine wechselbezügliche Verfügung im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB darstellt, die den überlebenden Ehegatten bindet.

Der Erblasser und seine im März 2008 vorverstorbene Ehefrau hatten unter dem 16. Dezember 2002 ein Testament errichtet, indem sie sich gegenseitig zu Alleinerben und ihre beiden gemeinsamen Kinder zu Schlusserben des Letztversterbenden bestimmt haben (§ 2269 Abs. 1 BGB).

Richtig ist zwar, dass allein die Tatsache, dass Ehegatten gemeinschaftlich testieren, die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen noch nicht zu begründen vermag (BGH NJW-RR 1987, 1410 – 1411, zitiert nach juris, dort Rdz. 11), sondern dass die Wechselbezüglichkeit für jede Verfügung gesondert durch Auslegung zu ermitteln ist (BGH a.a.O. Rdz. 10/14). Weiter ist zutreffend, dass ein Elternteil sich regelmäßig nicht nur deshalb dazu veranlasst sieht, die gemeinsamen Kinder als Erben einzusetzen, weil auch der andere Ehegatte dies tut. Dies stellt sich jedoch dann anders dar – und dies wird vorliegend vom Nachlassgericht außer Acht gelassen – wenn man die Einsetzung der Kinder als Schlusserben durch den einen Ehegatten im Verhältnis zu der Einsetzung dieses Ehegatten als Alleinerbe nach dem Erstversterbenden untersucht. Denn dann drängt die Interessenlage die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB geradezu auf, weil ein Ehegatte die mit der Einsetzung des anderen Ehegatten zum Alleinerben verbundene Enterbung der gemeinsamen Kinder regelmäßig nur im Hinblick darauf in Kauf nehmen wird, dass diese Kinder durch den anderen Ehegatten zugleich als Schlusserben eingesetzt werden und sie so jedenfalls im zweiten Erbgang am Familienvermögen teilhaben können. Es entspricht deshalb durchgehend obergerichtlicher Rechtsprechung, dass derartige Verfügungen zueinander wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB sind (OLG Köln ZErb 2014, 118, zitiert nach juris, dort LS. 1 und Rdz. 16; OLG Schleswig FamRZ 2014, 1486 – 1487, zitiert nach juris, dort Rdz. 22; OLG Brandenburg ErbR 2014, 441 – 444, zitiert nach juris, dort Rdz. 31; OLG München NJW-RR 2012, 338 – 341, zitiert nach juris, dort Rdz. 28/29; vgl. auch BGH NJW 2002, 1126 – 1127, zitiert nach juris, dort Rdz. 8). Auch die von dem Nachlassgericht zitierten Ausführungen von Musielak in MüKo, BGB, 6. Auflage 2013, § 2270 Rdnr. 12 sowie die Entscheidung des OLG München (NJW – RR 2011, 227 ff) stützen seine abweichende Auffassung nicht.

b) Bei diesem Auslegungsergebnis bleibt es auch, wenn man vorliegend den weiteren Text des gemeinschaftlichen Testaments vom 16. Dezember 2002 einbezieht. Denn die in dem Testament enthaltene wechselseitige Bestätigung, dass der überlebende Ehegatte das Recht haben soll, Haus und Wohnung zu verkaufen, betrifft nicht nur seinem Wortlaut, sondern auch seinem Sinn nach lediglich Verfügungen unter Lebenden und soll dem überlebenden Ehegatten nicht auch eine abweichende letztwillige Verfügung ermöglichen (vgl. dazu OLG München a.a.O. Rdz. 31; OLG Schleswig a.a.O. Rdz. 23 ff; OLG Köln a.a.O. LS. 2 und Rdz. 16; OLG Brandenburg a.a.O. Rdz. 32 ff; OLG Hamm Erbrecht effektiv 2011, 181, zitiert nach juris, dort Rdz. 35 ff).

Die Enterbung der Antragstellerin im eigenhändigen Testament des Erblassers vom 29. April 2013 ist damit ohne Wirkung geblieben.

c) Allerdings ist die Antragstellerin nicht Alleinerbin geworden, denn ihr ist nicht auch gemäß § 2094 Abs. 1 Satz 2 BGB der hälftige Schlusserbenanteil ihres am 02. August 2008 – und damit vor Eintritt des Schlusserbfalls – verstorbenen Bruders angewachsen.

aa) Die Frage, wer im Falle eines vorzeitigen Wegfalls des Erben in dessen Stellung nachrückt, ist regelmäßig durch Auslegung der letztwilligen Verfügung zu ermitteln, wobei Ziel der Auslegung die Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens der Erblasser ist. Insofern ist vorliegend zu fragen, welche Regelung die Ehegatten bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments für den Fall des Wegfalls des Sohnes vor Eintritt des Schlusserbfalls getroffen hätten. In Betracht käme alternativ die Einsetzung der dann verbliebenen Antragstellerin als alleinige Schlusserbin oder aber die Einsetzung des im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits lebenden Enkels als Ersatzerben. Da das Testament für keine dieser Varianten einen hinreichenden Anhaltspunkt gibt und das Recht des Ersatzerben gemäß § 2099 BGB dem Anwachsungsrecht vorgeht, kommt vorliegend die Regelung des § 2069 BGB zur Anwendung, die auch bei Wegfall eines eingesetzten Schlusserben in einem gemeinschaftlichen Testament entsprechende Anwendung finden kann (so BGH FamRZ 2002, 747 – 749, zitiert nach juris, dort Rdz. 11; vgl. auch OLG München NJW-RR 2012, 9 – 10, zitiert nach juris, dort Rdz. 10).

bb) Danach wäre der Beteiligte zu 3. als Abkömmling des weggefallenen Schlusserben zum Ersatzerben neben der Antragstellerin als Schlusserbe berufen, wenn nicht die Enterbung des Sohnes in dem handschriftlichen Testament des Erblassers vom 29. April 2013 wirksam wäre. Dies ist wiederum von der Frage abhängig, ob der Erblasser aufgrund einer mit dem Tod seiner Ehefrau eingetretenen Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments auch an einer Enterbung des als Ersatzerben berufenen Enkels gehindert war. Diese Frage ist zu verneinen. Da sich die Ersatzerbenberufung vorliegend nicht durch eine individuelle Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments, sondern allein aufgrund der Anwendung der Zweifelsregelung des § 2069 BGB ermitteln ließe, kommt eine Bindungswirkung nach ständiger Rechtsprechung (BGH a.a.O., dort LS und Rdz. 17; OLG Schleswig FamRZ 2014, 248 – 250, zitiert nach juris, dort Rdz. 32; ders. FamRZ 2011, 66 – 68, zitiert nach juris, dort Rdz. 15) nicht in Betracht.

cc) Rechtsfolge des Wegfalls des Ersatzerben ist jedoch nicht die Anwachsung dieses Teils der Erbschaft bei der Beklagten, etwa weil sie Alleinerbin nach ihrem Bruder geworden war. Da der Erblasser nach dem Tod des Sohnes hinsichtlich dessen hälftigen Nachlassteils von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments frei geworden ist, stand es ihm frei, insoweit auch – wie im Testament vom 29. April 2013 geschehen – die Enterbung der Antragstellerin anzuordnen und damit die Anwachsung zu verhindern.

Die Klärung der Frage, ob die Benennung des Bruders des Erblassers und/oder des Tierheims in dem Testament vom 29. April 2013 als Erbeinsetzung auf den durch den Wegfall des Sohnes als Schlusserbe frei gewordenen hälftigen Erbteil auszulegen ist, bleibt einem weiteren Erbscheinsverfahren vorbehalten. Für die Auslegung des Testaments vom 29. April 2014 fehlt es derzeit, weil der Gesamtnachlasswert nicht bekannt ist, an einer ausreichenden Grundlage. Zudem müsste auch die Möglichkeit, dass der Bruder, ggf. zusammen mit weiteren Verwandten, kraft gesetzlicher Erbfolge berufen sein könnte, bedacht werden.

2. Beschwerde vom 24. September 2014 gegen die Zurückweisung des geänderten Hilfsantrages:

Die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Hilfsantrages auf Erteilung eines Erbscheins, der die Antragstellerin und ihren Neffen als Erben je zur Hälfte ausweist, ist auf der Grundlage vorstehender Ausführungen -wirksamer Widerruf der Ersatzerben-berufung des Sohnes des vorverstorbenen Sohnes durch das eigenhändige Testament vom 29. April 2013- ebenfalls unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61, 40 GNotKG; der Senat hat den Wert des Gesamtnachlasses im Hinblick auf die Angaben in dem Testament vom 29. April 2013 auf 100.000,00 € geschätzt, weil Angaben zum Nachlasswert im Erbscheinsantrag fehlen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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