Skip to content

Abweisung Nachlassinsolvenzantrag mangels Masse – Kostenauferlegung

Komplexes Erbrecht: Miterbin muss für Kosten des abgewiesenen Nachlassinsolvenzantrags aufkommen

Die juristische Welt ist oftmals schwer zu verstehen, insbesondere wenn es um komplexe Erbschaftsangelegenheiten geht. Ein Urteil des Amtsgerichts Hannover, Aktenzeichen: 903 IN 155/20 – 9, vom 18. September 2020, befasst sich mit genau solch einem komplizierten Fall und bietet eine interessante Einsicht in die Mechanismen des Erbrechts.

Die Vorgeschichte: Ein Antrag auf Nachlassinsolvenz

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 903 IN 155/20 – 9 >>>

Die Miterbin stellte einen zulässigen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Dieser basierte auf den Paragraphen 315 ff., 26 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO). Das Gericht stellte durch Untersuchungen fest, dass tatsächlich ein Eröffnungsgrund gemäß § 320 InsO vorlag. Dieser ergibt sich aus der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Nachlasses. Allerdings war kein Nachlassvermögen vorhanden, das die Verfahrenskosten nach § 54 InsO decken würde. Diese Ergebnisse wurden auch von einem vom Gericht bestellten Sachverständigen bestätigt.

Die Streitfrage: Wer zahlt die Verfahrenskosten?

Die Frage, wer als „kostenrechtlicher Entscheidungsschuldner“ im Falle der Abweisung eines Antrags auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse gilt, wird in der Rechtsprechung nur selten erörtert und von den wenigen sich explizit dazu äußernden Stimmen uneinheitlich beantwortet. Teils wird vertreten, dem Nachlass die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Entscheidung: Kostenauferlegung auf die Miterbin

Das Gericht in Hannover schloss sich der Ansicht an, dass bei Abweisung des Nachlassinsolvenzantrags mangels Masse dem antragstellenden Erben einschränkungslos die Kosten aufzuerlegen sind. Sie ist als verfahrensmäßig Unterliegende die richtige Entscheidungsschuldnerin. Dies ist zudem gerechtfertigt, da die Antragstellung auf Nachlassinsolvenz nicht nur eine Interessenwahrnehmung zum Schutz des Eigenvermögens ist, sondern auch ein Akt der Verwaltung des Nachlasses darstellt.

Haftungsbeschränkung und Nachlassverwaltung

Die Haftungsbeschränkung auf das Nachlassvermögen wird ebenfalls nicht von diesem System zur Haftungsbeschränkung des Erben unterstützt. Die Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft haften bei Aktiv- als auch Passivprozessen, die den Nachlass als Gesamthandsvermögen betreffen, für die Prozesskosten mit ihrem persönlichen Vermögen. Dies gilt auch, wenn der Nachlassgläubiger keine Gesamtschuldklage stellt.

Die vielschichtige und komplexe Natur des Erbrechts zeigt sich einmal mehr in diesem Fall. Dabei ist es essenziell, nicht nur die juristischen Aspekte, sondern auch die persönlichen und finanziellen Auswirkungen einer Erbschaft zu berücksichtigen, um informierte Entscheidungen treffen zu können. […]


Das vorliegende Urteil

AG Hannover – Az.: 903 IN 155/20 – 9 – Beschluss vom 18.09.2020

In dem Insolvenzantragsverfahren wird der Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens – mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse – a b g e w i e s e n.

Es wird die Eintragung der Erblasserin in das Schuldnerverzeichnis angeordnet.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auf bis zu € 500,- festgesetzt.

Gründe

I. Die Abweisung des zulässigen Antrages der Miterbin auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens beruht auf den §§ 315 ff., 26 Abs. 1 InsO. Die durchgeführten Ermittlungen des Gerichts haben ergeben, dass zwar ein Eröffnungsgrund nach § 320 InsO vorliegt (Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Nachlasses), aber kein Nachlassvermögen vorhanden ist, welches die Verfahrenskosten nach § 54 InsO decken würde. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des vom Gericht bestellten Sachverständigen Rechtsanwalt M. B.

II. Die Eintragung der Erblasserin in das Schuldnerverzeichnis hat gemäß § 26 Abs. 2 InsO i. V. m. § 882b ZPO zu erfolgen.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 4 InsO, 91 Abs. 1 ZPO.

1. Wird ein Insolvenzeröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen, hat das Insolvenzgericht (auch) über die Kosten des Insolvenzeröffnungsverfahrens zu entscheiden. Mangels einer ausdrücklichen Kostenregelung in der Insolvenzordnung selbst folgt dies über die Verweisungsnorm des § 4 InsO aus den §§ 91 Abs. 1, 308 Abs. 2 ZPO (vgl. nur Herzig in: Braun, InsO, 8. Aufl. 2020, § 26 Rn. 43; Farian: BeckOK InsO, 20. Ed. 15.07.2020, § 26 Rn. 29; Vallender in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 26 Rn. 38).

2. Die Verfahrenskosten sind hiernach der mit ihrem Eröffnungsantrag scheiternden Antragstellerin aufzuerlegen.

a) Wer der richtige kostenrechtliche Entscheidungsschuldner im Falle der Abweisung eines Erbenantrags auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens mangels Masse ist, wird in Rechtsprechung und juristischem Schrifttum allerdings nur vereinzelt erörtert und von den wenigen sich explizit dazu äußernden Stimmen auch noch uneinheitlich beantwortet. Teilweise wird vertreten, dem Nachlass die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. AG Göttingen, Beschl. v. 09.05.2017, 74 IN 79/17, Rn. 6 – juris; Roth in: Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch Nachlassinsolvenzverfahren, 2. Aufl. 2018, S. 116; Staufenbiel/Brill ZinsO 2012, 1395, 1400). Andere sehen als Kostenschuldner den Erben an, der unbeschränkt mit seinem persönlichen Vermögen hafte (vgl. Greiner ZinsO 2020, 341, 342 f.; zumindest im Ergebnis ebenso; Horn in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1900 Rn. 3). Nach dritter vermittelnder Ansicht soll der antragstellende Erben für die Verfahrenskosten nur beschränkt mit dem Nachlassvermögen haften (vgl. Herzog in: BeckOGK, Stand 01.06.2020, BGB § 1975 Rn. 192.1, anders aber bei BGB § 1990 Rn. 34).

b) Das Gericht schließt sich der Ansicht an, der zufolge bei Abweisung des Nachlassinsolvenzantrages mangels Masse dem antragstellenden Erben einschränkungslos die Kosten aufzuerlegen sind; er ist als verfahrensmäßig Unterliegender richtiger Entscheidungsschuldner.

aa) Gegen die Sichtweise, Kostenschuldner sei der Nachlass selbst, spricht systematisch, dass Adressat der gerichtlichen Kostenentscheidung stets ein Rechtssubjekt sein muss, gleich mit welcher Vermögensmassen es haftet. Prozessrechtlich ergibt sich dies aus den §§ 91 bis 97 ZPO, wonach Kostenträger nur die beteiligten „Parteien“ sein können (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 91 Rn. 2 f.; Flockenhaus in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 91 Rn. 5). Auf das Insolvenzverfahren nach § 4 InsO übertragen sind dies die Verfahrensbeteiligten. Auch für den kostenrechtlichen Entscheidungsschuldner im Sinne von § 29 Nr. 1 GKG wird angenommen, dass dieser nur ein Verfahrensbeteiligter sein kann (vgl. Dörndorfer in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 4. Aufl. 2019, § 29 Rn. 4; Volpert in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Aufl. 2017, GKG § 29 Rn. 16).

Diese Eigenschaft weist der Nachlass nicht auf. Ausgehend von seiner Insolvenzfähigkeit nach § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO ist das Nachlassvermögen als Sonderhaftungsmasse zwar das Objekt des Nachlassinsolvenzverfahrens. Der Nachlass hat jedoch mangels Rechtsfähigkeit keine Rechtssubjektqualität (vgl. Marotzke in: Heidelberger Kommentar z. InsO, 10. Aufl. 2020, Vorb. zu §§ 315-334 Rn. 9; Ringstmeier in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl. 2020, § 315 Rn. 8; Lüer/Weidmüller in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 315 Rn. 11). Er ist nur in verschiedener Hinsicht rechtlich verselbständigtes Sondervermögen des Erben (vgl. Lohmann in: BeckOK BGB, 55. Ed. 01.08.2020, § 2032 Rn. 5). Verfahrensbeteiligter des Nachlassinsolvenzverfahrens ist beim Erbenantrag mithin der Erbe selbst als Träger des Nachlasses; ihm kommt die verfahrensrechtliche Schuldnerrolle zu (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 17.05.2004, 86 T 312/04, Rn. 4 – juris; Marotzke in: Heidelberger Kommentar z. InsO, 10. Aufl. 2020, Vorb. zu §§ 315-334 Rn. 7; Ringstmeier in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl. 2020, § 315 Rn. 8 ff.; Windel in: Jaeger, InsO, 1. Aufl. 2020, § 315 Rn. 66; Vuia in: Münchener Kommentar z. InsO, 4. Aufl. 2019, § 11 Rn. 64; Lüer/Weidmüller in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 315 Rn. 11; Böhm in: Schmidt, Hamburger Kommentar z. InsO, 7. Aufl. 2019, Vorb. zu §§ 315 ff. InsO Rn. 13 und § 317 Rn. 3; Wimmer in: Frankfurter Kommentar z. InsO, 9. Aufl. 2018, Vorb. vor §§ 315 ff. InsO Rn. 29 ff.; aA LG Göttingen, Beschl. v. 10.10.2000, 10 T 128/00 = ZinsO 2000, 619; Roth in: Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch Nachlassinsolvenzverfahren, 2. Aufl. 2018, S. 49 ff.; Staufenbiel/Brill ZinsO 2012, 1395, 1399; abweichend auch OLG Köln, Beschl. v. 14.04.2005, 2 Wx 43/04, Rn. 7 – juris: Verfahrensrechtliche Schuldnerstellung erst mit Eröffnung des Verfahrens).

Dieses Verständnis zur Verfahrensbeteiligung des Erben als Insolvenzschuldner entsprach bereits zum Nachlasskonkurs (§§ 214 – 235 KO) der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. RG, Urt. v. 07.04.1913, 603/12 IV = JW 1913, 752, 753; BGH, Urt. v. 16.05.1969, V ZR 86/68, Rn. 12 – juris). Aus der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass für die Insolvenzordnung die Differenzierung zwischen Verfahrensobjekt und -subjekt beibehalten werden sollte. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/2443, S. 229): „Die geltenden Regeln des Nachlaßkonkurses und des Nachlaßvergleichs werden vielmehr lediglich an die neue Struktur des neuen Insolvenzverfahrens angepaßt.“ Mit der Strukturangleichung gemeint war u.a. die Anerkennung von Zahlungsunfähigkeit und drohender Zahlungsunfähigkeit als Eröffnungsgründe und das Antragsrecht auch für nachrangige Nachlassgläubiger entgegen § 219 KO, nicht aber eine Modifizierung hinsichtlich des Verfahrenssubjektes. Auch wenn in der Gesetzesbegründung irreführend der Nachlass an einzelnen Stellen als Schuldner bezeichnet wird (vgl. BT-Drs. 12/2443, S. 113 und 231), so ist dies doch jeweils nur in Anführungszeichen geschehen. Damit sollte offenbar dem auch vom Gesetzgeber gesehenen Unterschied zwischen beteiligter Person und Haftungsmasse (knapper) Ausdruck verliehen werden (vgl. Marotzke in: Heidelberger Kommentar z. InsO, 10. Aufl. 2020, Vorb. zu §§ 315-334 Rn. 8; Ringstmeier in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl. 2020, § 315 Rn. 8; Windel in: Jaeger, 1. Aufl. 2020, § 315 Rn. 66; Wimmer in: Frankfurter Kommentar z. InsO, 9. Aufl. 2018, Vorb. vor §§ 315 ff. InsO Rn. 29; aA Roth in: Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch Nachlassinsolvenzverfahren, 2. Aufl. 2018, S. 50 ff.; Herzog in: BeckOGK, Stand 01.06.2020, BGB § 1975 Rn. 192.1).

bb) Die Kostenhaftung des Erben ist auch nicht auf das Nachlassvermögen zu beschränken.

Der Umstand, dass Gegenstand des Nachlassinsolvenzverfahrens nur das Nachlassvermögen ist, führt nicht dazu, eine Kostenhaftung des Erben mit seinem eigenen (sonstigen) Vermögen als ausgeschlossen anzusehen (aA Herzog in: BeckOGK, Stand 01.06.2020, BGB § 1975 Rn. 192.1). Zwar bezieht sich der Insolvenzantrag des Erben nach § 317 InsO nicht auf sein (seinen Erbteil einschließendes) Eigenvermögen. Anders als der Antrag des Nachlassverwalters, Testamentsvollstreckers oder Nachlasspflegers, die den Antrag als Amtswalter bzw. gesetzlicher Erbenvertreter stellen, ist die Antragstellung des Erben dennoch eine „persönliche“, weil sie auf seiner Eigenschaft als Träger des Nachlasses beruht (aA Windel in: Jaeger, InsO, 1. Aufl. 2020, § 315 Rn. 66). Das Nachlassinsolvenzverfahren ist daher Sonderinsolvenz des Erben (vgl. Siegmann/Scheunig in: Münchener Kommentar z. InsO, 4. Aufl. 2020, Vorb. vor §§ 315 bis 331 Rn. 1; Wimmer in: Frankfurter Kommentar z. InsO, 9. Aufl. 2018, Vorb. vor §§ 315 ff. InsO Rn. 12; Hess in: Hess, Kölner Kommentar z. InsO, § 11 Rn. 158).

Überdies ist die Insolvenzantragstellung des Erben trotz der ihm dadurch möglicherweise zugutekommenden Haftungsbeschränkung nach den §§ 1975, 1990 BGB nicht ausschließlich eigene Interessenwahrnehmung zum Schutz seines Eigenvermögens, was den Einsatz eigener Mittel für sich rechtfertigt (vgl. Fridgen NZI 2017, 575, 576), sondern (auch) ein Akt der Verwaltung des Nachlasses. Aufgrund dessen sind die durch die Insolvenzantragstellung ausgelösten Kosten sog. Nachlasserbenschulden, für die der Erbe mit seinem eigenen Vermögen einzustehen hat (vgl. Roth in: Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch Nachlassinsolvenzverfahren, 2. Aufl. 2018, S. 116). Eine Nachlasserbenschuld entsteht durch eigenhändiges Handeln des Erben bei der Verwaltung des Nachlasses, sei es durch ein rechtsgeschäftliches Handeln, sei es durch eine sonstige Verwaltungsmaßnahme (vgl. BGH, Urt. v. 05.07.2013, V ZR 81/12, Rn. 14 – juris). Verwaltungsmaßnahme in diesem Sinne ist unter anderem die kostenträchtige Führung eines Rechtsstreites (vgl. Küpper in: Münchener Kommentar z. BGB, 8. Aufl. 2020, § 1967 Rn. 16 u. 23). Auch die Stellung eines Nachlassinsolvenzantrages muss als Verwaltungsmaßnahme in vorstehendem Sinne angesehen werden. Dies gilt nicht nur, wenn der Antrag des Erben seiner Antragspflicht aus § 1980 Abs. 1 BGB folgt, deren Zweck es ist, den Nachlass den Nachlassgläubigern für den Fall der Beschränkung der Haftung ungeschmälert als Befriedigungsobjekt zu erhalten (vgl. Küpper in: Münchener Kommentar z. BGB, 8. Aufl. 2020, § 1980 Rn. 1). Auch wenn der Erbe unbeschränkt haftet, dient die nach § 316 Abs. 1 Fall 2 InsO gleichwohl zulässige Nachlassinsolvenz dazu, die Nachlassgläubiger gegenüber dem Zugriff der Eigengläubiger des Erben zu schützen (vgl. Döbereiner in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl. 2015, § 113 Rn. 2). Gleich wie es liegt, ist die Insolvenzantragstellung daher als ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses zu qualifizieren.

Gegenteiliges folgt nicht aus dem materiell-rechtlichen System zur Haftungsbeschränkung des Erben. Der nach § 1967 BGB für Nachlassverbindlichkeiten im Grundsatz unbeschränkt haftende Erbe kann zwar seine Haftung gemäß § 1975 BGB durch Nachlassverwaltung und Nachlassinsolvenzverfahren beschränken. Ist ihm dies nicht möglich, weil der Nachlass nicht einmal die Kosten für Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenzverfahren deckt, steht ihm nach § 1990 BGB die Dürftigkeitseinrede zu (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1989, IX ZR 227/87, Rn. 23 – juris). Aus dieser Zweispurigkeit kann aber nicht geschlussfolgert werden, dass eine gescheiterte Haftungsbeschränkung nach § 1975 Alt. 2 BGB für den Erben ohne persönliche Kostenhaftung bleiben muss. Schon nach dem Wortlaut dieser Bestimmung tritt die Haftungsbeschränkung erst mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens ein, zu der es bei der Abweisung mangels Masse nicht kommt. Zudem steht dem Erben die (keine Masse nach § 26 InsO erfordernde) Dürftigkeitseinrede schon von Anfang an alternativ zu. Es ist an ihm, abzuwägen, welchen Weg der Haftungsbeschränkung er gehen will und abzuschätzen, ob der Weg über § 1975 Alt. 2 BGB überhaupt gangbar ist.

Für die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens kann hiernach nichts anderes gelten als bei anderen nachlassbezogenen Verfahrens-/Prozesskosten. So haften beispielsweise die Mitglieder einer ungeteilten Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) sowohl bei Aktiv- als auch Passivprozessen, die den Nachlass als Gesamthandsvermögen betreffen, für die Prozesskosten mit ihrem persönlichen Vermögen. Dies gilt selbst dann, wenn der Nachlassgläubiger keine sog. Gesamtschuldklage, sondern nach § 2059 Abs. 2 BGB eine auf den Nachlass beschränkte sog. Gesamthandsklage gegen die Miterben erhebt. Trotz der vermögensmäßigen Beschränkung des Streitgegenstandes ist nicht (mangels Rechtsfähigkeit) die Erbengemeinschaft als Gesamthand, sondern sind die einzelnen Miterben materiell-rechtlich Schuldner (vgl. Bayer in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 2058 Rn. 2a) und prozessrechtlich notwendige Streitgenossen (vgl. Otto in: BeckOGK, Stand 01.08.2020, BGB § 2059 Rn. 21). Die prozessuale Kostengrundentscheidung ergeht in solchen Klageverfahren allein nach den Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO. Erbrechtliche Haftungsbeschränkungen aus dem materiellen Recht sind dafür ohne Bedeutung. Eine Beschränkung der Haftung der Miterben für die Prozesskosten auf den Nachlass gemäß den §§ 780, 781, 785, 767 ZPO ist nach herrschender Meinung nur insoweit möglich, als die Kosten bereits in der Person des Erblassers entstanden waren und damit reine Nachlassverbindlichkeiten, also Erblasserschulden gemäß § 1967 Abs. 2 Hs. 1 BGB darstellen (vgl. BAG, Urt. v. 12.11.2013, 9 AZR 646/12, Rn. 14 ff.; BGH, Beschl. v. 13.01.2004, XI ZR 35/01, Rn. 2 – juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 28.06.1996, 14 W 355/96, Rn. 6 – juris; OLG Köln, Beschl. v. 14.05.1952, 6 W 53/52 = NJW 1952, 1145, 1146; Geimer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 780 Rn. 7; Lackmann in: Musielak/Voit, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 780 Rn. 2; Preuß in: BeckOK ZPO, 37. Ed. 01.07.2020, § 780 Rn. 18). Anderenfalls handelt es sich bei den Prozesskosten um Nachlasserbenschulden (vgl. Herzog in: BeckOGK, Stand 01.06.2020, BGB § 1990 Rn. 147).

Gegen eine Haftungsbeschränkung auf das Nachlassvermögen spricht insolvenzverfahrensrechtlich zudem, dass der Erbe, wie ausgeführt, ein Nachlassinsolvenzverfahren selbst dann beantragen kann, wenn er materiell-rechtlich nach den §§ 1994 Abs. 1 Satz 2, 2005 Abs. 1, 2006 Abs. 3, 2013 Abs. 1 BGB unbeschränkt haftet (vgl. Windel in: Jaeger, InsO, 1. Aufl. 2020, § 317 Rn. 3; Siegmann/Scheuing, Münchener Kommentar z. InsO, 4. Aufl. 2020, § 317 Rn. 2 m.w.N.). Wieso seine Haftung für die Verfahrenskosten dann vermögensmäßig hinter seiner Haftung im Übrigen zurückbleiben sollte, ist nicht einzusehen.

Schließlich verträgt sich allein die hiesige Sichtweise damit, bei einem Verfahrenskostenhilfeantrag nach § 4 InsO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO für die Frage der Bedürftigkeit (wie selbstverständlich) auf das Gesamtvermögen des Erben abzustellen (vgl. Ringstmeier in: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl. 2020, § 317 Rn. 15; Fridgen NZI 2017, 575, 576), sofern man Verfahrenskostenhilfe für ein Nachlassinsolvenz(antrags)verfahren überhaupt als möglich ansieht (zum diesbzgl. Streitstand siehe Fridgen in: BeckOK InsO, 20. Ed. 15.07.2020, § 317 Rn. 38; Böhm in: Hamburger Kommentar z. InsO, 7. Aufl. 2019, § 317 Rn. 8; K.Schmidt in: K.Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 317 Rn. 14, jeweils m.w.N.).

Die Beschränkung der Entscheidungsschuldnerhaftung auf den Nachlass wäre wegen der oftmals greifenden Zweitschuldnerhaftung des antragstellenden Erben für die Gerichtskosten aus den §§ 31 Abs. 2 Satz 1, 29 Nr. 1, 23 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG im praktischen Ergebnis ohnehin unbeständig (aA AG Göttingen, Beschl. v. 09.05.2017, 74 IN 79/17, Rn. 6 – juris). Soweit ein Kostenschuldner aufgrund von § 29 Nr. 1 GKG als Entscheidungs- und damit Erstschuldner haftet, soll gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 GKG die Haftung eines anderen Kostenschuldners nur geltend gemacht werden, wenn eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des ersteren erfolglos geblieben ist oder aussichtslos erscheint. Letzteres ist bei Abweisung eines Insolvenzeröffnungsantrages mangels Masse indes regelhaft gegeben (vgl. OLG München, Beschl. v. 22.04.1986, 11 W 1349/86 = MDR 1986, 684). Bei beschränkter Kostengrundentscheidung wäre wegen der unterschiedlichen Haftungsmassen auch Personenverschiedenheit zwischen Erst- und Zweitschuldner anzunehmen, die Raum für die Anwendung von § 31 GKG gäbe. Infolgedessen würde der Erbe wegen seiner Eigenschaft als Antragsteller (vgl. Greiner ZinsO 2020, 341, 342) nicht nur die Gerichtsgebühr für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens schulden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 GKG), sondern wegen der Antragsabweisung auch die Auslagen, insbesondere die für gewöhnlich nicht nur unerheblichen Kosten der Einholung eines Sachverständigengutachtens (§ 23 Abs. 1 Satz 2 GKG). Zwar wird für den Fall, dass ein Gläubigerantrag (§§ 13, 14 InsO) mangels Masse abgewiesen worden ist, vertreten, dass darin keine Abweisung im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 GKG zu sehen sei, mithin der Gläubiger nicht in die Zweitschuldnerhaftung gerate. Begründet wird dies damit, dass bei einer Abweisung mangels Masse der Gläubiger in Wahrheit mit seinem zulässigen und begründeten Antrag obsiege. Der Verfahrenseröffnung stehe allein das objektive Hindernis der Massearmut entgegen (vgl. AG Göttingen, Beschl. 11.03.2009, 71 IN 128/08, Rn. 11 m.w.N. – juris). Dies ist aber nicht übertragbar auf die Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens durch den Erben nach § 317 InsO. Bei diesem handelt es sich um einen Eigenantrag. Der kontradiktorische Verfahrenscharakter fehlt. Der Erbe ist, wie oben ausgeführt, als Träger der Haftungsmasse selber in der Schuldnerrolle. Die Abweisung mangels Masse ist für ihn, gleich wie man es dreht und wendet, ein Unterliegen. Dies auch dann, wenn er den insolvenzgerichtlichen Abweisungsbeschluss nach § 26 InsO in Wahrheit herbeisehnt, weil jener gegenüber den Prozessgerichten Bindungswirkung entfaltet (vgl. BGH, Urt. v. 13.07.1989, IX ZR 227/87, Rn. 23 – juris) und damit die Erhebung der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB gegenüber den Nachlassgläubigern erleichtert.

IV. Der Gegenstandswert wird gemäß § 58 GKG auf den Mindestwert festgesetzt.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!