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Betreuungsanordnung trotz bestehender Vorsorgevollmacht

LG Meiningen, Az.: 4 T 32/18

Beschluss vom 05.03.2018

1. Die Beschwerden gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eisenach vom 14.12.2018 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Aufgabenkreis des Betreuers nicht die „Rücknahme erteilter Vollmachten“ enthält.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

A

Betreuungsanordnung trotz bestehender Vorsorgevollmacht
Foto: Jirapong Manustrong/Bigstock

Der Betroffene ist in zweiter Ehe mit der Beschwerdeführerin verheiratet. Aus seiner ersten Ehe ist die Beteiligte als einziges Kind des Betroffenen hervorgegangen. Der Betroffene errichtete am 03.11.2014 im Beisein des Diplom-Sozialarbeiters L. vom Überleitungsmanagement der Evangelischen Kliniken G. GmbH als Zeuge eine Vorsorgevollmacht zu Gunsten seiner Tochter B. S., der Beteiligten. Auf diese Vorsorgevollmacht (Bl. 5 ff d.A.) wird Bezug genommen. Die Bevollmächtigte wandte sich mit Schreiben vom 02.12.2016, auf welches Bezug genommen wird, an das Amtsgericht Gelsenkirchen und teilte mit, dass sie von der jetzigen Ehefrau ihres Vaters bei der Vollmachtsausübung massiv behindert werde und bat um Prüfung der Einsetzung eines Kontrollebetreuers. Hierzu nahm die Betreuungsbehörde der Stadt G. unter dem 15.02.2017 dahingehend Stellung, dass die erteilte Vorsorgevollmacht wirksam und gültig sei, so dass es einer Betreuungsseinrichtung nicht bedürfe. Auf die Stellungnahme wird Bezug genommen. Nachdem sich zunächst Rechtsanwalt P. aus G. für den Betroffenen als Verfahrensbevollmächtigten gemeldet hatte und Verfahrenskostenhilfe für den Betroffenen unter seine Beiordnung bewilligt wurde, zeigte sich unter dem 24.03.2017 Rechtsanwalt D. aus B. als Verfahrensbevollmächtigter des Betroffenen an, worauf hin der Bewilligungsbeschluss unter dem 14.06.2017 durch das Amtsgericht Gelsenkirchen geändert wurde. Unter dem 30.08.2017 hat das Amtsgericht Gelsenkirchen den Betroffenen in Anwesenheit seiner Ehefrau sowie seines Verfahrensbevollmächtigten und seiner Tochter angehört. Auf den Anhörungsvermerk vom 30.08.2017 wird Bezug genommen. Im Nachgang zu diesem Anhörungstermin vom 30.08.2017 stellte das Amtsgericht Gelsenkirchen fest, dass der Betroffene mit seiner Ehefrau bereits seit dem 06.06.2017 in „…, B.“ gemeldet war. Auf den diesbezüglichen Vermerk des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 18.09.2017 wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 28.09.2017 hat das Amtsgericht Gelsenkirchen das Betreuungsverfahren an das Amtsgericht Eisenach abgegeben. Dieses hat unter dem 24.10.2017 die Sachverständige Dr. C. K., Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat ihr Gutachten unter dem 17.11.2017 vorgelegt. Auf dieses wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 14.12.2017, auf den Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Betreuung des Betroffenen angeordnet und den Berufsbetreuer J. L. bestellt. Ersatzbetreuer ist der Berufsbetreuer M. M.. Die Zustellung dieses Beschlusses an den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen erfolgte am 27.12.2017. Unter dem 09.01.2018 legte die Ehefrau des Betroffenen gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Beschwerde ein. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass sie das Recht zur Betreuung ihres Manes habe und seit 2015 hierum kämpfe. Sie habe 2015 ihre berufliche Tätigkeit aufgegeben und unternehme seither alles, um ihren Ehemann „wiederzuholen zu einem vollwertigen Leben“. Im Übrigen wird auf den Beschwerdeschriftsatz Bezug genommen. Mit weiterem Schriftsatz vom 12.01.2018 legte der Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 12.02.2018. Zur Begründung der Beschwerde führt der Verfahrensbevollmächtigte aus, dass die Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen nach dem Gutachten der Sachverständigen außer Frage stehe, mit Ausnahme der Regelung des Umgangs des Betreuten jedoch die Ehefrau des Betroffenen zur Betreuerin zu bestellen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 12.02.2018 Bezug genommen. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

B

Die Beschwerden sind nach §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 FamFG statthaft und nach §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdeberechtigung der Ehefrau des Betroffenen folgt aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Im Wesentlichen ist die Beschwerde jedoch unbegründet.

I. Nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB ist einem Volljährigen, der aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, durch das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen ein Betreuer zu bestellen. Die Möglichkeit der Bestellung eines Betreuers scheidet nach § 1896 Abs. 2 BGB grundsätzlich für die Aufgabenkreise aus, für die der Betroffene wirksam Vollmachten erteilt hat. Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen (BGH, Beschluss vom 02. August 2017 – XII ZB 502/16 -, juris; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2016 – XII ZB 289/16 = FamRZ 2017, 141 Rn. 8 m.w.N.).

1. Die Vollmacht wird durch eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung begründet. Bei Abgabe dieser Willenserklärung muss der Vollmachtgeber geschäftsfähig sein. Da jeder Volljährige als geschäftsfähig anzusehen ist, sofern er sich nicht in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet (§ 104 Nr. 2 BGB), spricht zunächst eine Vermutung für das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit des Vollmachtgebers und damit für die Wirksamkeit der erteilten Vollmacht. Geschäftsunfähig sind nach § 104 Nr. 2 BGB Volljährige, wenn sie sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befinden, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Der Betroffene muss danach an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leiden. Gleichgültig ist, unter welchen medizinischen Begriff die Störung fällt. Umfasst werden nicht nur Geisteskrankheit, sondern auch Geistesschwäche. Die krankhafte Störung darf jedoch nicht vorübergehender Natur sein, vorausgesetzt wird ein Dauerzustand. Die krankhafte Störung muss die freie Willensbestimmung ausschließen. Das ist der Fall, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine Entscheidung von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen. Bloße Willensschwäche oder leichte Beeinflussbarkeit genügen nicht, ebenso wenig das Unvermögen, die Tragweite der abgegebenen Willenserklärung zu erfassen. Dagegen kann die übermäßig krankhafte Beherrschung durch den Willen anderer die Anwendung von § 104 Nr. 2 BGB rechtfertigen (vgl. u.a. OLG München, Beschluss vom 05. Juni 2009 – 33 Wx 278/08, 33 Wx 279/08 -, juris, m.w.N). Ein bloßer Verdacht genügt nicht, um die Vermutung der Wirksamkeit einer vorliegenden Vollmachtsurkunde zu erschüttern. Bestehen Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Betroffenen im Zeitpunkt der Vollmachtserteilung, so ist das Gericht verpflichtet, nach § 26 FamFG von Amts wegen im Freibeweisverfahren aufzuklären (BGH, Beschluss vom 03.02.2016, XII ZB 425/14). Kann die Unwirksamkeit einer Vorsorgevollmacht nicht positiv festgestellt werden, bleibt es somit bei der wirksamen Bevollmächtigung (BGH, Beschluss vom 02. August 2017 – XII ZB 502/16 -, juris).

2. Trotz Vorsorgevollmacht kann eine Betreuung nur dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn erhebliche Bedenken an der Geeignetheit oder Redlichkeit des Bevollmächtigten bestehen (BGH, Beschluss vom 30. August 2017 – XII ZB 16/17 -, juris, m.w.N.).

3. Der Widerruf einer Vorsorgevollmacht, der als eigenständiger Aufgabenkreis zuzuweisen wäre (LG Meiningen, FamRZ 2015, 955, BGH, Beschluss vom 28.07.2015 – XII ZB 674/14, BeckRS 2015, 14939) kommt aber auch hier erst dann in Betracht, wenn zunächst ein Versuch unternommen wurde, durch einen (Kontroll-) Betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtswiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig (Seifert, FamRZ 2017, 263, 266 m.w.N Bieg in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1896 BGB, Rn. 59). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH stellt bereits die Ermächtigung des Betreuers zum Vollmachtswiderruf einen gewichtigen staatlichen Eingriff in das von Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen dar, weshalb sich der Eingriff am Grundrechtsschutz messen lassen muss und es einer gesonderten gerichtlichen Feststellung der Notwendigkeit der Maßnahme bedarf (BGH, Beschluss vom 06. Juli 2016 – XII ZB 131/16, juris; BGHZ 206, 321 = FamRZ 2015, 1702 Rn. 11, 18).

Mit einer Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und gegebenenfalls die Vollmacht zu widerrufen. Eine Kontrollbetreuung darf jedoch wie jede andere Betreuung (vgl. §1896 Abs.2 Satz1 BGB) nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall erteilt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird. Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen (BGH, Beschluss vom 02. August 2017 – XII ZB 502/16 -, juris).

4. Aber auch wenn die Redlichkeit des Vorsorgebevollmächtigten außer Zweifel steht, erfordert der Vorrang des Bevollmächtigten gegenüber der Anordnung einer Betreuung seine objektive Eignung, zum Wohl des Betroffenen zu handeln. Fehlt es hieran, weil der Bevollmächtigte beispielsweise durch eigenmächtiges und störendes Verhalten eines Dritten nicht in der Lage ist, zum Wohle des Betroffenen zu handeln, bleibt die Anordnung einer Betreuung erforderlich (BGH, Beschluss vom 07. August 2013 – XII ZB 671/12 -, juris; Reinert, jurisPR-FamR 24/2013 Anm. 4 Bieg in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 1896 BGB, Rn. 59). Zwar entsteht hier da Problem, dass damit ein redlicher Bevollmächtigter durch das eigenmächtige Verhalten eines Dritten aus der Vorsorgevollmacht gedrängt werden kann. Maßgebend muss im Ergebnis aber immer das Wohl des Betroffenen bleiben. Dabei ist aber auch zu beachten, dass der sich eigenmächtig verhaltende Dritte im Ergebnis von seinem störenden Verhalten nicht auch noch profitieren darf. Er ist dann, auch wenn er ansonsten geeignet wäre, nicht zum Betreuer zu bestellen. Vielmehr ist ein unbeteiligter Dritter als Betreuer zu bestellen, der im Zweifel besser dazu in der Lage ist, das störende Verhalten zu unterbinden (BGH, Beschluss vom 07. August 2013 – XII ZB 671/12 -, juris).

II. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die angefochtene Entscheidung nur hinsichtlich des zugewiesenen Aufgabenkreises „Rücknahme erteilter Vollmachten“ zu beanstanden.

1. Dass der Betroffene aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten nicht mehr besorgen kann, ist ebenso von allen Beteiligten unbestritten, wie auch der Inhalt des Sachverständigengutachtens der Sachverständigen Dr. …vom 17.11.2017, aus dem sich dies auch ohne Weiteres ergibt.

2. Ebenfalls unbestritten hat der Betroffene unter dem 03.11.2014 seiner Tochter eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt. An der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen zu diesem Zeitpunkt bestehen keine Zweifel, zumal ein unabhängiger Zeuge, der Diplom-Sozialarbeiter L. vom Überleitungsmanagement der Evangelischen Kliniken G. GmbH, bei der Errichtung der Vollmacht zugegen war und diese auch gegengezeichnet hat. Es ist daher ohne Weiteres von einer wirksamen Errichtung dieser Vorsorgevollmacht auszugehen, was aus den vorgenanten Gründen eine Betreuung grundsätzlich entbehrlich macht. Hierauf hat bereits die Betreuungsbehörde der Stadt G. in ihrer Stellungnahme vom 15.02.2017 zu Recht hingewiesen. Wie sich aus dem vorgenannten medizinischen Sachverständigengutachten ergibt, erlitt der Betroffene im Februar 2015 eine rechtsseitige Hirnblutung mit der Folge eines ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndroms und einer mittelschweren Demenz. Diese Folge wird lebenslang fortbestehen. Er ist infolge der auslösenden Hirnblutung zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage und geschäftsunfähig im Sinne des § 104 BGB. Daraus folgt, dass der Betroffene seit Februar 2015 auch nicht mehr in der Lage war und ist, die vorgenannte Vorsorgevollmacht, die schon ausweislich des Vollmachtsinhalts ausdrücklich auch in Kraft bleiben soll, wenn der Betroffene nach ihrer Entrichtung geschäftsunfähig geworden ist, wirksam zu widerrufen. Dass zwischen Vollmachterrichtung am 03.11.2014 und Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen im Februar 2015 ein Widerruf der Vorsorgevollmacht durch den Betroffenen erfolgte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der vom Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen mit Schriftsatz vom 04.04.2017 erklärte Widerruf ist unwirksam, da der Betroffene aufgrund der seit Februar 2015 bestehenden Geschäftsunfähigkeit dem Verfahrensbevollmächtigten eine derartige Vollmacht nicht erteilen konnte. Der Betroffene ist aufgrund seiner Geschäftsunfähigkeit nur nach § 275 FamFG verfahrensfähig, was als Annex die Teilgeschäftsfähigkeit zum Abschluss eines schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrages mit einem Rechtsanwalt einschließt, weil nur auf diese Weise eine anwaltliche Vertretung gewährleistet werden kann (Keidel/Budde, FamFG, 19. Aufl., § 275, Rn. 3). Es besteht damit eine wirksame Vorsorgevollmacht für die beteiligte Tochter des Betroffenen. Hingegen hat die Beschwerdeführerin in der richterlichen Anhörung angegeben, dass sie bis Februar 2015 und damit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen keine Vollmacht gehabt habe.

3. Die Vorsorgebevollmächtigte ist auch grundsätzlich geeignet, die Vorsorgevollmacht auszuüben und beabsichtigt dies auch, wie sich bereits aus ihrer Anregung an das Amtsgericht Gelsenkirchen vom 02.12.2016, aber auch aus dem Ergebnis der Ermittlungen der Betreuungsbehörde und der richterlichen Anhörung am 30.08.2017 ergibt. Sie sieht sich jedoch, wie sich hieraus ebenfalls ergibt, durch das Verhalten der Ehefrau des Betroffenen an der Ausübung der Vorsorgevollmacht gehindert.

Bereits nach den Ausführungen der Tochter des Betroffenen im Anregungsschriftsatz vom 02.12.2016, auf welchen im übrigen Bezug genommen wird, verweigert die Beschwerdeführerin schon weitgehend jeglichen persönlichen Kontakt des Betroffenen mit seiner Tochter und übt auch im Übrigen über seine sozialen Kontakte und seinen Aufenthaltsort ohne Einbeziehung der Vorsorgebevollmächtigten die Kontrolle aus. Dies wird indirekt bereits im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 24.03.2017 bestätigt. Danach wird der Vorsorgebevollmächtigten vorgeworfen, sich selbst durch die wenigen Kontaktaufnahmen zum Betroffenen ungehörig in die Lebensführung der Beschwerdeführer einzumischen und die „Alltagsroutine“ zu stören. Auch im Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 04.04.2017 werden die „ständigen Einmischungen“ der beteiligten Tochter „in das Leben“ des Betroffenen beklagt. Die wenigen Besuche der Tochter werden als „aufdringlich“ bezeichnet. Dabei wird offensichtlich verkannt, dass die Vorsorgebevollmächtigte schon aufgrund ihrer Vollmacht berechtigt ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu regeln und dies auch zwingend persönliche Kontaktaufnahmen mit dem Betroffenen, auch kurzfristig, bedingt. Wie sich auch aus dem der Tochter des Betroffenen nicht bekannt gegebenen Umzug von G. nach M. ergibt, trifft die Beschwerdeführerin eigenmächtige Entscheidungen für den Betroffenen, ohne die Vorsorgebevollmächtigte, die nach der erteilten Vorsorgevollmacht auch die Wohnungsangelegenheiten zu regeln hat, überhaupt zu informieren.

Abgesehen davon, dass die Beschwerdeführerin offensichtlich verkennt, dass mit einer Betreuung im Sinne des Betreuungsrechts nicht eine tatsächliche, sondern eine rechtliche Betreuung gemeint ist, hat sie aufgrund der bestehenden Vorsorgevollmacht entgegen ihren Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz vom 09.01.2018 eben gerade nicht das Recht, als Betreuerin ihres Mannes zu fungieren.

Auch aus dem Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 12.02.2018 hinsichtlich der Beschwerdebegründung folgt, dass die Beschwerdeführerin die „Angelegenheiten“ des Betroffenen „besorgt“ bzw. sich um diese „kümmert und weiterhin kümmern werde“. Schließlich hat auch bereits die Betreuungsbehörde der Stadt G. in ihrer Stellungnahme vom 15.02.2017 ausgeführt, dass auch nach ihrem Eindruck die Beschwerdeführerin persönliche Kontakte des Betroffenen verhindern wolle.

Es besteht deshalb schon nach den eigenen Einlassungen der Beschwerdeführerin und des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen kein Zweifel daran, dass die Ausübung der wirksamen Vorsorgevollmacht für die Tochter durch die Beschwerdeführerin massiv behindert wird und damit die Vorsorgebevollmächtigte durch eigenmächtiges und störendes Verhalten eines Dritten nicht in der Lage ist, zum Wohle des Betroffenen zu handeln, so dass die Anordnung einer gesetzlichen Betreuung trotz Vorsorgevollmacht erforderlich ist (BGH, Beschluss vom 07. August 2013 – XII ZB 671/12 -, juris; Reinert, a.a.O.; Bieg in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., a.a.O.). Die Entscheidung des Amtsgerichts ist damit in der Hauptsache schon dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Da, wie ebenfalls bereits ausgeführt, das störende Verhalten der Beschwerdeführerin nicht dazu führen darf, dass sie hieraus auch noch einen Vorteil zieht, kommt ihre Betreuerbestellung nicht in Betracht. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin hierfür geeignet wäre. Da keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, ist auch die Einsetzung eines Berufsbetreuers nicht zu beanstanden.

4. Soweit das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss als Aufgabenkreis allerdings die „Rücknahme erteilter Vollmachten“ aufgenommen hat, war dies zu korrigieren. Gemeint ist hier wohl tatsächlich der „Widerruf“ erteilter Vollmachten. Für die Übertragung eines solchen Aufgabenkreises besteht jedoch kein Bedürfnis. Soweit es hier um Vollmachten geht, die nach Februar 2015 vom Betroffenen angeblich erteilt worden sein sollen, sind diese nach den eindeutigen Ausführungen des o.g. Sachverständigengutachtens aufgrund bestehender Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen ohnehin unwirksam. Darüber hinaus verbleibt nur die Vorsorgevollmacht für die beteiligte Tochter vom 03.11.2014. Die Notwendigkeit des Widerrufs einer Vorsorgevollmacht bedarf jedoch, wie dargelegt, einer ausführlichen Begründung, die dem Beschluss weder zu entnehmen, noch ersichtlich ist.

Gemessen am Rechtsschutzziel war die Beschwerde der Beschwerdeführer erfolglos. Die Kostenentscheidung folgt insofern aus §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG. Nach § 84 FamFG soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Die Fassung als Sollvorschrift ermöglicht es jedoch, bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise ganz oder teilweise von der Kostenbelastung des Rechtsmittelführers abzuweichen. Ein besonderer Umstand ist – wie vorliegend – dadurch gegeben, dass das Rechtsmittel eine Angelegenheit der staatlichen Fürsorge (Betreuung, Unterbringung) betrifft und das Rechtsmittel vom Fürsorgebedürftigen selbst oder in dessen Interesse eingelegt wurde (Schulte-Bunert/Weinrich/Keske, FamFG, 5. Aufl., § 84, Rn. 5; LG Meiningen, FamRZ 2014, 1315, 1316). Dies entspricht letztlich auch der Intention des § 25 Abs. 2 GNotKG. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Auslagen folgt aus § 307 FamFG.

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