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Einsichtsrechts eines Vermächtnisnehmers in Verfügung von Todes wegen

Das OLG Hamm hat im Beschluss vom 12.12.2014 (Az.: I-10 W 102/14) entschieden, dass ein Vermächtnisnehmer ein Recht auf Einsicht in die ihn betreffenden letztwilligen Verfügungen des Erblassers hat. Dieses Recht wird jedoch durch das berechtigte Geheimhaltungsinteresse anderer Beteiligter und des Erblassers selbst begrenzt. Die Einsichtnahme ist somit auf die für den Vermächtnisnehmer relevanten Teile beschränkt, um seinen Anspruch zu prüfen und durchzusetzen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-10 W 102/14 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Einsichtsrecht: Ein Vermächtnisnehmer hat das Recht, in die ihn betreffenden Teile der letztwilligen Verfügungen Einsicht zu nehmen.
  2. Begrenztes Recht: Dieses Recht ist begrenzt durch das Geheimhaltungsinteresse anderer Beteiligter und des Erblassers.
  3. Testamentsauslegung: Die Auslegung eines Testaments kann entscheidend sein, um zu bestimmen, ob jemand als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt ist.
  4. Rechtliches Interesse: Nur wer ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Verfügung von Todes wegen glaubhaft macht, hat Anspruch darauf.
  5. Beschränkung auf relevante Teile: Die Einsicht ist auf die für den Antragsteller relevanten Teile der Verfügung beschränkt.
  6. Gesamtzusammenhang: Ein Vermächtnisnehmer kann Einsicht in den Gesamtzusammenhang fordern, soweit es zur Klärung seiner Ansprüche notwendig ist.
  7. Schutz von Interessen Dritter: Die Interessen Dritter, wie anderer Vermächtnisnehmer oder des Testamentsvollstreckers, sind zu berücksichtigen.
  8. Keine Rechtsbeschwerde: Eine Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zugelassen.

Einsichtsrecht eines Vermächtnisnehmers: Rechtliche Grundlagen und Herausforderungen

Als Vermächtnisnehmer haben Sie das Recht, in die eröffnete Verfügung von Todes wegen Einsicht zu nehmen. Dieses Recht ist in § 348 FamFG geregelt und ermöglicht es Ihnen, den Gesamtzusammenhang zu verstehen. Laut OLG München (17.10.2017 – 31 Wx 330/17) haben Vermächtnisnehmer ein Einsichtsrecht in die eröffnete Verfügung von Todes wegen.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Erblasser grundsätzlich die Möglichkeit hat, dem Vermächtnisnehmer durch Verfügung von Todes wegen nicht nur den Vermächtnisgegenstand, sondern auch den Gesamtzusammenhang vorzuenthalten. In diesem Fall kann der Vermächtnisnehmer keine Einsicht in die Verfügung von Todes wegen verlangen. Um Ihr Einsichtsrecht geltend zu machen, sollten Sie sich an das Nachlassgericht wenden, das für die Eröffnung der Verfügung von Todes wegen zuständig ist.

Es ist wichtig, dass Sie sich über Ihre Rechte und Pflichten als Vermächtnisnehmer informieren, um mögliche Konflikte mit dem Erben oder anderen Beteiligten zu vermeiden. Eine fundierte Kenntnis des Erbrechts und der Verfügung von Todes wegen kann Ihnen dabei helfen, Ihre Rechte effektiv durchzusetzen.

Der Streit um das Einsichtsrecht in letztwillige Verfügungen

Im Zentrum des Rechtsstreits am OLG Hamm stand das Einsichtsrecht eines Vermächtnisnehmers in die letztwilligen Verfügungen eines Erblassers. Dieser Fall entzündete sich an der Entscheidung des Amtsgerichts Herne, die dem Beteiligten zu 1, einem Vermächtnisnehmer, lediglich eine teilweise Einsicht in die letztwilligen Verfügungen gewährte. Der Beteiligte zu 1 erhielt nur auszugsweise Fotokopien, die speziell die ihn betreffenden Passagen des Testaments beinhalteten, jedoch ohne Schlussbemerkungen und Unterschriften.

Diese eingeschränkte Akteneinsicht führte zur Beschwerde des Beteiligten zu 1, die darauf abzielte, ein umfassenderes Verständnis der testamentarischen Anordnungen zu erlangen. Er argumentierte, dass es für ihn notwendig sei, die verschiedenen Verfügungen in ihrem Gesamtzusammenhang zu verstehen, um den Umfang seiner Rechte als Vermächtnisnehmer adäquat beurteilen zu können.

Rechtliche Herausforderungen bei der Akteneinsicht

Das rechtliche Dilemma in diesem Fall lag in der Balance zwischen dem Einsichtsrecht des Vermächtnisnehmers und dem Schutz der Interessen anderer Beteiligter und des Erblassers. Das Amtsgericht Herne hatte ursprünglich eine vollständige Akteneinsicht verweigert, um das Geheimhaltungsinteresse der anderen Beteiligten und die schutzwürdige Vermögenssphäre des Erblassers zu wahren.

Das OLG Hamm musste diese gegensätzlichen Interessen abwägen und dabei auch die Frage berücksichtigen, inwieweit die Kenntnis des Gesamtzusammenhangs der letztwilligen Verfügungen für den Vermächtnisnehmer notwendig war. Dabei war auch zu klären, ob und inwieweit der Vermächtnisnehmer über seine spezifischen Anordnungen hinaus Einblick in das gesamte Testament erhalten sollte.

Die Entscheidung des OLG Hamm und ihre Begründung

Das OLG Hamm entschied schließlich, dass die Beschwerde des Beteiligten zu 1 teilweise begründet war. Es wurde festgestellt, dass gemäß § 357 Abs. 1 FamFG das Einsichtsrecht auf die Teile der eröffneten Verfügung beschränkt ist, an denen der Antragsteller ein rechtliches Interesse hat. Diese restriktive Interpretation trägt den berechtigten Belangen aller Beteiligten Rechnung und berücksichtigt die Erfordernisse des Datenschutzes.

Interessant ist dabei die Erwägung des Gerichts, dass ein Vermächtnisnehmer unter Umständen auch einen Einblick in den Gesamtzusammenhang benötigen könnte. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn unterschiedliche Auslegungen des Testaments in Betracht kämen oder die Verständlichkeit einzelner Regelungen die Kenntnis des Gesamtzusammenhangs voraussetzte. In diesem konkreten Fall wurde dem Beteiligten zu 1 ein erweitertes Einsichtsrecht gewährt, jedoch mit der Maßgabe, dass die Namen weiterer Vermächtnisnehmer und die Vergütungsregelung für den Testamentsvollstrecker zu schwärzen seien.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil

Das Urteil des OLG Hamm verdeutlicht die komplexen Abwägungen, die bei der Gewährung des Einsichtsrechts in letztwillige Verfügungen erforderlich sind. Es stellt einen wichtigen Bezugspunkt im Erbrecht dar, insbesondere hinsichtlich des Umfangs des Einsichtsrechts von Vermächtnisnehmern. Das Gericht hat gezeigt, dass es bereit ist, die individuellen Umstände des Falles zu berücksichtigen und einen angemessenen Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen zu finden.

Das vollständige Urteilstext des Urteils kann unten nachgelesen werden.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was umfasst das Einsichtsrecht eines Vermächtnisnehmers in letztwillige Verfügungen?

Das Einsichtsrecht eines Vermächtnisnehmers in letztwillige Verfügungen ist ein wichtiges Recht, das es ihm ermöglicht, seine Ansprüche zu prüfen und durchzusetzen. Es gibt jedoch unterschiedliche Meinungen darüber, in welchem Umfang dieses Recht ausgeübt werden kann.

Einige Quellen argumentieren, dass das Einsichtsrecht sich auf den gesamten Inhalt der eröffneten Verfügung erstreckt, nicht nur auf die Teile, die das rechtliche Interesse des Vermächtnisnehmers betreffen. Andere Quellen hingegen behaupten, dass die Befugnis zur Einsichtnahme nur an denjenigen Teilen der eröffneten Verfügung besteht, die das rechtliche Interesse des Vermächtnisnehmers betreffen.

Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass ein Vermächtnisnehmer ein Einsichtsrecht in den „Gesamtzusammenhang“ hat, in den die den Vermächtnisnehmer betreffende Anordnung eingebettet ist. Dies bedeutet, dass der Vermächtnisnehmer Zugang zu Informationen haben sollte, die seine erbrechtliche Stellung beeinträchtigen könnten, oder die möglicherweise Rückschlüsse auf die Testierfähigkeit oder das Bestehen von Beeinflussungen zulassen.

Darüber hinaus hat das Kammergericht Berlin entschieden, dass ein Vermächtnisnehmer nicht nur das Recht hat, Einsicht in die Nachlassakte zu nehmen, sondern auch eine Kopie davon anfertigen darf. Dieses Recht kann jedoch in bestimmten Fällen eingeschränkt sein, insbesondere wenn das Geheimhaltungsinteresse der Erben berücksichtigt wird.

Es ist auch zu beachten, dass das Einsichtsrecht eines Vermächtnisnehmers in letztwillige Verfügungen nicht automatisch ein Recht auf Beteiligung an Nachlassverfahren beinhaltet. Die Beteiligung an solchen Verfahren ist in der Regel auf den Kreis der Erben beschränkt.

Welche Rolle spielt das rechtliche Interesse für das Einsichtsrecht in letztwillige Verfügungen?

Das rechtliche Interesse spielt eine entscheidende Rolle für das Einsichtsrecht in letztwillige Verfügungen. Gemäß § 1 FamFG hat jede Person, unabhängig davon, ob sie Beteiligte ist oder nicht, ein Einsichtsrecht, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. Ein solches rechtliches Interesse liegt vor, wenn es sich auf eine wirkliche oder vermeintliche Rechtsposition des Antragstellers bezieht und auf diese einwirkt bzw. einwirken kann.

In der Praxis bedeutet dies, dass jemand, der Einsicht in die Nachlassakte nehmen möchte, zunächst nachweisen muss, dass er ein berechtigtes Interesse daran hat. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn eine Person glaubt, dass sie ein Erbe oder ein Pflichtteilsberechtigter ist und die Nachlassakte Informationen enthält, die für die Durchsetzung ihrer Rechte relevant sind.

Ein Beispiel für ein solches berechtigtes Interesse ist in einem Fall gegeben, in dem eine Kommanditgesellschaft (KG) Einsicht in die Nachlassakten ihres verstorbenen Kommanditisten verlangte. Die KG hatte ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, wer nach dem Tod des Kommanditisten dessen Rechtsnachfolger geworden ist.

Es ist jedoch zu beachten, dass das Einsichtsrecht nicht uneingeschränkt gewährt wird. Wenn der Antragsteller bereits im Besitz aller notwendigen Informationen ist und nicht ersichtlich ist, dass die Einsicht zu weiteren Erkenntnissen führen könnte, fehlt das berechtigte Interesse.

Daher ist das rechtliche Interesse ein entscheidender Faktor für das Einsichtsrecht in letztwillige Verfügungen, da es sicherstellt, dass nur diejenigen Personen Zugang zu diesen sensiblen Informationen erhalten, die ein legitimes Interesse daran haben.

Wie wird entschieden, welche Teile einer letztwilligen Verfügung für einen Vermächtnisnehmer relevant sind?

Die Entscheidung darüber, welche Teile einer letztwilligen Verfügung für einen Vermächtnisnehmer relevant sind, hängt von der spezifischen Anordnung des Erblassers in seinem Testament oder Erbvertrag ab. Ein Vermächtnis ist eine Verfügung von Todes wegen, durch die der Erblasser einem anderen ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwendet.

Relevanz für den Vermächtnisnehmer

Die Relevanz eines Vermächtnisses für den Vermächtnisnehmer ergibt sich aus dem Inhalt der letztwilligen Verfügung. Der Erblasser kann konkret festlegen, welche Vermögenswerte oder Rechte dem Vermächtnisnehmer zustehen sollen. Dies kann beispielsweise eine Immobilie, ein Geldbetrag oder ein anderes Recht sein.

Bestimmung des Vermächtnisnehmers

Der Erblasser kann den Vermächtnisnehmer direkt benennen oder die Auswahl einem Dritten überlassen, der aus der letztwilligen Verfügung als Bestimmungsberechtigter hervorgeht. Die Entscheidung, wer letztlich Vermächtnisnehmer wird, kann somit auch erst viele Jahre nach dem Erbfall erfolgen.

Informationsrecht des Vermächtnisnehmers

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat entschieden, dass es ausreicht, wenn die Vermächtnisnehmer über das jeweilige sie betreffende Vermächtnis und die Person des Erblassers informiert werden. Die gesetzliche Benachrichtigungspflicht soll den Vermächtnisnehmern Kenntnis von dem sie betreffenden Inhalt der Verfügung geben, damit sie ihre Interessen wahrnehmen können.

Abgrenzung zur Erbeinsetzung

Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Erbeinsetzung und einem Vermächtnis besteht darin, dass der Erbe automatisch in die rechtlichen Fußstapfen des Erblassers tritt, während der Vermächtnisnehmer einen Anspruch auf eine Leistung gegen den beschwerten Erben hat, der durch ein dingliches Vollzugsgeschäft zu erfüllen ist.

Die für den Vermächtnisnehmer relevanten Teile einer letztwilligen Verfügung werden durch die Anordnungen des Erblassers bestimmt. Die genaue Ausgestaltung des Vermächtnisses und die Identität des Vermächtnisnehmers können entweder direkt vom Erblasser festgelegt oder einem Dritten zur späteren Bestimmung überlassen werden. Das Informationsrecht des Vermächtnisnehmers beschränkt sich auf die ihn betreffenden Teile der Verfügung, um sowohl seine Interessen zu schützen als auch das Geheimhaltungsinteresse des Erblassers zu wahren.

Welche Bedeutung hat die Auslegung letztwilliger Verfügungen bei der Bestimmung des Einsichtsrechts?

Die Auslegung letztwilliger Verfügungen ist ein komplexer Prozess, der entscheidend für die Bestimmung des Einsichtsrechts in diese Verfügungen sein kann. Bei der Auslegung geht es darum, den wirklichen, mutmaßlichen oder hypothetischen Willen des Erblassers zu ermitteln, insbesondere wenn das Testament unverständlich, mehrdeutig oder widersprüchlich ist. Dieser Prozess ist notwendig, um die Intentionen des Erblassers zu verstehen und zu klären, welche Anordnungen er getroffen hat.

Die Auslegung kann erforderlich werden, wenn ein Testament von einem juristischen Laien errichtet wurde und Fachbegriffe möglicherweise falsch verwendet wurden oder der Erblasserwille für Außenstehende nicht klar ersichtlich ist. In solchen Fällen muss das Gericht den Inhalt des Testaments bestimmen und entscheiden, ob eine Person als Erbe eingesetzt oder als Vermächtnisnehmer bedacht ist. Diese gerichtliche Auslegung ist ausschlaggebend dafür, wer Einsicht in die letztwillige Verfügung erhalten kann, da sie die Grundlage für die Bestimmung des rechtlichen Interesses der Beteiligten bildet.

Das rechtliche Interesse an der Einsicht in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen muss glaubhaft gemacht werden, um ein Einsichtsrecht zu begründen. Die Auslegung der letztwilligen Verfügung durch das Gericht oder einen Testamentsvollstrecker kann somit direkten Einfluss darauf haben, ob und inwieweit ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme besteht. Insbesondere wenn es um die Ausführung von Vermächtnissen geht, kann die Auslegung durch den Testamentsvollstrecker notwendig werden, und bei fehlerhafter Auslegung kann dieser haftbar gemacht werden.

Zusammenfassend ist die Auslegung letztwilliger Verfügungen ein zentraler Schritt, um den Willen des Erblassers zu klären und festzustellen, wer berechtigt ist, Einsicht in die Verfügung zu nehmen. Sie beeinflusst maßgeblich, wer als berechtigt angesehen wird, ein rechtliches Interesse an der Einsichtnahme zu haben.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-10 W 102/14 – Beschluss vom 12.12.2014

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Herne vom 24.04.2014 teilweise abgeändert.

Ergänzend zu der bislang gewährten Einsicht in die letztwilligen Verfügungen des Erblassers werden dem Beteiligten zu 1) die aus der Anlage zu diesem Beschluss ersichtlichen Ablichtungen übersandt.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Am 09.03.1991 errichtete der Erblasser vor dem Notar I in K (UR-Nr. 138/1991) ein notarielles Testament, in welchem er eine Alleinerbin und den Beteiligten zu 3) als alleinigen Ersatzerben einsetzte sowie nähere Regelungen zu Vermächtnissen traf, hinsichtlich derer er auf eine Anlage zu dem Testament Bezug nahm; ferner ordnete er Testamentsvollstreckung mit der Aufgabe an, unter anderem die Vermächtnisse zu erfüllen. In der mit „Vermächtnisse“ überschriebenen Anlage wandte der Erblasser dem Beteiligten zu 1) zur Hälfte ein näher bezeichnetes Aktiendepot zu. Zudem setzte er unter acht weiteren Ziffern weitere Einzelvermächtnisse aus.

Mit gesonderter handschriftlicher Verfügung vom 09.03.1991 traf der Erblasser Regelungen zur Vergütung des Testamentsvollstreckers. Diese ersetzte er mit einer weiteren handschriftlichen Anordnung vom 23.03.2001.

In einer separaten handschriftlichen Verfügung vom 23.03.2001, überschrieben mit „Einzelvermächtnisse“ wandte der Erblasser dem Beteiligten zu 1) einen Betrag von 50.000 DM zu. Weitere Einzelvermächtnisse brachte er unter acht weiteren Ziffern aus. Abschließend verfügte er: „Diese Erklärung ersetzt diejenige vom 9.3.91 und die vom 8.3.97, versehen mit handschriftlichen Änderungen. Letztere befindet sich in meinen Unterlagen.“

Mit – noch nicht eröffneter – Verfügung vom 28.01.2004, wiederum überschrieben mit „Einzelvermächtnisse“ traf der Erblasser weitere Bestimmungen, und ordnete an, diese Erklärung ersetze diejenigen vom 09.03.1991, 08.03.1997 und 23.03.2001.

Das Amtsgericht hat die vorgenannten letztwilligen Verfügungen, mit Ausnahme der noch nicht im Original vorliegenden vom 28.01.2004, eröffnet und den Vermächtnisnehmern auszugsweise Fotokopien der sie betreffenden Verfügungen übersandt. Der Beteiligte zu 1) erhielt eine Ablichtung des notariellen Testaments vom 09.03.1991, jedoch ohne die Schlussbemerkungen und die Unterschriften. Weiterhin erhielt er aus der mit „Vermächtnisse“ überschriebenen Verfügung vom 09.03.1991 eine Ablichtung der das ihm zugedachte Aktiendepot betreffenden Passage. Ob eine Verfügung, ihm auch die ihn betreffende Passage aus der letztwilligen Verfügung vom 23.03.2001 zu übersenden, ausgeführt wurde, ist nicht ersichtlich.

Den Antrag des Beteiligten zu 1) auf vollständige Akteneinsicht hat das Amtsgericht durch Beschluss mit der Begründung zurückgewiesen, mit dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der anderen Beteiligten und auch der schutzwürdigen Vermögenssphäre des Erblassers sei eine weitergehende Übersendung von Ablichtungen oder eine vollständige Akteneinsicht nicht vereinbar. Das rechtliche Interesse des Beteiligten zu 1) als Vermächtnisnehmer gehe nur so weit, die ihn betreffenden Verfügungen von Todes wegen zu erfahren.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1). Dieser begründet sein rechtliches Interesse damit, dass er darauf angewiesen sei, zu erkennen, wie die unterschiedlichen Verfügungen von Todes wegen zueinander in Beziehung stünden, um den Umfang seiner Rechte überprüfen zu können.

II.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im übrigen zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht im Sinne von §§ 63 Abs. 1; 64 FamFG eingelegt.

In der Sache erweist sich die Beschwerde nur teilweise als begründet. Der rechtliche Ausgangspunkt der angefochtenen Entscheidung ist zutreffend. Gemäß § 357 Abs. 1 FamFG ist nur derjenige berechtigt, eine eröffnete Verfügung von Todes wegen einzusehen, der ein dahingehendes rechtliches Interesse glaubhaft macht. Daraus folgt, dass die Befugnis zur Einsichtnahme nur in dem Umfang und an den Teilen der eröffneten Verfügung besteht, an denen der Antragsteller auch ein rechtliches Interesse hat. Dies ergibt sich aus einer restriktiven Interpretation der in § 357 Abs. 1 FamFG getroffenen Regelung, welche nach dem Normzweck geboten ist. Dieser soll sowohl den berechtigten Belangen des jeweils Berechtigten, als auch dem berechtigten Geheimhaltungsinteresse der anderen Beteiligten und auch dem des Erblassers unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Datenschutzes Rechnung tragen (vgl. Mayer in Münchner Kommentar zum FamFG, 2. Aufl., § 357 Rn. 9 m. w. N.).

Soweit vereinzelt vertreten wird, den Beteiligten eines Verfahrens sei in alle eröffneten Teile der Verfügungen von Todes wegen uneingeschränkt Einsicht zu gestatten, da dem Nachlassgericht keine materielle Prüfung des Betroffenseins auferlegt werden solle (vgl. Schlögel in Hahne/Munzig, Beck“scher online-Kommentar zum FamFG, § 357 Rn. 8), vermag sich der Senat dem nicht in vollem Umfang anzuschließen. Der dem Nachlassgericht gesetzlich auferlegten Aufgabe, gemäß § 357 Abs. 1 FamFG das Bestehen eines rechtlichen Interesses zu prüfen, ist immanent, dass – jedenfalls in gewissem Umfang – auch materiell-rechtliche Fragen zu bedenken sind. Zudem bestimmt § 348 Abs. 3 S. 1 FamFG, dass den beim Eröffnungstermin nicht anwesenden Beteiligten nur der sie betreffenden Inhalt der Verfügungen von Todes wegen bekanntzugeben ist. Dies kann unter Berücksichtigung des Rechts, die Vorlage gemäß § 348 Abs. 2 S. 2 FamFG zu verlangen, zwar auch eine vollständige Übersendung erfordern, was regelmäßig der Fall ist, wenn anderweitige Verfügungen die erbrechtliche Stellung des jeweils Betroffenen beeinträchtigen, oder wenn dies nötig ist, um Rückschlüsse auf die Testierfähigkeit oder das Bestehen von Anfechtungsgründen ziehen zu können. Ein Vermächtnisnehmer muss demgegenüber regelmäßig nur erfahren, wer Erbe bzw. Testamentsvollstrecker ist, um sein Vermächtnis durchsetzen zu können (vgl. Muscheler in Münchner Kommentar zum FamFG, 2. Aufl., § 348 Rn. 33). Ein darüber hinausgehendes Einsichtsrecht kann sich für einen Vermächtnisnehmer etwa ergeben, wenn der Erbe behauptet, das Vermächtnis sei durch eine spätere Verfügung von Todes wegen widerrufen worden (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 17.03.2011, 1 W 457/10, juris).

Allerdings ist auch zu bedenken, dass sich die Frage, ob eine testamentarisch bedachte Person als Erbe oder Vermächtnisnehmer eingesetzt ist, oft nur durch Auslegung der letztwilligen Verfügung ermitteln lässt. Gemäß § 2087 BGB muss der vom Erblasser verwandte Begriff hierfür nicht zwingend ausschlaggebend sein. Dies spricht dafür, einem Vermächtnisnehmer auch einen Einblick in den Gesamtzusammenhang zu geben, in den die ihn betreffende Anordnung eingebettet ist. Die Frage, wie weitgehend sich das Einsichtsrecht gestaltet, kann demnach nur im Einzelfall beantwortet werden. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob unterschiedliche Auslegungen des Testaments möglicherweise in Betracht kommen, ob die Verständlichkeit einzelner Regelungen die Kenntnis des Gesamtzusammenhangs voraussetzt und in welchem Umfang schützenswerte Belange Anderer konkret bestehen.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien hält es der Senat für erforderlich, aber auch ausreichend, dem Beteiligten zu 1) in dem sich aus den Anlagen zu diesem Beschluss ergebenden Umfang Kenntnis der letztwilligen Verfügungen zu geben. Zwar besteht vorliegend kein Zweifel daran, dass die Vermächtnisanordnungen tatsächlich solche sind und nicht etwa als Erbeinsetzungen auszulegen sind. Jedoch muss diese Wertung auch für den Beteiligten zu 1) nachvollziehbar sein. Zudem muss er in die Lage versetzt werden, beurteilen zu können, inwieweit die späteren, auf frühere Verfügungen bezugnehmenden Testamente diese ersetzt oder lediglich ergänzt haben. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Wertangaben und Einzelvermächtnisse nur begrenzt Rückschlüsse auf die Zusammensetzung des Vermögens des Erblassers erlauben und ein besonderes Geheimhaltungsinteresse des Erblassers oder des Erben gegenüber dem Beteiligten zu 1) insoweit nicht erkennbar ist. Den berechtigten Belangen der übrigen Vermächtnisnehmer und des Testamentsvollstreckers ist insoweit Rechnung zu tragen, als dass die Namen der weiteren Vermächtnisnehmer und die zu Gunsten des Testamentsvollstreckers getroffene Vergütungsregelung zu schwärzen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1, 2 FamFG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor.

 

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