AG Bernau, Az.: 26 VI 738/04, Beschluss vom 27.04.2015
In der Nachlasssache des am … in H. geborenen, H. R. geb. K. verstorben am … in B., zuletzt wohnhaft in B.
wird der durch Beschluss vom 23.12.2004 des Amtsgerichts in Bernau bei Berlin bestellte Nachlasspfleger, Rechtsanwalt W. H. aus der Kanzlei H. und T., B., gemäß §§ 1886, 1915 BGB aus dem Amt des Nachlasspflegers entlassen.
Gründe
Gemäß § 1960 Abs. 1 BGB hatte das Nachlassgericht bis zur Annahme der Erbschaft durch die unbekannten Erben, für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen. Diese Verpflichtung, die nach § 3 Nr. 2 c RPflG grundsätzlich dem Rechtspfleger des Amtsgerichts übertragen ist, ist Ausfluss der allgemeinen staatlichen Fürsorge- und Aufsichtspflicht und dient zunächst der Erfüllung staatlicher Klärungs- und Ordnungsaufgaben auf dem Gebiet des Nachlasswesens. Entscheidet sich der Rechtspfleger des Nachlassgerichts für diese Maßnahme, so ist er zwar in der Folge gemäß §§ 1962, 1915,1837 Abs. 1 BGB im Wesentlichen darauf beschränkt, den Nachlasspfleger bei der Durchführung seiner Aufgaben zu beaufsichtigen. Jedoch bestehen im Rahmen dieser Aufsicht wesentliche, den Vermögensinteressen der Erben dienende Eingriffsmöglichkeiten und Handlungspflichten des Rechtspflegers fort. Der Rechtspfleger ist berechtigt und verpflichtet, bei Pflichtwidrigkeiten des Nachlasspflegers durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten und, falls durch pflichtwidriges Verhalten des Nachlasspflegers das Interesse der Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses gefährdet wird, den Nachlasspfleger zu entlassen (BGH, Beschluss vom 25.02.1988, 1 StR 466/87, juris).
Durch Beschluss vom 23.12.2004 wurde Herr Rechtsanwalt W. H. als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben nach dem oben genannten Erblasser bestellt. Als Aufgabenkreise wurden für die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie die Ermittlung der unbekannten Erben festgelegt. Nach eigenen erfolglosen Bemühungen beauftragte der Nachlasspfleger im Zeitraum vom 21.03.2006 bis 20.02.2007 eine Genealogin. Diese bemühte sich laut dem Bericht des Nachlasspflegers vom 09.10.2007 ebenfalls erfolglos um die Ermittlung der unbekannten Erben und stellte die Tätigkeit ein.
Mit Bericht vom 16.09.2008 teilte der Nachlasspfleger mit, dass nunmehr ein weiterer Genealoge mit der Ermittlung der unbekannten Erben beauftragt wurde. Ziel war die Ermittlung von Erben, zur Beantragung von Teilerbscheinen.
Nach Aktenlage wurde dem Nachlasspfleger mit Bericht vom 19.05.2009 der Erbenermittlung A. und M. ein erster Sachstand zur Erbenermittlung mitgeteilt. Dem Bericht kann entnommen werden, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine potentiellen Erben bekannt sind.
Im Bericht vom 20.11.2012 verweist der Nachlasspfleger bezüglich der Erbenermittlung auf den Sachstandsbericht der Erbenermittler vom 05.11.2012 und führt aus, dass die Erbenermittlung „unter Kontrolle“ bleibe.
Im Bericht vom 17.12.2013 führte der Nachlasspfleger wiederum aus, dass die Erbenermittlung „unter Kontrolle“ bleibe, während dem Schriftsatz des Erbenermittlungsbüros A. und M. vom 05.08.2013 entnommen werden kann, dass die Miterben durch das Erbenermittlungsbüro schriftlich und telefonisch über den Anfall der Erbschaft informiert wurden. Weiterhin forderte das Erbenermittlungsbüro vom Nachlasspfleger eine Kopie des Kontoauszuges, um den Erben den Nachlasswert mitzuteilen.
Mit Schreiben vom 13.08.2014 erfolgte durch die Miterbin Frau D.-C. die Mitteilung, dass die Erbenermittlung A. und M. sich angeboten hat, die Nachlassangelegenheit nach H. K. R „zu regeln“.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 12.01.2015 wurde der Nachlasspfleger aufgefordert, einen aktuellen Sachstandsbericht zum Verfahren und zur Erbenermittlung einzureichen. Weiterhin wurde dem Nachlasspfleger aufgegeben, die ihm bekannten Erben selbst über den Anfall der Erbschaft zu informieren.
Mit Schriftsatz vom 20.01.2015 führte der Nachlasspfleger aus, dass es ihm frei stehe, „die Erbenermittlung auszulagern und damit einen Dritten zu ermächtigen“. Auch müsse der Erbanwärter nicht zuerst vom Nachlasspfleger über den Anfall der Erbschaft informiert werden, auch wenn dem Nachlasspfleger der Erbanwärter bekannt sei. Dieses erfolge in Fällen der Einschaltung eines Erbenermittlungsbüros durch die Erbenermittler.
Die von dem Nachlasspfleger dargestellte Praxis werde von allen Nachlassgerichten, von denen der Rechtsanwalt W. H. zum Nachlasspfleger bestellt wurde, seit Jahrzehnten akzeptiert.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 13.03.2015 wurde dem Nachlasspfleger, unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 € aufgegeben, die ihm bekannten Erben über ihre Erbenstellung zu informieren.
Mit Schreiben vom 14.04.2015 verweigerte der Nachlasspfleger die gerichtliche Weisung mit der Begründung, dass der Nachlasspfleger, wenn er die unbekannten Erben über ihre Erbenstellung informiert, dass Erbenermittlungsbüro um ihr Honorar „bringen würde“. Dies sei „schlicht unmoralisch“ und mit der „Auffassung einer sinnvollen Arbeitsteilung unvereinbar“.
Der vom Nachlasspfleger dargestellten Rechtsauffassung kann nicht gefolgt werden. Sinn und Zweck der Nachlasspflegschaft ist die Sicherung und Verwaltung des Nachlasses. Vorliegend wurde das Nachlassvermögen mündelsicher angelegt. Weiterhin wurde dem Nachlasspfleger der Aufgabenkreis der Erbenermittlung übertragen. Das sich der Nachlasspfleger eines Erbenermittlungsbüros bedienen kann, steht außer Frage. Jedoch muss der Nachlasspfleger weiterhin „Herr des Verfahrens“, sprich der Erbenermittlung bleiben. Eine völlige Untätigkeit des Nachlasspflegers bei Bekanntwerden der Erben, hier durch Bericht des Erbenermittlungsbüros vom 05.11.2012, kann durch das Gericht nicht geduldet werden. Hierbei genügt auch nicht die floskelhafte Wiederholung des Nachlasspflegers, die Erbenermittlung bliebe unter Kontrolle. Denn diese Floskel weist nur darauf hin, dass der Nachlasspfleger dem Erbenermittlungsbüro durch Untätigkeit zuarbeitet und wissentlich die wirtschaftlichen Interessen des Erbenermittlers deckt, während die Erben durch seine Untätigkeit dem Druck des Erbenermittlungsbüros ausgesetzt sind.
Mithin ist das Nachlassgericht, vertreten durch den Rechtspfleger, berechtigt und verpflichtet, bei Pflichtwidrigkeiten des Nachlasspflegers durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Durch die Verweigerung der Ausführung der gerichtlichen Verfügung vom 13.03.2015, auch unter Hinnahme eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 €, sind die Interessen der dem Nachlasspfleger bekannten Erben gefährdet. Der Nachlasspfleger war folglich zu entlassen und durch einen geeigneten Nachlasspfleger zu ersetzen.