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Erbscheinserteilungsverfahren – Festsetzung des Geschäftswerts

OLG München – Az.: 31 Wx 221/19 Kost – Beschluss vom 29.04.2019

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen – Nachlassgericht – vom 4.3.2019 wird samt Nichtabhilfebeschluss vom 5.4.2019 aufgehoben.

2. Die Akten werden dem Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen – Nachlassgericht – zur erneuten Durchführung des Geschäftswertfestsetzungsverfahrens zurückgegeben.

Gründe

i.

Die zulässige Beschwerde hat einen vorläufigen Erfolg. Die Sache ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses betreffend die Festsetzung des Geschäftswerts für das Erbscheinserteilungsverfahren samt Nichtabhilfeentscheidung an das Nachlassgericht zurückzugegeben.

1. Die angefochtene Entscheidung wie auch die Nichtabhilfeentscheidung müssen erkennen lassen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Kenntnis genommen, geprüft und berücksichtigt wurde (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. OLG München FamRZ 2010, 1000; zuletzt vgl. nur BeckRS 2019, 2904; 2019, 158). Dieser Grundsatz gilt auch im Kostensachen (OLG Koblenz FamRZ 2017, 1250) und insofern auch im Verfahren betreffend die Festsetzung des Geschäftswerts. Formelhafte Ausführungen genügen insofern nicht, sondern führen zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs eines Beteiligten (vgl. nur BVerfG 1 BvR 2015/02, Beschluss vom 21.11.2002).

2. Diesen Anforderungen wird weder die angefochtene Ausgangsentscheidung noch die Nichtabhilfeentscheidung des Nachlassgerichts gerecht.

a) In dem angefochtenen Geschäftswertbeschluss vom 4.3.2018 führt das Ausgangsgericht die zu bewertenden Grundstücke im Nachlass an, wobei sich die Ausführungen inhaltlich weitgehend mit denen des Bezirksrevisors (= Beteiligter zu 2) in seiner Stellungnahme vom 22.6.2018 decken. Zudem wird ausdrücklich am Ende der Gründe auf „Bl. 58 der Akte“ verwiesen, bei der es sich um die Stellungnahme des Beteiligten zu 2 handelt.

b) Diese Ausführungen entsprechen nicht den Anforderungen im Sinne des § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG. Denn der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat bereits im Kostenerinnerungsverfahren mit Schriftsatz vom 2.10.2018 substantiiert vorgebracht, warum die von dem Beteiligten zu 2 angesetzten Werte nicht zutreffend sind. So hat er u.a. die angesetzte Quadratmeteranzahl der Wohnung in München gerügt, wie auch substantiierte Einwände betreffend den Ansatz des erbengemeinschaftlichen Miteigentumsanteils und den Wertansatz der Immobilie in Murnau erhoben. Zudem hat er Aufwendungen der Beschwerdeführerin für die im Nachlass befindliche Immobilie behauptet, die offenbar von ihr und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten gemeinsam bewohnt wurde, und insofern einen Anspruch auf §§ 951, 812 BGB geltend gemacht. Im Anschluss daran hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 7.1.2019 das Verfahren zur Festsetzung des Geschäftswerts eingeleitet, wobei es auf die Stellungnahme des Beteiligten zu 2 vom 22.6.2018 Bezug nahm.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 17.01.2019 erneut auf die zu hoch angesetzte Quadratmeteranzahl der Wohnung in München hingewiesen und zudem gerügt, dass zu den übrigen von ihm angebrachten Einwendungen keine Stellung bezogen worden sei. Im nachfolgenden Beschluss betreffend die Festsetzung des Geschäftswerts vom 4.3.2019 finden sich zu den Einwänden der Beschwerdeführerin keinerlei Ausführungen. Dessen Gründe geben im Kern die Ausführungen des Beteiligten zu 2 in seiner Stellungnahme vom 22.06.2018 wieder, wobei auf eine Blattzahl verwiesen wird.

c) Insofern wird inhaltlich lediglich die Stellungnahme des Beteiligten zu 2 wiederholt, wobei auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens der Beschwerdeführerin zu den hier zentralen Fragen der Bewertung des Nachlasses nicht eingegangen wird. Insofern stellen sich die Ausführungen als formelhafte und scheinbare Begründung dar, die nicht den Anforderungen des § 38 Abs. 3 S.1 FamFG entspricht. Zudem lässt der Inhalt der Gründe auf eine Nichtberücksichtigung des Vortrages der Beschwerdeführerin und damit auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs schließen (vgl. Keidel/Meyer-Holz 19. Auflage <2017> § 38 Rn. 66 m.w.N.).

d) Diese Verletzung ist auch nicht im Abhilfeverfahren geheilt worden, da sich auch die Nichtabhilfeentscheidung trotz substantiierten Beschwerdevorbringens, in dem erneut auf die bereits angebrachten Argumenten hingewiesen und ausdrücklich die Rüge erhoben wird, dass der Vortrag der Beschwerdeführerin betreffend die von ihr aufgebrachten Aufwendungen völlig ignoriert worden sei, darin erschöpft, dass der Beschwerde aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen werde und auf die Stellungnahme der Beteiligten zu 2 Bezug genommen werde.

3. Eine solche Art der Begründung rechtfertigt die Aufhebung der Ausgangsentscheidung und der Nichtabhilfeentscheidung samt Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht zur erneuten Durchführung des Geschäftswertfestsetzungsverfahren (vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 19.1.2018 – 6 W 211/17 -, Rn. 9, juris; OLG Celle Beschluss vom 31.1.2018 – 6 W 8/18, juris Rn. 8; OLG Celle 30.11.2017 6 W 190/17 – juris; OLG Koblenz JurBüro 2017, 488, 489).

Die Verletzung rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin kann vorliegend auch nicht im Beschwerdeverfahren geheilt werden. Denn dort würde erstmals überhaupt die gebotene Sachaufklärung betreffend die Werte der Immobilien samt Auseinandersetzung mit den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwänden erfolgen. Dies hätte zur Konsequenz, dass das Beschwerdegericht anstelle des dafür erstinstanziell an sich zuständigen Ausgangsgerichts tätig werden würde, und die Beschwerdeführerin eine Tatsacheninstanz verlieren würde. Damit wäre auch eine Verkürzung des in § 83 GNotKG vorgesehenen Rechtsmittelzuges verbunden.

II.

Für die Durchführung des Verfahrens betreffend die Festsetzung des Geschäftswerts weist der Senat auf folgendes hin:

1. Zu den einzelnen Wertansätzen:

a) Hinsichtlich des von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruchs im Sinne des §§ 951, 812 BGB wird das Nachlassgericht abzuklären und zu prüfen haben, ob es sich dabei um ehebedingte/unbenannte Zuwendungen der Beschwerdeführerin handelt und ob diese überhaupt eine Nachlassverbindlichkeit darstellen können.

b) Hinsichtlich der Immobilie in München wird das Nachlassgericht die gerügte Größe der Wohnung abzuklären und den angesetzten qm-Preis näher zu erläutern haben. Zur Bestimmung des nach § 46 Abs. 1 GNotkG anzusetzenden Verkehrswerts der Wohnung wäre u.a. auch eine Heranziehung eines Vergleichwerts der Wohnung aufgrund amtlicher Auskunft (§ 46 Abs. 2 Nr.3 Alt. 2 GNotKG) möglich.

c) Hinsichtlich des erbengemeinschaftlichen Miteigentumsanteils des Erblassers wird dessen Größe wie auch der Wert des Eigentums selbst festzustellen sein.

d) Da die Beschwerdeführerin kein Nachlassverzeichnis eingereicht hat und so der Umfang und der Wert des Nachlasses bisher nicht umfassend abgeklärt wurden, wird das Nachlassgericht auch eine Auskunft bei dem zuständigen Finanzamt berücksichtigen zu haben. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin stehen einer solchen Auskunft weder das Steuergeheimnis noch datenschutzrechtliche Vorschriften entgegen. § 40 Abs. 6 GNotKG sieht ausdrücklich eine Offenbarungsbefugnis der Erbschaftsteuerstellen an die Nachlassgerichte vor (vgl. Hk-GNotkK/Greipl <2013> § 40 Rn. 20; vgl. auch BR-Drs. 517/12 S.14).

e) Sofern sich infolge der erneuten Durchführung des Verfahrens betreffend die Bestimmung des Geschäftswerts für das Erbscheinserteilungsverfahren ein Wert ergibt, der höher ist das der in dem Beschluss vom 4.3.2019 (zunächst) festgesetzte, wäre der höhere Wert zugrunde zu legen. Das Verbot der Änderung der Ausgangsentscheidung zum Nachteil eines Beschwerdeführers (sog. „Verbot einer reformatio in peius“) gilt im Verfahren der Geschäftswertbeschwerde nicht (vgl. Korintenberg/Fackelmann GNotKG 20. Auflage <2017> § 83 Rn. 35 m.w.N.). Ist aber der Senat im Rahmen des Beschwerdeverfahrens bei seiner Entscheidung nicht an die vom Nachlassgericht festgesetzte Höhe als Obergrenze gebunden, so besteht auch für das Nachlassgericht keine Bindung an den ursprünglichen festgesetzten Wert, wenn dessen Entscheidung im Beschwerdeverfahren aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Durchführung des Festsetzungsverfahrens zurückverwiesen wird.

2. Zur Abfassung der Entscheidung betreffend die Festsetzung des Geschäftswerts:

a) Die Beteiligten müssen vor Erlass der Entscheidung in die Lage versetzt werden, die Wertberechnung nachvollziehen zu können. Dies setzt voraus, dass sie vor Erlass der Entscheidung auf die Grundlagen der Berechnung hingewiesen werden und ihnen diese Grundlagen vorab zur Überprüfung der Wertberechnung mitgeteilt werden (vgl. auch OLG München BeckRS 2018, 30971).

b) Die Berechnung des Werts einer Immobilie muss in der Entscheidung selbst nachvollziehbar dargestellt werden. Eine Bezugnahme auf computergestützte Berechnungsprogramme wäre insofern nicht ausreichend. Vielmehr muss ein Beteiligter durch die Entscheidung selbst in die Lage versetzt werden, die einzelnen Berechnungsschritte wie auch die für die Berechnung herangezogenen Werte nachvollziehen zu können (vgl. dazu OLG München BeckRS 2018, 30971; 2017, 118273 zur ähnlich gelagerten Problematik der Berechnung von Erbquoten im Rahmen des § 2087 Abs. 2 BGB). Insofern muss die Wertberechnung zur Überprüfung durch die Beteiligten wie auch durch den Senat aus sich selbst heraus verständlich und nachvollziehbar dargestellt sein.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 83 Abs. 3 GNotKG).

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