OLG München – Az.: 1 U 527/11 – Beschluss vom 18.10.2011
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 22.12.2010, Az. 15 O 25923/09, wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.590.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin, die Erbbauberechtigte bezüglich eines im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücks ist, verlangt vom Beklagten Auskunft über Grundstücksverkäufe und begehrt die Verurteilung zum Ersatz von Kosten, die der Klägerin im Zusammenhang mit anderen Prozessen entstanden sind. Außerdem macht sie geltend, der Beklagte habe Amtspflichten sowie Pflichten aus dem Erbvertrag verletzt, wodurch das Erbbaurecht der Klägerin einen Wertverlust erlitten habe. Insoweit begehrt sie eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe dieses Wertverlustes. Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.12.2010 abgewiesen. Ergänzend wird für den Sachverhalt, den Vortrag der Parteien, die gestellten Anträge und die Begründung der Klageabweisung auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 110/126 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin wendet sich mit der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts. Sie meint, das Landgericht habe verkannt, dass die Klägerin nicht nur Amtshaftungsansprüche, sondern auch die Verletzung des Erbaurechtsvertrages geltend mache. Wesentlicher Sachvortrag der Klägerin sei übergangen worden, auch sei der Klägerin die mündliche Darlegung ihrer Argumente verwehrt worden. Außerdem habe das Gericht seine Hinweispflichten verletzt.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin folgende Anträge:
I. Unter Aufhebung des am 22.12.2010 verkündeten Endurteils des Landgerichts München I, AZ. 15 O 25923/09 wird der Beklagte verurteilt,
a) der Klägerin über sämtliche Verkäufe freigewordener Grundstücke aus Erbbaurechtsverträgen im Bebauungsgebiet des früheren öffentlichrechtlichen Zweckverbandes „Soziale Eigenheimsiedlung N. e.G.m.b.H. i.L.“ ab 22.01.1919 bis 01.12.1949 und dessen Rechtsnachfolger des privatrechtlichen Zweckverbands „Siedlung N. e.V“. ab 02.12.1949 über die zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit verkauften Grundstücke in der gesamten N.strasse als Siedlerstrasse mit vollständiger Angabe der Namen und Adressen der Käufer unter Bezeichnung der privaten Siedlerstrassen und Hausnummern Auskunft zu erteilen und hierzu die notariellen Kaufverträge vorzulegen, die er getätigt hat und in denen er nicht die infolge der Bebauung des Grundstücks erwachsenden Verpflichtungen und Leistungen, insbes. die Verpflichtung
aa) zur Herstellung und Sicherung der Straßen gemäß geltenden baupolizeilichen Vorschriften,
bb) zu ordnungsgemäßen Unterhaltung, Reinigung, Winterdienst und Instandsetzung bzw. Neuherstellung des jeweils vor dem ehemaligen Erbbau- oder Erbpachtgrundstück gelegenen Verkehrsgrundes
cc) zur Beitragsleistung an der Allgemeinstraßenbeleuchtung,
dd) zum Anschluss des Anwesens an das gemeindliche Kanalnetz und zur Nutzung nach ortspolizeilichen Vorschriften über die Entwässerung der Grundstücke
ee) zur Versicherung gegen Unfälle, die sich auf dem unter bb) beschriebenen Verkehrsgrund ereignen.
ff) zur Durchführung aller im allgemeinen Interesse des Siedlungsgebiets gelegenen Vorkehrungen dem o.a. Zweckverband als Mitglied anzugehören und den Ordnungen dieses Verbandes Folge zu leisten,
sowie
gg) die aus der Zugehörigkeit zu diesem Verband ihm erwachsenden finanziellen oder natural zu erbringenden Leistungen zu erfüllen, soweit diese nicht durch ihn oder die Landeshauptstadt München bzw. einen Dritten als Versorgungsträger kostenlos erbracht werden,
zugrunde gelegt hat und in denen er nicht die Übertragung dieser Verpflichtungen auf den Rechtsnachfolger vereinbart hat.
II. der Beklagte wird weiter verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Verkauf des früheren Vereinsheims in der N.strasse 14 zu erteilen durch Vorlage der notariellen Verkaufsurkunde (n)
III. Erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben an Eides Statt zu versichern.
IV. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die von ihr aufgewendeten Kosten der Rechtsberatung und Rechtsverfolgung gegen den privatrechtlichen Zweckverband „Siedlung N. e.V.“ bei dem Landgericht München I 32 O 20234/05 und OLG München 19 U 3494/08 sowie des Landgerichts München I 4 O 6290/08 mit Streitverkündungen an den Beklagten in diesen Verfahren und weitere noch hieraus entstehende Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu ersetzen.
V. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe des Wertverlustes ihres noch bis zum 31.12.2040 gültigen Erbbaurechts am Grundstück des Beklagten, N.strasse 41, München wegen der Herausnahme von Grundstücken in der N.strasse aus der Solidargemeinschaft der Siedlerstraße N. strasse und wegen der durch die Umgriffsbildung einer Erbbaugrenzlinie im Bebauungsplan mit Grünordnung der Landeshauptstadt München „H.“ Nr. … sowie wegen der dadurch ermöglichten übermäßigen Nachbarbebauung auf dem Grundstück N.strasse 43, wodurch ihre Lasten und Pflichten aus dem zwischen den Parteien bestehenden Erbauvertrags vom 14.12.1950 erhöht worden sind, in einer nach Erteilung der Auskunft in Ziff.I noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung. Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Mit Beschluss vom 10.08.2011, auf den Bezug genommen wird, hat der Senat darauf hingewiesen, dass er die Berufung der Klägerin für offensichtlich unbegründet hält und beabsichtigt, diese einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin hat hierzu mit Schriftsatz vom 23.09.2010 (Bl. 167/191 d.A.) Stellung genommen. Sie ist der Auffassung, es werde materielles Recht verletzt, insbesondere würden verwaltungsrechtliche Vorfragen und deren Erheblichkeit vom Gericht fehlerhaft beantwortet.
II.
Die Berufung der Klägerin hat keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Auf den Senatsbeschluss vom 10.08.2011 (Bl. 159/164 d.A.) wird Bezug genommen. Auch das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 23.09.2011 rechtfertigt keine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
Im Einzelnen:
1. Der Argumentation der Klägerin, vorliegend müsse die verwaltungsrechtlichen Vorfrage geklärt werden, ob sie als Mitglied eines öffentlich-rechtlichen bzw. bodenrechtlichen Zweckverbandes, dessen Ziel es u.a. gewesen sei, den Charakter des Baugebiets zu bewahren, subjektive Rechte in Form eines Schadensersatzanspruchs für den Verlust eines ursprünglich bestehenden Gebietserhaltungsanspruchs herleiten könne, der darauf beruhe, dass der Zweckverband rechtswidrig aufgelöst worden sei bzw. seine Zweckverbandsaufgaben nicht mehr erfüllen könne (S. 2 des Schriftsatzes vom 23.09.2011), vermag der Senat aus mehreren Gründen nicht zu folgen.
Zum einen waren weder die Klägerin noch ihre Rechtsvorgänger jemals Mitglieder eines öffentlich-rechtlichen Zweckverbandes. Grundlage des Erbbaurechts der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgänger ist ein Vertrag des Beklagten mit Maria S., geschlossen am 14.12.1950. Die Erbbauberechtigte S. wurde – ebenso wie die Klägerin im Wege der Rechtsnachfolge – Mitglied in dem am 02.09.1949 gegründeten privaten Zweckverband „Siedlung N. e.V.“ Der öffentlich- rechtliche Zweckverband „Soziale Eigenheimsiedlung N. e.G.m.b.H. i.L.“ war bereits davor, nämlich am 2.12.1949 nach konstitutioneller Abschaffung in Liquidation gegangen.
Zum zweiten lässt sich weder aus dem Erbbaurechtsvertrag vom 14.12.1950 noch aus gesetzlichen Vorschriften die von der Klägerin behauptete Verpflichtung des Beklagten ableiten, den privaten Zweckverband „Siedlung N. e.V.“ zu überwachen und im Sinne der Klägerin die Willensbildung des Verbandes zu beeinflussen. Der private Zweckverband ist ein Zusammenschluss von Erbbauberechtigten. Er beschließt eigenverantwortlich über seine Satzung und seine Aktivitäten. Eine Rechtsgrundlage, die den Beklagten berechtigen oder zugunsten der Klägerin sogar verpflichten würde, dem Verein diesbezüglich Weisungen zu erteilen, ist nicht ersichtlich.
Desweiteren lässt sich, wie das Landgericht und der Senat ebenfalls bereits dargelegt haben, weder aus dem Erbbaurechtsvertrag vom 14.12.1950 noch aus sonstigen Rechtsnormen eine Verpflichtung des Beklagten zugunsten von Erbbauberechtigten ableiten, gegen einen Bebauungsplan der Landeshauptstadt München betreffend Nachbargrundstücke von Erbaurechtsgrundstücken vorzugehen oder gegen eine Nachbarbebauung Rechtsmittel zu ergreifen. Soweit durch etwaige planerische Entscheidungen der Landeshauptstadt München subjektive Rechtspositionen eines Erbauberechtigten beeinträchtigt waren, war es Sache der Erbbauberechtigten, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Insoweit entbehrt auch die Annahme der Klägerin, ihr habe ein (weitergehender) Gebietserhaltungsanspruch zugestanden, der durch pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen des Beklagten verloren gegangen sei, einer rechtlichen Grundlage.
Im übrigen kann dahinstehen, ob es überhaupt zu den Pflichten des Zweckverbandes gehörte oder gehört – wie die Klägerin geltend macht – den Gebietscharakter des Erschließungsgebietes H. und des Teilgebietes N. als Garten – und Parklandschaft zu wahren, ebenso ob er diese Aufgabe zugunsten der Klägerin bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes durch die Landeshauptstadt München hätte wahrnehmen müssen bzw. nicht wahrgenommen hat. Jedenfalls ist keine Pflichtverletzung des Beklagten ersichtlich, die den Zweckverband an der Wahrnehmung satzungsmäßiger Aufgaben gehindert hätte.
2. Die Erwägungen der Klägerin, wie sich die rechtliche Situation dargestellt hätte, wenn ihr Grundstück im Gebiet eines Bebauungsplanes gelegen hätte, sind hypothetischer Natur. Unstreitig existierte kein Bebauungsplan, aus dem die Klägerin hätte subjektive Rechte ableiten können. Soweit die Klägerin meint, die Existenz des privaten Zweckverbandes „Siedlung N. e.V.“ habe eine mit einem Bebauungsplan vergleichbare Rechtswirkung (Schutz des Gebietscharakters) und lediglich durch die Auflösung des Zweckverbandes – tatsächlich existiert der Verein bis heute – habe der Bebauungsplan der Landeshauptstadt München erlassen werden können, erschöpft sich auch dieses Vorbringen in einer Behauptung, die jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt. Weder aus der Satzung des Vereins noch aus dem Erbbaurechtsvertrag noch aus gesetzlichen Regelungen lassen sich die von der Klägerin behauptete Funktion des Vereins bzw. die geltend gemachten Rechtsfolgen – Begründung eines Gebietserhaltungsanspruchs zugunsten der Erbbauberechtigten – ableiten.
3. Zu den Ausführungen der Klägerin in Bezug auf „Privatisierung“ bzw. „Deregulierung“ bleibt festzuhalten, dass weder die Klägerin noch deren Rechtsvorgänger je Mitglied eines öffentlich-rechtlichen Zweckverbandes oder eines Bodenverbandes war. Abgesehen davon wurde der Verein „Siedlung N. e.V.“ vom Beklagten nicht aufgelöst; er existiert nach wie vor.
4. Weder die Präambel der Satzung des Vereins aus dem Jahr 1977 noch die Satzung selbst noch der Erbbaurechtsvertrag vom 14.12.1950 begründen eine Rechtspflicht des Beklagten, neue Erbbauberechtigte oder Rechtsnachfolger freigewordener Grundstücke dazu zu verpflichten, Mitglieder des privaten Zweckverbandes „Siedlung N. e.V.“ zu werden. Ebenso wenig lässt sich daraus ableiten, dass der Beklagte auf die Satzungsgestaltung des Vereins Einfluss nehmen kann oder muss. Ergänzend ist zum Vorbringen der Klägerin festzuhalten, dass in § 4 der Satzung aus dem Jahr 1977 keine Pflicht des Beklagten zur Informationserteilung und Hilfeleistung enthalten ist. Geregelt sind darin ausschließlich Rechte und Pflichten im Verhältnis der Mitglieder zum Verein, nicht in Verhältnis zum Beklagten. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 23.09.2011 Kritik an der geänderten Satzung übt sowie vereinsinterne Konflikte darstellt, ist eine Entscheidungserheblichkeit in Bezug auf die gegen den Beklagten geltend gemachten Ansprüche nicht ersichtlich. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Organisation des Winterdienstes.
III.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 522 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens entspricht demjenigen erster Instanz.