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Pflichtteilsstrafklausel bei Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch  Träger der Sozialhilfe

Sozialhilfeträger siegt im Erbstreit um Pflichtteilsanspruch einer behinderten Tochter. Das Oberlandesgericht Hamm erklärt eine Pflichtteilsstrafklausel für wirksam, trotz Geltendmachung des Anspruchs durch den Sozialhilfeträger. Ein späteres Testament der Mutter wird für unwirksam erklärt, da es gegen die Bindungswirkung eines früheren gemeinschaftlichen Testaments verstieß.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht hatte zu klären, ob die Pflichtteilsstrafklausel des Testaments greift und die behinderte Tochter daher nur Anspruch auf den Pflichtteil hat.
  • Die behinderte Tochter T3 war seit ihrer Geburt auf Sozialhilfe angewiesen und konnte ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln.
  • Die Eltern hatten in ihren Testamenten festgelegt, dass Kinder, die ihren Pflichtteil einfordern, nur diesen Pflichtteil und keine weiteren Erbansprüche haben.
  • Nach dem Tod des Vaters machte der Kläger erfolgreich Pflichtteilsansprüche für die Tochter T3 geltend.
  • Die Mutter änderte später ihr Testament und setzte T3 nur als Vorerbin ein, was die anderen Töchter als Nacherben begünstigte.
  • Das Landgericht entschied, dass T3 aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel nur den Pflichtteil nach der Mutter erhält, da durch die vorherige Pflichtteilseinforderung der Anspruch verwirkt wurde.
  • Das Gericht erklärte das spätere Testament der Mutter für unwirksam, da es die wechselbezüglichen Verfügungen des Ehegattentestaments verletzt.
  • Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung der Beklagten zurück.
  • Die Pflichtteilsstrafklausel gilt, obwohl der Anspruch durch den Sozialhilfeträger geltend gemacht wurde, da das Testament keinen Unterschied macht, wer den Pflichtteil einfordert.
  • Die Entscheidung hat zur Folge, dass die behinderte Tochter T3 nur den Pflichtteil und keine weitergehenden Erbansprüche hat.

Pflichtteilsstrafklauseln und Sozialhilfeempfänger: Komplexe rechtliche Fragen im Erbrecht

Der Pflichtteil ist ein gesetzlich festgelegter Anteil am Nachlass, der bestimmten Erben zusteht. Der Anspruch auf den Pflichtteil soll sicherstellen, dass nah Verwandte des Erblassers zumindest einen basalen Schutz ihrer finanziellen Existenz erhalten. Dabei kann es jedoch zu komplizierten Konstellationen kommen, wenn der Erbe seinen Pflichtteilanspruch geltend macht und gleichzeitig Träger der Sozialhilfe ist.

Besonders brisant werden die Dinge, wenn der Erblasser im Testament eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel eingefügt hat. Eine solche Klausel soll den Pflichtteilserben dazu bewegen, auf seinen Anspruch zu verzichten. Andernfalls droht der Erbe einen erheblichen Nachteil. Ob eine solche Pflichtteilsstrafklausel rechtlich zulässig ist, hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab. Die Rechtsprechung zu diesem Thema ist komplex und oftmals widersprüchlich.

Dieser Fall soll die besondere Herausforderung beleuchten, die sich in Fällen von Pflichtteilsstrafklauseln und Sozialhilfebezug ergeben.

Der Fall vor Gericht


Pflichtteilsstrafklausel wirksam trotz Sozialhilfebezug

Der Fall dreht sich um einen Rechtsstreit zwischen einem Sozialhilfeträger und den Erben einer verstorbenen Frau. Im Zentrum steht die Frage, ob die behinderte Tochter der Verstorbenen einen Pflichtteilsanspruch hat oder als Miterbin eingesetzt wurde.

Hintergrund des Rechtsstreits

Die verstorbene Frau und ihr Ehemann hatten in einem gemeinschaftlichen Testament von 1995 festgelegt, dass ihre Kinder enterbt werden sollten, wenn sie nach dem Tod des ersten Elternteils den Pflichtteil fordern würden. Diese sogenannte Pflichtteilsstrafklausel kam zum Tragen, als der Sozialhilfeträger nach dem Tod des Vaters den Pflichtteil für die behinderte Tochter geltend machte.

Die Mutter errichtete 1998 ein neues Testament, in dem sie die behinderte Tochter zur Vorerbin einsetzte. Nach dem Tod der Mutter stritten nun der Sozialhilfeträger und die übrigen Töchter darüber, ob dieses spätere Testament wirksam war und ob die behinderte Tochter einen Pflichtteilsanspruch hat.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die Pflichtteilsstrafklausel wirksam ist und die behinderte Tochter dadurch enterbt wurde. Somit steht ihr ein Pflichtteilsanspruch zu. Die wichtigsten Punkte der Entscheidung:

  1. Die Pflichtteilsstrafklausel greift auch dann, wenn der Sozialhilfeträger den Pflichtteil fordert. Eine einschränkende Auslegung ist nur bei sogenannten „Behindertentestamenten“ möglich, was hier nicht der Fall war.
  2. Das spätere Testament der Mutter von 1998 war unwirksam, da es gegen die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments verstieß. Die Mutter konnte nach dem Tod ihres Mannes die Erbeinsetzung der Töchter nicht mehr ändern.
  3. Der Sozialhilfeträger hat als übergegangenes Recht der behinderten Tochter einen Auskunftsanspruch gegen die Erben bezüglich des Nachlasses.

Bedeutung für Betroffene

Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für Menschen in ähnlichen Situationen:

  • Pflichtteilsstrafklauseln in Ehegattentestamenten sind grundsätzlich wirksam, auch wenn ein Sozialhilfeträger den Pflichtteil fordert.
  • Nur bei speziellen „Behindertentestamenten“ kann eine einschränkende Auslegung in Betracht kommen.
  • Die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente ist sehr stark. Spätere einseitige Änderungen sind oft unwirksam.
  • Sozialhilfeträger können Auskunftsansprüche der Pflichtteilsberechtigten geltend machen.

Für Betroffene ist es wichtig, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen, um die Konsequenzen von Testamentsgestaltungen und Pflichtteilsansprüchen richtig einschätzen zu können.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil bekräftigt die weitreichende Wirksamkeit von Pflichtteilsstrafklauseln in Ehegattentestamenten, auch wenn ein Sozialhilfeträger den Pflichtteil fordert. Es unterstreicht die starke Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente und begrenzt die Möglichkeit späterer einseitiger Änderungen. Die Entscheidung verdeutlicht die Komplexität erbrechtlicher Gestaltungen und die Notwendigkeit frühzeitiger rechtlicher Beratung, insbesondere bei der Versorgung behinderter Kinder im Erbfall.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie Sozialhilfe beziehen und gleichzeitig einen Pflichtteilsanspruch haben, kann dieses Urteil wichtige Auswirkungen auf Ihre Situation haben. Die Pflichtteilsstrafklausel im Testament Ihrer Eltern bleibt wirksam, auch wenn der Sozialhilfeträger in Ihrem Namen den Pflichtteil fordert. Das bedeutet, dass Sie möglicherweise Ihren Erbanspruch verlieren und stattdessen nur den Pflichtteil erhalten. Allerdings haben Sie oder der Sozialhilfeträger in Ihrem Namen das Recht, Auskunft über den Nachlass zu verlangen. Es ist wichtig zu beachten, dass spätere einseitige Änderungen am Testament eines Elternteils unwirksam sein können, wenn sie die ursprüngliche Vereinbarung beider Eltern beeinträchtigen. In Ihrer komplexen Situation ist es ratsam, sich rechtlich beraten zu lassen, um Ihre Optionen und möglichen Ansprüche genau zu verstehen.


FAQ – Häufige Fragen

Sie haben Fragen zum Erbrecht? Pflichtteilsstrafklauseln und der komplizierten Verbindung zum Sozialhilfebezug sind Ihnen ein Rätsel? Dann sind Sie hier genau richtig! Diese FAQ-Rubrik bietet Ihnen verständliche und verlässliche Informationen zu all Ihren Fragen rund um das Erbrecht.


Was ist eine Pflichtteilsstrafklausel und wie wirkt sie sich auf den Pflichtteilsanspruch aus?

Die Pflichtteilsstrafklausel ist eine rechtliche Regelung, die häufig in Berliner Testamenten Anwendung findet. Sie dient dazu, den überlebenden Ehepartner vor finanziellen Belastungen zu schützen, die durch die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen der gemeinsamen Kinder entstehen könnten.

Im Kern besagt eine Pflichtteilsstrafklausel, dass ein Kind, welches nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil einfordert, auch nach dem Ableben des zweiten Elternteils lediglich den Pflichtteil erhält. Dies bedeutet, dass das Kind von der weiteren Erbfolge ausgeschlossen wird und somit auf den gesetzlich garantierten Mindestanteil am Erbe beschränkt bleibt.

Die Wirkung dieser Klausel auf den Pflichtteilsanspruch ist beträchtlich. Sie schafft einen starken Anreiz für die Kinder, auf die sofortige Geltendmachung ihres Pflichtteils zu verzichten. Der Pflichtteil, der normalerweise die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs beträgt, wird durch die Strafklausel zu einer Art Höchstgrenze für den möglichen Erwerb aus dem Nachlass beider Elternteile.

Für die betroffenen Erben bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung ihrer erbrechtlichen Position. Sie stehen vor der Wahl, entweder auf ihren unmittelbaren Pflichtteilsanspruch zu verzichten und damit die Chance auf ein größeres Erbe nach dem Tod des zweiten Elternteils zu wahren, oder ihren sofortigen Anspruch durchzusetzen und dafür langfristig finanzielle Nachteile in Kauf zu nehmen.

Die rechtliche Wirksamkeit der Pflichtteilsstrafklausel ist grundsätzlich anerkannt. Allerdings muss sie sorgfältig formuliert sein, um ihre beabsichtigte Wirkung zu entfalten. Unklare oder mehrdeutige Formulierungen können zu Auslegungsschwierigkeiten und rechtlichen Streitigkeiten führen.

Ein besonderes Augenmerk gilt der Frage, wann genau die Strafklausel greift. In manchen Fällen kann bereits die bloße Anfrage nach Auskunft über den Nachlass als Geltendmachung des Pflichtteils interpretiert werden und die Strafklausel auslösen. Um solche unbeabsichtigten Konsequenzen zu vermeiden, empfiehlt sich eine präzise Formulierung, die klar definiert, welche Handlungen als Verlangen des Pflichtteils gelten.

Für den überlebenden Ehepartner bietet die Pflichtteilsstrafklausel einen gewissen Schutz vor finanziellen Engpässen. Sie verhindert, dass der Nachlass durch sofortige Pflichtteilsforderungen der Kinder geschmälert wird, was insbesondere bei illiquiden Vermögenswerten wie Immobilien von Bedeutung sein kann.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Pflichtteilsstrafklausel das gesetzlich verankerte Recht auf den Pflichtteil nicht vollständig aushebeln kann. Sie schafft lediglich einen Anreiz zum Verzicht, indem sie die langfristigen finanziellen Konsequenzen der Geltendmachung des Pflichtteils verschärft.

In Bezug auf den Sozialhilfebezug ergeben sich besondere Fragestellungen. Wenn ein pflichtteilsberechtigtes Kind Sozialhilfe bezieht, kann der Sozialhilfeträger unter Umständen die Geltendmachung des Pflichtteils verlangen. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob die Pflichtteilsstrafklausel auch dann greift, wenn der Pflichtteil nicht vom Erben selbst, sondern vom Sozialhilfeträger eingefordert wird.

Die rechtliche Beurteilung solcher Konstellationen ist komplex und kann von den spezifischen Umständen des Einzelfalls abhängen. Es empfiehlt sich daher, bei der Gestaltung von Testamenten mit Pflichtteilsstrafklauseln fachkundigen rechtlichen Rat einzuholen, um alle relevanten Aspekte zu berücksichtigen und eine rechtssichere Formulierung zu gewährleisten.

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Kann ein Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch eines Erben geltend machen?

Der Sozialhilfeträger ist berechtigt, den Pflichtteilsanspruch eines Erben geltend zu machen, wenn dieser Sozialhilfe bezieht. Diese Rechtslage wurde durch mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs bestätigt und ist im Sozialgesetzbuch verankert.

Grundsätzlich dient der Pflichtteil dazu, nahe Angehörige wie Kinder oder Ehegatten am Nachlass zu beteiligen, auch wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Normalerweise liegt es im Ermessen des Pflichtteilsberechtigten, ob er diesen Anspruch geltend macht. Bei Sozialhilfeempfängern gelten jedoch besondere Regeln.

Das Sozialgesetzbuch sieht vor, dass Bezieher von Sozialhilfe vorrangig ihr eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen müssen. Dazu gehört auch ein möglicher Pflichtteilsanspruch. Um sicherzustellen, dass dieser tatsächlich zur Deckung des Lebensunterhalts verwendet wird, kann der Sozialhilfeträger den Anspruch auf sich überleiten. Dies geschieht nach § 93 SGB XII im Wege der sogenannten Überleitung.

Die Überleitung bedeutet, dass der Sozialhilfeträger in die Rechtsposition des Pflichtteilsberechtigten eintritt. Er kann den Anspruch dann in eigenem Namen gegenüber dem Erben geltend machen – auch gegen den Willen des eigentlich Berechtigten. Der Pflichtteilsanspruch wird dadurch zu einer Art Vermögenswert, der zur Finanzierung der Sozialhilfe herangezogen wird.

Diese Regelung weicht vom Grundsatz ab, dass ein Pflichtteilsberechtigter frei entscheiden kann, ob er seinen Anspruch geltend macht. Der Bundesgerichtshof hat diese Praxis jedoch in mehreren Urteilen für rechtmäßig erklärt. Er begründet dies damit, dass der Sozialhilfeträger als „Helfer“ des Hilfeempfängers eine andere Rolle einnimmt als sonstige Gläubiger.

Für Erben, die Sozialhilfe beziehen, hat dies weitreichende Konsequenzen. Sie können nicht mehr frei darüber entscheiden, ob sie aus familiären oder anderen Gründen auf ihren Pflichtteil verzichten möchten. Der Sozialhilfeträger kann den Anspruch unabhängig von ihrem Willen durchsetzen. Das erhaltene Geld wird dann auf die Sozialhilfeleistungen angerechnet oder kann sogar zu deren Einstellung führen.

Diese Rechtslage ist nicht unumstritten. Kritiker argumentieren, dass sie in die persönliche Entscheidungsfreiheit des Pflichtteilsberechtigten eingreift und familiäre Beziehungen belasten kann. Zudem wird bemängelt, dass sie dem Grundgedanken des Pflichtteils widerspricht, der eigentlich eine persönliche Mindestbeteiligung am Nachlass sicherstellen soll.

Für Erblasser, die einen sozialhilfebeziehenden Angehörigen nicht am Nachlass beteiligen möchten, ergeben sich dadurch Herausforderungen. Eine vollständige Enterbung schützt nicht vor dem Pflichtteilsanspruch. Es bedarf sorgfältiger erbrechtlicher Gestaltungen, um den Nachlass vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu schützen. Hierfür ist in der Regel eine individuelle rechtliche Beratung erforderlich.

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Was bedeutet die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments für die Erben?

Die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments hat weitreichende Konsequenzen für die Erben. Sie bedeutet, dass die gemeinsam getroffenen Verfügungen der Eheleute nach dem Tod des ersten Partners nicht mehr einseitig durch den Überlebenden geändert werden können. Dies schafft Rechtssicherheit für die im Testament bedachten Erben, schränkt aber gleichzeitig die Testierfreiheit des überlebenden Ehegatten ein.

Konkret entfaltet sich die Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen. Darunter fallen typischerweise die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehepartner sowie die Bestimmung von Schlusserben. Stirbt der erste Ehegatte, kann der Überlebende diese Regelungen nicht mehr abändern. Er ist an die gemeinsam getroffenen Festlegungen gebunden.

Für die eingesetzten Schlusserben – häufig die gemeinsamen Kinder – bedeutet dies, dass ihre Erbenstellung nach dem Tod beider Elternteile gesichert ist. Der überlebende Elternteil kann sie nicht mehr enterben oder ihre Erbquoten verändern. Ihre Rechtsposition als Erben wird somit gefestigt.

Allerdings erstreckt sich die Bindungswirkung nur auf letztwillige, nicht auf lebzeitige Verfügungen. Der überlebende Ehegatte kann also weiterhin frei über das Vermögen verfügen, es verschenken oder verbrauchen. Dies kann im Extremfall dazu führen, dass für die Schlusserben letztlich kein oder nur ein geringes Erbe übrig bleibt.

Die Bindungswirkung greift zudem nur bei wechselbezüglichen Verfügungen. Haben die Ehegatten bestimmte Regelungen ausdrücklich als nicht wechselbezüglich gekennzeichnet, bleiben diese abänderbar. Gleiches gilt, wenn sich aus der Auslegung des Testaments ergibt, dass keine Bindung gewollt war.

Für potenzielle Erben ist es wichtig zu wissen, dass die Bindungswirkung auch dann eintritt, wenn sie im Testament nicht explizit erwähnt wird. Sie ergibt sich kraft Gesetzes aus der Natur des gemeinschaftlichen Testaments. Allerdings können die Eheleute einen Änderungsvorbehalt vereinbaren, der dem überlebenden Partner gewisse Modifikationen erlaubt.

Die Rechtsprechung hat die Reichweite der Bindungswirkung in verschiedenen Konstellationen konkretisiert. So erstreckt sie sich grundsätzlich auch auf die gesetzlichen Erben der eingesetzten Schlusserben, sollten diese vor dem Erbfall versterben. Dies folgt aus der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2069 BGB.

Versucht der überlebende Ehegatte dennoch, durch ein neues Testament von den bindenden Verfügungen abzuweichen, ist dieses unwirksam. Die ursprünglich bestimmten Erben können sich auf die Bindungswirkung berufen und ihre Rechte durchsetzen. Sie müssen dazu gegebenenfalls einen Erbschein beantragen, der ihre Erbenstellung bestätigt.

Für die Erben ist es ratsam, sich frühzeitig mit dem Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vertraut zu machen. So können sie einschätzen, welche Regelungen bindend sind und mit welchem Erbe sie rechnen können. Bei Unklarheiten empfiehlt sich die Konsultation eines Fachanwalts für Erbrecht, um die individuelle Situation zu analysieren.

Die Bindungswirkung kann in bestimmten Fällen durchbrochen werden, etwa wenn sich die Verhältnisse seit Testamentserrichtung grundlegend geändert haben. Dies könnte beispielsweise bei einer Scheidung oder bei schwerem Fehlverhalten eines Schlusserben der Fall sein. Auch hier bedarf es jedoch einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung.

Zusammenfassend schafft die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments Planungssicherheit für die Erben, begrenzt aber die Flexibilität des überlebenden Ehegatten. Sie ist ein zentrales Element dieser Testamentsform und sollte bei der erbrechtlichen Gestaltung sorgfältig bedacht werden.

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Welche Auswirkungen hat ein Behindertentestament auf den Pflichtteilsanspruch?

Ein Behindertentestament hat erhebliche Auswirkungen auf den Pflichtteilsanspruch des behinderten Kindes. Grundsätzlich zielt diese besondere Testamentsform darauf ab, dem behinderten Kind einerseits eine Erbschaft zukommen zu lassen, andererseits aber zu verhindern, dass der Sozialhilfeträger auf dieses Erbe zugreift.

Die zentrale Konstruktion des Behindertentestaments besteht darin, das behinderte Kind als Vorerben einzusetzen. Dabei wird es mit einem Erbteil bedacht, der seinen Pflichtteil übersteigt. Dies ist von entscheidender Bedeutung, da so die Entstehung eines Pflichtteilsanspruchs verhindert wird. Der Pflichtteilsanspruch entsteht nämlich nur dann, wenn der Erblasser sein Kind enterbt oder es mit weniger als dem Pflichtteil bedenkt.

Durch die Einsetzung als Vorerbe mit einer Quote über dem Pflichtteil wird somit der direkte Zugriff des Sozialhilfeträgers auf das Erbe unterbunden. Das behinderte Kind erhält zwar formal mehr als den Pflichtteil, kann aber aufgrund der Vorerbschaft nicht frei über das Erbe verfügen. Die tatsächliche Verwaltung und Verwendung des Erbes wird einem Testamentsvollstrecker übertragen.

Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, aus den Erträgen des Nachlasses Zuwendungen an das behinderte Kind zu leisten. Diese Zuwendungen dienen der Verbesserung der Lebensqualität und gehen über die Leistungen der Sozialhilfe hinaus. Wichtig ist, dass diese Zuwendungen so gestaltet werden, dass sie nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden können.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt des Behindertentestaments ist die Anordnung der Nacherbschaft. Hierbei wird festgelegt, wer nach dem Tod des behinderten Kindes das restliche Vermögen erben soll. Dies verhindert, dass der Sozialhilfeträger nach dem Tod des behinderten Kindes Zugriff auf das verbliebene Erbe erhält.

Die rechtliche Zulässigkeit des Behindertentestaments wurde durch ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs im Jahr 1993 bestätigt. Das Gericht entschied, dass diese Testamentsform nicht gegen die guten Sitten verstößt, auch wenn sie darauf abzielt, den Zugriff des Sozialhilfeträgers zu verhindern.

Es ist zu beachten, dass die konkrete Ausgestaltung eines Behindertentestaments äußerst komplex ist und individuelle Faktoren berücksichtigt werden müssen. Fehler in der Formulierung können dazu führen, dass der beabsichtigte Schutz nicht erreicht wird. Daher ist es dringend zu empfehlen, bei der Erstellung eines Behindertentestaments fachkundige juristische Beratung in Anspruch zu nehmen.

Abschließend lässt sich festhalten, dass ein korrekt gestaltetes Behindertentestament den Pflichtteilsanspruch des behinderten Kindes in eine Form umwandelt, die sowohl dem Kind zugutekommt als auch den Zugriff des Sozialhilfeträgers verhindert. Es stellt somit ein wichtiges Instrument dar, um die finanzielle Absicherung und Lebensqualität des behinderten Kindes auch nach dem Tod der Eltern zu gewährleisten.

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Welche Rechte hat ein Pflichtteilsberechtigter auf Auskunft über den Nachlass?

Der Pflichtteilsberechtigte hat umfassende Auskunftsrechte gegenüber dem Erben, um seinen Pflichtteilsanspruch ermitteln und durchsetzen zu können. Gemäß § 2314 BGB kann er vom Erben die Vorlage eines Bestandsverzeichnisses des Nachlasses verlangen. Dieses Verzeichnis muss alle zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandenen Nachlassgegenstände sowie Nachlassverbindlichkeiten vollständig und detailliert auflisten.

Der Auskunftsanspruch erstreckt sich nicht nur auf die tatsächlich vorhandenen Vermögenswerte, sondern auch auf Umstände, die für die Berechnung des Pflichtteils und eines möglichen Pflichtteilsergänzungsanspruchs relevant sind. Dazu gehören beispielsweise Informationen über Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten. Der Erbe muss dabei nicht nur sein eigenes Wissen offenlegen, sondern sich auch aktiv bemühen, fehlende Informationen zu beschaffen, etwa durch Nachfragen bei Banken des Erblassers.

Neben dem reinen Bestandsverzeichnis hat der Pflichtteilsberechtigte auch einen Anspruch auf Wertermittlung der Nachlassgegenstände. Dies kann die Einholung von Sachverständigengutachten erforderlich machen, deren Kosten der Nachlass zu tragen hat. Der Wertermittlungsanspruch besteht sogar dann, wenn der Erbe einen Nachlassgegenstand bereits veräußert hat und der Verkaufserlös feststeht.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Auskunftsanspruch grundsätzlich nicht die Vorlage von Belegen oder Nachweisen umfasst. Ausnahmen gelten jedoch für Unterlagen zu Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen sowie für Verträge über mögliche Schenkungen. In besonderen Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte auch eine eidesstattliche Versicherung des Erben über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Nachlassverzeichnisses verlangen.

Der Umfang des Auskunftsanspruchs kann in bestimmten Situationen eingeschränkt sein. Hat der Pflichtteilsberechtigte beispielsweise ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils angenommen, erlischt sein ursprünglicher Pflichtteilsanspruch. In diesem Fall besteht nur noch ein reduzierter Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben, der sich auf die Erstellung eines einfachen Nachlassverzeichnisses beschränkt.

Für die Durchsetzung seiner Auskunftsrechte steht dem Pflichtteilsberechtigten der Klageweg offen. Kommt der Erbe seiner Auskunftspflicht nicht oder nur unzureichend nach, kann der Pflichtteilsberechtigte eine Leistungsklage vor Gericht erheben. Dabei ist zu beachten, dass der Pflichtteilsberechtigte selbst für die Geltendmachung und Durchsetzung seiner Ansprüche verantwortlich ist.

Die umfassenden Auskunftsrechte des Pflichtteilsberechtigten dienen dazu, die strukturelle Informationsasymmetrie zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten auszugleichen. Sie ermöglichen es dem Pflichtteilsberechtigten, seinen Anspruch zu beziffern und effektiv durchzusetzen, auch wenn er keinen direkten Zugang zum Nachlass hat. Gleichzeitig müssen Erben diese Rechte beachten und sorgfältig erfüllen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Pflichtteil: Der Pflichtteil ist ein gesetzlich festgelegter Anteil am Erbe, der bestimmten nahen Angehörigen (wie Kindern oder Ehepartnern) zusteht, selbst wenn sie im Testament nicht berücksichtigt wurden. Er soll sicherstellen, dass diese Angehörigen nicht völlig leer ausgehen.
  • Pflichtteilsstrafklausel: Eine Pflichtteilsstrafklausel im Testament besagt, dass ein Erbe, der nach dem Tod des ersten Elternteils seinen Pflichtteil einfordert, auch nach dem Tod des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil und nicht den vollen Erbteil erhält. Diese Klausel soll die Erben davon abhalten, ihre Pflichtteilsansprüche geltend zu machen.
  • Gemeinschaftliches Testament: Ein gemeinschaftliches Testament ist ein Testament, das von zwei Ehepartnern gemeinsam verfasst wird. Es legt fest, was nach dem Tod des ersten Ehepartners mit dem Nachlass geschehen soll und bindet oft den überlebenden Ehepartner an bestimmte Vorgaben.
  • Bindungswirkung: Die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments bedeutet, dass die Verfügungen, die die Ehepartner gemeinsam getroffen haben, nach dem Tod des ersten Ehepartners nicht mehr einseitig durch den Überlebenden geändert werden können. Änderungen sind dann nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich.
  • Auskunftsanspruch: Der Auskunftsanspruch ermöglicht es Pflichtteilsberechtigten, Informationen über den Nachlass vom Erben zu verlangen. Dieser Anspruch dient dazu, den Wert des Pflichtteils zu ermitteln und sicherzustellen, dass der Berechtigte seinen gesetzlich zustehenden Anteil korrekt berechnet bekommt.
  • Behindertentestament: Ein Behindertentestament ist ein spezielles Testament, das darauf abzielt, das Erbe eines behinderten Kindes so zu gestalten, dass es nicht vollständig auf die Sozialhilfe angerechnet wird. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Kind zwar erbt, aber weiterhin Sozialleistungen erhält, die es für seinen Lebensunterhalt benötigt.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2303 BGB (Pflichtteil): Der Pflichtteil ist ein gesetzlich festgelegter Mindestanteil am Nachlass, der bestimmten nahen Angehörigen (in der Regel Abkömmlinge, Ehegatten und Eltern) zusteht, auch wenn sie im Testament nicht bedacht oder enterbt wurden. Im vorliegenden Fall geht es um den Pflichtteilsanspruch der behinderten Tochter gegenüber ihren Schwestern.
  • § 2336 BGB (Pflichtteilsstrafklausel): Eine Pflichtteilsstrafklausel ist eine testamentarische Verfügung, die einen Erben enterbt oder seinen Erbteil kürzt, wenn er seinen Pflichtteil geltend macht. Die Wirksamkeit solcher Klauseln ist im Einzelfall zu prüfen, insbesondere bei behinderten Erben und wenn Sozialhilfeträger den Pflichtteil fordern. Im vorliegenden Fall wurde die Pflichtteilsstrafklausel trotz Sozialhilfebezug der Tochter für wirksam erklärt.
  • §§ 2270, 2271 BGB (Gemeinschaftliches Testament, Bindungswirkung): Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament errichten, das nach dem Tod des ersten Ehegatten für den überlebenden bindend ist. Änderungen sind dann nur unter engen Voraussetzungen möglich. Im vorliegenden Fall wurde das spätere Testament der Mutter für unwirksam erklärt, da es gegen die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments verstieß.
  • § 2314 BGB (Auskunftsanspruch): Pflichtteilsberechtigte haben einen Anspruch auf Auskunft über den Bestand und Wert des Nachlasses gegenüber den Erben. Dies dient der Ermittlung der Höhe des Pflichtteils. Im vorliegenden Fall hat der Sozialhilfeträger als übergegangener Rechtsträger der behinderten Tochter einen Auskunftsanspruch gegen die Erben.
  • §§ 1922 ff. BGB (Erbrecht, gesetzliche Erbfolge): Wenn kein wirksames Testament vorliegt oder Erben wegfallen, greift die gesetzliche Erbfolge. Sie legt fest, in welcher Reihenfolge Verwandte erben. Im vorliegenden Fall wäre die behinderte Tochter nach der gesetzlichen Erbfolge Miterbin geworden, wenn das gemeinschaftliche Testament und die Pflichtteilsstrafklausel nicht wirksam gewesen wären.

Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-10 U 71/12 – Urteil vom 28.02.2013


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.04.2012 verkündete Teilurteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die in dem Teilurteil ausgesprochene Verurteilung der Beklagten, die Werte der einzelnen anzugebenden Nachlassgegenstände am 06.02.2010 mitzuteilen und Abschriften der zur Wertermittlung erforderlichen Unterlagen vorzulegen, gegenstandslos ist.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 90 % und der Kläger zu 10 %.

Dieses Urteil und das Teilurteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht im Wege der Stufenklage aus übergegangenem Recht der Leistungsempfängerin T3 erbrechtliche Ansprüche nach deren am 06.02.2010 verstorbenen Mutter T (Erblasserin) geltend. Die Beklagten sind die 3 Schwestern der Leistungsempfängerin T3. Sie stammen wie diese aus der Ehe des Handelsvertreters T2 mit der Erblasserin T.

Die Leistungsempfängerin T3 ist die jüngste Tochter der Eheleute und seit ihrer Geburt schwer behindert. Es bestand von je her keine Aussicht, dass sie ohne die Fürsorge Fremder würde leben können. Seit dem Jahr 1991 befindet sie sich in einer entsprechenden Behinderteneinrichtung und im Leistungsbezug des Klägers; dieser gewährt ihr seit Jahren Sozialhilfe in Form der vollstationären Eingliederungshilfe und Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Die Beklagte zu 1) ist mittlerweile als gesetzliche Betreuerin ihrer behinderten Schwester bestellt.

Die Eheleute T + T2 hatten zu Lebzeiten Testamente errichtet, die nach Eintritt der jeweiligen Erbfälle vom Amtsgericht Essen-Steele zu den Aktenzeichen 7 IV 162/97 und 7 IV 388/98 eröffnet wurden.

In einem vor dem Notar M mit Amtssitz in F unter dem 04.05.1979 errichteten Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben ein und verfügten, dass der Überlebende von ihnen frei – auch letztwillig – über den Nachlass verfügen können sollte. In diesem Testament heißt es weiter:

“ …

2. Sollte eins unserer Kinder dieses Testament anfechten, soll es lediglich den Pflichtteil, und zwar auch von dem Nachlass des zuletzt verstorbenen erhalten. Auf den Pflichtteil ist alles anzurechnen, was anzurechnen ist. … “

Mit Datum vom 13.06.1995 errichteten die Eheleute ein weiteres – privatschriftliches – Testament, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 7 d. A.) Bezug genommen wird. Darin heißt es:

“ … Wir setzen uns gegenseitig zu Vollerben ein.

Erben des Überlebenden sollen unsere Kinder sein.

Sollten unsere Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden das Pflichtteil fordern, soll es auch nach dem Tod des später versterbenden Ehegatten auf den Pflichtteil beschränkt sein. ..“

Nach dem Tode des Ehemannes T2 am 01.05.1997 machte der Kläger gegen dessen Witwe als Alleinerbin aus übergegangenem Recht der Tochter T3 erfolgreich Pflichtteilsansprüche geltend.

Die verwitwete Erblasserin errichtete am 28.08.1998 vor dem Notar C in F ein notarielles Testament, wegen dessen Inhalt auf die Anlage K 2 zur Klageschrift (Bl. 8 ff. d. A.) Bezug genommen wird. Darin erklärte sie u. a., durch frühere Testamente oder Erbverträge „nicht in ihrer Testierfähigkeit behindert“ zu sein und verwies darauf, dass ihr Vermögen in der Hauptsache aus dem Hausgrundstück in F an der L-Straße sowie Bankguthaben in Höhe von ca. 80.000,– DM bestehe. In diesem Testament heißt es weiter:

“ …

2. Ich setze hiermit meine Töchter (Anmerkung; Es folgen die Namen aller vier Töchter) … zu meinen Erben zu gleichen Teilen an. Die als Miterbin eingesetzte Tochter T3 wird jedoch nur nicht befreite Vorerbin. Zu Nacherben zu gleichen Teilen setze ich meine Töchter T4 … … , T5 … .. und T6 … . zu gleichen Teilen ein.

Die Nacherbfolge tritt mit dem Tode der Vorerbin ein.

Die Nacherben sind auch Ersatzerben.

… Die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen nicht befreit.

3. Mit Rücksicht darauf, dass meine Tochter T3 wegen ihrer Behinderung nicht in der Lage sein wird, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, insbesondere ihren Erbteil zu verwalten, wird hinsichtlich ihres Erbteils Testamentsvollstreckung als Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. … .“

Unter der Ziffer 3. des Testamentes der Erblasserin vom 28.08.1998 waren weitgehende detaillierte Verwaltungsanordnungen für die Testamentsvollstreckung über den Erbteil der behinderten Tochter enthalten.

Nach dem Tode ihrer Mutter erwirkten die Beklagten beim Amtsgericht Essen-Steele zum Aktenzeichen 7 VI 225/10 einen gemeinschaftlichen Erbschein, der alle 4 Töchter der Erblasserin als Miterbinnen zu je ¼-Anteil ausweist – die Leistungsempfängerin T3 allerdings nur als Vorerbin. Über den Antrag auf Einziehung dieses Erbscheins hat das Nachlassgericht bislang nicht entschieden. Ausweislich einer Mitteilung des Grundbuchamtes beim Amtsgericht Essen-Steele ist das im Nachlass befindliche Grundstück – eingetragen im Grundbuch von F Bl. … – aufgrund Vertrages vom 26.08.2010 veräußert und auf den Erwerber umgeschrieben worden.

Nachdem ihm der zweite Erbfall bekannt geworden war, forderte der Kläger zunächst mit Schreiben vom 24.11.2010 von den Beklagten die Erteilung von Auskünften zum Nachlassumfang an. Die Beklagte zu 2) machte mit privatem Schreiben vom 20.12.2010 daraufhin einige Angaben und verwies auf den erteilten Erbschein. Der Kläger zeigte sodann gegenüber den Beklagten mit Schreiben vom 10.10.2011 die Überleitung etwaiger erbrechtlicher Ansprüche der Leistungsempfängerin T3 an; wegen der Einzelheiten dieser Anzeige wird auf das Schreiben des Klägers vom 10.10.2011 (Anlage K 5 zur Klageschrift, Bl. 15 ff. d. A.) Bezug genommen.

Mit weiterem Schreiben vom 25.10.2011 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagten zur Erteilung einer den Anforderungen des § 2314 BGB genügenden belegten Auskunft -wobei er die Frage offenließ, ob die Leistungsempfängerin nun Miterbin oder Pflichtteilsberechtigte geworden sei. Die Beklagten ließen das Auskunftsbegehren außergerichtlich unter Hinweis darauf zurückweisen, dass der Erbschein die Rechtslage zutreffend wiedergebe.

Der Kläger hat Ende des Jahres 2011 Stufenklage vor dem Landgericht Essen erhoben, mit der er vorrangig Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche der Leistungsempfängerin T3 aus übergegangenem Recht verfolgt und hilfsweise die Feststellung begehrt hat, dass die Leistungsempfängerin nach Maßgabe des Ehegattentestamentes vom 13.06.1995 unbeschränkte Miterben zu ¼ nach ihrer Mutter geworden sei. Die Beklagten sind dem Klagebegehren entgegen getreten.

Die Parteien haben erstinstanzlich im Wesentlichen darüber gestritten, ob die Leistungsempfängerin infolge des privatschriftlichen Ehegattentestamentes aus dem Jahre 1995 und der für sie geltend gemachten Pflichtteilsforderung nach dem Vater nunmehr auch nach der Mutter auf den Pflichtteil gesetzt sei und ob die Mutter die bisherigen testamentarischen Anordnungen durch das notarielle Testament vom 28.08.1998 nachfolgend habe ändern können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die Feststellungen im angefochtenen Teilurteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit dem am 18.04.2012 verkündeten Teilurteil hat das Landgericht der Stufenklage nach Maßgabe des auf erster Stufe gestellten Hauptantrags stattgegeben und die Beklagten dazu verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Nachlassbestand nach der am 06.02.2010 in F verstorbenen Erblasserin T zu erteilen, die Werte der einzelnen angegebenen Nachlassgegenstände mitzuteilen, Abschriften der zur Wertermittlung erforderlichen Unterlagen vorzulegen sowie den Verkehrswert der Immobilie – eingetragen im Grundbuch von F Bl. … – am 06.02.2010 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ermitteln zu lassen.

Zur Begründung hat das Landgericht Essen im Wesentlichen ausgeführt:

Die Leistungsempfängerin T3 sei infolge der im Ehegattentestament von 1995 verfügten Pflichtteilsstrafklausel pflichtteilsberechtigt nach ihrer Mutter im Sinne von § 2303 BGB, weil diese Klausel durch das Pflichtteilsverlangen des Klägers aus übergegangenem Recht der Leistungsempfängerin nach dem Vater verwirkt worden sei. Eine einschränkende Auslegung dieser Klausel sei – auch ihrem Zweck nach – nicht geboten. Das letzte Testament der Mutter aus dem Jahre 1998, welches abweichend eine Vorerbschaft der Tochter T3 angeordnet habe, sei unwirksam; denn die Testierende sei an den Inhalt der wechselbezüglichen Verfügungen des vorangehenden Ehegattentestamentes gebunden gewesen, wobei insoweit die Auslegungsregelung in § 2270 Abs. 2 BGB zur Anwendung gelange. Von den Schlusserbeneinsetzungen des Ehegattentestaments habe die überlebende Ehefrau nicht zum Nachteil der Tochter abweichen können, was indes durch die Anordnung von Vorerbschaft und Testamentsvollstreckung in dem 1998 errichteten Testament geschehen sei.

Gegen dieses Urteil wendet sich die namens der Beklagten eingelegte Berufung, wobei den Beklagten durch Senatsbeschluss vom 06.11.2012 Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist bewilligt worden ist. Zur Begründung ihres Rechtsmittels haben die Beklagten im Wesentlichen vorgetragen:

Die Pflichtteilsstrafklausel des Ehegattentestaments komme hier nicht zur Anwendung. Sie habe erkennbar nur Sinn, wenn sich ein Abkömmling persönlich dem Elternwillen widersetze und seinen Pflichtteil nach dem Tode des ersten Elternteils unter Belastung des Überlebenden verlange. Ein Verwaltungsakt des Sozialhilfeträgers – der Leistungen an ein Kind erbringe – könne hingegen nicht dieselbe Wirkung auslösen, weil ihm kein Fehlverhalten des Kindes innewohne. Gegenüber einem Sozialhilfeträger könne die Pflichtteilsklausel überhaupt keine abschreckende Wirkung entfalten.

Das letzte Testament der Mutter sei auch nicht wegen Benachteiligung der behinderten Tochter unwirksam, da diese faktisch mehr erhalte als sie es bei einem ungehinderten Zugriff des Sozialhilfeträgers auf ihren im Vorgängertestament geregelten unbeschränkten Miterbenanteil erhalten hätte. Die Modifikation der Erbenstellung durch die Mutter habe im wohlverstandenen Interesse der betroffenen Tochter wie auch des vorverstorbenen Ehemannes gelegen; dieser habe eine gleichmäßige Nachlassverteilung auf die Kinder bei gleichzeitig bestmöglicher Absicherung des behinderten Kindes gewollt. Es dürfte zur Beurteilung der Benachteiligung nicht auf rein formalistische Rechtspositionen abgehoben werden; vielmehr müsse die wirtschaftliche Interessenlage den Ausschlag geben.

Die in § 2271 Abs. 2 BGB angeordnete Bindung an wechselbezügliche Verfügungen müsse vorliegend einschränkend interpretiert werden. Denn es würden durch die modifizierende letztwillige Verfügung der überlebenden Ehefrau weder schützenswerte Interessen des Erstversterbenden noch die begünstigte Tochter Ute beeinträchtigt, die ohnehin krankheitsbedingt nie in der Lage sein werde, selbst mit ihrem  Erbe umzugehen.

Die Beklagten beantragen, unter Abänderung des erstinstanzlichen Teilurteils die Klage abzuweisen.

Nachdem er im Senatstermin die Klage zum Stufenantrag unter Ziffer I. 2. mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen hat, beantragt der Kläger, die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt er, festzustellen, dass die am 13.12.1964 geborene Frau T3 auf Grundlage des Testaments der Eheleute T2 und T vom 13.06.1995 unbeschränkte Miterbin zu ¼ der am 06.02.2010 in F verstorbenen Frau T (geborene X) geworden ist, insbesondere dass sie die Erblasserin nicht lediglich als Vorerbin beerbt hat sowie dass keine Testamentsvollstreckung bezüglich des Erbteils angeordnet und keine Verwaltungsanordnungen getroffen wurden.

Der Kläger verteidigt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen die Entscheidung des Landgerichts, wobei er hilfsweise sein Feststellungsbegehren weiter verfolgt. Er vertritt die Auffassung, seitens der Beklagten sei nichts dazu vorgetragen worden, weshalb hier nicht zumindest die Auslegungsregel in § 2270 Abs. 2 BGB zum Tragen kommen solle. Die Ansätze der Berufung führten zu einer Sinnentleerung der gesetzlich angeordneten Bindungswirkung bezüglich testamentarischer Verfügungen. Auch sei zu bedenken, dass die Eheleute T + T2 eine noch im ersten Testament vorgesehene Abänderungsbefugnis gerade nicht mehr in ihr privatschriftliches Testament aus dem Jahre 1995 aufgenommen hätten; dieses habe verbindlich sein sollen. Im Übrigen – so der Kläger – schuldeten die Beklagten die titulierte Auskunftserteilung selbst im Falle einer Miterbenstellung der Leistungsempfängerin T3.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

II.

Nachdem der Kläger seine erhobene Auskunftsklage nach Maßgabe des zu Ziffer I. 2. formulierten Klageantrags mit Zustimmung der Beklagten teilweise zurückgenommen hat (§ 269 Abs. 1 ZPO), war die Berufung der Beklagten gegen die verbliebene Verurteilung im angefochtenen Teilurteil als unbegründet zurückzuweisen.

Im Übrigen hatte der Senat wegen der Teilrücknahme (lediglich klarstellend) gem. § 269 Abs. 3 ZPO auszusprechen, dass die erstinstanzlich erfolgte Verurteilung zur Wertmitteilung und zur Vorlage von Unterlagen gegenstandslos ist.

Die mit dem Teilurteil des Landgerichts im Übrigen titulierte Auskunfts- und Wertermittlungsverpflichtung der Beklagten als Erben ihrer Mutter gegenüber dem Kläger folgt aus § 2314 Abs. 1 BGB.

Danach kann ein Pflichtteilsberechtigter von dem oder den Erben Auskunftserteilung über den Nachlassbestand verlangen und fordern, dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird.

Soweit danach der nicht erbende Pflichtteilsberechtigte eines Erblasser Auskunft und Wertermittlung fordern kann, folgt vorliegend die Aktivlegitimation des Klägers für diesen Anspruch aus dem Pflichtteilsrecht der Leistungsempfängerin T3, deren Ansprüche der Kläger mit schriftlicher Anzeige vom 10.10.2011 wirksam auf sich übergeleitet hat. Hierdurch wurde bewirkt, dass die übergeleiteten Ansprüche der Leistungsempfängerin – der der Kläger seit Jahren Sozialhilfe in Form der Wiedereingliederungshilfe und der Hilfe zum Lebenunterhalt gewährt – bis zur Höhe der Aufwendungen des Klägers kraft Hoheitsakt auf diesen übergingen (§ 93 Abs. 1 SGB XII; vgl. Palandt, BGB, 71. Aufl., § 2317 BGB, Rz. 9 m. w. N.).

Der Kläger ist insoweit befugt, den übergeleiteten Anspruch unabhängig davon geltend zu machen, ob die Pflichteilsberechtigte selbst oder ihre gesetzlichen Betreuer dies billigen (vgl. Palandt, a.a.O.). Der Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger hat dabei zur Folge, dass ihm auch die zur Durchsetzung des übegeleiteten Pflichtteilsanspruchs normierten Hilfsansprüche gem. § 2314 Abs. 1 BGB zustehen (vgl. Palandt, a.a.O., § 2314 BGB, Rz. 3).

Die Leistungsempfängerin T3, aus deren Rechtsposition der Kläger seine Rechte herleitet, ist mit dem Tode ihrer Mutter pflichtteilsberechtigt im Sinne von § 2303 BGB geworden und nimmt keine Miterbenstellung nach ihr ein.

Pflichtteilsberechtigt ist gem. § 2303 Abs. 1 BGB derjenige Abkömmling eines Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Ein solcher Ausschluss von der Erbfolge nach der Mutter ergibt sich für die Leistungsempfängerin T3 vorliegend infolge der auf sie anzuwendenden sogenannten Pflichtteilsstrafklausel im Ehegattentestament der Eltern vom 13.06.1995.

Nach dieser gemäß § 2247 BGB errichteten letzten gemeinschaftlich Verfügung der Eltern vom 13.06.1995 sollte dasjenige ihrer Kinder, welches nach dem Tode des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil fordert, auch nach dem Tod des später versterbenden Ehegatten auf den Pflichtteil beschränkt sein. Insoweit handelt es sich um eine typische Pflichtteilsstrafklausel (Pflichtteilssanktionsklausel) in einem Ehegattentestament, das die Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten anordnet und zugunsten der im ersten Erbfall lediglich Pflichtteilsberechtigten gemeinsamen Abkömmlinge eine Schlusserbenregelung erhält. Mit solchen Klauseln soll verhindert werden, dass die nach dem Tode des Erstversterbenden gesetzlich Pflichtteilsberechtigten die dem überlebenden Ehegatten zufallende Erbmasse schmälern, indem ihre Schlusserbeneinsetzung testamentarisch unter eine auflösende Bedingung gestellt wird (vgl. dazu: Palandt, a.a.O., § 2075, Rz. 6 ff.; OLG München, ZEV 2006, 411 ff. – Juris Rz. 30).

Daran, dass auch die Eltern der Beklagten hier eine solche Regelung bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments vom 13.06.1995 gewollt haben, besteht kein vernünftiger Zweifel. Der von ihnen niedergelegte Wortlaut ist insoweit eindeutig. Sie hatten eine ähnliche Sanktionsklausel schon in ihrem vorherigen – unter notarieller Beratung erstellten – Testament aus dem Jahr 1979 verwendet, wonach jede „Anfechtung“ des Ehegattentestamentes ein „Auf-den-Pflichtteil-Setzen zur Folge haben sollte, und zwar ausdrücklich auch für den letzten Erbfall; das spricht dafür, dass ihnen die Wirkung einer Pflichtteilsstrafklausel auch bei Errichtung des privatschriftlichen Testamentes durchaus bewusst war.

Der Senat vermag der Berufung nicht dahin zu folgen, dass diese Pflichtteilsklausel in dem späteren, gem. § 2258 Abs. 1 BGB maßgeblichen Ehegattentestament der Eltern vom 13.06.1995 nicht den hier eingetretenen Fall erfasse, in dem anstelle der behinderten Tochter der Sozialhilfeträger den Pflichtteil nach dem erstversterbenden Ehegatten fordert.

Eine solche einschränkende Anwendung einer Pflichtteilsstrafklausel (Pflichtteilssanktionsklausel) ist nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings im Rahmen der Auslegung von Pflichtteilsanktionsklauseln im Rahmen von sogenannten Behindertentestamenten möglich und anzunehmen (vgl. BGH, ZEV 2005, 117 ff. – Juris Rz. 18/19; BGH, ZEV 2006, 76 ff. – Juris Rz. 22).

Dem liegt indes die Erwägung zugrunde, dass in den „herkömmlichen Fällen“ einer Pflichtteilssanktionsklausel die eingesetzten Schlusserben durch die Aussicht, ihren Erbteil durch die Pflichtteilsforderungen im ersten Erbfall zu verlieren, davon abgehalten werden sollen, den überlebenden Ehegatten mit ihrer Pflichtteilsforderung zu belasten. – Haben die Eltern eines behinderten Kindes, das neben seinen nicht behinderten Geschwistern zum Schlusserben bestimmt ist, aber über die Sicherung des überlebenden Ehegatten und Gleichbehandlung aller Kinder im Schlusserbfall hinaus durch ein sogenanntes Behindertentestament (mit Beschränkungen für den Schlusserbfall) dafür Sorge getragen, das Erbe des behinderten Kindes vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers im Schlusserbfall zu bewahren, dann könnte der Sozialhilfeträger bei einem unbeschränkten Eingriff der Sanktionsklausel entgegen dieser Elternintention nach dem letzten Erbfall erneut auf den Pflichtteil zugreifen. Denn in diesen Fällen könnte er wegen der testamentarisch verfügten Beschränkungen für den Erbteil des behinderten Abkömmlings im Schlusserbfall ersichtlich nicht motiviert werden, von einer Pflichtteilsforderung im ersten Erbfall abzusehen. Die Pflichtteilsstrafklausel würde ihm – bei uneingeschränkter Anwendung – vielmehr im Schlusserbfall geradezu mit dem erneuten Pflichtteilsanspruch den Zugriff auf das Erblasservermögen eröffnen. Weil dies aber dem in einem Behindertentestament niedergelegten Erblasserwillen widerspräche, ist in solchen Fällen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Pflichtteilsstrafklausel einschränkend auszulegen: Die im Ehegattentestament niedergelegte Verwirkungsklausel greift dann nicht ein, soweit für das behinderte Kind der Pflichtteil im ersten Erbfall durch den Sozialhilfeträger gefordert worden ist. Es bleibt dann bei der (unter den verfügten Beschränkungen des Erbfalls im Schlusserbfall) angeordneten Schlusserbenstellung des behinderten Kindes.

Für eine solche einschränkende Auslegung der Pflichtteilsstrafklausel im Testament der Erblasserin und ihres Ehegatten vom 13.06.1995 besteht vorliegend indes keine Handhabe. Die Berufung verkennt insoweit, dass die Ehegatten zu Lebzeiten beider Eheleute eben gerade kein sogenanntes Behindertentestament errichtet hatten. Weder in dem 1979 notariell errichteten Testament noch in der 1995 erfolgten privatschriftlichen Testierung finden sich Unterscheidungen in den letztwilligen Anordnungen, was die behinderte Tochter einerseits und die übrigen Töchter andererseits betrifft. Keines dieser Testamente bietet nur den geringsten Anhalt dafür, dass dem Sozialhilfeträger durch die testamentarischen Anordnungen der Zugriff auf den Erbteil der behinderten Tochter erschwert oder entzogen werden sollte. Zu einer solchen Anordnung hätte – wäre sie beabsichtigt gewesen – bereits im Jahr 1995 durchaus Veranlassung bestanden, weil zu diesem Zeitpunkt schon die Pflegesituation der Leistungsempfängerin T3 auf Kosten des Sozialhilfeträgers eingetreten war.

Nachdem so nirgends in den maßgeblichen letztwilligen Verfügungen auch nur angedeutet ist, dass die für den Schlusserbfalls angeordnete Miterbenstellung der behinderten Tochter dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen sein sollte, ist es ohne Bedeutung, ob die testierenden Ehegatten T + T2 dies tatsächlich gewollt haben oder es gewollt haben würden, wenn sie daran gedacht hätten. Da die wirksame Erklärung einer letztwilligen Verfügung dem vom Gesetz erforderten Formzwang unterliegt (§§ 2231, 2276 BGB), ist selbst der ermittelte wirkliche Wille eines Erblassers formnichtig, wenn er in dem Testament selbst nicht wenigstens einen unvollkommenen Auszug gefunden hat, in dem er dort angedeutet ist (vgl. Palandt, a.a.O., § 2084 BGB, Rz. 4 m. w. N.).

Der Berufung ist auch nicht dahin zu folgen, dass die Pflichtteilsstrafklausel im Testament vom 13.06.1995 hier sinnentleert wäre, weil der Kläger als Sozialhilfeträger durch sie im ersten Erbfall nicht von der Geltendmachung des Pflichtteils hätte abgehalten werden können. Richtigerweise stand der Sozialhilfeträger nämlich hier – gerade weil das Testament der Eheleute T + T2 für den Schlusserbfall keine Erbteilsbeschränkungen bezüglich der behinderten Tochter bestimmte – vor derselben Entscheidung, wie die anderen zu Schlusserben vorgesehenen Töchter der Eheleute: Machte er nach dem erstversterbenden Vater den Pflichtteil geltend, verlor er die für den Schlusserbfall vorgesehene Erbbeteiligung der Leistungsempfängerin am Nachlass (durch Eintritt der auflösenden Bedingung, § 2074 BGB); unterließ er indes die Pflichtteilsforderung im ersten Erbfall, wahrte er die Chance auf das womöglich größere Erbe der Leistungsempfängerin beim Schlusserbfall.

Schließlich erfordert das Eingreifen einer testamentarisch angeordneten Pflichtteilssanktion für den Fall eines Pflichtteilsverlangens im ersten Erbfall kein zusätzliches subjektives Element in dem Sinne, dass der Pflichtteilsberechtigte sich bewußt gegen den Erblasserwillen „auflehnt“ (vgl. OLG München, ZEV 2006, 411 ff. – Juris, Rz. 34 m. w. N.). Auch deshalb konnte das Pflichtteilsverlangen des Klägers nach dem Vater der Leistungsempfängerin die Sanktionen im Schlusserbfall auslösen.

Daran, dass die Schwester der Beklagten T3 durch das Ehegattentestament vom 13.06.1995 mit dem nachfolgenden Pflichtteilsverlangen beim Tode des Vaters nach ihrer Mutter wirksam testamentarisch enterbt war, vermochten auch die Regelungen der Erblasserin im Folgetestament vom 28.08.1998 nichts zu ändern.

Der in § 2258 Abs. 1 BGB normierte Grundsatz, wonach durch die Errichtung eines Testamentes ein früheres Testament insoweit aufgehoben wird, als das spätere mit dem frühren in Widerspruch steht, erfährt bei Ehegattentestamenten durch § 2271 Abs. 1 BGB eine entscheidende Einschränkung – soweit es wechselbezügliche Verfügungen im Sinne von § 2270 BGB betrifft. Letztwillige Verfügungen in einem Ehegattentestament, von denen anzunehmen ist, dass der eine Ehegatte sie nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen haben würde, sind mit dem Tode des Erstversterbenden nach § 2271 Abs. 2 S. 1 erster Halbsatz BGB unwiderruflich. – Dies gilt vorliegend für die mit der Pflichtteilsstrafklausel verbundene Erbeinsetzung der Töchter für den Schlusserbfall durch die Mutter, die mit der von dem (vorverstorbenen) Ehemann angeordneten Vollerbfolge seiner Ehefrau für den Fall seines eigenen Vorversterbens wechselbezüglich (und damit für verbindlich) war.

Dabei ist in den Fällen der mit einer Pflichtteilsstrafklausel verbundenen Schlusserbenbestimmung gemeinsamer Kinder deren Erbeinsetzung für den Schlusserbfall nicht von der Pflichtteilsklausel zu trennen; denn sie bewirkt, dass denjenigen Kindern, die im ersten Erbfall (wie von den Testierenden beabsichtigt) zugewartet haben, im Schlusserbfall der Anteil solcher weiteren Abkömmlinge anwächst, die die Pflichtteilsklausel ihrerseits verwirkt hatten (OLG München, ZEV 2006, 411 ff. – Juris Rz. 30 m. w. N.). Weil die Pflichtteilsstrafklausel mithin in den Fällen einer zugleich erfolgten Schlusserbeneinsetzung gemeinsamer Abkömmlinge der Testierenden Auswirkungen auf die Erbeinsetzung der anderen Abkömmlinge hat, kann auch sie an der Bindungswirkung einer wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung in einem Ehegattentestament teilhaben (so schon: OLG Hamm (15. ZS.) NJW- RR 2011, 1097 ff. – Juris Rz. 13 ff.; OLG Hamm (15 ZS.), Beschluss vom 27.11.2012 – 15 W 134/12). In diesen Fällen steht der Wechselbezüglichkeit der mit der Erbeinsetzung verbundenen Pflichtteilsklausel nicht die grundsätzliche Erwägung entgegen, dass eine Pflichtteilsentziehung als solche gem. § 2270 Abs. 3 BGB nicht wechselbezüglich sein kann (vgl. dazu: Palandt, a.a.O., § 2270 BGB Rz. 13).

Vorliegend hatten die Eltern der Beklagten im Jahr 1995 privatschriftlich ein sogenanntes „Berliner Testament“ errichtet, bei dem typischerweise davon auszugehen ist, dass jeder Ehegatte für den ersten Erbfall den anderen gerade deshalb unter Enterbung der gemeinsamen Abkömmlinge zum Vollerben eingesetzt hat, weil diese Abkömmlinge dann von dem anderen Ehegatten als seine Schlusserben eingesetzt wurden (OLG München, ZEV 2006, 411 ff., Juris Rz. 28 m. w. N.). Es liegt nach der Lebenserfahrung nahe, dass in einem Ehegattentestament die Anordnung der Vollerbschaft zugunsten des überlebenden Ehegatten für den ersten Todesfall in einer Wechselwirkung dazu steht, dass der überlebende Ehegatte im Gegenzug dafür die Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder verfügt (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2011, 1097 ff – Juris Rz. 12). Wer sein Vermögen an die eigenen Kinder weitergeben will, sie aber trotzdem für den eigenen ersten Erbfall enterbt, tut dies im Bewußtsein und Vertrauen darauf, dass wegen der Schlusserbeneinsetzung des anderen zugunsten dieser Kinder das gemeinsame Vermögen einmal auf diese gemeinsamen Kinder übergehen wird (OLG Hamm, a.a.O., m. w. N.).

Nach diesen sich auch vorliegend aufdrängenden Überlegungen steht eine Wechselbezüglichkeit zwischen der Schlusserbeneinsetzung aller vier aus der Ehe stammenden Töchter durch die Erblasserin nach Maßgabe der Pflichtteilsstrafklausel einerseits und der eigenen alleinigen Erbeinsetzung durch den (vorverstorbenen) Ehemann und Vater dieser Töchter andererseits außer Zweifel. Gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB waren deshalb nach dem Tode des mittestierenden Ehemannes solche letztwilligen Verfügungen der Erblasserin T unwirksam, die die Erbrechte der durch die wechselbezügliche Verfügung bedachten Töchter im Schlusserbfall beeinträchtigten.

Vorliegend beinhaltete das nach Eintritt der Bindungswirkung errichtete notarielle Testament der Mutter der Beklagten vom 28.08.1998 jedoch sogar in doppelter Hinsicht eine Rechtsbeeinträchtigung der zu Schlusserbinnen bestimmten Töchter:

Zunächst ergab sich aus dem späteren Testat eine Abweichung zu Lasten der Beklagten; denn sie wurden infolge der Pflichtteilsstrafklausel nach dem Ehegattentestament aus dem Jahr 1995 nach ihrer Mutter Schlusserbinnen zu je 1/3-Anteil. Das spätere Testament der Mutter ordnete indes für den Schlusserbfall eine Verringerung dieser Erbquote zu ihren Lasten auf einen ¼-Erbanteil an, weil insoweit wiederum die behinderte Schwester als Miterbin zu gleichen Teilen eingesetzt war.

Darüber hinaus enthielt dieses letzte Testament der Mutter aber auch eine Abweichung zu Lasten der behinderten Tochter. Sie war durch das Ehegattentestament des Jahres 1995 für den Schlusserbfall als unbeschränkte Miterbin zu 1/4  Anteil berufen. Durch die spätere im Jahr 1998 verfügte Anordnung einer bloßen (nicht befreiten) Vorerbschaft mit zusätzlich verfügter Testamentsvollstreckung über ihren Erbanteil ergab sich evident eine Benachteiligung in eben dieser Rechtsposition (vgl. OLG Frankfurt, ZFE 2004, 95 – Juris Rz. 10). Auf die vermeintlich wirtschaftlich günstige Lage der behinderten Tochter bei Anwendung des später errichteten Behindertentestamentes oder auf deren (vermeintlich) ohnehin fehlende Fähigkeit tatsächlich selbst über das Ererbte zu verfügen, kann es ersichtlich im Rahmen der gebotenen Beurteilung, ob spätere letztwillige Verfügungen zu Rechtsbeeinträchtigungen des bindend Bedachten führen, nicht ankommen.

Ein Abweichen von der wechselbezüglich verfügten Schlusserbeneinsetzung aller vier Töchter nach Maßgabe der Pflichtteilssanktionsklausel war der Erblasserin T demzufolge gem. § 2271 Abs. 2 BGB nicht gestattet.

Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt sich auch nicht unter dem von der Berufung vertieften (im tatsächlichen streitigen) Gesichtspunkt, dass der vorverstorbene Ehemann und Vater der Beklagten seiner überlebenden Ehefrau das abweichende spätere Testat vom 28.08.1998 gestattet haben würde, wenn er die Sach- und Rechtslage gekannt hätte.

Zwar können sich wechselbezüglich testierende Ehegatten auch letztwillig das Recht einräumen, eigene wechselbezügliche Verfügungen nach dem Erbfall aufzuheben oder abzuändern (sogenannte Änderungsermächtigung; vgl. Palandt, vgl. a.a.O., § 2271 BGB, Rz. 20 ff.). Eine solche Befugnis kann sich dabei auch im Wege ergänzender Testamentsauslegung ergeben; sie muss dann allerdings in der letztwilligen Verfügung der testierenden Eheleute irgendeinen – wenn auch nur unvollkommenen – Anklang gefunden haben (vgl. OLG Frankfurt, ZFE 2004, 95 – Juris Rz. 12 m. w. N.). Daran fehlt es indes vorliegend zur Gänze. Zu Recht weist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Eheleute T + T2 noch in dem notariellen Testament von 1979 eine Abänderungsbefugnis ausdrücklich vereinbart hatten, eine entsprechende Regelung in ihrem letzten privatschriftlichen Testament aus dem Jahr 1995 indes fehlt. Für einen seitens des Vaters der Beklagten letztwillig verfügten Änderungsvorbehalt zugunsten seiner Ehefrau – was die Schlusserbenbestimmung betrifft – fehlt es demgemäß an jeder Grundlage.

Die Leistungsempfängerin T3, aus deren Rechtsposition der Kläger seine Ansprüche ableitet – ist nach alledem infolge der anzuwendenden Pflichtteilsstrafklausel im Ehegattentestament der Eltern der Beklagten vom 13.06.1995 nach ihrer Mutter enterbt worden und damit pflichtteilsberechtigt. Ihr stehen zur Vorbereitung der Bezifferung der Pflichtteilsansprüche die in § 2314 Abs. 1 BGB normierten Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gegen die Beklagten als Miterbinnen zu, die der Kläger auf sich übergeleitet hat. Soweit die Klageforderung einen nicht aus § 2314 Abs. 1 BGB ableitbaren Anspruch auf „Wertangaben“ und „Belegvorlagen“ formuliert und das Landgericht dem rechtsirrig entsprochen hatte, ist die Klage im Senatstermin wirksam zurückgenommen worden.

Mit Ausnahme der anteilig auf die Klagerücknahme entfallenden Kosten (§ 269 Abs. 3 S. 2 ZPO) – deren Anteil der Senat geschätzt hat – waren die Kosten des Berufungsverfahrens den unterlegenen Rechtsmittelklägerinnen aufzuerlegen (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.


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