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Wertermittlungsanspruch Pflichtteilsberechtigter für Grundstück

LG Hamburg – Az.: 311 O 172/17 – Urteil vom 16.01.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 8.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Wertermittlung der Grundstücke H. Weg… und L. Str. … in H..

Der Kläger ist der Sohn des am 02.01.2017 verstorbenen Notars Dr. G. H. (Erblasser) aus erster Ehe. Er wurde durch das Testament des Erblassers vom 24.02.2016 auf den Pflichtteil gesetzt (Anlage K 1). Die Beklagte ist die zweite Ehefrau des Erblassers und seine testamentarische Alleinerbin.

Das Grundstück L. Str. … wurde im Jahr 2008 durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben (vgl. Kaufvertrag als Anlage K 7). An dieser Gesellschaft waren die Beklagte und der Erblasser zu gleichen Teilen beteiligt und gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt. Zur Finanzierung des Kaufpreises des Grundstücks L. Str. … in Höhe von 145.000,- € wurde ein Darlehen der H. in Höhe von 125.000,- € in Anspruch genommen (vgl. Anlage B 2), für welches die Gesellschafter zu gleichen Teilen hafteten. Zur Absicherung wurde zugunsten der H. eine Grundschuld im Nennbetrag von 125.000,- € in das Grundbuch eingetragen (Anlage B 3). Der restliche Kaufpreis stammte aus Eigenmitteln der Gesellschafter.

In einer gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung (Anlage B 5) mit Datum vom 11.09.2014, die die Beklagte und der Erblasser unter anderem hinsichtlich des Grundstücks L. Str. … getroffen haben, heißt es:

„Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten – soweit gesetzlich zulässig – keine Abfindung; sie können jedoch vom verbleibenden Gesellschafter die uneingeschränkte Freistellung aus der (Mit-)Haftung für etwaige Verbindlichkeiten verlangen, die vom verstorbenen Gesellschafter zur Finanzierung des Erwerbs und der Erhaltung des Gesellschaftsvermögens eingegangen wurden. Dieser wechselseitige Abfindungsausschluss beruht auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils überlebenden Gesellschafters vereinbart.“

Nach dem Tod des Erblassers ist die Beklagte als Alleineigentümerin des Grundstücks L. Str. … im Grundbuch eingetragen worden (Anlage B 1).

Eigentümerin des Grundstücks H. Weg… war zum Zeitpunkt des Erbfalls eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Namen „GbR H., H. Weg… “. An dieser Gesellschaft bürgerlichen Rechts waren die Beklagte und der Erblasser jeweils zu gleichen Teilen beteiligt. Die GbR kaufte mit notariellem Kaufvertrag vom 27.12.2011 (Anlage K 5) das im Antrag unter a) genannte Grundstück zu einem Kaufpreis von insgesamt 3.375.000,- Euro. § 3 Ziff. 3 enthält u.a. folgende Vereinbarung:

„Die Erschienen zu 2. und 3. erwerben den Vertragsgegenstand für die hiermit zugleich gegründete und nur aus ihnen bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit dem Namen GbR H. H. Weg… .

An dieser Gesellschaft sind die Gesellschafter zu gleichen Teilen beteiligt; … Die Gesellschaft wird mit dem Tode eines Gesellschafters aufgelöst; der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst dem Überlebenden an. Die Erben erhalten – soweit gesetzlich zulässig – keine Abfindung; sie können jedoch vom verbleibenden Gesellschafter die uneingeschränkte Freistellung aus der (Mit-)Haftung für etwaige Verbindlichkeiten verlangen … Dieser Abfindungsausschluss beruht auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens und ist im Interesse des jeweils überleben Gesellschafters vereinbart. …“

Der Ankauf des Grundstücks H. Weg… wurde überwiegend durch Mittel einer weiteren GbR finanziert. Diese GbR, an der die Beklagte und der Erblasser ebenfalls zu gleichen Teilen beteiligt waren, war Eigentümerin der Immobilie K. … (Anlage B 7). Der Erlös aus dem Verkauf dieser Immobilie in Höhe von 3.200.000,- € (Anlage B 8) wurde vollständig zur Zahlung des Kaufpreises der Immobilie H. Weg… verwandt. In diesem Zusammenhang nahmen der Erblasser und die Beklagte zur Zwischenfinanzierung im Jahr 2013 ein Darlehen bei der H. in Höhe von 1.012.500,- € auf.

Nach dem Tod des Erblassers wurde die Beklagte Alleineigentümerin des Grundstücks H. Weg… (siehe Anlage B 6).

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 07.02.2017 (Anlage K 2) unter anderem auf, die Wertermittlung des Grundvermögens zu veranlassen. Das daraufhin von der Beklagten übermittelte Nachlassverzeichnis (Anlage K 3) führte für die streitgegenständlichen Grundstücke keine Werte an.

Der Kläger behauptet, bei Abschluss der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestanden, dass der Erblasser die Beklagte nicht überleben werde. Der Erblasser sei schwer erkrankt gewesen. Die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung könne wegen der unterschiedlichen Lebenserwartungen nur vor dem Hintergrund einer sehr ungleichen Risikoverteilung gesehen werden. Die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Erblasser sei im Übrigen nicht am 11.09.2014 geschlossen, sondern rückdatiert worden.

Der Kläger ist der Ansicht, seine Pflichtteilsansprüche könnten durch gesellschaftsvertragliche Vereinbarungen nicht eingeschränkt werden. Ein schutzwürdiges Interesse am Fortbestand der Gesellschaften habe nach dem Tod des Erblassers nicht mehr bestanden. Jedenfalls handele es sich bei den Vereinbarungen zwischen der Beklagten und dem Erblasser um Schenkungen, die Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers auslösen würden. Die Beklagte habe über kein eigenes Einkommen und kein eigenes Vermögen verfügt. Die Zahlung der Kaufpreise und die Bedienung der Darlehen seien aus dem Vermögen des Erblassers erfolgt.

Der Kläger beantragt zuletzt (Bl. 54 d. A.), die Beklagte zu verurteilen, den Wert des Nachlasses durch Vorlage von Gutachten öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger zu ermitteln und zwar hinsichtlich des Wertes

a) des im Wohnungsgrundbuch von H.- H., Blatt… , eingetragenen Wohnungseigentums, belegen im H. Weg… ,… H. auf den Todestag des Erblassers am 02.01.2017 und auf den 07.10.2016,

b) des im Wohnungsgrundbuch von H. E., Band… , Blatt… , eingetragenen Wohnungseigentums, belegen in der L. Str. … ,… H. auf den Todestag des Erblassers am 02.01.2017 und auf den 17.09.2008.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die im Klageantrag genannten Grundstücke seien weder Teil des aktiven noch des fiktiven Nachlasses. Die gesellschaftsvertragliche Regelung zum Ausschluss von Abfindungsansprüchen im Todesfall löse keine Pflichtteilsergänzungsansprüche aus. Eine unentgeltliche Zuwendung liege nicht vor. Eine Unentgeltlichkeit könne nur angenommen werden, wenn bei Vertragsschluss wegen unterschiedlicher Lebenserwartungen der Gesellschafter von einem groben Missverhältnis des Risikos des Vorversterbens auszugehen sei. Ein grobes Missverhältnis sei hier wegen des Altersunterschieds zwischen dem Erblasser und der Beklagten von 6 ½ Jahren jedoch nicht gegeben.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll vom 17.10.2017 und den Hinweisbeschluss vom 17.10.2017 (Bl. 60 ff. d. A.) mit Stellungnahmefrist (4 Wochen) für den Kläger (Bl. 57 d. A.) verwiesen.

Antragsgemäß hat das Gericht die Stellungnahmefrist für den Kläger bis zum 12.12.2017 verlängert und den für den 12.12.2017 bestimmten Verkündungstermin auf den 16.01.2017 verlegt. Mit Beschluss vom 20.12.2017 (Bl. 76 d. A.) hat die Kammer den Antrag des Klägers vom 12.12.2017 auf weitere Fristverlängerung bis zum 09.01.2017 (Bl. 69 d. A.) zurückgewiesen. Gegen den Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.01.2018 „sofortige Beschwerde“ eingelegt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Kammer hat den bis zum 12.12.2017 (innerhalb der verlängerten Frist) eingereichten Vortrag der Parteien berücksichtigt. Der spätere Sachvortrag des Klägers (im Schriftsatz vom 08.01.2018) bleibt außer Betracht (§ 296a Satz 1 ZPO), da er nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nicht innerhalb der eingeräumten und antragsgemäß verlängerten Stellungnahmefrist erfolgt ist. Der weitere Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 08.01.2018 wirkt – wenn und soweit dieser überhaupt für die Streitentscheidung erheblich sein sollte – verzögernd, da die Verhandlung wieder eröffnet und ein neuer Termin bestimmt werden müsste. Gründe für eine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO liegen nicht vor.

Das Gericht hat am Verhandlungstag umfassende Hinweise gegeben und diese schriftlich dokumentiert (Beschluss vom 17.10.2017). Der Kläger hat absprachegemäß zunächst eine Stellungnahmefrist von 4 Wochen (siehe S. 2 des Protokolls vom 17.10.2017) und antragsgemäß eine weitere Fristverlängerung erhalten, so dass der Verkündungstermin am 12.12.2017 verlegt werden musste. Insgesamt konnte der Kläger fast zwei Monate seinen Sachvortrag ergänzen.

Die Versagung der zweiten Fristverlängerung im Beschluss vom 20.12.2017 verletzt aus den dort genannten Gründen nicht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Eine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts steht dem Kläger nicht zu (§ 225 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen hat der Kläger auch im Schriftsatz vom08.01.2017 seine Behauptung, es habe aus (unvorhersehbaren) beruflichen (im Übrigen nicht näher bezeichneten Gründen) über 2 Monate keine Unterredung mit seinem Prozessbevollmächtigten stattfinden können nach wie vor nicht glaubhaft gemacht.

Dementsprechend findet auch der Antrag des Klägers im Schriftsatz vom 08.01.2018, der Beklagten aufzugeben, die Krankenakte des Erblassers vorzulegen (§ 421 ZPO), keine Berücksichtigung. Der Antrag ist bereits unbestimmt und läuft auf eine unzulässige Ausforschung hinausläuft, da der Kläger nicht ansatzweise ausführt, welche „Krankenakte des Erblassers“ sich in den Händen der Beklagten befinden und welcher konkrete Tatsachenvortrag des Klägers durch die Aktenvorlage belegt werden soll. Darüber hinaus ist der Antrag erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und eingeräumten Schriftsatzfrist gestellt worden.

II.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Wertermittlung für die im Klageantrag aufgeführten Grundstücke aus § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB. Zwar ist der Kläger pflichtteilsberechtigter Nichterbe. Ein solcher kann die Einholung eines Gutachtens verlangen, sofern er ein schutzwürdiges Interesse an der Wertermittlung hat, weil er sonst seinen Pflichtteil nicht berechnen kann (Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl., § 2314, Rn. 14). Jedoch besteht der Wertermittlungsanspruch zur Vermeidung einer unnötigen Kostenbelastung des Nachlasses im Streitfall erst, wenn die Zugehörigkeit zum realen oder fiktiven Nachlass, insbesondere die Voraussetzungen des § 2325 BGB, vom Pflichtteilsberechtigten dargelegt und bewiesen ist (Palandt/Weidlich, § 2314 BGB, Rn. 13). Allein der Verdacht, der Erblasser habe einen bestimmten Gegenstand innerhalb der Frist des § 2325 BGB „weggeschenkt“, genügt nicht (BGH, Urteil vom 09. November 1983 – IVa ZR 151/82 –, BGHZ 89, 24-33, Rn. 10 f). Hier konnte der darlegungs- und beweispflichtige Kläger dem Gericht nicht die Überzeugung von seiner Pflichtteilsberechtigung verschaffen. Es bestehen zumindest Restzweifel daran, ob die streitgegenständlichen Grundstücke in den Nachlass des am 02.01.2017 verstorbenen Dr. G. H. fallen.

1.

Der Kläger ist als Sohn des Erblassers und Pflichtteilsberechtigter gemäß § 2303 Abs. 1 BGB Nichterbe im Sinne des § 2314 Abs. 1 BGB. Der Erblasser hat durch das Testament vom 24.02.2016 (Anlage K 1) seine Ehefrau A. W.- H. zur Alleinerbin eingesetzt, so dass der Kläger von der Erbfolge ausgeschlossen ist.

2.

Bei den im Antrag genannten Grundstücken handelt es sich nicht um Nachlassgegenstände im Sinne des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sie sind nicht vom Wertermittlungsanspruchs des § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB umfasst, da sie weder Teil des realen noch des fiktiven Nachlasses des Erblassers sind.

a)

Die streitgegenständlichen Grundstücke fallen nicht in den Nachlass. Sie gehörten zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht zum Vermögen des Erblassers im Sinne des § 1922 BGB. Die beiden Grundstücke standen bis zum 02.01.2017 vielmehr jeweils im Eigentum einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Die Anteile des Erblassers an den jeweiligen Gesellschaftsvermögen sind der verbleibenden Gesellschafterin, der Beklagten, entsprechend der zwischen dem Erblasser und der Beklagten getroffenen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen gemäß § 738 BGB „angewachsen“.

aa) Die Beklagte und der Erblasser haben im Notarvertrag vom 27.12.2011 (Anlage K 5) und in der Vereinbarung vom 11.09.2014 (Anlage B 5) ausdrücklich bestimmt, dass mit dem Tode eines Gesellschafters die Gesellschaft bürgerlichen Rechts aufgelöst wird und der Anteil des verstorbenen Gesellschafters dem Überlebenden anwächst. Des Weiteren haben die Beklagte und der Erblasser vorgesehen, dass die Erben keine Abfindung erhalten. Daraus folgt, dass der Beklagten als überlebender Gesellschafterin der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Dr. H. gemäß § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB „angewachsen“ ist. Da die Parteien weiterhin einen Abfindungsausschluss vorgesehen haben, fällt auch der Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in den Nachlass.

bb) Die zwischen dem Erblasser und der Beklagten getroffenen Übergangs- und Ausschlussregelungen sind nicht unwirksam bzw. nichtig. Die im Gesellschaftsvertrag einer zweigliedrigen Gesellschaft getroffene Regelung, dass beim Tod eines Gesellschafters der andere Gesellschafter ein entschädigungsloses Übernahmerecht hat, ist vielmehr grundsätzlich zulässig und geht einer erbrechtlichen Regelung vor. Der Wert des Gesellschaftsanteils des Erblassers kann dann nicht die Grundlage für einen Pflichtteilsanspruch bilden (BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 – III ZR 91/70 –, juris).

Anhaltspunkte für eine Sittenwidrigkeit im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB bzw. für ein Handeln des Erblassers und der Beklagten allein in Schädigungsabsicht gegenüber dem Kläger, um dessen Rechtsstellung als Pflichtteilsberechtigten auszuhöhlen, sind nicht (ausreichend) dargelegt und bewiesen. Grundsätzlich steht es den Gesellschaftern frei, ob und welche Regelungen sie für den Fall des Todes eines Gesellschafters im Interesse der Gesellschaft treffen. Dieser Gestaltungsfreiheit können nur in Ausnahmefällen Grenzen gesetzt werden, etwa weil ein besonders rücksichtsloses Verhalten gegeben ist. Solche Umstände sind hier nicht belegt. Der Kläger vermutet lediglich, dass der Erblasser und die Beklagte ihn „übergehen“ wollten. Woraus sich eine „verwerfliche Gesinnung“ oder „unsittliche Beweggründe“ des Erblassers und der Beklagten im Einzelnen ergeben soll, legt der Kläger nicht konkret und unter Beweisantritt dar.

b)

Der Wertermittlungsanspruch ist nicht deswegen gegeben, weil die streitgegenständlichen Grundstücke Gegenstand des fiktiven Nachlasses des Erblassers, insbesondere von Pflichtteilsergänzungsansprüchen nach § 2325 Abs. 1 BGB sind. Zwar umfasst § 2314 Abs. 1 Satz 2 BGB auch den fiktiven Nachlass, zu dem auch Pflichtteilsergänzungsansprüche im Sinne von § 2325 BGB zählen. Jedoch sind vorliegend die Tatbestandsvoraussetzungen von § 2325 BGB nicht nachgewiesen.

aa) Obwohl der Beklagten der Gesellschaftsanteil des Erblassers bereits mit dessen Tod angewachsen ist, ist es für die Pflichtteilsrechte des Klägers so anzusehen, als wäre der Nachlass bei der Beklagten noch abgesondert vorhanden (BGH, Urteil vom 26. März 1981 – IVa ZR 154/80 –, Rn. 9, juris).

bb) Voraussetzung für einen Pflichtteilergänzungsanspruch des Klägers nach § 2325 Abs. 1 BGB ist, dass der Erblasser der Beklagten eine Schenkung gemacht hat. Daran fehlt es hier. Insbesondere stellen die zwischen dem Erblasser und der Beklagten getroffenen gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zur Anwachsung von Gesellschaftsanteilen und zum Ausschluss von Abfindungsansprüchen der Eben im Todesfall eines Gesellschafters keine ergänzungspflichtigen Schenkungen im Sinne des § 2325 Abs. 1 BGB dar. Jedenfalls verbleiben Restzweifel daran, dass objektiv eine unentgeltliche Zuwendung des Erblassers an die Beklagte vorliegt und beide Gesellschafter sich der Unentgeltlichkeit bewusst und deshalb darüber einig waren, also die Zuwendungen subjektiv nicht als Entgelt für eine von der Beklagten zu gewährende oder gewährte Leistung ansahen (vgl. BGH, Urteil vom 14.07.1971 – III ZR 91/70, Rn. 40; MüKoBGB/Lange BGB § 2325 Rn. 16).

(1) Die Beklagte und der Erblasser haben eine Unentgeltlichkeit wiederholt verneint. Sowohl § 3 des Notarvertrages vom 27.02.2011 (Anlage K 5) als auch die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung vom 11.09.2014 (Anlage B 5) sehen jeweils ausdrücklich vor, dass der wechselseitige Abfindungsausschluss auf dem beiderseits etwa gleich hohen Risiko des Vorversterbens beruht und im Interesse des jeweils überlebenden Gesellschafters vereinbart ist.

(2) Es steht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die dokumentierten Erklärungen des Erblassers und der Beklagten zur Entgeltlichkeit nicht ihrem tatsächlichen Willen entsprachen bzw. ihre schriftlichen Erläuterungen und Erwägungen vorgeschoben und wahrheitswidrig waren, etwa um das Pflichtteilsrecht des Klägers gezielt und willkürlich zu schmälern. Insbesondere kann ein auffallend grobes Missverhältnis der Leistungen und Gegenleistungen des Erblassers einerseits und der Beklagten andererseits nicht festgestellt werden.

(a) Die Gesellschafter haben keinen einseitigen, sondern einen allseitigen Abfindungsausschluss vorgesehen. Dies spricht gegen eine unentgeltliche Zuwendung des Erblassers an die Beklagte. Vielmehr weisen die Regelungen in den Anlagen K 1 und B 5 einen „aleatorischen Charakter“ bzw. „Wagnischarakter“ auf: Jeder Gesellschafter hat einerseits die gleiche Chance erworben, am Anteil des versterbenden Mitgesellschafters zu partizipieren. Andererseits ist jeder Gesellschafter das gleiche Risiko eingegangen, selbst vorzuversterben, so dass seine Erben am Wert seines Anteils nicht beteiligt werden.

(b) Eine Unentgeltlichkeit ergibt sich nicht (zwingend) aus einem groben Missverhältnis der von der Beklagten und dem Erblasser eingegangen Risiken. Bei der Frage, ob die Parteien sich bei Abschluss der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung über die Unentgeltlichkeit einig waren, kann zwar insbesondere Bedeutung erlangen, ob die Beteiligten bei Abschluss der Vereinbarung von unterschiedlichen Lebenserwartungen ausgegangen sind (BGH, Urteil vom 26.03.1981 – IVa ZR 154/80, Rn. 17). Das Risiko der einzelnen Gesellschafter, vor dem anderen Gesellschafter zu versterben, war jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses der gesellschaftsrechtlichen Regelungen in etwa gleich hoch. Jedenfalls ist nicht dargelegt und bewiesen, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Vertragsschlüsse ein Überleben der Beklagten bereits feststand oder wenigstens absehbar war.

(c) Die Lebenserwartung der Gesellschafter war bei einem Altersunterschied zwischen der Beklagten und dem Erblasser von 6 ½ Jahre nicht sehr unterschiedlich. Die vom Kläger – erstmals im Schriftsatz vom 12.12.2017 – dargelegten schweren Erkrankungen des Erblassers verdeutlichten sich erst nach Abschluss der gesellschaftsrechtlichen Regelungen zwischen dem Erblasser und der Beklagten. Nach dem Vortrag des Klägers wurde das zum Tod des Erblassers führende Prostatakarzinom Ende 2015/Anfang 2016 festgestellt (Bl. 67 f. d. A.). Zu diesem Zeitpunkt hatten der Erblasser und die Beklagte indes schon zu den streitgegenständlichen Grundstücken ihre Absprachen getroffen:

(aa) Bereits am 27.12.2011 wurde in den notariellen Kaufvertrag betreffend die Immobilie H. Weg… die beschriebene Übergangs- und Ausschlussklausel aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt mussten die Beklagte und der Erblasser nicht von einer deutlich geminderten Lebenserwartung des Erblassers ausgehen. Jedenfalls fehlt es hierzu an substantiiertem Sachvortrag des Klägers.

(bb) Die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung vom 11.09.2014 wurde ebenfalls vor der Diagnose der zum Tod führenden Krebserkrankung geschlossen. Auch zu diesem Zeitpunkt ist nicht widerlegt, dass die Beklagte und der Erblasser von einem ähnlich hohen Risiko des Vorversterbens ausgehen konnten.

Der Kläger hat nicht bewiesen, dass die gesellschaftsrechtliche Vereinbarung (Anlage B 5) nicht am 11.09.2014 geschlossen, sondern rückdatiert wurde. Die Unterschrift der Beklagten wurde am 11.09.2014 vom Notar Dr. W. E. beglaubigt. Die Beglaubigung der Unterschrift des Erblassers erfolgte am 16.11.2014 durch den Notar J. J..

(d) Eine Schenkung kann nicht mit der Begründung angenommen werden, die vom Erblasser und der Beklagten in die streitgegenständlichen Gesellschaften eingebrachten Leistungen und übernommenen Risiken stünden in einem eklatanten Missverhältnis zueinander. Zwar ist im Einklang mit der Lebenserfahrung zunächst davon auszugehen, dass sich die Vertragsparteien in Wahrheit über die Unentgeltlichkeit der Bereicherung einig waren, wenn

– in einem Vertrag wesentliche Vermögensteile einem anderen zugewendet werden und

– ein auffallendes, grobes Missverhältnis zwischen den zugrunde zulegenden Werten von Leistung und Gegenleistung festzustellen ist (BGH, Urteil vom 26. März 1981 – IVa ZR 154/80 –, Rn. 10, juris).

Im Rechtsverhältnis der Parteien bleibt aber zumindest ungewiss, ob die Beklagte ohne eigene Einlagen in die beiden Gesellschaften bürgerlichen Rechts eingetreten ist und damit besondere Umstände vorliegen, die auf eine (gemischte) Schenkung schließen lassen. Selbst die Beteiligung der Beklagten zu besonders günstigen Bedingungen würde nicht sogleich den Schluss auf eine unentgeltliche Zuwendung des Erblassers erlauben. Vielmehr bestehen für die streitgegenständlichen Grundstücke sogar Anhaltspunkte für die Annahme, dass die von der Beklagten und dem Erblasser in die Gesellschaften bürgerlichen Rechts eingebrachten Leistungen in etwa gleichwertig waren.

(aa) Beide haben sich an der Finanzierung der Immobilien beteiligt.

Der Ankauf der Immobilie H. Weg… wurde aus dem Erlös des Verkaufs der Immobilie K., die ebenfalls im Eigentum einer GbR stand, an der die Beklagte und der Erblasser zu gleichen Anteilen beteiligt waren, finanziert. Ein Darlehen zur Zwischenfinanzierung des Kaufpreises in Höhe von 1.012.500,- € nahmen die Beklagte und der Erblasser ebenfalls gemeinsam auf.

Die Immobilie L. Str. … wurde zum größten Teil durch ein Darlehen finanziert, für welches die Beklagte und der Erblasser zu gleichen Teilen hafteten.

(bb) Durch den Eintritt in die Gesellschaften bürgerlichen Rechts setzte sich die Beklagte einem Haftungsrisiko aus. Nach der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung sollte der überlebende Gesellschafter das Haftungsrisiko für etwaige Altverbindlichkeiten übernehmen. Dieses Haftungsrisiko deutet auf eine Entgeltlichkeit der Vereinbarung hin.

(e) Gegen eine Entgeltlichkeit der gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung spricht nicht bzw. nicht zwingend, dass es sich bei den Gesellschaften um vermögensverwaltende Gesellschaften zwischen Eheleuten handelt. Zwar trifft es zu, dass sich bei verständiger und wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Vorrang gesellschaftsrechtlicher Regelungen gegenüber dem gesetzlichen (verfassungsrechtlich geschützten) Pflichtteilsrecht überzeugender begründen lässt, wenn es tatsächlich darum geht, den Fortbestand der Gesellschaft – unbelastet von Ausgleichsansprüchen – zu gewährleisten. Folgerichtig spricht etwa die Fortsetzung eines Gewerbebetriebes durch familienfremde Gesellschafter eher für eine Unentgeltlichkeit als der vorliegende Sachverhalt, in dem zwei sich sehr nahe stehende (verheiratete) Gesellschafter vorsehen, eine rein vermögensverwaltende Gesellschaft bei Tod eines Ehegatten aufzulösen (siehe auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27. März 2012 – 3 U 39/11 –, Rn. 43 ff., juris). Jedoch reicht die Ehegatteneigenschaft des Erblassers und der Beklagten sowie der Gesellschaftszweck „Vermögensverwaltung“ als Indiz nicht aus, um eine (gemischte) Schenkung annehmen zu können. Vielmehr sind die Gesamtumstände des Einzelfalls zu würdigen. Diese lassen – wie ausgeführt – auch den Schluss zu, dass der Erblasser und die Beklagte in etwa gleiche Risiken eingegangen und ihre jeweils eingebrachten Leistungen in etwa gleichwertig sind.

(f) Wenn und soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe andere Zuwendungen vom Erblasser erhalten, ist deren Beurteilung nicht streitgegenständlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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