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Anspruch auf eidesstattliche Versicherung bei notariellem Nachlassverzeichnis

OLG Bamberg: Notar-Nachlassverzeichnis kein Freibrief – Eidesstattliche Versicherung bei Verdacht möglich

Der OLG Bamberg-Beschluss Az.: 2 U 5/23 e vom 29.12.2023 klärt, dass ein vom Notar erstelltes Nachlassverzeichnis nach § 260 Abs. 2 BGB bei Verdacht auf Unvollständigkeit oder mangelnde Sorgfalt zur eidesstattlichen Versicherung führen kann, ohne dass der Erbe bereits in dieser Phase seine beschränkte Haftung geltend machen kann.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 U 5/23 e >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • § 260 Abs. 2 BGB erfasst auch vom Notar erstellte Nachlassverzeichnisse und setzt nur einen Verdacht auf Unvollständigkeit oder mangelnde Sorgfalt voraus.
  • Ein solcher Verdacht kann aus der Auskunftserteilung selbst oder anderen Umständen, wie einer früheren Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit von Informationen des Verpflichteten, herrühren.
  • Die eidesstattliche Versicherung betrifft die gesamte erteilte Auskunft und damit auch für die Höhe eines möglichen Pflichtteilsanspruchs maßgebliche Nachlassbestandteile.
  • Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 780 ZPO kann nicht in der Stufe der eidesstattlichen Versicherung einer Stufenklage geltend gemacht werden.
  • Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg zurückzuweisen, da keine Erfolgsaussicht besteht.
  • Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.200,00 € festgesetzt.

Eidesstattliche Versicherung im Erbrecht

Bei Streitigkeiten rund um eine Erbschaft kommt der eidesstattlichen Versicherung eine wichtige Rolle zu. Sie dient in erbrechtlichen Auseinandersetzungen als Beweismittel und gibt dem Berechtigten Aufschluss über den Umfang des Nachlasses.

Insbesondere beim notariellen Nachlassverzeichnis ist die eidesstattliche Versicherung von Bedeutung. Diese vom Notar erstellten Auflistungen müssen auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft werden. Hierzu kann gegebenenfalls eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden, wenn ein Verdacht der Unvollständigkeit besteht.

➜ Der Fall im Detail


Notarielles Nachlassverzeichnis unter der Lupe des OLG Bamberg

Im Zentrum dieses Falls steht die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein vom Notar erstelltes Nachlassverzeichnis Anlass für die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geben kann. Die rechtliche Auseinandersetzung entflammte, nachdem Unstimmigkeiten und der Verdacht der Unvollständigkeit in einem solchen Verzeichnis aufkamen. Beteiligt waren Erben und Angehörige, die im Rahmen einer Erbschaftsklage vor dem Oberlandesgericht Bamberg stritten. Der Kern des Konflikts lag in der Behauptung, das Nachlassverzeichnis sei nicht mit der gebotenen Sorgfalt erstellt worden, was insbesondere bei der Aufnahme einer kurz vor dem Ableben getätigten Schenkung und eines Darlehensvertrags fraglich schien.

Die richterliche Sicht auf die eidesstattliche Versicherung

Das Gericht stellte fest, dass gemäß § 260 Abs. 2 BGB auch vom Notar erstellte Nachlassverzeichnisse vom Anspruch auf eine eidesstattliche Versicherung erfasst werden, sofern der Verdacht auf Unvollständigkeit oder mangelnde Sorgfalt besteht. Entscheidend war hier, dass der Gesetzestext keine Unterscheidung trifft, wer das Verzeichnis aufstellt, und dass für die Anforderung einer solchen Versicherung bereits ein begründeter Verdacht ausreicht. Der Fall offenbarte, wie aus der erstmaligen Erwähnung einer signifikanten Schenkung und ungeklärten Darlehensumständen Verdachtsmomente erwachsen können, die den Anspruch auf eine eidesstattliche Versicherung begründen.

Die Rolle der Erbenhaftung in der Debatte

Interessant in diesem Zusammenhang war auch die Frage, ob die beschränkte Erbenhaftung bereits in der Phase der eidesstattlichen Versicherung berücksichtigt werden kann. Das Gericht verneinte dies, indem es klarstellte, dass die Haftungsbeschränkung erst bei der Durchsetzung des Hauptanspruchs relevant wird und nicht schon bei vorbereitenden Nebenansprüchen, wie der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, geltend gemacht werden kann.

Die Entscheidung des OLG Bamberg und ihre Implikationen

Die Richter des OLG Bamberg entschieden, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, da die Erfolgsaussichten offensichtlich fehlten. Diese Entscheidung unterstreicht, dass auch notariell erstellte Nachlassverzeichnisse kritisch hinterfragt werden können und bei begründetem Verdacht auf Unvollständigkeit oder mangelnde Sorgfalt die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt werden kann. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Sorgfalt bei der Erstellung solcher Verzeichnisse von entscheidender Bedeutung ist und Erben ihre Rechte aktiv wahrnehmen können, um eine vollständige und korrekte Rechnungslegung sicherzustellen.

Streitwertfestsetzung und gerichtliche Hinweise

Zum Abschluss des Verfahrens setzte das Gericht den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 5.200,00 € fest. Es gab der Beklagten zudem die Gelegenheit zur Stellungnahme und wies auf die Möglichkeit hin, durch Rücknahme der Berufung Kosten zu sparen. Diese gerichtliche Praxis spiegelt das Bemühen wider, die Effizienz des Rechtsmittelverfahrens zu steigern und den Parteien einen realistischen Blick auf die Erfolgsaussichten ihrer Berufung zu geben.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was versteht man unter einem notariellen Nachlassverzeichnis?

Ein notarielles Nachlassverzeichnis ist ein amtliches Dokument, das von einem Notar erstellt wird und eine detaillierte Aufstellung aller Vermögenswerte und Verbindlichkeiten enthält, die zum Nachlass eines Verstorbenen gehören. Wesentliche Merkmale eines notariellen Nachlassverzeichnisses sind:

  • Es wird von einem Notar aufgenommen, der für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben haftet. Dadurch bietet es eine höhere Gewähr für die Korrektheit als ein privates Verzeichnis, das die Erben selbst erstellen.
  • Der Notar darf sich nicht nur auf Angaben der Erben verlassen, sondern muss eigene Ermittlungen und Nachforschungen anstellen, um den Nachlassbestand zu erfassen. Dazu gehören z.B. Anfragen bei Banken und Behörden.
  • Es muss alle Aktiva und Passiva enthalten, aus denen sich der Nachlass zusammensetzt, wie Geld- und Sachvermögen, Immobilien, Forderungen, Firmenanteile, Verbindlichkeiten etc. Auch Gegenstände, die der Erbe für wertlos hält, sind aufzunehmen.
  • Das Verzeichnis muss in sich geschlossen und geordnet sein. Für den Auskunftsberechtigten muss nachvollziehbar sein, welche Gegenstände zum Nachlass gehören.

Insbesondere Pflichtteilsberechtigte haben einen Anspruch, von den Erben ein notarielles Nachlassverzeichnis zu verlangen. Es dient dazu, ihnen die Informationen zu geben, die sie benötigen, um ihren Pflichtteilsanspruch berechnen und geltend machen zu können. Die Kosten trägt der Nachlass.

Wann besteht der Anspruch auf eine eidesstattliche Versicherung?

Nach den vorliegenden Informationen besteht ein Anspruch des Pflichtteilsberechtigten auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Erben, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Nachlassverzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde. Dies gilt auch dann, wenn ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt wurde. Die wesentlichen Voraussetzungen sind:

  • Es muss ein konkreter Verdacht bestehen, dass der Erbe bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses nicht sorgfältig vorgegangen ist. Bloße Vermutungen reichen nicht aus, es müssen Tatsachen vorliegen, die den Verdacht stützen.
  • Anhaltspunkte für mangelnde Sorgfalt können sich z.B. ergeben, wenn der Erbe zunächst unvollständige oder widersprüchliche Angaben macht, die er später ergänzt oder korrigiert, oder wenn er die Auskunft nur zögerlich und scheibchenweise erteilt.
  • Auch bei einem notariellen Nachlassverzeichnis kann eine eidesstattliche Versicherung verlangt werden. Denn der Notar ist auf die Angaben des Erben angewiesen und das notarielle Verzeichnis weicht oft nicht stark vom privaten ab.
  • Der Erbe muss dann an Eides statt versichern, dass er nach bestem Wissen den Nachlassbestand vollständig angegeben hat. Die Versicherung erstreckt sich auf alle Angaben im notariellen Verzeichnis, auch wenn sie vom Notar ermittelt wurden.
  • Hält der Erbe aber Ergänzungen für erforderlich, muss er das in der Versicherung aufnehmen. Er muss nichts beeiden, was er selbst für falsch hält.

Insgesamt dient der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung dazu, den Pflichtteilsberechtigten davor zu schützen, dass der Erbe Nachlasswerte verschweigt oder ein unvollständiges Verzeichnis vorlegt. Die Hürden dafür sind aber hoch, um den Erben nicht übermäßig zu belasten.

Was bedeutet der Verdacht auf Unvollständigkeit bei einem Nachlassverzeichnis?

Der Verdacht auf Unvollständigkeit eines Nachlassverzeichnisses kann sich aus verschiedenen Umständen ergeben, die Zweifel an der Sorgfalt und Korrektheit der Angaben des Erben begründen:

  • Wenn der Erbe zunächst unvollständige oder widersprüchliche Angaben macht, die er später ergänzt oder korrigiert, kann dies den Verdacht nähren, dass er nicht mit der erforderlichen Gewissenhaftigkeit vorgegangen ist.
  • Auch wenn der Erbe die Auskunft nur zögerlich und scheibchenweise erteilt, liegt die Vermutung nahe, dass er etwas zu verbergen hat und das Verzeichnis nicht vollständig ist.
  • Konkrete Anhaltspunkte für das Fehlen von Nachlasswerten, z.B. Hinweise auf dem Erben bekannte Vermögensgegenstände, Konten oder Immobilien des Erblassers, die im Verzeichnis nicht auftauchen, begründen ebenfalls Zweifel an der Vollständigkeit.
  • Gleiches gilt, wenn der Erbe Nachlassgegenstände für wertlos erklärt, obwohl es Anzeichen dafür gibt, dass sie durchaus werthaltig sind.
  • Auch ein auffälliges Missverhältnis zwischen dem angegebenen Nachlass und dem zu Lebzeiten bekannten Vermögen des Erblassers kann Anlass sein, an der Vollständigkeit des Verzeichnisses zu zweifeln.

Dabei reichen bloße Vermutungen nicht aus. Es müssen konkrete Tatsachen vorliegen, die den Verdacht stützen. Der Pflichtteilsberechtigte trägt hierfür die Darlegungs- und Beweislast.

Bestätigt sich der Verdacht, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Vollständigkeit des Verzeichnisses verlangen. Dies gilt auch dann, wenn bereits ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt wurde.

Wie wird die Sorgfaltspflicht bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses definiert?

Die Sorgfaltspflicht bei der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses erfordert, dass der Erbe den Nachlass möglichst vollständig und korrekt erfasst. Dabei muss er mit der gebotenen Gewissenhaftigkeit vorgehen, um seiner Auskunftspflicht gegenüber Pflichtteilsberechtigten und anderen Auskunftsberechtigten gerecht zu werden. Wesentliche Aspekte der Sorgfaltspflicht sind:

  • Der Erbe muss sich aktiv darum bemühen, alle Nachlassgegenstände zu ermitteln. Dazu gehört es, die Unterlagen des Erblassers sorgfältig zu sichten und gegebenenfalls Nachforschungen anzustellen, z.B. durch Anfragen bei Banken, Versicherungen oder Behörden.
  • Auch Gegenstände, die der Erbe selbst für wertlos hält, müssen vollständig aufgenommen werden. Es ist nicht Sache des Erben zu entscheiden, was relevant ist.
  • Die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten müssen hinreichend konkret und individualisierbar beschrieben werden, so dass sich der Auskunftsberechtigte ein Bild vom Nachlass machen kann. Pauschale Angaben oder Kategorien genügen nicht.
  • Das Verzeichnis muss übersichtlich gegliedert und in sich geschlossen sein. Für den Auskunftsberechtigten muss nachvollziehbar sein, welche Gegenstände zum Nachlass gehören.
  • Der Erbe darf die Auskunft nicht verzögern. Er muss das Verzeichnis in angemessener Zeit, in der Regel innerhalb weniger Monate, vorlegen. Zögerliches oder scheibchenweises Vorgehen weckt Zweifel an der Sorgfalt.

Verstößt der Erbe gegen diese Sorgfaltspflichten und erstellt ein unvollständiges oder ungeordnetes Verzeichnis, kann der Auskunftsberechtigte die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangen. Bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Verhalten drohen dem Erben sogar strafrechtliche Konsequenzen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 260 Abs. 2 BGB: Regelt die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung bei Verdacht auf Unvollständigkeit oder mangelnde Sorgfalt in der Rechnungslegung. Im Kontext des notariellen Nachlassverzeichnisses bedeutet dies, dass Erben eine eidesstattliche Versicherung verlangen können, wenn Zweifel an der Vollständigkeit oder Genauigkeit des Verzeichnisses bestehen.
  • § 780 ZPO: Betrifft den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung, der nicht bereits in der Phase der eidesstattlichen Versicherung einer Stufenklage geltend gemacht werden kann. Dies unterstreicht, dass die beschränkte Haftung von Erben primär in der Durchsetzungsphase von Ansprüchen relevant wird, nicht schon bei vorbereitenden Maßnahmen.
  • § 522 Abs. 2 ZPO: Erläutert die Voraussetzungen, unter denen ein Gericht eine Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückweisen kann, insbesondere wenn die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat. Dieser Paragraph spielte eine Rolle bei der Entscheidung des OLG Bamberg, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.
  • Erbrecht: Als übergeordneter Rechtsbereich betrifft es die Regelungen zur Erbfolge, zum Pflichtteil, zu Testamenten und Erbverträgen sowie zur Verwaltung und Verteilung des Nachlasses. Die Erstellung und Prüfung eines Nachlassverzeichnisses sind zentrale Aspekte im Erbrecht, die die Rechte der Erben und Pflichtteilsberechtigten berühren.
  • Zivilprozessordnung (ZPO): Enthält allgemeine Verfahrensregeln für zivilrechtliche Streitigkeiten, unter anderem zu Klageverfahren, Beweismitteln und Rechtsmitteln. Im speziellen Fall ist die ZPO relevant für die Durchführung der Berufung und die Regelungen zur eidesstattlichen Versicherung.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): Das BGB bildet die Grundlage des deutschen Zivilrechts und regelt unter anderem das Erbrecht. Die Paragraphen des BGB, insbesondere § 260 Abs. 2, sind maßgeblich für die Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit Nachlassverzeichnissen und der eidesstattlichen Versicherung.


Das vorliegende Urteil

OLG Bamberg – Az.: 2 U 5/23 e – Beschluss vom 29.12.2023

Leitsätze:

1. Von § 260 Abs. 2 BGB wird auch das vom Notar erstellte Nachlassverzeichnis erfasst.

2. § 260 Abs. 2 BGB setzt nur einen Verdacht der Unvollständigkeit der Rechnungslegung und mangelnder Sorgfalt voraus. Der Verdachtsgrund kann sich – wie zumeist – aus der Auskunftserteilung selbst ergeben, aber auch auf anderen Umständen beruhen, beispielsweise auf einer früheren Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit von Informationen des Verpflichteten.

3. Der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 780 ZPO kann nicht schon in der zweiten Stufe (eidesstattliche Versicherung) einer Stufenklage geltend gemacht werden. Die Beschränkung bzw. Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gehört zum Hauptanspruch auf Leistung gegen den Erben, nicht zu vorbereitenden Nebenansprüchen. Er ist als Einrede gegen ersteren geltend zu machen und folglich erst mit diesem zur Entscheidung reif.


Der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung gemäß § 260 Abs. 2 BGB erfasst die gesamte erteilte Auskunft und damit auch solche Nachlassbestandteile, die für die Höhe eines etwaigen Pflichtteilsanspruchs maßgeblich sind.

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Bamberg vom 15.05.2023, Az. 44 O 1148/22 Erb, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 5.200,00 € festzusetzen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis einschließlich 17.01.2024.

Gründe

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Landgerichts Bamberg vom 15.05.2023, Az. 44 O 1148/22 Erb, offensichtlich im Sinne des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Erfolgsaussicht fehlt und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Der Senat beabsichtigt deshalb, die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO weist der Senat die Beklagte auf die beabsichtigte Entscheidung hin und gibt ihr zugleich Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu und zur beabsichtigten Festsetzung des Berufungsstreitwerts.

Zur Begründung wird zunächst auf die überzeugenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung verwiesen werden, die durch das Berufungsvorbringen nicht entkräftet werden. Ergänzend sind im Hinblick auf die mit der Berufung vorgebrachten Einwände lediglich folgende ergänzende Anmerkungen veranlasst:

1. Nach § 260 Abs. 2 BGB ist der Verpflichtete zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist. Dabei unterscheidet der Wortlaut des § 260 Abs. 2 BGB nicht danach, wer das Verzeichnis aufgestellt hat, sondern ist im Passiv formuliert, sodass auch das vom Notar erstellte Nachlassverzeichnis vom Wortlaut erfasst wird (BGH, Urteil v. 01.12 2021, Az. IV ZR 189/20). Unvollständigkeit der Rechnungslegung und mangelnde Sorgfalt müssen nicht feststehen. § 260 Abs. 2 BGB setzt nur einen dahingehenden Verdacht voraus. Der Verdacht muss sich auf Tatsachen gründen, die der Berechtigte darlegen und notfalls beweisen muss. Der Verdachtsgrund kann sich – wie zumeist – aus der Auskunftserteilung selbst ergeben. Er kann aber auch auf anderen Umständen beruhen, beispielsweise auf einer früheren Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit von Informationen des Verpflichteten (vgl. MüKo/BGB-Krüger, 9. Aufl., § 259 Rn. 39 m.w.N.).

Vorliegend hat sich das Landgericht zu Recht darauf gestützt, dass die erstmalige Benennung einer Schenkung von ca. 30.000,00 € an die Beklagte durch die Erblasserin im Dezember 2018 in § 3 VII. Nr. 4 des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 24.10.2022 einen solchen Verdachtsmoment begründet. Diese war im von der Beklagten erstellten Nachlassverzeichnis vom 11.08.2019 (Anlage K4) nicht aufgeführt, obwohl diese Zuwendung in beträchtlicher Höhe nur kurze Zeit zuvor erfolgt war und daher der Beklagten bei Erstellung des Verzeichnisses bewusst gewesen sein muss.

Ein weiterer Verdachtsmoment für die mögliche Unrichtigkeit von Informationen durch die Beklagte ergibt sich aus den ungeklärten Umständen des im notariellen Nachlassverzeichnis (dort § 2 VII. 3.) angeführten Darlehens in Höhe von 150.000,00 €, welches die Beklagte der Erblasserin mit Vertrag vom 28.03.2003 eingeräumt haben soll. Die Klägerin hat in der Klageschrift den fehlenden Nachweis für die tatsächliche Darlehensauszahlung moniert, ohne dass sich die Beklagte nachfolgend hierzu erklärt hat. Dieser Umstand betrifft ein mögliches Zusammenwirken von Erblasserin und Beklagter zum Nachteil der Klägerin und ist ebenfalls geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Beklagten in ihrer Auskunft zu wecken.

2. Zwar weist die Berufungsführerin zutreffend darauf hin, dass vorstehende Verdachtsmomente für sich betrachtet nicht den aktuellen Nachlassbestand betreffen, sondern gegebenenfalls geeignet wären, Pflichtteilsergänzungsansprüche (§ 2325 BGB) auszulösen. Der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung gemäß § 260 Abs. 2 BGB erfasst indes die gesamte erteilte Auskunft und damit auch solche Nachlassbestandteile, die für die Höhe eines etwaigen Pflichtteilsanspruchs maßgeblich sind. Soweit wie vorliegend Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde, besteht Grund zur Besorgnis, dass auch im Übrigen Angaben fehlerhaft oder ergänzungsbedürftig sind. Die eidesstattliche Versicherung erstreckt sich gerade nicht nur auf die Richtigkeit zwischen den Parteien streitiger Umstände, sondern erfasst die Richtigkeit und Vollständigkeit der gesamten Auskunft. Sie betrifft daher auch für die Höhe eines möglichen Pflichtteilsanspruchs der Klägerin erhebliche Auskünfte der Beklagten.

Entgegen der Auffassung der Berufungsführerin ist der reine Nachlassbestand und damit die Höhe eines möglichen Pflichtteilsanspruchs der Klägerin daher nicht als unstreitig im Verfahren zugrunde zu legen. Zwar hat die Klägerin insoweit keine konkreten Einwände erhoben. Allerdings hat sie durch das Aufrufen der Stufe der eidesstattlichen Versicherung zu verstehen gegeben, dass sie die bisherigen Auskünfte (noch) nicht zum Gegenstand der Bezifferung machen will.

3. Der möglichen Verjährung (§ 2332 BGB) eines gegen die Beklagte gerichteten Anspruchs aus § 2329 BGB für den Fall, dass der Nachlass mangels Masse zur Befriedigung eines etwaigen Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Klägerin (§ 2325 BGB) nicht liquide ist, kommt daher keine einen Anspruch auf eidesstattliche Versicherung ausschließende Bedeutung zu. Der Umfang des für den – unstreitig nicht verjährten – Pflichtteilsergänzungsanspruchs maßgeblichen Nachlasses ist Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung. Es kann im aktuellen Verfahrensstadium somit nicht zugrunde gelegt werden, dass für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten kein weiterer Nachlass mehr zur Verfügung steht.

4. Hinsichtlich des von der Beklagten hilfsweise geltend gemachten Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung gemäß § 780 ZPO sieht der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 20.10.2023 keine Veranlassung, von seiner mit Hinweis vom 29.09.2023 dargelegten Rechtsansicht abzuweichen, dass der Vorbehalt nicht in der zweiten Stufe (eidesstattliche Versicherung) der gegenständlichen Stufenklage geltend gemacht werden kann. Ihrem Wesen nach kann die § 780 ZPO zugrunde liegende Haftungsbeschränkung wohl nur vollstreckbaren Leistungsurteilen entgegengehalten werden (vgl. MüKo/ZPO-Schmidt/Brinkmann, 6. Aufl., § 780 Rn. 3). Nach anderer Ansicht muss jedenfalls über den Grund des Anspruchs entscheiden werden (OLG Köln VersR 1968, 380) oder ein Feststellungsurteil zum Anspruch ergehen (OLG Bamberg ZEV 1996, 463; ob Grund- oder Leistungsurteil erforderlich offenlassend BGH ZEV 1996, 465). Die Beschränkung bzw. Beschränkbarkeit der Erbenhaftung gehört zum Hauptanspruch auf Leistung gegen den Erben, nicht zu vorbereitenden Nebenansprüchen. Er ist als Einrede gegen ersteren geltend zu machen und folglich erst mit diesem zur Entscheidung reif.

Die Regelung des § 780 ZPO soll lediglich sicherstellen, dass der Titel bereits regelt, ob der Erbe in der Zwangsvollstreckung sich auf die Beschränkung seiner Haftung noch berufen kann (BGH, Urteil v. 11.07.1991, Az. IX ZR 180/90). Die von der Beklagten eingewandte Dürftigkeit des Nachlasses im Hinblick auf mögliche Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche ist jedoch nicht erheblich für die Vollstreckung des gegenständlichen Teilurteils über die Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung. Die von der Berufungsführerin angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (Urteil v. 05.11.2019, Az. 4 U 153/18) betrifft einen anders gelagerten Sachverhalt, da dort bereits eine Entscheidung in der Leistungsstufe ergangen war. Über den Vorbehalt nach § 780 ZPO wird daher erst im Fall eines etwaig stattgebenden Urteils in der Leistungsstufe zu befinden sein.

5. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO) liegen nicht vor. Über klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfragen hat der Senat nicht zu befinden. Er beabsichtigt eine einzelfallbezogene Entscheidung auf der Grundlage der nach gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung berufungsrechtlich nicht zu beanstandenden erstinstanzlichen Feststellungen. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Anhaltspunkte dafür, dass in einer solchen neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die zu einer anderen Beurteilung führten, bestehen nicht. Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen, und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nr. 1220, 1222) hin.

6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Anwendung von § 47 Abs. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO zu bestimmen sein. Dabei bemisst der Senat den Wert der eidesstattlichen Versicherung entsprechend dem Aufwand der Beklagten für deren Abgabe mit 200,00 €. Der Wert des Hilfsantrags betreffend den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung bemisst sich grundsätzlich nach dem Unterschied zwischen dem Anspruch und dem Betrag der voraussichtlichen Befriedigung (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., III. Streitwerte im Erbrecht Rn. 18). Nachdem die Beklagte von der Mittellosigkeit des Nachlasses ausgeht, zugleich die Höhe eines Anspruchs der Klägerin gegen den Nachlass ungeklärt ist, schätzt der Senat den Wert in Anlehnung an § 36 Abs. 3 GNotKG auf 5.000,00 €, so dass der Wert der Berufung insgesamt mit 5.200,0 € festzusetzen sein wird.

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