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Beschränkung der Wechselbezüglichkeit eines Testaments auf die Lebzeit der Testierenden

OLG Rostock – Az.: 3 W 94/19 – Beschluss vom 25.08.2020

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) vom 02.08.2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schwerin vom 01.07.2019 wird auf ihre Kosten nach einem Gegenstandswert in Höhe von 10.000,- € zurückgewiesen.

Gründe

Die Erblasserin war in zweiter Ehe mit dem am 23.03.2013 vorverstorbenen F. E. B. verheiratet. Die Erblasserin hatte aus ihrer ersten Ehe drei Kinder und zwar die Beteiligten zu 1) bis 3). Ihr vorverstorbener Ehemann hatte zwei Kinder und zwar die Beteiligten zu 4) und 5).

Die Eheleute hatten am 03.11.2009 vor der Notarin F. in S. zu deren Urkundenrolle – Nr. 1271 / 2009 ein gemeinschaftliches Testament beurkunden lassen. Hierin hatten sie sich zunächst gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und zu Schlusserben des zuletzt Sterbenden sämtliche Abkömmlinge der Ehefrau und des Ehemanns zu gleichen Teilen.

In § 5 (Wechselbezüglichkeit und Bindung) haben sie folgendes testiert:

„ … Dieses Testament soll nicht gemäß § 2079 BGB (Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten) angefochten werden können.

Die vorstehenden Erbeinsetzungen sind wechselbezüglich. Sie können somit zu unserer beider Lebzeiten nur gemeinschaftlich geändert oder durch einseitigen notariell beurkundeten Widerruf beseitigt werden.

Nach dem Tod des zuerst Sterbenden kann der Überlebende über das beiderseitige Vermögen frei verfügen.

Er ist darüber hinaus auch berechtigt, letztwillig anderweitig über den beiderseitigen Nachlass zu verfügen. …“.

Nachdem ihr Ehemann verstorben war hat die Erblasserin am 19.02.2014 ein handschriftliches Testament aufgesetzt. Hierin hat sie verfügt:

„ … dass nach meinem Ableben meine Kinder zu gleichen Teilen erbberechtigt sind:

U. Z., geboren am 20.09.1960

O. Z., geboren am 12.01.1962

G. G. W., geborene Z., geboren am 07.08.1964. …“.

Im letzten Satz ihres handschriftlichen Testaments heißt es sodann:

„ … Das notarielle Testament vom 05.11.2009 verliert hiermit seine Gültigkeit. …“.

Die Beteiligte zu 3) hat nach dem Versterben der Erblasserin am 22.02.2019 die Notarin F. aus S. zu deren Urkundenrolle – Nr. 221 / 2019 um die Beurkundung eines Antrags auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins ersucht, nach dem die Erblasserin von ihren Kindern, den Beteiligten zu 1) bis 3), zu gleichen Teilen beerbt worden ist. Der entsprechende Antrag der Notarin F. ging am 26.02.2019 beim Amtsgericht S. – Nachlassgericht – ein.

Die Tochter des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin, die Beteiligte zu 4) hat indes Einwände gegen die Erteilung des beantragten Erbscheins erhoben. Sie vertritt die Auffassung, dass die Erbeinsetzung im ursprünglichen Testament bindend gewesen sei und nicht nachträglich durch die Erblasserin habe geändert werden können. Das handschriftliche Testament der Erblasserin sei mit dem mutmaßlichen Willen ihres Vaters nicht vereinbar.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – S. hat die Notarin F. daraufhin zur Stellungnahme aufgefordert. Diese hat unter dem 25.04.2019 eine Stellungnahme abgegeben.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Schwerin hat mit Beschluss vom 01.07.2019 sodann die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, wonach die Erblasserin von ihren Kindern, den Beteiligten zu 1) bis 3) jeweils zu 1/3 beerbt worden sei. Dies hat das Amtsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass sich die im Testament vereinbarte Wechselbezüglichkeit nur auf die Lebzeiten beider Eheleute bezogen hätte. Nach dem Tod des Erststerbenden sei es dem Überlebenden unbenommen geblieben, über den beiderseitigen Nachlass frei zu verfügen. Dies finde seine Bestätigung in der Stellungnahme der Notarin F. vom 25.04.2019.

Hiergegen hat die Beteiligte zu 4) Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht indes nicht abgeholfen und die Sache stattdessen dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

Die nach §§ 58, 63 FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Bei dem notariellen Testament der Eheleute B. vom 03.11.2009 handelt es sich um ein gemeinschaftliches Ehegattentestament im Sinne des § 2269 BGB, durch das die Ehegatten sich zunächst gegenseitig zu Erben eingesetzt und die Beteiligten zu 1) bis 5) nach dem Tode des Letztversterbenden zu Schlusserben berufen haben.

Nach § 2271 Abs. 2 BGB erlischt das Recht des Ehegatten zum Widerruf der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügung mit dem Tode des anderen Ehegatten. Der überlebende Ehegatte ist damit an eine wechselbezügliche Verfügung gebunden und an einer beeinträchtigenden anderweitigen letztwilligen Verfügung gehindert (vgl. hierzu OLG Hamm, Beschluss v. 07.11.1994 – 15 W 288/94 -, zit. n. juris, Rn. 33).

Wechselbezüglich sind nach § 2270 Abs. 1 BGB dabei diejenigen in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament getroffenen Verfügungen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, also jeder Ehegatte seine Verfügungen gerade deshalb getroffen hat, weil auch der andere Ehegatte eine bestimmte Verfügung getroffen hat und jede Verfügung nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden mit der anderen stehen oder fallen soll (vgl. hierzu, OLG Brandenburg, Urteil v. 12.05.1999 – 10 U 35/97 -, zit. n. juris, Rn. 59 m.w.N.; OLG Hamm, a.a.O.). Die Wechselbezüglichkeit muss dabei für jede einzelne Verfügung des Testaments gesondert geprüft werden, wobei der Wille der gemeinschaftlich testierenden Ehegatten durch Auslegung zu ermitteln ist (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 34). Maßgeblich ist dabei der Wille zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments.

Ob vorliegend eine Wechselbezüglichkeit vorliegt – wovon der Senat bei der gegenseitigen Einsetzung der Eheleute als jeweilige Alleinerben sowie der Bestimmung der Beteiligten zu 1) bis 5) als jeweilige Schlusserben ausgeht – kann letztlich dahingestellt bleiben, denn beanstandungsfrei ist das Amtsgericht – Nachlassgericht – in diesem Zusammenhang zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die im gemeinschaftlichen Testament vereinbarte Wechselbezüglichkeit letztlich nur auf die Lebzeiten beider Eheleute beschränken sollte.

Da es den Ehegatten freisteht zu bestimmen, ob und inwieweit ihre letztwilligen Anordnungen wechselbezüglich sein sollen, sind sie auch als befugt anzusehen, die Widerruflichkeit wechselbezüglicher Verfügungen über dem im Gesetz vorgesehenen Rahmen hinaus zu erweitern bzw. zu beschränken oder auszuschließen und dem Überlebenden sogar ein freies Widerrufsrecht einzuräumen (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl., § 2271, Rn. 20; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 40 m. w. N.; OLG Bremen, Beschluss v. 30.08.2017 – 5 W 27/16 -, zit. n. juris, Rn. 11; vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 18.08.2011 – 11 Wx 46/10 -, zit. n. juris, Rn. 35).

Das dies vorliegend erfolgt ist, ergibt sich aus der gebotenen Auslegung der Abänderungsklausel in § 5 des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute.

Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht bindend. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (vgl. BGH, Urteil v. 07.10.1992 – IV ZR 160/91 -, zit. n. juris, Rn.10). Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2084, Rn. 1). Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist dabei der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen (vgl. BGH, a. a.O. Rn. 10 m.w.N.). Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testamentes liegen. Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2084, Rn. 2, m.w.N.), jedoch müssen sich mit Blick auf die Formerfordernisse des § 2247 BGB für einen entsprechenden Willen des Erblassers in der letztwilligen Verfügung – wenn auch nur andeutungsweise – Anhaltspunkte finden lassen (vgl. hierzu: OLG Frankfurt, Beschluss v. 18.05.2020 – 21 W 165/19 -, zit. n. juris, Rn. 27).

Den vorstehenden Grundsätzen folgend, ergibt sich eine Abänderungsbefugnis des Längstlebenden, die auch die (bisherige) Einsetzung der beiden Kinder des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin (den Beteiligten zu 4) und 5)) zu Gunsten deren eigener Kinder (den Beteiligten zu 1) bis 3)) erfasste. Die Befugnis auch die Einsetzung der Schlusserben abzuändern folgt nämlich daraus, dass der Schlusserbe nur den Überlebenden beerbt und dieser durch die (vorangegangene) Änderung nur über seinen eigenen Nachlass verfügt (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2271, Rn. 20; Reinmann – Mayer/Sammet, Testament und Erbvertrag, 7. Aufl., § 2271, Rn. 79; BayObLGZ 1987, 23 (28)).

Der Wortlaut der Teilklausel ist nach Auffassung des Senats dabei eindeutig. In dem gemeinschaftlichen Testament heißt es insoweit:

„ … Er ist darüber hinaus auch berechtigt, letztwillig anderweitig über den beiderseitigen Nachlass zu verfügen. …“

Es geht danach vorliegend dementsprechend nicht nur darum, dass der Überlebende berechtigt sein soll, über das beiderseitige Vermögen nach Vorversterben des Ehepartners zu Lebzeiten frei zu verfügen – dies ist in der Klausel zuvor gesondert geregelt worden – sondern, dass der Überlebende testamentarisch berechtigt sein soll, grundsätzlich (völlig) anderweitige Verfügungen über den beiderseitigen Nachlass zu treffen. Dies wäre nicht möglich, wenn weiterhin eine Schlusserbenschaft der Beteiligten zu 1) bis 5) bestanden hätte. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei nicht um ein sogenanntes gemeinschaftliches Laientestament gehandelt hat, sondern dass dieses von der Notarin F. aufgesetzt worden ist, so dass bereits unterstellt werden kann, dass diese Klausel in Kenntnis ihrer Bedeutung aufgenommen worden ist. Richtigerweise hat das Amtsgericht indes ergänzend eine schriftliche Stellungnahme der seinerzeit das gemeinschaftliche Testament beurkundenden Notarin angefordert. Diese hat in ihrer schriftlichen Stellungnahme vom 25.04.2019 dargelegt, dass die Eheleute seinerzeit hinsichtlich ihrer Verfügungen nach dem ersten Erbfall nicht gebunden sein und sich auch nach dem Tod des Erstversterbenden freie Hand hätten lassen wollen. Der mutmaßliche Wille der Eheleute sei gewesen, dass im Rahmen der Freistellung auch die Wechselbezüglichkeit der Verfügungen entfallen sollte. Der Überlebende habe uneingeschränkt sowohl über den Nachlass des Zuerstversterbenden als auch über sein eigenes Vermögen verfügen sollen.

Die Beteiligte zu 4) hat auch keine Umstände vorgetragen, die dem entgegenstehen könnten. Sie hat zwar behauptet, dass es nicht dem Willen ihres vorverstorbenen Vaters entsprochen habe, dass die Erblasserin berechtigt gewesen sein soll, von der im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügung über die Einsetzung der Beteiligten zu 1) bis 5) als Schlusserben des Überlebenden abzuweichen. Konkrete Ausführungen, wie sie hierauf kommt, sind indes unterblieben.

Indem die Erblasserin in ihrem handschriftlichen Testament das vorherige gemeinschaftliche Testament der Eheleute als ungültig bezeichnet hat, hat sie dieses widerrufen. Der Verwendung der Begrifflichkeit „Widerruf“ bedurfte es insoweit nicht. Der Widerruf kann sich bereits aus einer späteren Erbeinsetzung unter Weglassung zunächst berufener Schlusserben ergeben. Der Widerruf bedurfte dabei nicht der notariellen Form des § 2271 Abs. 1 BGB. Es reichte insoweit das handschriftliche Testament der Erblasserin aus (vgl. hierzu: Reimann – Mayer/Sammet, Testament und Erbvertrag, 7. Aufl., § 2271, Rn. 84). Durch den Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments durch die Erblasserin in ihrem handschriftlichen Testament haben die wechselseitigen Verfügungen des gemeinschaftlichen Testaments damit ihre Wirksamkeit verloren. Maßgeblich sind deshalb insoweit allein die Verfügungen der Erblasserin in ihrem handschriftlichen Testament vom 19.02.2014. An der Wirksamkeit jenes Testaments hat der Senat dabei keine Bedenken.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 61 Abs. 1 GKG und richtet sich nach dem Anteil des Wertes des Nachlasses, den die Beteiligte zu 4) für sich begehrt. Der Wert des Nachlasses ist insgesamt mit 40.000,- € beziffert worden, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Beteiligte zu 5) seinen Erbteil ausgeschlagen hat.

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