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Erbauseinandersetzung nach Auffinden eines unbekannten Kontos des Erblassers

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 106/19 – Beschluss vom 23.12.2019

Die Beschwerde der Beteiligten zu 4 vom 7. Mai 2019 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen – Nachlassgericht – vom 16. April 2019 wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 6.000,- €

Gründe

I.

Gemäß gemeinschaftlichen Teilerbscheins vom 26. Januar 2010 sind die Beteiligten zu 2 bis 4 Miterben des Erblassers; auf die Beteiligte zu 2 entfällt ½-Anteil und auf die Beteiligten zu 3 und 4 jeweils 1/6-Anteil. Hinsichtlich des verbleibenden 1/6-Anteils sind die Erben unbekannt, weshalb das das Nachlassgericht mit Beschluss vom 26. Januar 2010 die Teil-Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des 1/6-Anteils des Nachlasses des Erblassers anordnete und den Beteiligten zu 1 zum Teilnachlasspfleger bestellte. Die Beteiligte zu 3 verstarb am 7. Dezember 2011, ihr testamentarischer Alleinerbe ist der Beteiligte zu 5. Mit Beschluss vom 11. April 2014 hob das Nachlassgericht die Teil-Nachlasspflegschaft auf. Ein Bedürfnis hierfür sei nicht mehr gegeben, denn das restliche Guthaben aus einem Konto des Erblassers bei der Stadtsparkasse … sei hinterlegt worden.

Im Jahr 2018 fand der Beteiligte zu 5 in den Unterlagen des Erblassers Kontoauszüge eines bislang unbekannten Kontos bei der … Bank in Luxemburg, weshalb der Beteiligte zu 1 sowie die Beteiligte zu 4 am 9. April 2018 bzw. am 25. April 2018 um erneute Einrichtung einer Teil-Nachlasspflegschaft baten. Das lehnte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 15. Mai 2018 ab, da ein ausreichendes Sicherungsbedürfnis nicht gegeben sei. Die Bank könne den bei ihr gutgeschriebenen Betrag jederzeit hinterlegen.

In der Folgezeit hinterlegte die … Bank den auf dem Konto des Erblassers gutgeschriebenen Betrag bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Oberhausen (1 HL 72/18). Von dort wurde mitgeteilt, dass der hinterlegte Betrag ausgezahlt werde, wenn von allen Erben gleichlautende Freigabeerklärungen abgegeben würden. Vor diesem Hintergrund hat die Beteiligte zu 4 am 11. Februar 2019 die erneute Anordnung der Teil-Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben beantragt. Anderenfalls könne der hinterlegte Betrag an die bekannten Erben nicht ausgezahlt werden, was faktisch einer Enteignung gleichkäme.

Mit Beschluss vom 16. April 2019 hat das Nachlassgericht den Antrag auf Anordnung einer Teil-Nachlasspflegschaft abgelehnt. Es liege bereits eine rechtskräftige Entscheidung über die Frage einer erneuten Anordnung vor. Die zwischenzeitlich stattgefundene Hinterlegung habe im Zweifel eher zu einer Verbesserung der Sicherung des hinterlegten Sparguthabens geführt.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 4 mit ihrer Beschwerde vom 7. Mai 2019. Sie meint, eine rechtskräftige Entscheidung liege nicht vor, denn wegen der zwischenzeitlichen Hinterlegung sei eine neue Situation eingetreten. Die Nachlasspflegschaft sei notwendig und gemäß § 1961 BGB anzuordnen, damit sie ihr Ziel, ihren Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auch gegenüber den unbekannten Erben geltend zu machen, erreichen könne.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 13. Mai 2019 zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ergänzend ausgeführt, § 1961 BGB setze einen Anspruch gegen den Nachlass voraus, Auseinandersetzungsansprüche würden sich indes gegen die anderen Erben richten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 4 ist dem Senat nach der vom Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 13. Mai 2019 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG. Es ist als befristete Beschwerde statthaft und auch im übrigen nach Maßgabe der §§ 58 ff. FamFG zulässig.

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Nachlassgericht die erneute Anordnung einer Teil-Nachlasspflegschaft abgelehnt.

Offen lassen kann der Senat, ob sich der nach der Hinterlegung des Bankguthabens gestellte Antrag der Beteiligten zu 4 vom 11. Februar 2019 schon als unzulässig erweist, nachdem das Nachlassgericht bereits mit Beschluss vom 15. Mai 2018 eine neuerliche Anordnung abgelehnt hatte, die beantragt worden war, als die Beteiligten Kenntnis von der Existenz des Bankkontos erlangt hatten.

Jedenfalls in der Sache liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer Teil-Nachlasspflegschaft nicht vor. Mit Blick auf die zwischenzeitlich erfolgte Hinterlegung des in den Nachlass fallenden Bankguthabens ist ein Bedürfnis für die Anordnung einer Teil-Nachlasspflegschaft als gerichtliche Fürsorgemaßnahme zu verneinen.

Gemäß § 1960 Abs. 1 BGB hat das Nachlassgericht unter anderem dann, wenn der Erbe unbekannt ist, für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen, soweit ein Bedürfnis besteht. Die vornehmlich in Betracht kommenden Sicherungsmaßnahmen, die das Nachlassgericht anordnen kann, sind in § 1960 Abs. 2 BGB genannt. Hierzu gehört auch die Anordnung einer Nachlasspflegschaft. Voraussetzung für die Anordnung jeder Sicherheitsmaßnahme ist das Bestehen eines Bedürfnisses für die gerichtliche Fürsorge (als Fürsorgebedürfnis, Sicherungsbedürfnis oder Sicherungsanlass bezeichnet). Es liegt vor, wenn der Bestand des Nachlasses ohne gerichtliche Maßnahmen gefährdet ist und aufgrund dringlicher Nachlassangelegenheiten ein konkreter Sicherungsanlass besteht. Für die Beurteilung dieser Gefährdung kommt es ausschließlich auf das Interesse des oder der endgültigen Erben am Erhalt des Nachlasses an (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1960 Rn. 1; BeckOGK/Heinemann, BGB, Stand 1. Juli 2019, § 1960 Rn. 40 ff.). Vorliegen müssen konkrete Anhaltpunkte für eine Gefährdung des Nachlasswertes, z.B. indem das Aktivvermögen durch Wertverlust, Diebstahl, sonstige strafbare Handlung usw., Unterlassung der Geltendmachung von Ansprüchen oder Forderungen, Fehlen ordnungsgemäßer Verwaltung schrumpft (OLG Köln MDR 2019, 1260 f., m.w.N.). Dagegen dient die Einrichtung der Nachlasspflegschaft nicht dazu, den Erben bei der Abwicklung des Nachlasses zu unterstützen (Senat FGPrax 2019, 182 f., m.w.N.; KG NJW 1971, 565 ff., m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall ein Bedürfnis für eine gerichtliche Fürsorgemaßnahme nicht feststellbar. Die zwischenzeitliche Hinterlegung des Guthabenbetrages des Erblassers durch die … Bank führt vielmehr zu einer ausreichenden Sicherung des Nachlasses zugunsten der Erben. Eine Auszahlung wird erst dann erfolgen, wenn die Empfangsberechtigung nachgewiesen ist, § 380 BGB, § 22 Hinterlegungsgesetz NRW. Dass die Hinterlegung ausreichend und geeignet zur Sicherung des Nachlasses ist, folgt auch aus § 1960 Abs. 2 BGB, wonach ausdrücklich und insbesondere auch die Anordnung der Hinterlegung von Geld als Fürsorgemaßnahme des Nachlassgerichts in Betracht kommt. Allein die hier bestehende Ungewissheit in Bezug auf die Person(en) des (oder der) Erben, dem (oder denen) der letzte 1/6-Anteil am Nachlassvermögen zusteht, und die daraus folgenden Schwierigkeiten der Erbauseinandersetzung begründen – wie oben dargestellt – nicht das von § 1960 BGB vorausgesetzte Bedürfnis gerichtlicher Fürsorge.

Auch wenn berücksichtigt wird, dass die Einrichtung einer Teilnachlasspflegschaft auch zum Zwecke der Erbenermittlung geboten sein kann (vgl. hierzu Senat a.a.O.; BeckOGK/Heinemann, a.a.O., § 1931 Rn. 61; Erman/Roth, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1913 Rn. 1 ff.), rechtfertigt dieser Gesichtspunkte nicht die von der Beteiligten zu 4 begehrte erneute Anordnung. Ausweislich des Akteninhaltes sind die vom Beteiligten zu 1 angestellten Nachforschungen erfolglos geblieben; dass sich neue Ermittlungsansätze ergeben haben könnten, denen ein neu zu bestellender Nachlasspfleger nachzugehen hätte, ist nicht ersichtlich.

Soweit die Beteiligte zu 4 zur Begründung ihrer Beschwerde schließlich darauf verweist, die Anordnung einer Teil-Nachlasspflegschaft sei erforderlich, damit sie ihr Ziel der Durchsetzung ihres Anspruchs auf Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft erreichen könne, bleibt auch das ohne Erfolg. Die Voraussetzungen für einen Antrag auf Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB liegen nicht vor.

§ 1961 BGB regelt die Anordnung der Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Nachlassgläubigers, der die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs gegen den Nachlass beabsichtigt. Die Beteiligte zu 4 gehört indes schon nicht zu dem Kreis der nach § 1961 BGB Antragsberechtigten, denn sie beabsichtigt die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Auseinandersetzung. Der Anspruch auf Erbauseinandersetzung gemäß § 2042 BGB richtet sich jedoch nicht gegen den Nachlass, sondern gegen die Miterben (BeckOGK/Rißmann/Szalai, a.a.O., § 2042 Rn. 4; 44) und rechtfertigt deshalb nicht die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft (Senat FGPrax 2019, 182 f.; KG NJW 1971, 565 ff.). Zwar ist richtig, wie die Beteiligte zu 4 geltend macht, dass ein gegen den Nachlass gerichteter Anspruch im Sinne des § 1961 BGB dann vorliegt, wenn ein Miterbe die Auseinandersetzung des Nachlasses betreiben will, ein anderer Miterbe aber verstorben ist und dessen Erben unbekannt sind (Najdecki in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Auflage 2019, § 1961 BGB, Rdnr 5; Heinemann in beck-online GK, § 1961 BGB, Rdnr. 23; KG OLGZ 1981, 151; OLG Braunschweig, BeckRS 2019, 27014, Beschluss vom 23. Okt. 2019 – 1 W 26/19).

Für einen solchen Fall ist hier jedoch nichts ersichtlich.

Ob das von der Beteiligten zu 4 verfolgte Interesse an einer Auszahlung des hinterlegten Bankguthabens und an einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft möglicherweise dazu geeignet sein könnte, einen Antrag auf Bestellung einer Pflegschaft für einen unbekannten Beteiligten gemäß § 1913 BGB zu rechtfertigen (vgl. hierzu: BeckOGK/Heinemann, a.a.O., § 1960 Rn. 61; Erman/Roth, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1913 Rn. 4), ist hier nicht zu entscheiden, denn die Beteiligte zu 4 hat dahingehendes nicht beantragt.

III.

Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst, da sich die Tragung der Gerichtskosten unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und die Anordnung einer Erstattung außergerichtlicher Kosten von vornherein nicht in Betracht kommt, weil am Verfahren nur die unterlegene Beteiligte zu 4 teilgenommen hat.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 1 GNotKG (1/6 des von der Teil-Nachlasspflegschaft betroffenen Vermögens).

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