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Erstellung Nachlassverzeichnis bei Pflichtteilsberechnung

OLG Koblenz – Az.: 12 U 1356/20 – Beschluss vom 18.01.2021

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21.08.2020, Az.: 9 O 36/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufungen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg haben, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufungen nicht geboten ist.

2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.02.2021.

Gründe

Das Landgericht hat der Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung in erkanntem Umfang stattgeben und die Widerklage abgewiesen.

Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Klägerin, als Tochter des am 06.06.2008 verstorbenen …[A] (im Folgenden Erblasser genannt) ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/12 zusteht. Ausgehend von einem für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblichen Wert von 500.901,51 € (314.545,20 € [Aktiva] – 10.893,69 € [Passiva] + 197.250,00 € [Pflichtteilergänzung]) hat das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung einen verbleibenden Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1.741,79 € ermittelt (41.741,79 € abzüglich bereits gezahlter 40.000,00 €). Dieses Ergebnis entspricht auch der Überzeugung des Senats.

Soweit die Parteien in der Berufungsinstanz die Feststellungen des Landgerichts hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit einzelner Aktiva und Passiva weiter in Frage stellen, gilt hierzu Folgendes.

„Spanische Immobilie“

Auch nach der Überzeugung des Senats ist die von der Beklagten behauptete „Gewinnsteuer“ im Zusammenhang mit der Veräußerung der Immobilie in Spanien nicht bei den Passiva zu berücksichtigen.

Der Beklagten ist allerdings insoweit zuzustimmen, dass Rechte und Verbindlichkeiten (wie z. B. die hier in Rede stehenden Steuern), die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind, dann bei der Feststellung des Wertes des Nachlasses zu berücksichtigen sind, wenn die Bedingung (später) eintritt (§ 2313 Abs. 1 BGB). Eine solche nachträgliche Berücksichtigung kann dann gemäß der weiter zutreffenden Auffassung des Beklagten auch dazu führen, dass auf Seiten des Pflichtteilsberechtigten eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich des zuviel Erhaltenen entstehen kann (Palandt/Weidlich, BGB, 80. Auflage, § 2313 Rdnr. 4).

Eine solche, eine Rückzahlungsverpflichtung auslösende „Situation“ ist nach der Überzeugung des Senats vorliegend aber nicht gegeben. Entscheidend ist hierbei, dass der eigentliche Wert der ererbten Immobilie in Spanien nicht ausschließlich durch die Veräußerung der Immobilie, sondern sogar vorrangig durch deren weitere Nutzung realisierbar war. Eine solche Realisierung hat vorliegend durch die Beklagte in Gestalt der weiteren Nutzung der Immobilie über einen Zeitraum von mehreren Jahren stattgefunden. Die Beklagte hat sich erst im Jahre 2016, und somit acht Jahre nach dem Tod des Erblassers, zu der Veräußerung der Immobilie in Spanien entschlossen. Dies ist nach der Überzeugung des Senats mit den Fällen, in denen der Erblasser den Verkauf (im Testament) aufgegeben hat, sich im Erbfall automatisch stille Reserven realisieren (und daher zwingend zu versteuern sind), oder auch nur eine faktisch zwingende Veräußerung erfolgen muss, in keiner Weise zu vergleichen (siehe insoweit auch Palandt/Weidlich, BGB, 80. Auflage, § 2312 Rdnr. 5; Damrau/Riedel, Praxiskommentar Erbrecht, § 2311 Rdnr. 100). Im Ergebnis stellt sich die Sache vielmehr so dar, dass die Immobilie tatsächlich von der Beklagten aus freien Stücken und eben nicht auf Veranlassung des Erblassers veräußert worden ist und es sich letztlich bei der, bei der Beklagten aufgrund dieser Maßnahme entstandenen Steuerverbindlichkeit, die auch im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 29.09.2020 (Berufungsbegründung) wiederum als „Spanische Gewinnsteuer“ bezeichnet wird, um eine Steuerverbindlichkeit der Beklagten handelt (vergleichbar: BGH IV ZR 114/70, Urteil vom 26.04.1972, juris). Eine Nachlassverbindlichkeit ist damit in der „spanischen Gewinnsteuer“ nicht zu sehen. (Die Angemessenheit dieses Ergebnisses bestätigt sich auch darin, dass der Beklagten durch die Nichtberücksichtigung der „spanischen Gewinnsteuer“ im Zuge der Berechnung des Nachlasswertes kein Schaden entstehen dürfte. Gegenzurechnen wäre vorliegend nämlich einerseits die über acht Jahre gegebene Nutzungsmöglichkeit der Immobilie und andererseits der sich in der Zeit des weiteren Haltens der Immobilie ergebende Wertzuwachs.)

…[B] KG

Entgegen der mit der Berufung vertretenen Auffassung der Beklagten hat das Landgericht die Unternehmensbeteiligung des Erblassers an der …[B] KG bei der Ermittlung des für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblichen Wertes zu Recht mit 12.000,00 € (bei den Aktiva) in Ansatz gebracht. Hierbei war zunächst einmal zu beachten, dass sich die von dem Landgericht vorgenommene Bewertung der …[B] KG in dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils wiederfindet. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Etwas anderes gilt nur dann, soweit konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Der Senat sieht vorliegend keine solchen Anhaltspunkte (die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen) als gegeben an. Solche Anhaltspunkte werden im übrigen auch von der Beklagten im Rahmen der Berufungsinstanz nicht dargetan.

Die Beklagte kann auch nicht erfolgreich mit ihrem Einwand gehört werden, das erstinstanzliche Gericht hätte sie ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die „hier angesetzten Werte“ lediglich bei der Bewertung des Unternehmens hätten berücksichtigt werden können. Einerseits findet sich ein solcher ausführlicher Hinweis bereits im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 13.02.2019 (dort S. 3). Hinweise des Prozessgegners lassen die gerichtliche Hinweispflicht zwar nicht ohne weiteres entfallen. Es bedarf aber dann keines erneuten richterlichen Hinweises, wenn die Partei durch eingehenden Vortrag der Gegenpartei zutreffend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet gewesen ist (Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 139 Rdnr. 6a). Der Senat sieht in den Ausführungen der Klägerin eine solche Unterrichtung als gegeben an. Weiter war zu beachten, dass es sich der Beklagten vorliegend gerade aufgedrängt haben müsste, dass die nunmehr als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemachten „Restpassiva“ der …[B] KG selbstverständlich dieser zuzuordnen waren und daher bei der Unternehmensbewertung zu berücksichtigen gewesen wären. Auch insofern erscheint eine Erforderlichkeit eines (weiteren) Hinweises (§ 139 Abs. 1 S. 1 ZPO) vorliegend nicht gegeben.

Im Ergebnis waren somit aber auch die in dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 29.09.2020 aufgeführten vier Positionen (Begutachtung …[Z]straße, Gutachterkosten …[C] betreffend Firma …[B] KG, Anwaltskosten LG Bonn, Forderung aus Vergleich Firma …[B] KG, LG Bonn) nicht (mehr) zu berücksichtigen. Wie bereits oben ausgeführt, hätte eine solche Berücksichtigung ausschließlich im Rahmen der Unternehmensbewertung vorgenommen werden müssen. Gerade der, so der Vortrag der Beklagten, vor dem Landgericht „schwebende“ Prozess mit einem Streitwert von über 130.0,000,00 € war erkennbar auch so ein erhebliches Restrisiko, dass es bei der vorzunehmenden Unternehmensbewertung hätte berücksichtigt werden müssen.

Tausch/Pflichtteilergänzung

Mit dem Landgericht ist der Senat der Überzeugung, dass in Bezug auf die Übertragung der Grundstücke „…[Z]straße“ und „…[Y]-Straße“ nicht von dem Vorliegen eines Tauschs auszugehen war. Unstreitig ist weder in dem Übertragungsvertrag des Notars …[D] vom 03.06.2005 (Urkundenrollennummer: 536 für 2005) bezüglich der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an den Grundstücken „…[Z]straße“ und „…[Y]-Straße“ von einem Tausch die Rede, noch lässt der sonstige Inhalt dieses Vertrages auf die Vornahme eines Tauschs schließen. Gleiches gilt bezüglich des Vertrages betreffend das Grundstück in Spanien. Auch dort werden weder die beiden oben aufgeführten Grundstücke, noch der Umstand eines Tauschs an irgendeiner Stelle erwähnt. Das Landgericht hat auch weiter zutreffend ausgeführt, dass gegen die Vornahme eines Tauschs auch die Tatsache spricht, dass der Erblasser seinen Miteigentumsanteil an den Grundstücken „…[Z]straße“ und „…[Y]-Straße“ zugleich zu jeweils 1/3 auf seine beiden Söhne übertrug. Auf S. 6 des entsprechenden notariellen Übertragungsvertrages vom 03.06.2005 ist im Übrigen auf Seite 6 ausdrücklich von einer Schenkung durch den Erblasser die Rede.

Entgegen der auch mit der Berufung vertretenen Auffassung der Beklagten hat diese auch keinen ausreichenden Beweis für ihre Behauptung angetreten, entgegen der insoweit oben von dem Senat festgestellten „schriftlichen Sachlage“, sei die Übertragung der entsprechenden Grundstücke tatsächlich im Rahmen eines Tauschgeschäfts vorgenommen wurden, beide Parteien seien insoweit auch von einem Tausch ausgegangen. Die Beklagte bezieht sich insoweit auf den entsprechenden „Beweisantritt“ im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2019. Die Beklagte stellt es insoweit in das Wissen der Zeugen …[E], …[F] und …[D], dass „die Parteien bei bzw. nach der Beurkundung im Juni 2005 in …[X] von einem Tausch ausgegangen wären“. Die Beklagte versäumt es hierbei aber, auch nur ansatzweise darzutun, inwieweit die Zeugen tatsächlich Auskünfte zu den Vereinbarungen der Parteien im Jahr 2000 machen können. So ergibt sich aus dem Vertrag vom 03.06.2005, dass die Zeugen …[E] und …[F] bei Abschluss dieses Vertrages vom 03.06.2005 nicht persönlich anwesend waren. Dem Zeugen …[D] war erkennbar der entsprechende „spanische Vertrag“ nicht bekannt. Die Beklagte unterlässt es weiterhin, auch im Berufungsverfahren, den konkreten Inhalt des behaupteten Tauschvertrages darzustellen. Hierzu passt auch, dass die Behauptung dahingehend lautet, dass die Parteien bei bzw. nach der Beurkundung im Juni 2005 von einem Tausch ausgingen (Hervorhebung durch den Senat). Dass es tatsächlich zum Abschluss eines wirksamen Tauschgeschäfts kam, ist dieser Behauptung nicht zu entnehmen.

Das Landgericht ist folglich zutreffend von dem Vorliegen einer Schenkung der entsprechenden Miteigentumsanteile des Erblassers und somit auch von dem Vorliegen eines Pflichtteilergänzungsanspruchs der Klägerin im Sinne von § 2325 BGB ausgegangen.

Anwaltskosten für die Erstellung des Nachlassverzeichnisses

Hier ist der Beklagten insoweit zuzustimmen, dass die geltend gemachten Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses grundsätzlich wohl eher dem Nachlass zur Last fallen dürften (Palandt/Weidlich, BGB, 80. Auflage, § 2314 Rdnr. 18). Vorliegend war aber die Besonderheit zu berücksichtigen, dass mit dem Notar …[G] in …[W] bereits eine fachkundige Person („Profi“) mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses eingeschaltet war und dass die insoweit entstandenen Kosten auch bereits als Passiva berücksichtigt worden sind. Soweit die Beklagte im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29.09.2020 (Berufungsbegründung) die Auffassung vertritt, die Anwaltsgebühren seien wegen der besonderen Komplexität und des Aufwandes vorliegend notwendig gewesen, dies auch weil das notarielle Nachlassverzeichnis in mangelhafter Weise wesentliche Positionen nicht berücksichtigt habe, folgt der dem Senat nicht. Die Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang explizit auf die Positionen Gewinnsteuer, Grundstückstausch und Verbindlichkeiten der …[B] KG. Aus den Ausführungen des Senats ergibt sich, dass dem Vortrag der Beklagten in diesen Positionen kein Erfolg beschieden ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt waren Anwaltskosten daher nicht als erforderlich und somit im Ergebnis als nicht berücksichtigungsfähig im Sinne von § 2314 Abs. 2 BGB anzusehen.

Wert des Pflichtteilergänzungsanspruch

Schließlich hat das Landgericht den Pflichtteilergänzungsanspruch der Klägerin auch zutreffend auf insgesamt 197.250,00 € beziffert. Soweit für den Senat erkennbar steht von Seiten der Klägerin im Berufungsverfahren nur noch in Streit, ob die von dem Sachverständigen …[H] in dessen Gutachten vom 23.01.2018 aufgeführten Baumängel im Umfang von 48.000,00 € (s. insoweit S. 8 des Gutachtens vom 23.01.2018 sowie die entsprechende Anlage zum Gutachten …[B], …[V], …[Z]straße … [Anlage K11]) bereits zu den beiden „Stichtagen“ 2005 (Übertragung der Grundstücke) und 2008 (Zeitpunkt des Erbfalls) vorhanden waren. Allgemeinen Beweislastregeln folgend (das „Nichtvorhandensein“ der Baumängel zu den Stichtagen stellt eine für die Klägerin günstige Tatsache dar), wäre entsprechender belastbarer Sachvortrag und entsprechender Beweisantritt an der Klägerin gewesen. Dem ist die Klägerin nicht gerecht geworden.

Im Ergebnis ist das Landgericht damit zutreffend von einem für die Berechnung des Pflichtteils maßgeblichen Wert in Höhe von 500.901,51 € und somit eines sich daraus ergebenden (offenen) Pflichtteilanspruch der Klägerin in Höhe von letztlich 1.741,79 € ausgegangen. Die Widerklage wurde entsprechend zu Recht abgewiesen.

Beiden Berufungen kommt somit keine Aussicht auf Erfolg zu. Der Senat legt aus Kostengründen die Rücknahme beider Rechtsmittel nah. Im Falle der Berufungsrücknahmen ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

Der Senat beabsichtigt den Streitwert für die Berufungsinstanz auf bis zu 22.000,00 € festzusetzen.

 

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