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Formwirksamkeit eines später nachträglich geänderten Testaments

KG Berlin, Az.: 6 W 97/16, Beschluss vom 28.03.2017

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 4), 5) und 9) wird der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg als Nachlassgericht vom 19. Juli 2016 geändert und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins vorliegen, der als testamentarische Erben der Erblasserin die folgenden Beteiligten mit dem genannten Anteil ausweist:

………………

Gründe

I.

Formwirksamkeit eines später nachträglich geänderten Testaments
Foto: plantic/Bigstock

Die am 25. September 2014 unverheiratet und kinderlos verstorbene Erblasserin hat ein handschriftlich verfasstes und von ihr unterschriebenes Testament hinterlassen, das auf den 5. Februar 2012 datiert ist. Überschrieben ist es mit den Worten:

“Mein vorläufig letzter Wille: – Testament – in Kürze”.

Zu Punkt 1 des Testaments ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an. Aufgabe des Testamentsvollstreckers – des Beteiligten zu 1) – sollte es sein, zwei im Eigentum der Erblasserin stehende Eigentumswohnungen zu verwalten bzw. zu veräußern und das dann bestehende Vermögen zwischen den Erben zu verteilen. Sie traf dazu ergänzende Anweisungen. Insoweit wird auf den Inhalt des Testamentes verwiesen (Amtsgericht Schöneberg 68 IV 315/14, Bl. 2 und 3).

Zu Punkt 2 des Testamentes äußerte die Erblasserin ihre Wünsche zur Beisetzung.

Der Punkt 3 ist überschrieben mit den Worten:

“Jetzt zu der Verteilung meines Vermögens:”

Das Testament endete mit den Worten:

“Weitere mündliche Absprachen sind vorbehalten!

– auch mit dem Testamentsvollstrecker -”

Im Original folgt die Unterschrift und die Angabe “zu Berlin, 05.02.2012”.

Die Erblasserin setzte an den Anfang des Testaments einen unterstrichenen Zusatz, der wie folgt lautet:

“mit Änderungen, Streichungen von mir am 25. 2. 14”

 

Es folgt vor dem ursprünglichen Testamentstext ihre Unterschrift.

In dem Testament sind zu Punkt 3 Änderungen und Streichungen eingefügt. Diese befinden sich auf der zweiten Seite des Testamentes mit der Unterschrift.

Ursprünglich hatte die Erblasserin zum Unterpunkt 3 a angeordnet, dass die dort genannten drei Personen (Beteiligte zu 5), 7) und 9)) bestimmte Geldbeträge erhalten sollten. In der geänderten Fassung heißt es nunmehr am Ende:

“| → oder 2/3 des Vermögens? Geteilt durch 3! = vorrangig!”

Zum Unterpunkt “3b – Restvermögen – je nach dem, was übrig ist:” nahm die Erblasserin Streichungen vor. In der geänderten Fassung heißt es am Ende:

“= | → 1/3 des Vermögens für 6. Positionen gleiche Anteile!”

Der Testamentsvollstrecker beantragt einen gemeinschaftlichen Erbschein mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt. Auf die Urkunde des Notars … vom 3. Dezember 2015 – Urkundenrolle-Nr. 777/2015 – wird verwiesen (Bl. 29 ff. d. A.).

Die Beteiligten zu 1), 4), 5), 7) und 9) streiten mit den Beteiligten zu 3) und 11) um die Wirksamkeit der Änderungen des Testamentes. Das Nachlassgericht hat den Antrag des Testamentsvollstreckers auf Erteilung des Erbscheins durch Beschluss vom 19. Juli 2016 (Bl. 152 ff. d. A.) mit der Erwägung zurückgewiesen, die Änderungen seien unwirksam, weil sie nicht unterschrieben sind. Die Unterschrift am Anfang des Testamentes sei nicht ausreichend.

Gegen diesen Beschluss richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 4), 5) und 9).

Das Nachlassgericht hat der Beschwerden mit Beschluss vom 20. September 2016 (Bl. 186 d. A.) nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerden der Beteiligten zu 4), 5) und 9) sind zulässig und haben in der Sache Erfolg. Es ist gemäß § 352 e Abs. 1 FamFG festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Erbscheins vorliegen.

1) Die Erblasserin hat ein formwirksames Testament errichtet.

a) Zwar ist eine untrennbare Verbindung der zwei Seiten des Testamentes nicht erkennbar. Gleichwohl genügt die Unterschrift der Erblasserin auf der zweiten Seite für die Einhaltung der Form des §§ 2247 Abs. 1 BGB, denn die Zusammengehörigkeit des Textes auf den beiden Seiten ergibt sich aus der fortlaufenden Nummerierung im Text und den angegebenen Seitenzahlen auf dem Testament (vgl. OLG Hamm, ZErb 2013, 14 ff -zitiert nach juris: Rdnr. 9 m. w. Nachw.).

b) Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass alle Änderungen in der Testamentsurkunde von der Erblasserin selbst vorgenommen worden sind. Diese hatte in ihrem ursprünglich geschriebenen Testament bereits Änderungen angekündigt, wie sich aus dem Eingangssatz und dem abschließenden Satz vor der Unterschrift ergibt. Sie hat dann am 25. Februar 2014 Änderungen und Streichungen auf der Originalurkunde vermerkt und diesen Vermerk unterschrieben. Die dann vorgenommenen Streichungen und Änderungen entsprechen von der Strichstärke und Farbe der Schrift dem Vermerk über die Änderungen. Inhaltlich sind die Änderungen und Streichungen in sich stimmig und verteilen das gesamte Vermögen der Erblasserin, so dass keine Widersprüche entstehen oder Lücken verbleiben.

c) Das Testament wahrt die Form des § 2247 Abs. 1 BGB. Die von der Erblasserin nachträglich eingefügten Änderungen und Streichungen in ihr Testament vom 5. Februar 2014 sind ebenfalls formwirksam erklärt.

Unstreitig hat die Erblasserin ihr Testament am Ende der Urkunde eigenhändig unterschrieben. Diese Unterschrift deckt auch die später vorgenommenen Änderungen am Inhalt des Testamentes. Für die wirksame Errichtung eines Testamentes ist es nicht erforderlich, dass die Unterschrift der zeitlich letzte Akt der Testamentserrichtung ist. Es ist ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die einzelnen Bestandteile des Testaments niedergeschrieben sind. Nachträgliche Ergänzungen oder Veränderungen des Textes brauchen daher nicht besonders unterzeichnet zu werden, wenn sie rein äußerlich durch die vorhandene Unterschrift mitgedeckt werden (vgl. BGH NJW 1974, 1083 f – zitiert nach juris: Rdnr. 17; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 632-632 – zitiert nach juris: Rdnr. 27; BayObLG Beschl. v 9. 12. 1985 – Breg 1 Z 90/85 – zitiert nach juris; BayObLGR 1994, 51 f. – zitiert nach juris: Rdnr. 25; Palandt-Weidlich, BGB, 76. Aufl. § 2247 Rn. 4).

Hier sind die Änderungen und Streichungen des ursprünglichen Textes des Testamentes nicht nur räumlich, sondern auch deswegen von der Unterschrift gedeckt, weil die Erblasserin mit Datum und Unterschrift am Anfang des Testamentes ausdrücklich das Folgen von Änderungen erklärt und unterzeichnet hat. Damit hat sie eindeutig zu erkennen gegeben, dass diese Änderungen in der Testamentsurkunde von der zuvor gefertigten Unterschrift gedeckt sein sollen.

2) Diese Auslegung des Testaments ergibt hier dass die zu 3 a genannten drei Personen je ein Drittel von zwei Dritteln des Gesamtvermögens der Erblasserin erhalten sollen. Dies entspricht einem Anteil von je 2/9 am Nachlass.

Die zu 3 b genannten sechs Personen bzw. Organisationen sollen von dem verbleibenden Drittel einen gleich großen Anteil erhalten. Dies entspricht einem Anteil von je 1/18 am Gesamtnachlass.

Entsprechend ist der Erbscheinsantrag gestellt.

3) Bedenken gegen die Testierfähigkeit der Erblasserin bestehen nicht.

4) Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3) (Bl. 47 d. A.) kann aus den vorstehenden Gründen keinen Erfolg haben.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Beschwerde Erfolg hat. Einer Wertfestsetzung bedarf es ebenfalls nicht.

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