OLG München – Az.: 31 Wx 108/21 – Beschluss vom 07.04.2021
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Nachlassgericht – vom 26.01.2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 5.000,00 festgesetzt.
Gründe
I.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass das gemeinschaftliche Testament vom 23.03.2011 einschließlich sämtlicher Nachträge vollständig auch gegenüber den beiden Schlusserben zu eröffnen ist.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Bei dem Beschluss des Nachlassgerichts vom 26.01.2021, in welchem angekündigt wurde, die Verfügungen von Todes wegen einschließlich der Nachträge vollständig zu eröffnen, handelt es sich zwar formal um eine Zwischenentscheidung, die der Sache nach aber wegen des bereits hieraus folgenden Rechtseingriffs wie eine Endentscheidung zu behandeln ist. Sie ist daher ausnahmsweise mit der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG anfechtbar (vgl. KG Berlin ZEV 2019, 537; Firsching/Graf/Krätzschel, 11. Aufl. <2019> NachlassR, § 37 Rn. 37; Burandt/Rojahn/Gierl, 3. Aufl. <2019> FamFG § 349 Rn. 3).
b) Die Beschwerde wurde sodann auch form- und fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG erhoben.
2. Die Beschwerde ist in der Sache jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Nachlassgericht angekündigt, auch die Nachträge zum gemeinschaftlichen Testament vom 24.03.2011 und 23.11.2016 vollständig auch gegenüber den Kindern des Erblassers eröffnen zu wollen.
a) Unerheblich ist dabei, dass der zweite Nachtrag im Original nicht auffindbar ist und nur als Kopie vorliegt. Zwar ist grundsätzlich stets das Original zu eröffnen, aus dem Grundsatz, dass die Erbfolge aber auch aus nicht vorhandenen Originalurkunden, sondern aus nur noch in Kopie vorhandenen Testamenten festgestellt werden kann (vgl. OLG München ZEV 2017, 634) folgt aber, dass in einem solchen Fall konsequenterweise auch die Kopie zu eröffnen ist (vgl. Burandt/Rojahn/Gierl, a.a.O., § 348 Rn. 2; Keidel/Zimmermann, 20. Aufl. <2020> FamFG, § 348 Rn. 15; a.A. MüKoFamFG/Muscheler, 3. Aufl. <2019> FamFG § 348 Rn. 12; Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 34).
b) Ausgangspunkt für den Umfang der Testamentseröffnung ist die Vorschrift des § 348 FamFG. Nach § 348 Abs. 3 FamFG hat das Gericht den Beteiligten den sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen bekannt zu geben. Beteiligte sind dabei all diejenigen, denen durch die Verfügung ein Recht (auch aufschiebend bedingt oder befristet) gewährt oder genommen oder deren Rechtslage in sonstiger Weise unmittelbar beeinflusst wird (vgl. vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, 12. Aufl. <2019> FamFG, § 348 Rn. 9). Die gemeinsamen Kinder des Erblassers und seiner Ehefrau, die durch das gemeinschaftliche Testament zunächst enterbt werden, sind dabei bereits Beteiligte kraft Gesetzes, wie sich aus § 348 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 2 Nr. 2 FamFG ergibt (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, a.a.O.; Burandt/Rojahn/Gierl, a.a.O., § 348 Rn. 8). Ob sie auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, ist insofern irrelevant (vgl. Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. § 37 Rn. 30).
c) Etwas anderes mag für den Schlusserben eines gemeinschaftlichen Testaments gelten, wenn dieser nicht gesetzlicher Erbe des zuerst Verstorbenen und wenn von einer freien Widerruflichkeit der Schlusserbeneinsetzung auszugehen ist (vgl. KG Berlin, a.a.O.; OLG Zweibrücken, ZEV 2010, 476; Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 31). Beides ist vorliegend aber nicht der Fall. Bei den Schlusserben, handelt es sich um die gemeinsamen Kinder und damit gesetzliche Erben der Eheleute. Deren gemeinschaftliches Testament enthält darüber hinaus unter Ziff. X die Regelung, dass sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen, soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich sein sollen.
d) Zu eröffnen ist grundsätzlich das gesamte Schriftstück, auch einzelne ggf. gegenstandslos gewordenen Bestandteile (vgl. Keidel/Zimmermann, 20. Aufl. <2020> FamFG, § 348 Rn. 20, § 349 Rn. 4; Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 34). Etwas anderes gilt nur für solche – trennbaren – Textpassagen, die inhaltlich zweifelsfrei keine Verfügung von Todes wegen darstellen, wovon hier nicht ausgegangen werden kann und was auch beschwerdeseits nicht behauptet wird. Beschwerdeseits wird vielmehr die Auffassung vertreten, dass die konkreten Verfügungen, die gemeinsamen Kinder aktuell nicht beträfen, da sie den zweiten Erbfall regelten und daher das Geheimhaltungsinteresse der Eheleute überwiege. Einen derartigen Ausnahmetatbestand sieht die Regelung des § 348 FamFG jedoch nicht vor. Eine Ausnahme gilt lediglich für gemeinschaftliche Testamente nach § 349 Abs. 1 FamFG. Da grundsätzlich nur die Verfügungen des verstorbenen Ehepartners zu eröffnen sind, müssen danach die Verfügungen des überlebenden Ehepartners nicht bekannt gegeben werden, wenn und soweit es sich tatsächlich um trennbare Verfügungen handelt. Auch hier kommt es aber nicht auf die Wünsche und etwaige Geheimhaltungsinteressen der Eheleute, sondern schlicht auf die Frage der Trennbarkeit an (vgl. Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 37). Die Verfügenden hatten es durch entsprechende Gestaltungs- und Formulierungsmöglichkeit schließlich selbst in der Hand, eine ihren Geheimhaltungsinteressen entsprechende Regelung zu treffen (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 349 Rn. 7). Vorliegend kann jedoch aufgrund der gewählten sprachlichen Fassung der jeweiligen Verfügungen gerade nicht von einer Trennbarkeit ausgegangen werden (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, a.a.O. § 349 Rn. 9; MüKoFamFG/Muscheler, a.a.O., § 349 Rn. 3). Es liegen nur von einem Ehepartner handschriftlich niedergelegte und sodann von beiden unterschriebene gemeinsame Verfügungen vor, in denen Formulierungen wie „wir“, „unser“, „nach dem Tod des Erstversterbenden“ und „nach dem Tod des Längerlebenden“ vor. Eine Trennung zwischen den Verfügungen der Eheleute ist daher nicht möglich und für eine nur teilweise Eröffnung dementsprechend kein Raum.
II.
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Beschwerdeführerin hat kraft Gesetzes die Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen, § 22 Abs. 1 GNotKG.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren war nach §§ 61 Abs. 1, 36 Abs. 3 GNotKG auf € 5.000,00 festzusetzen. Die Höhe des Nachlasswertes war insofern nicht maßgeblich, da das Interesse der Beteiligten zu 1) vorliegend nicht wirtschaftlicher, sondern rein ideeller Natur war. Dieses wurde mangels anderweitiger Anknüpfungspunkte auf den Regelwert des § 36 Abs. 3 GNotKG festgesetzt.
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.