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Gemeinschaftliches Testament – vorzeitiges Versterben des Schlusserben

Erbstreit um gemeinschaftliches Testament von 1976

In der juristischen Welt des Erbrechts gibt es zahlreiche Regelungen und Bestimmungen, die den letzten Willen einer Person festhalten und sicherstellen, dass dieser nach ihrem Tod umgesetzt wird. Ein zentrales Instrument hierfür ist das „Gemeinschaftliche Testament“. Doch was geschieht, wenn der im Testament festgelegte Schlusserbe vorzeitig verstirbt? Wie wirkt sich dies auf die Gültigkeit des Testaments aus und welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich daraus? Diese Fragen betreffen nicht nur die Testamentserrichtung, sondern auch die Erteilung eines Erbscheins und die komplexen Regelungen rund um die Wechselbezüglichkeit und Ersatzerbenregelung. Die Erbauseinandersetzung kann in solchen Fällen zu einer herausfordernden Aufgabe werden, bei der die genaue Interpretation und Anwendung des Erbvertrags von entscheidender Bedeutung ist. In diesem Kontext spielen auch Begriffe wie „Testamentserstellung“eine zentrale Rolle.

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Das Wichtigste in Kürze


Die Erblasserin war trotz des gemeinschaftlichen Testaments von 1976 berechtigt, in späteren Testamenten andere Erben zu bestimmen, da keine klare Regelung für Ersatzerben getroffen wurde und der ursprünglich bestimmte Schlusserbe bereits verstorben war.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Gemeinschaftliches Testament von 1976: Die Erblasserin und ihr Ehemann P. M. setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein.
  2. Keine Ersatzerbenregelung: Im Testament von 1976 wurde kein Ersatzerbe festgelegt.
  3. Weitere Testamente: Die Erblasserin verfasste 2007 und 2016 weitere Testamente, in denen sie andere Personen als Erben bestimmte.
  4. Antrag auf Erbschein: Nach dem Tod der Erblasserin beantragte ihre Nichte M. H. einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist.
  5. Widerspruch von M. M.: Er argumentierte, dass er aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments von1976 als Ersatzerbe gelten sollte.
  6. Wechselbezüglichkeit: M. M. behauptete, das Testament von 1976 sei wechselbezüglich und hindere die Erblasserin daran, andere Erben zu bestimmen.
  7. Gerichtliche Entscheidung: Das Gericht entschied, dass die Erblasserin berechtigt war, in späteren Testamenten andere Erben zu bestimmen, da sie nicht mehr an die Wechselbezüglichkeit des Testaments von 1976 gebunden war.
  8. Wichtigkeit klarer Regelungen: Das Urteil betont die Bedeutung von klaren und unmissverständlichen Regelungen in Testamenten, insbesondere bei der Bestimmung von Ersatzerben.

Der Fall vor dem Amtsgericht Ingolstadt

Gemeinschaftliches Testament: Erbfolge bei Tod des Schlusserben
Interpretation von Wechselbezüglichkeit im Erbvertrag (Symbolfoto: fizkes /Shutterstock.com)

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht ein gemeinschaftliches Testament, das von der Erblasserin und ihrem Ehemann P. M. im Jahr 1976 verfasst wurde. Das Paar setzte sich gegenseitig als Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehepartner Vollerbe sein sollte. Als Schlusserben bestimmten sie den Sohn des Ehemanns, H. M. Es wurde jedoch keine Regelung für Ersatzerben getroffen. Nach dem Tod von P. M. trat die Erblasserin die Erbschaft an. Jahre später, 2007 und 2016, verfasste die Erblasserin zwei weitere Testamente, in denen sie verschiedene Personen als Erben einsetzte.

Auseinandersetzung um den Erbschein

Die rechtliche Auseinandersetzung entstand, als die Erblasserin verstarb und ihre Nichte M. H. aufgrund des letzten Testaments von 2016 einen Erbschein beantragte, der sie als Alleinerbin ausweist. Dagegen wandte sich M. M., der Enkel des Ehemanns P. M. und Sohn des vorverstorbenen H. M. Er argumentierte, dass er aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments von 1976 als Ersatzerbe gelten sollte, da sein Vater, der ursprüngliche Schlusserbe, bereits verstorben war.

Interpretation des gemeinschaftlichen Testaments

Das rechtliche Problem in diesem Fall liegt in der Interpretation und Gültigkeit des gemeinschaftlichen Testaments von 1976 im Kontext der späteren Testamente. M. M. argumentierte, dass das Testament von 1976 eine Wechselbezüglichkeit im Sinne des § 2270 BGB aufweist, die die Erblasserin daran hindern würde, andere Erben zu bestimmen.

Gerichtliche Entscheidung und Begründung

Das Gericht entschied, dass die Erblasserin das Recht hatte, in späteren Testamenten andere Erben zu bestimmen. Die Begründung war, dass die Erblasserin mangels Bestimmung eines Ersatzschlusserben im gemeinschaftlichen Testament und aufgrund des vorzeitigen Versterbens des Schlusserben berechtigt war, anderweitig zu testieren. Sie war nicht mehr an die Wechselbezüglichkeit des Testamentes von 1976 gebunden. Das Gericht führte weiter aus, dass dem Testament von 1976 kein Wille zu entnehmen sei, den Enkel M. M. als Ersatzerben einzusetzen. Es gab keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Testierenden den Enkel als Ersatzerben einsetzen wollten.

Schlussfolgerungen und Auswirkungen des Urteils

Die Auswirkungen dieses Urteils sind signifikant, da es die Interpretation und Anwendung von gemeinschaftlichen Testamenten und die Bestimmung von Ersatzerben klärt. Es betont die Wichtigkeit, klare und unmissverständliche Regelungen in Testamenten zu treffen, insbesondere wenn es um die Bestimmung von Ersatzerben geht.

Das Fazit des Urteils ist, dass die Erblasserin das Recht hatte, in ihren späteren Testamenten andere Erben zu bestimmen, und dass das gemeinschaftliche Testament von 1976 M. M. nicht als Ersatzerben einsetzte. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf eine sorgfältige Interpretation des Testaments von 1976 und berücksichtigte dabei die Absichten der Testierenden zum Zeitpunkt seiner Erstellung.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was ist ein gemeinschaftliches Testament?

Ein gemeinschaftliches Testament ist eine rechtliche Option in Deutschland, die es Ehegatten oder Lebenspartnern ermöglicht, ihren Nachlass gemeinsam zu regeln. Es gibt drei Hauptformen des gemeinschaftlichen Testaments: das Berliner Testament, das gegenseitige Testament und das wechselbezügliche Testament.

  • Das Berliner Testament ist eine Sonderform des gemeinschaftlichen Testaments, bei dem sich die Partner gegenseitig als Alleinerben bestimmen. Der überlebende Partner wird als Vorerbe bezeichnet, und die gemeinsamen Kinder sind im ersten Erbfall von der Erbfolge ausgeschlossen. Sie werden als Schlusserben oder Nacherben bezeichnet und erhalten erst nach dem Tod des zweiten Partners einen Teil vom Nachlass.
  • Das gegenseitige Testament ist ein gemeinschaftliches Testament, bei dem beide Partner jeweils ein Testament erstellen und sich darin gegenseitig begünstigen. Obwohl es zwei separate Testamente gibt, gelten sie als gemeinschaftliches Testament, da sie zum selben Zeitpunkt erstellt wurden und die Partner sich gemeinsam dazu entschieden haben, sich gegenseitig im Testament zu bedenken.
  • Das wechselbezügliche Testament ist ein gemeinschaftliches Testament, bei dem die Verfügungen der Partner aufeinander abgestimmt sind. Die Verfügungen sind wechselbezüglich, wenn sie sich aufeinander beziehen und voneinander abhängig sind[.

Für die Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments gelten verschiedene Vorschriften. Es muss handschriftlich verfasst werden, eine notarielle Beurkundung ist nicht zwingend notwendig. Es besteht die Möglichkeit, das Testament entweder in notarieller Form oder als gemeinschaftliches öffentliches Dokument zu verfassen. Ein gemeinschaftliches Testament bietet viele Vorteile, darunter die Möglichkeit, den Nachlass gemeinsam zu regeln und Erbstreitigkeiten vorzubeugen. Es bietet auch Flexibilität, da Paare ihre individuellen Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigen und das Testament entsprechend gestalten können.

Es gibt jedoch auch einige Nachteile. Einer der größten Nachteile ist die Einschränkung der Testierfreiheit. Wenn ein Paar ein gemeinschaftliches Testament verfasst, können sie nur gemeinsam über ihr Vermögen entscheiden. Wenn ein Partner etwas ändern möchte, kann dies nur gemeinsam mit dem anderen Partner geschehen.


Was ist ein Ersatzerbe?

Der Begriff „Ersatzerbe“ bezieht sich auf einen Ersatzerben im deutschen Recht. Dieser Begriff wird oft im Kontext eines Testaments verwendet, insbesondere im Fall eines „Berliner Testaments“, einer spezifischen Form des gemeinschaftlichen Testaments, die oft von Ehepartnern oder eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnern gewählt wird. In dieser Art von Testament setzen die Ehepartner oder Partner sich gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen eine dritte Partei (oft ihre Kinder) als Schlusserben, die das verbleibende Vermögen nach dem Tod des zweiten Partners erben.

Die Rolle eines Ersatzerben wird jedoch nicht automatisch dem Schlusserben zugewiesen. Das Gesetz schreibt nicht vor, dass ein Schlusserbe auch ein Ersatzerbe sein sollte. Daher, wenn der ursprünglich vorgesehene Erbe den Erblasser vorverstirbt, oder aus irgendeinem Grund das Erbe nicht annehmen kann oder will, wird die Rolle des Ersatzerben entscheidend. Wenn der Erblasser in seinem Testament keinen Ersatzerben ausdrücklich bestimmt hat, kann dies zu rechtlichen Streitigkeiten unter den verbleibenden Erben führen.Fehlt eine spezifische Ersatzerbenregelung im Testament, können gesetzliche Auslegungsregeln helfen. So wird nach § 2069 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angenommen, dass die Nachkommen des vorverstorbenen Erben an dessen Stelle treten sollen, wenn ein Nachkomme (z.B. ein Kind oder Enkelkind) als Erbe eingesetzt wurde und dieser Nachkomme den Erblasser vorverstirbt, es sei denn, es kann eine andere Absicht des Erblassers nachgewiesen werden.

Diese Regel gilt jedoch nicht, wenn der vorverstorbene Erbe kein Nachkomme des Erblassers war, wie z.B. ein langjähriger Partner oder eine andere dem Erblasser nahestehende Person. In solchen Fällen müssen die Gerichte oft die tatsächliche oder vermutete Absicht des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserstellung ermitteln, was zu Streitigkeiten unter den Verwandten des vorverstorbenen Erben und anderen am Erbe beteiligten Parteien führen kann.Um potenzielle Streitigkeiten zu vermeiden und einen reibungslosen Übergang des Vermögens zu gewährleisten, wird daher empfohlen, dass Testatoren die Möglichkeit berücksichtigen, dass ihre Kinder sie vorversterben könnten, und in ihrem Testament Bestimmungen für die gewünschte oder unerwünschte Ersatzerbfolge aufnehmen.


Wechselbezüglichkeit (§ 2270 BGB)

Wechselbezügliche Verfügungen liegen vor, wenn Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen haben, die voneinander abhängig sind. Das bedeutet, die Verfügung des einen Ehegatten wäre ohne die Verfügung des anderen nicht getroffen worden. Die gesetzliche Regelung dazu findet sich in § 2270 BGB. Danach hat die Nichtigkeit oder der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen Verfügung zur Folge. Typische Beispiele für wechselbezügliche Verfügungen sind:

  • Gegenseitige Einsetzung als Alleinerben
  • Vermächtnis des überlebenden Ehegatten zugunsten eines gemeinsamen Kindes
  • Auflage an den Erben zur Grabpflege

Ist nicht eindeutig erkennbar, ob die Verfügungen wechselbezüglich sind, wird dies nach § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel angenommen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder eine Zuwendung an eine dem anderen Ehegatten nahestehende Person gemacht wird. Wechselbezügliche Verfügungen können nur durch eine notariell beurkundete Erklärung widerrufen werden, die dem Ehegatten zugehen muss (§ 2271 BGB). Nach dem Tod eines Ehegatten ist der Widerruf gänzlich ausgeschlossen. Ziel der Regelung ist es, die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments zu stärken und die Interessen des überlebenden Ehegatten zu schützen. Die Ehegatten sollen sich auf die wechselbezüglichen Verfügungen verlassen können.


Das vorliegende Urteil

AG Ingolstadt – Az.: VI 2789/16 – Beschluss vom 23.02.2017

1. Die zur Begründung des Antrags vom 13.12.2016 der Beteiligten M. H., geb. auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

2. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt.

Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.

Gründe

I.

Die Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet mit dem am … vorverstorbenen P. M.. Diese Ehe blieb kinderlos. Aus der ersten Ehe des P. M. ging hervor der am … verstorbene H. M.. Der Beteiligte M. M., geb. ist dessen Sohn.

Die Erblasserin hat zwei Geschwister. Zum einen die am … vorverstorbene U. O.. Deren Nachkömmlinge sind die Beteiligten M. H. und G. L.. Desweiteren hinterließ sie einen Bruder, S. S., geb. ..

Am 21.03.1976 verfasste die Erblasserin mit ihrem Ehemann P. M. ein gemeinschaftliches Testament, überschrieben mit „Erbvertrag“. Darin setzten sie sich gegenseitig als alleinige Erben in der Weise ein, dass der Überlebende Vollerbe sein soll. Der Überlebende solle vom Sohn des P. M., von H. M. beerbt werden.

Ersatzerben wurden nicht eingesetzt.

Nach dem Tod des P. M. nahm die Erblasserin als Überlebende die Erbschaft ihres Mannes an.

Mit Testament vom 28.10.2007 setzte die Erblasserin ihren Bruder S. S. sowie ihre Nichte M. H. zu Erben zu je 1/2 ein.

Mit weiterem Testament vom 12.06.2016 erklärte sie ihr erstes Testament für ungültig und benannte ihre Nichte M. H. als Alleinerbin.

Aufgrund dieses Testaments hat die Beteiligte M. H. Antrag auf Erteilung eines Erbscheins beim Amtsgericht Ingolstadt gestellt, der sie als Alleinerbin ausweist. Hiergegen wendet sich der Beteiligte M. M. unter Bezugnahme auf das gemeinschaftliche Testament vom 21.03.1976. Er trägt vor, es hätte dem Willen seines Großvaters P. M. entsprochen, dass er als Enkel Ersatzerbe des vorverstorbenen Vaters sei. Es läge damit eine Wechselbezüglichkeit im Sinne des § 2270 BGB vor, über die sich die Erblasserin durch Bestimmung anderweitiger Erben nicht hätte hinwegsetzen können. Das zuletzt von ihr am 12.06.2016 verfasste Testament sei wegen der Wechselbezüglichkeit des gemeinschaftlichen Testaments unwirksam. Im Rahmen der Auslegung ist er als Abkömmling des Schlusserben als Ersatzerbe zu sehen.

Die Beteiligte M. H. hält ihren Erbscheinsantrag aufrecht.

II.

Die Erblasserin war mangels Bestimmung eines Ersatzschlusserben im gemeinschaftlichen Testaments und vorzeitigen Versterbens des Schlusserben berechtigt anderweitig zu testieren. Sie war nicht mehr an die Wechselbezüglichkeit des Testamentes vom 21.03.1976 nach § 2270 BGB gebunden.

Bevor Auslegungsregeln zum Zuge kommen, ist vorrangig eine individuelle Auslegung des Testierwillens zu prüfen. Dem Testament ist ein Wille dahingehend, den Enkel als Ersatzschlusserben einzusetzen, nicht zu entnehmen. Von einem Ersatzschlusserben ist dort nicht die Rede. Dabei ist gerade zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Testamentserstellung 1976 der Beteiligte M. M. bereits geboren war. Den testierenden Eheleuten war somit bereits bekannt, dass der Ehemann der Erblasserin einen Enkel hatte. Auch haben beide Eheleute den Tod des Sohnes des P. M. erlebt. Gleichwohl erfolgte keine Bestimmung eines Ersatzschlusserben bzw. eine gemeinschaftliche Änderung des gemeinschaftlichen Testaments oder aber seitens des P. M. ein einseitiger Widerruf im Sinne des § 2271 BGB. Dieses Verhalten spricht gerade dafür, dass entweder die Einsetzung eines Ersatzschlusserben oder aber nach dem Tod des Sohnes die Einsetzung des Enkels als Schlusserbe nicht gewollt war. Es kommt dabei auch nicht auf den alleinigen Willen des Großvaters des Beteiligten M. M. an. Maßgeblich ist der Wille der gemeinschaftlich Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung 1976 (vgl. BGH Beschluss vom 16.01.2002 Az.: IV ZB 20/01). Bezüglich der Frage, ob für die Erblasserin H. M. durch das gemeinschaftliche Testament noch eine bindende Wechselbezüglichkeit vorgelegen hat und damit eine anderweitige Testierung ausgeschlossen war, kommt es auf beider Vorstellungen zum Zeitpunkt der Testierung an. Der Wechselbezüglichkeit liegt die Vorstellung zugrunde, dass unter Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Alleinerben und damit unter Ausschluss der nächsten Verwandten und unter Einsetzung gerade dieser Verwandten als Schlusserben nach dem längstlebenden Ehegatten typischerweise ein Gegenseitigkeitsverhältnis der Art besteht, dass die eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen worden wäre, sie also miteinander stehen oder fallen (so BGH a.a.O.). Eine solche Interessenlage der Testierenden lässt sich jedoch mangels konkreter Anhaltspunkte, insbesondere im Testament, lediglich unterstellen, wenn sich derartiges im Wege ergänzender Auslegung ergibt. Für die Annahme des Enkels M. M. als Ersatzschlusserben liegen derartige Anhaltspunkte jedoch gerade nicht vor. Insbesondere ist dabei zu sehen, dass er kein Abkömmling der Erblasserin ist, sondern lediglich des vorverstorbenen Ehemannes. Eine wechselbezügliche Bindung im Hinblick auf eine Schlusserbeneinsetzung des M. M. ist damit nicht erkennbar. Infolge Vorversterbens des H. M. war die Erblasserin nicht mehr durch wechselseitige Verfügungen gebunden.

Auch die Auslegungsregeln der §§ 2069, 2270 Abs. 2 BGB führen zu keinem anderen Ergebnis. Zwar würde nach der Ersatzerbenregelung des § 2069 BGB der Beteiligte M. M. an die Stelle vi 2789/16 – Seite 4 seines verstorbenen Vaters treten. Die Erbeinsetzung von H. M. war jedoch gemäß der Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel wechselbezüglich bindend zur Alleinerbeneinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann und konnte von der Erblasserin, die die Erbschaft nach ihrem Ehemann angenommen hat, nicht mehr einseitig geändert werden. Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.), der sich das Gericht hier anschließt, erstreckt sich diese Bindung jedoch gerade nicht auf einen nach § 2069 BGB beruhenden Ersatzerben. Allein die Auslegungsregelung des § 2069 BGB genügt nicht zur Annahme einer Wechselbezüglichkeit bezogen auf einen allein nach § 2069 BGB ermittelten Ersatzerben.

Die Erblasserin war damit nicht an das gemeinschaftliche Testament gebunden und konnte entsprechend dem Testament vom 12.06.2016 abweichend testieren.

 

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