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Nachlasspflegervergütung – Anfechtbarkeit bei verspätetem Nachlassinsolvenzantrag

LG Göttingen – Az.: 1 S 30/17 – Beschluss vom 22.02.2019

Es wird darauf hingewiesen, dass das Gericht beabsichtigt, die am 26.06.2017 eingelegte Berufung des Klägers gegen das am 31.05.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Göttingen – Az. 21 C 14/16 – gem. § 522 Abs. 2 ZPO auf seine Kosten zurückzuweisen.

Dem Kläger wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Nach vorläufiger Bewertung der Kammer auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Darüber hinaus hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht aus den in § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO genannten Gründen erforderlich und eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf Rechtsfehlern, noch rechtfertigen die gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Amtsgericht Göttingen hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung der erlangten Nachlasspflegervergütung zur Insolvenzmasse hat.

1.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass nach dem Tod des Wolfram H.. Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Göttingen vom 18.08.2011 zum Nachlasspfleger mit den Wirkungskreisen „Ermittlung der Erben“, „Sicherung des Nachlasses“ und „Verwaltung des Nachlasses“ bestellt.

Der Beklagte stellte fest, dass der Nachlass zahlungsunfähig und überschuldet sei, und teilte dies mit Bericht vom 02.12.2011 dem Amtsgericht Göttingen mit. Mit Schreiben an das Amtsgericht Göttingen vom 19.11.2012 beantragte der Beklagte, die Vergütung für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger in Höhe von 2.552,55 € zuzüglich Auslagen in Höhe von 62,18 € festzusetzen. Diese Festsetzung erfolgte mit Beschluss vom 04.01.2013 auch antragsgemäß. Auf einen weiteren Vergütungsantrag des Beklagten vom 13.02.2014 setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 10.03.2014 die weitere Vergütung in Höhe von 1.267,35 € sowie Auslagen in Höhe von 25,42 € fest. Von dem – für den Nachlass als Treuhandkonto – eingerichteten Konto, das auf seinen Namen lautete, überwies der Beklagte die jeweils festgesetzte Vergütung auf sein eigenes Konto.

Mit Schreiben vom 26.06.2014 stellte der Beklagte den Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens über den Nachlass des Herrn Wolfram H., das am 11.09.2014 unter Bestellung des Klägers zum Nachlassinsolvenzverwalter eröffnet wurde. Auch der weitere Vergütungsantrag des Beklagten mit Schreiben vom 26.06.2015 in Höhe von 767,55 € zuzüglich Auslagen in Höhe von 10,08 € wurde antragsgemäß vom Amtsgericht festgesetzt, wobei der Beklagte diesen Vergütungsanspruch gemäß § 324 InsO als Masseverbindlichkeit geltend machte. Mit Schreiben vom 06.11.2015 zeigte der Kläger die Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO an.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Rückzahlung der vom Beklagten vereinnahmten Beträge geltend gemacht. Er meint, er habe die Vergütungszahlungen des Beklagten wirksam angefochten. Ferner bestehe auch nach der „Leistungsmittler“-Rechtsprechung des BGH ein Anspruch auf Rückzahlung. Darüber hinaus käme auch eine Haftung des Beklagten nach § 826 BGB in Betracht.

2.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und diese im Wesentlichen damit begründet, dass Anfechtungsansprüche gemäß § 130 InsO aufgrund der Entscheidung des BGH mit Beschluss vom 15.12.2005 – IX ZA 3/04 – ausscheiden und solche gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO jedenfalls mangels erforderlicher Kenntnis einer Gläubigerbenachteiligungs-absicht nicht bestehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Ausgangsurteil des Amtsgerichts Göttingen Bezug genommen (Bl. 45 ff. Bd. II d. A.).

3.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 21.06.2017, das am 26.06.2017 bei Gericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese – nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 11.09.2017 – mit Schreiben vom 11.09.2017, das an demselben Tag bei Gericht eingegangen ist, begründet.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dass das erstinstanzliche Urteil an Rechtsfehlern leide. Das Amtsgericht habe sich nicht mit den maßgeblichen Rechtsfragen auseinandergesetzt. In Bezug auf einen Teilbetrag in Höhe von 1.292,77 € komme es nicht auf die Frage an, ob eine Rechtshandlung des Schuldners vorliege oder nicht, da die Anfechtung auch auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO gestützt werde. Im Übrigen trägt der Kläger wortwörtlich die Ausführungen in der Klageschrift vor.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 11.09.2017 (Bl. 73 ff. Bd. II d. A.) Bezug genommen.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und verweist ergänzend auf das Urteil des Landgerichts Göttingen vom 17.08.2017 – Az. 8 O 168/16 – (Bl. 99 ff. d. A.).

4.

Das angefochtene Urteil erweist sich auch gemessen an den Ausführungen in der Berufungsbegründung als zutreffend.

a)

Der Kläger hat nach vorläufiger Würdigung der Sach- und Rechtslage gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung der Nachlasspflegervergütung aus §§ 143 Abs. 1,129 ff. InsO oder anderen Anspruchsgrundlagen.

Eine Anfechtung nach § 130 InsO scheidet mangels Insolvenzgläubigereigenschaft, die in § 38 InsO legal definiert ist, aus. Bei dem Beklagten handelt es sich vielmehr um einen Massegläubiger, weil die Vergütung des Nachlasspflegers unter § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO fällt. Insoweit wird auf die Entscheidung des BGH, die auch vom Amtsgericht in seinem Urteil zitiert wurde (Beschluss des BGH vom 15.12.2005- IX ZA 3/04 -, m.w.N.), Bezug genommen. Dort heißt es u.a., dass der Nachlasspfleger als Massegläubiger berechtigt sei, die zur Erfüllung seiner Aufwendungsersatzansprüche erforderlichen Geldmittel und die durch das Nachlassgericht festgesetzte Vergütung selbst aus dem Nachlass zu entnehmen bzw. den ihm zustehenden Betrag von dem Nachlassvermögen, das er nach § 1890 BGB herausgeben muss, abzuziehen. Daher werde die Anwendung der Vorschrift des § 130 I InsO auf Massegläubiger im Hinblick auf die Legaldefinition in § 38 InsO im Schrifttum zu Recht allgemein verneint (vgl. u.a. auch (MüKoInsO/Siegmann, 3. Aufl. 2014, InsO § 324 Rn. 8). Dieser Ansicht schließt sich die Kammer an.

Nach dem oben Gesagten kommt auch eine Anfechtung nach § 131 InsO nicht in Betracht. Auch nach § 131 InsO kann nur eine Rechtshandlung anfechtbar sein, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung, also eine Deckung gewährt oder ermöglicht hat. Diese Begriffe sind in demselben Sinne zu verstehen wie nach § 130 InsO. Insolvenzgläubiger im Sinne von § 131 InsO ist jeder, der diese Eigenschaft ohne die erlangte Deckung hätte, der also seinen Vermögensanspruch nur als Insolvenzforderung verfolgen könnte. Das trifft auch für denjenigen zu, der eine Deckung ohne einen objektiv wirksamen Rechtsgrund erlangt. Der Begriff dient der Abgrenzung gegenüber Massegläubigern und Aussonderungsberechtigten einerseits sowie gegenüber § 132 InsO andererseits (vgl. MüKoInsO/Kayser, 3. Aufl. 2013, InsO § 131 Rn. 5 und 6). Da der Beklagte – wie oben ausgeführt – Massegläubiger ist, liegen die genannten Voraussetzungen nicht vor.

Eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO bleibt ebenfalls erfolglos. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Zwar findet die Vorschrift von ihrem Wortlaut her auch auf Massegläubiger Anwendung. Dennoch fehlen vorliegend die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach dieser Norm. In der Überweisung der Vergütung vom Nachlass- bzw. Treuhandkonto des Nachlasses durch den Beklagten liegt keine Rechtshandlung des Schuldners. Hinsichtlich seiner eigenen Vergütungsforderung wird der Beklagte als Nachlasspfleger nicht als Vertreter des (unbekannten) Erben tätig, sondern aufgrund der ausdrücklichen Ermächtigung aufgrund der Festsetzungsbeschlüsse des Amtsgerichts. Wie der BGH in der oben zitierten Entscheidung ausgeführt hat, ist der Nachlasspfleger als Massegläubiger berechtigt, die zur Erfüllung seiner Aufwendungsersatzansprüche erforderlichen Geldmittel und die durch das Nachlassgericht festgesetzte Vergütung selbst aus dem Nachlass zu entnehmen bzw. den ihm zustehenden Betrag von dem Nachlassvermögen abzuziehen.

Soweit der Kläger den geltend gemachten Anspruch bzw. die Anfechtung auf die Grundsätze der „Leistungsmittler“-Rechtsprechung stützt, bleibt dies auch ohne Erfolg. Die Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung setzt voraus, dass entweder ein Schuldner einen Drittschuldner veranlasst, seine Leistung nicht an ihn, sondern an einen seiner Gläubiger zu erbringen, oder der Schuldner die erforderlichen Mittel, die seine Verbindlichkeit erfüllen, in das Vermögen eines Dritten überträgt, der wiederum die Verbindlichkeit erfüllt (vgl. BGH NJW 2008, 655, 656; MüKoInsO/Kayser, 3. Aufl. 2013, InsO § 129 Rn. 35). Das ist hier nicht der Fall. Es fehlt insoweit an einem Dreiecksverhältnis. Der Beklagte hat – wie bereits ausgeführt – aufgrund der Beschlüsse des Amtsgerichts Göttingen seine Vergütungsansprüche an sich selbst erfüllt.

Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 826 BGB sind auch nicht gegeben. Dadurch, dass der Beklagte die ihm zustehende Vergütung als Nachlasspfleger in berechtigter Höhe und mit Ermächtigung des Nachlassgerichts dem Treuhandkonto entnommen hat, ist ein Verstoß gegen die guten Sitten nicht im Ansatz erkennbar. Dass der Beklagte gegebenenfalls verspätet einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt hat, ist ihm nicht vorzuwerfen. Zwar hat er das Recht auf die Stellung eines solchen Antrags, aber nicht eine solche Verpflichtung. Nach herrschender Meinung, der sich die Kammer anschließt, ergibt sich aus der Aufgabenstellung des Nachlasspflegers, den Nachlass zu sichern und zu verwalten, nicht, dass auch er aus § 1980 Abs. 1 BGB den Nachlassgläubigern gegenüber verpflichtet ist; das ist allein der Erbe persönlich (vgl. BGH, NJW 2005, 756, 758).

b)

Soweit der Kläger meint, dass Amtsgericht hätte sich nicht mit allen rechtlichen Ausführungen des Klägers in seinem Urteil beschäftigt, so führt auch diese Rüge nicht zum Erfolg

Das Gericht muss sich nicht mit jedem einzelnen Argument der Partei in den Urteilsgründen befassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 -, Rn. 39; zit. nach juris; BVerfG, Urteil vom 08.07.1997 – 1 BvR 1621/94 -, Rn. 44, zit. nach juris). Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht (nur), die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfG, a.a.O. ). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen in Erwägung gezogen hat, auch wenn es die von einer Partei daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen nicht teilt (BGH, Beschluss vom 24.04.2017 – KZR 2/15 – Rn. 8; zit nach juris; Beschluss vom 12.04.2017 – X ZR 66/14 – Rn. 3, zit. nach juris).

II.

Vor einer abschließenden Beratung der Sache durch die Kammer erhält die Klägerin Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen innerhalb der genannten Frist Stellung zu nehmen.

 

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