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Nachlasspflegschaft – Anforderungen an Anordnung

OLG München – Az.: 31 Wx 145/18 – Beschluss vom 16.08.2018

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 13.3.2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7950,65 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin liegen im Ergebnis die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB betreffend den Nachlass des Erblassers und die Bestellung des Beteiligten zu 2 als Nachlasspfleger durch das Nachlassgericht vor.

1. Gemäß § 1960 Abs. 1 und Abs. 2 BGB kann das Nachlassgericht dem unbekannten Erben einen Nachlasspfleger bestellen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht.

a) Dabei ist die Frage, ob der Erbe „unbekannt“ ist und ob ein Sicherungsbedürfnis besteht, vom Standpunkt des Nachlassgerichts bzw. des im Beschwerdeverfahren an seine Stelle getretenen Beschwerdegerichts aus zu beurteilen, wobei der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Entscheidung über die Sicherungsmaßnahme maßgebend ist (OLG Karlsruhe Rpfleger 2003, 585 m.w.N.).

Unbekannt ist die Person (der) Erben aus Sicht des Nachlassgerichts, wenn nicht mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit feststeht, wer Erbe ist, sei es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen.

b) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze stehen die gesetzlichen Erben des Erblassers weder mütterlich noch väterlich abschließend fest.

aa) Hinsichtlich der in Betracht kommenden gesetzlichen Erben der dritten Ordnung väterlicherseits liegen derzeit keine urkundlich belastbare Erkenntnisse vor. Gleiches gilt hinsichtlich der in Betracht kommenden gesetzlichen Erben der dritten Ordnung mütterlicherseits.

bb) Die Beteiligte zu 1 selbst hat zwar in dem Antwortschreiben an das Nachlassgericht vom 22.1.2018 angegeben, einen Erbschein betreffend die Rechtsnachfolge des Erblassers zu benötigen, worin die schlüssige Annahme der Erbschaft erblickt werden kann (vgl. Palandt/Weidlich BGB 77. Auflage <2018> § 1943 Rn. 2). Ob diese aber tatsächlich gesetzliche Erbin ist, ist derzeit nicht abschließend geklärt. Entsprechende Nachweise für das von ihr erklärte Verwandtschaftsverhältnis liegen derzeit ebenfalls noch nicht vor. Die von ihr vorgelegten Geburtsurkunden belegen nicht umfassend und abschließend ihre Verwandtschaft zu dem Erblasser. Vorgelegt wurden zunächst lediglich die Geburtsurkunde des Erblassers sowie die der Beschwerdeführerin. Insoweit fehlt weiterhin der Nachweis, dass die Mutter des Erblassers wie auch die Mutter der Beschwerdeführerin von „… und …“ abstammen. Insofern fehlen die Geburtsurkunde von „…“ und „…“. Diese können nach der Stellungnahme ihres Verfahrensbevollmächtigten derzeit nicht vorgelegt werden. Vorhanden sind lediglich die entsprechenden Sterbeurkunden. Insoweit ist ihre Verwandtschaft zu dem Erblasser auch weiterhin nicht hinreichend geklärt, so dass derzeit keine hohe Wahrscheinlichkeit für ihr gesetzliches Erbrecht besteht.

2. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin besteht auch ein Sicherungsbedürfnis im Sinne des § 1960 Abs. 1 BGB für die Anordnung der Nachlasspflegschaft.

a) Ein solches ist dann gegeben, wenn ohne Eingreifen des Nachlassgerichts der Bestand des Nachlasses gefährdet ist, was sich nach dem Interesse des endgültigen Erben beurteilt. Es kann fehlen, wenn dringliche Nachlassangelegenheiten bereits von einer bevollmächtigten handlungsfähigen Person erledigt werden und missbräuchliche Verfügungen vor Erbscheinserteilung ausgeschlossen sind (OLG Karlsruhe Rpfleger 2003, 585 m.w.N.).

Ein solches Bedürfnis ist aber auch ohne eine konkrete Gefährdung des Nachlasses anzunehmen, wenn der Erbe unbekannt ist und dieser ohne Ermittlung durch das Nachlassgericht bzw. durch einen Nachlasspfleger niemals Kenntnis vom Anfall der Erbschaft erhalten würde (OLG Hamm FamRZ 2015, 2196, 2197). Denn bei der Nachlasspflegschaft im Sinne des § 1960 BGB handelte es sich nicht um eine Vermögens-, sondern um eine Personenpflegschaft (KG NJW 1971, 565, 566). Die Erbenermittlung ist daher eine Maßnahme der Nachlasssicherung, so dass ein (Sicherungs-)Bedürfnis zur Einleitung einer Nachlasspflegschaft allein auf Grund der Notwendigkeit gegeben sein kann, unbekannte Erben zu ermitteln, auch wenn das Nachlassvermögen in seinem Bestand selbst nicht gefährdet ist. Deshalb gehört die Ermittlung der unbekannten Erben zu den wesentlichen Aufgaben des Nachlasspflegers und kann sogar seine Hauptaufgabe sein (KG a.a.O). Daran ändert der Umstand nichts, dass in Bayern die Erben von Amts wegen zu ermitteln sind (§ 37 Abs. 1 S. 1 AGGVG). Denn diese Amtsermittlungspflicht schließt die Übertragung der Erbenermittlung als einer Maßnahme der Nachlasssicherung auf einen Nachlasspfleger gemäß § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB nicht aus; sie hat lediglich zur Folge, dass das Nachlassgericht – abgesehen von seiner Aufsichtspflicht nach §§ 1837, 1962 BGB – die Erbenermittlung des Nachlasspflegers weiterhin zu fördern und in angemessenen Zeitabständen zu überwachen hat (BayObLGZ 1982, 284, 292).

b) Demgemäß ist bereits im Hinblick darauf, dass derzeit die gesetzlichen Erben nicht bekannt sind bzw. für die von der Beschwerdeführerin behauptete Erbenstellung keine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, ein Sicherungsbedürfnis iSd § 1960 Abs. 1 BGB gegeben. Da es bei der Nachlasspflegschaft um eine Personenpflegschaft (s.o.) zugunsten der (unbekannten) Erben handelt, ist es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin unmaßgeblich, ob der Erblasser eine solche überhaupt gewollt hat. Im Übrigen ist die von dem Erblasser erteilte Vollmacht in zeitlicher Hinsicht bis zum Widerruf durch die Erben hin beschränkt. Ein solcher erfolgte durch den Nachlasspfleger, der insoweit die Interessen der (unbekannten) Erben wahrt.

c) Auch der Umstand, dass der Erblasser der Beschwerdeführerin eine (General)Vollmacht erteilt hat, die über seinen „Tod hinaus bis zum Widerruf durch die Erben fortgilt“, lässt ein Sicherungsbedürfnis iSd § 1960 Abs. 1 BGB vorliegend nicht entfallen. Es ist zwar anerkannt, dass grundsätzlich ein Bedürfnis für eine gerichtliche Fürsorge fehlen kann, wenn der Erblasser eine über seinen Tod hinaus geltende Generalvollmacht erteilt hat (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2016, 494; OLG Karlsruhe Rpfleger 2003, 585, 587). Dieser Grundsatz kommt hier aber bereits deswegen nicht zum Tragen, da die von dem Erblasser erteilte Generalvollmacht mittlerweile von dem bestellten Nachlasspfleger widerrufen wurde.

Die Bestellung des Nachlasspflegers durch das Nachlassgericht ist rechtsbegründend und selbst beim Fehlen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Pflegschaft bis zu deren Aufhebung wirksam (vgl. Palandt/Weidlich BGB 77. Auflage <2018> § 1960 Nr. 10). Dies hat vorliegend zur Folge, dass der von dem Beteiligten zu 2 mit Schreiben vom 20.3.2018 erklärte Widerruf der Vollmacht wirksam ist und somit auch nach einem etwaigen Wegfall der Voraussetzungen für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft wirksam bleibt (vgl. auch § 47 FamFG sowie Keidel/Engelhardt FamFG 19. Auflage <2017>). Die widerrufene Vollmacht würde daher selbst bei Aufhebung des Beschlusses des Nachlassgerichts vom 13.3.2018 nicht per se wieder wirksam, sondern bedürfte eine Wiedererteilung, was vorliegend gerade nicht möglich ist. Ob ein solcher Widerruf überhaupt geboten war, betrifft hingegen die Ordnungsgemäßheit der Ausführung, nicht aber die hier allein inmitten stehende Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft.

II.

Die Beschwerdeführerin hat die Gerichtskosten des von ihr angestrengten Rechtsmittels kraft Gesetzes zu tragen (§ 22 Abs. 1 GNotKG). Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beteiligten zu 2 beruht auf § 84 FamFG.

III.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Beschwerdeführerin am Erfolg ihres Rechtsmittels. Entsprechend dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Verwandtschaftsformblatt (vgl. Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 2.2.2018) würde ihre beanspruchte Erbquote 1/24 betragen. Ausgehend von einem Nachlasswert iHv 190.815,68 € errechnet sich insoweit ein Wert iHv 7950,65 €.

IV.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Der Senat weicht nicht von den in der Rechtsprechung allgemein anerkannten Grundsätzen betreffend die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlasspflegschaft iSd § 1960 BGB ab, insbesondere dass das Sicherungsbedürfnis dann fehlen kann, wenn Nachlass bezogene Tätigkeiten durch eine bevollmächtigte handlungsfähige Person erledigt werden kann. Das Ergebnis seiner Entscheidung fußt letztendlich auf den Besonderheiten des zur Entscheidung gestellten Sachverhaltes (u.a. Konsequenzen infolge des Widerrufs der erteilten Generalvollmacht durch den wirksam bestellten Nachlasspfleger) und betrifft daher einen Einzelfall. Insofern hat die Entscheidung entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch keine grundsätzliche Bedeutung.

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