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Nachlassverzeichnis – Abziehbarkeit von Nachlassverbindlichkeiten als Passiva

LG Köln – Az.: 7 O 188/15 – Urteil vom 21.10.2016

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 24. Juni 2014 verstorbenen deutschen Staatsangehörigen G, geb. am 02.12.1949, zuletzt wohnhaft O-Straße, 50735 Köln, zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses, bei dessen Aufnahme die Klägerin hinzugezogen wird, welches im Einzelnen umfasst:

a) alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva) einschließlich der wesentlichen Berechnungsfaktoren,

b) alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva),

c) alle Schenkungen (einschließlich Pflicht- und Anstandsschenkungen sowie ehebezogene Zuwendungen), die der Erblasser in seinen letzten 10 Lebensjahren getätigt hat, die der Erblasser während der Ehezeit getätigt hat und die der Erblasser zu seinen Lebzeiten unter Vorbehalt eines Nießbrauchs- und Wohnungsrechts oder sonstigen Nutzungs- und Rückforderungsvorbehalten getätigt hat,

alle Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere Lebensversicherungen, Unfallversicherungen und Bausparverträge,

den Güterstand, in dem der Erblasser beim Erbfall verheiratet gewesen ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Auskunftsverpflichtung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 EUR, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist die nicht eheliche Tochter des am 24.06.2014 verstorbenen G (geb. am 02.12.1949, im Folgenden als Erblasser bezeichnet). Dieser war mit der Beklagten verheiratet; die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aufgrund letztwilliger Verfügung vom 21.06.2014 wurde der Erblasser von der Beklagten als Vorerbin und seinem ehelichen Sohn H als Nacherbe beerbt; die Klägerin wurde enterbt. Die Klägerin forderte die Beklagte vorgerichtlich zur Auskunftserteilung über den Nachlass auf; eine umfassende Auskunft ist jedenfalls vorgerichtlich nicht erfolgt.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagte zunächst auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses (Antrag zu 1. aus der Klageschrift) sowie Erteilung von Belegen über Konten und Depots des Erblassers (Antrag zu 2. aus der Klageschrift) in Anspruch genommen. Erstmals mit Schriftsatz vom 05.12.2015 hat die Beklagte ein Nachlassverzeichnis vorgelegt und dieses im Verlauf des Rechtsstreits fortlaufend um weitere Angaben ergänzt. Mit Schriftsatz vom 05.01.2016 hat sie zusätzlich einen Anspruch auf Erteilung eines notariellen Bestandsverzeichnisses geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 19.04.2016 (dem Beklagtenvertreter zugestellt am 26.04.2016) hat sie die Klage um einen Zahlungsantrag in Höhe von 86.323,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit erweitert und ausgeführt, es handele sich um einen Teilbetrag des Pflichtteilsanspruchs auf der Grundlage der mit Schriftsatz der Beklagten vom 25.03.2016 erteilten Auskunft. Wegen der Berechnung der Forderung wird auf die genannten Schriftsätze Bezug genommen. Nachdem die Beklagte auf den Pflichtteilsanspruch am 07.07.2016 einen Betrag von 50.000,00 EUR sowie am 01.08.2016 einen weiteren Betrag von 35.700,69 EUR gezahlt hat, hat die Klägerin ihre Anträge mit Schriftsatz vom 15.08.2016 neu gefasst. Wegen des Auskunftsantrags zu 1. aus der Klageschrift und im Hinblick auf die geleisteten Teilzahlungen haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen,

1. ihr Auskunft über den Bestand des Nachlasses des am 24. Juni 2014 verstorbenen deutschen Staatsangehörigen G, geb. am 02.12.1949, zuletzt wohnhaft O-Straße, 50735 Köln, zu erteilen und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Bestandsverzeichnisses, bei dessen Aufnahme die Klägerin hinzugezogen wird, die im einzelnen umfasst:

a) alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva) einschließlich der wesentlichen Berechnungsfaktoren,

b) alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva),

c) alle Schenkungen (einschließlich Pflicht- und Anstandsschenkungen sowie ehebezogene Zuwendungen), die der Erblasser in seinen letzten 10 Lebensjahren getätigt hat, die der Erblasser während der Ehezeit getätigt hat und die der Erblasser zu seinen Lebzeiten unter Vorbehalt eines Nießbrauchs- und Wohnungsrechts oder sonstigen Nutzungs- und Rückforderungsvorbehalte getätigt hat.

– alle Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall, insbesondere Lebensversicherungen, Unfallversicherungen und Bausparverträge,

– den Güterstand, in dem der Erblasser beim Erbfall verheiratet gewesen ist,

d) über sämtliche Konten und Depots und deren Stände zum Stichtag 24. Juni 2014 bei allen Banken, Sparkassen, insbesondere Postbank, Stadtsparkasse, Volksbank

e) Mitteilung aller Banken, Sparkassen und Depots über das Kapitalvermögen des Erblassers an die Erbschaftssteuerstelle gemäß § 33 Erbschaftssteuergesetz

f) über den Stand und die Belege zur Union Invest Nr. #####-012 und #####-02;

2. an sie 86.323,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 26.04.2016 Rechtshängigkeit abzüglich am 07.07.2016 gezahlter 50.000,00 EUR sowie abzüglich weiterer am 01.08.2016 gezahlter 35.700,69 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Wegen des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teils begründet, teils unbegründet.

1. Die Klägerin kann von der Beklagten – ungeachtet der im Rechtsstreit gemachten Angaben – gemäß § 2314 BGB Erteilung eines notariellen Nachlassverzeichnisses unter ihrer Hinzuziehung verlangen.

Soweit der Auskunftsantrag auf die mit den Buchstaben d), e) und f) bezeichneten Angaben gerichtet ist, unterliegt die Klage der Abweisung. Die unter d) enthaltenen Informationen über Forderungen gegenüber Kreditinstituten sind bereits Teil der unter a) erfassten Aktiva und bedürfen keiner gesonderten Erwähnung. Bei den unter e) aufgeführten Mitteilungen an die Erbschaftssteuerstelle handelt es sich um Belege, deren Vorlage im Rahmen des Auskunftsanspruchs – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – nicht verlangt werden kann. Entsprechendes gilt für die unter f) genannten Depots: Gehören sie zum Nachlass, ist ohnehin Auskunft gemäß a) zu erteilen, sonst nicht. Belege können auch hier nicht verlangt werden.

2. Der Klägerin steht über die bereits gezahlten Beträge hinaus kein Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB zu.

Auf der Grundlage der Angaben aus dem Schriftsatz vom 25.03.2016 (Bl. 102 ff. d. A.), auf die die Klägerin ihren Anspruch stützt, ergibt sich folgender Pflichtteil:

  • Aktiva 692.872,02 EUR
  • ./. Erblasserschulden 2.285,00 EUR
  • ./. Erbfallschulden
  • Bestattungskosten
  • Trauerfeier 1.142,40 EUR
  • Grabmale C. GmbH 4.490,00 EUR
  • Gebühren für Grab/Stadt Köln 346,00 EUR
  • Bestatterkosten 5.287,74 EUR
  • Dankkarten 487,50 EUR
  • Leichenschau 51,00 EUR
  • Blumenherz/Urnenschmuck 150,00 EUR
  • Gebühren für Beisetzung/Stadt Köln 2.452,00 EUR
  • Testamentseröffnung/Gerichtskosten 0,00 EUR
  • Erbschein (Notar-, Gerichts-, RA-Kosten) 0,00 EUR
  • Wertermittlungskosten 660,00 EUR
  • 140,99 EUR
  • 15.207,63 EUR
  • Nachlasswert: 675.520,38 EUR.

Als Passiva abziehbar sind nur solche Nachlassverbindlichkeiten, die auch bei dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bestehen würden. Nicht abzugsfähig sind daher die Kosten der Testamentseröffnung. Die Kosten für die Erteilung des Erbscheins können ebenfalls nicht in Ansatz gebracht werden. Diese beruhen auf keiner Nachlassverbindlichkeit. Der Erbschein dient nämlich in erster Linie nicht der Nachlassverwaltung, sondern der Legitimation des Erben (Y). Abzugsfähig sind hingegen die Kosten einer standesgemäßen Bestattung des Erblassers; die hier entstandenen Kosten scheinen im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse des Erblassers nicht unangemessen hoch. Die Kosten der Wertermittlung fallen gemäß § 2314 Abs. 2 BGB dem Nachlass zur Last.

Der Pflichtteil beläuft sich gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. §§ 1931 Abs. 1 Satz 1, 1371 Abs. 1 BGB auf 84.440,05 EUR (1/8 des Nachlasswerts). Dieser Betrag war gemäß §§ 288, 291 BGB ab dem 27.04.2016 in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Mit der Zahlung der Beklagten vom 07.07.2016 in Höhe von 50.000,00 EUR wurden die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 691,88 EUR sowie ein Teilbetrag der Hauptforderung von 49.308,12 EUR getilgt, womit von der Hauptforderung noch 35.131,93 EUR offen standen.

Mit der Zahlung vom 01.08.2016 in Höhe von 35.700,69 EUR wurden die bis zu diesem Zeitpunkt weiter aufgelaufenen Zinsen von 98,87 EUR sowie die verbliebene Hauptforderung getilgt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 91a ZPO. Bei Gesamtbetrachtung sowohl der erledigten als auch der in der letzten mündlichen Verhandlung noch rechtshängigen Anträge ist das Teilunterliegen der Klägerin zu vernachlässigen. Im Hinblick auf die erledigten Anträge (Auskunftsbegehren, überwiegender Teil des Zahlungsantrags) sind die Kosten unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen gemäß § 91a ZPO der Beklagten aufzuerlegen. Entsprechend den vorstehenden Ausführungen war die Klage insoweit begründet; bei Erfüllung der Ansprüche befand sich die Beklagte im Verzug.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

5. Streitwert:

a) bis zum 19.04.2016: 22.000,00 EUR (Auskunftsanträge; Wert: 1/4 des Pflichtteilsanspruchs/gerundet; keine Wertaddition, da auf gleiches wirtschaftliches Interesse gerichtet);

b) vom 20.04.2016 bis zum 16.09.2016: 90.323,38 EUR (Auskunftsantrag: 4.000,00 EUR, da Pflichtteilsanspruch weitgehend beziffert und die Auskunft nur noch auf Ermittlung restlicher Vermögenswerte gerichtet war; Zahlungsantrag: 86.323,38 EUR);

c) ab dem 17.09.2016: 5.434,21 EUR (Auskunftsantrag: 4.000,00 EUR, siehe oben; Zahlungsantrag: 1.434,21 EUR, auf der Grundlage der Bezifferung durch die Klägerin nach Verrechnung der Teilzahlungen (§ 367 BGB) verbleibende Hauptforderung).

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