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Nutzungsentschädigungsanspruch eines Miterben für eine nicht bewohnte Wohnung

LG Köln – Az.: 21 O 144/10 – Urteil vom 11.01.2011

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.803,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 101,25 EUR seit dem Ersten der Monate Januar 2006 bis Februar 2008, aus jeweils 210,57 EUR seit dem Ersten der Monate März 2008 bis September 2009 und aus jeweils 218,63 EUR seit dem Ersten der Monate Oktober 2009 bis Dezember 2010 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger ab Dezember 2010 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 218,63 EUR, fällig zum Ersten des jeweiligen Folgemonats, bis zu seinem Auszug aus dem Haus M-Straße in Z oder der Auseinandersetzung der zwischen den Parteien bestehenden Erbengemeinschaft nach Frau C zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in eben dieser Höhe leistet.

Tatbestand

Am 10.04.2005 verstarb die Mutter des Klägers F. Der Kläger und seine Schwester, die Mutter des Beklagten C erbten je zur Hälfte das mit einem über 200 Jahre alten Haus bebaute Grundstück M-Straße in Z. Bevor die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt werden konnte, verstarb Frau C am 30.08.2009. Ihre Erben waren der Beklagte sowie dessen vier Geschwister, die jedoch sämtlich die Erbschaft ausschlugen. Die aus dem Kläger und dem Beklagten bestehende Erbengemeinschaft wurde bislang nicht auseinandergesetzt; ein beabsichtigter Verkauf des Hauses scheiterte.

Der Beklagte hatte sich seit Dezember 2004 bis zum Tod der Frau F in dem Haus aufgehalten, um seine Großmutter zu pflegen. Nach deren Tod zogen Frau C und der Beklagte in das Haus ein, wobei über die genauen Zeitpunkte zwischen den Parteien Streit besteht.

Am 13.04.2005 löste Frau C mittels Kontovollmacht ohne Zustimmung des Klägers zwei auf den Namen der Erblasserin F lautende Sparkonten bei der Volksbank T auf und ließ das Guthaben von insgesamt 7.528,88 EUR auf ihr Konto überweisen.

Unter dem 01.12.2005 schlossen Frau C und der Beklagte einen Mietvertrag über die obere Wohnung des Nachlassgrundstückes, wofür ein monatlicher Nettokaltmietzins von 202,50 EUR vereinbart wurde. Der Beklagte meldete zum 15.11.2005 unter der Anschrift des Nachlassgrundstückes seinen alleinigen Wohnsitz bei der Gemeinde Z an.

Vorgerichtlich wurde Frau C seitens des Klägers mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 22.01.2008 zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung für das ererbte Haus aufgefordert. Der damalige Vertreter von Frau C teilte darauf mit Schreiben vom 20.02.2008 unter anderem mit, diese beziehe seit Januar 2006 „200,– EUR Kaltmiete von dem Mieter in der 1. Etage“.

In dem von den Parteien betriebenen Teilungsversteigerungsverfahren wurde ein Gutachten des Sachverständigen R eingeholt, der für das Haus einen erzielbaren Mietwert von 437,25 EUR monatlich ermittelte.

Der Kläger behauptet, sowohl Frau C als auch der Beklagte nutzten das Hausgrundstück seit Dezember 2005. Sie seien daher verpflichtet, an ihn den hälftigen erzielbaren Mietzins, wie er vom Sachverständigen R ermittelt worden sei, auszukehren. Außerdem stehe ihm die Hälfte des von Frau C am 13.04.2005 vereinnahmten Betrages aus der Kontenauflösung zu.

Nach mehrfacher Erhöhung und Änderung seiner Klage beantragt der Kläger zuletzt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 16.217,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2006 sowie darüber hinaus ab September 2010 eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 218,63 EUR bis zum dritten Werktag jeden Monats zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, das Haus nach dem Tod der Frau F verlassen zu haben und erst am 30.09.2009 wieder dort eingezogen zu sein. Der Mietvertrag vom 01.12.2005 sei nicht zur Ausführung gelangt, sondern wieder aufgehoben worden. Ein Verkauf des Hauses sei aus Gründen gescheitert, die in der Sphäre des Klägers lägen. Frau C sei erst am 01.01.2007 eingezogen und habe den Kläger aufgefordert, das Haus entsprechend seinem Anteil zu nutzen. Der monatliche Mietwert belaufe sich allenfalls auf 120,– EUR.

Frau C und später der Beklagte hätten in erheblichem Umfang substanzerhaltende Renovierungen vorgenommen sowie sämtliche laufenden Unterhaltskosten und die Tilgungsleistung an die Bausparkasse, die sich auf 79,– EUR monatlich belaufe, allein getragen. Insgesamt hätten sie Tilgungen in Höhe von 3.834,50 EUR geleistet, Versicherungsbeiträge in Höhe von 1.138,40 EUR und Unterhaltskosten von 2.881,48 EUR sowie weitere allgemeine Kosten von 1.275,49 EUR getragen.

Von dem Betrag, den Frau C aus der Kontoauflösung erhalten habe, seien Kosten der Bestattung von Frau F in Höhe von 3.651,20 EUR beglichen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im erkannten Umfang sowie mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung begründet.

Soweit die monatliche Nutzungsentschädigung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht fällig geworden war, kann der Kläger gemäß § 259 ZPO für die Zeit danach bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft oder dem sonstigen Ende der Nutzung des gemeinschaftlichen Hauses durch den Beklagten dessen Verurteilung zu künftigen Leistungen verlangen (vgl. BGH NJW 2003, 1395f.).

Dem Kläger steht ein Anspruch auf hälftige Beteiligung an den vom Beklagten an Frau C seit dem 01.12.2005 bis zum 30.08.2009 gezahlten Mieten aus §§ 743 Abs. 1, 2038 Abs. 2 BGB zu (45 Monate x 202,50 EUR : 2 = 4.556,25 EUR). Die Erbengemeinschaft nach Frau F bestand bis zu deren Tod zu gleichen Teilen aus dem Kläger und Frau C. Da Letztere die Mietzahlungen vereinnahmt hat, ist der Kläger hieran entsprechend seinem Gemeinschaftsanteil zu beteiligen. Die Verpflichtungen der Frau C sind mit deren Tod auf den Beklagten als ihren Alleinerben übergegangen (§ 1967 BGB).

Soweit der Beklagte behauptet, der Mietvertrag vom 01.12.2005 sei nicht zur Ausführung gelangt, ist dies ohne genügende Substanz. Nicht nur der Abschluss des Mietvertrages, sondern auch die Anmeldung eines Wohnsitzes sowie die Mitteilung des damaligen Bevollmächtigten von Frau C vom 20.02.2008, diese beziehe seit Januar 2006 „200,– EUR Kaltmiete von dem Mieter in der 1. Etage“, sprechen für die tatsächliche Nutzung der Wohnung durch den Beklagten. Auch hat der Beklagte nicht vorgetragen, wo er stattdessen gewohnt hat.

Im Verhältnis zu Frau C für die nicht vom Beklagten bewohnte Wohnung ergibt sich der Anspruch des Klägers auf Nutzungsentschädigung aus §§ 743 Abs. 2, 745 Abs. 2 BGB, nachdem diese dem mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 22.01.2008 gestellten Verlangen des Klägers auf Neuregelung der Benutzung des gemeinschaftlichen Grundstücks nicht zugestimmt hat (vgl. BGH NJW-RR 1993, 386ff., Tz. 26 m.w.N.; NJW-RR 2005, 1200ff.). Für ein früheres, mit hinreichender Deutlichkeit erhobenes Verlangen nach Neuregelung der Verwaltung und Benutzung fehlt es an ausreichend substantiiertem Sachvortrag des Klägers, denn es werden keine Einzelheiten zu Zeit, Ort, Umständen und Inhalt mitgeteilt. Auf den Streit, ob Frau C das Haus schon vor dem 01.01.2007 bezogen hat, kommt es daher nicht an.

Der Höhe nach kann der Kläger ab Februar 2008 bis einschließlich August 2009 (= 18 Monate) Nutzungsentschädigung verlangen. Nach der von den Parteien zuletzt  nicht mehr angegriffenen Bewertung des Sachverständigen R belief sich der Mietwert für das ganze Haus auf 437,25 EUR pro Monat. Mangels anderer Anhaltspunkte ist der Wert der Nutzung durch Frau C mit der Hälfte zu veranschlagen. Hiervon steht dem Kläger wiederum der seinem Erbteil entsprechende hälftige Teil zu, mithin 109,32 EUR monatlich bzw. insgesamt 1.967,76 EUR für den vorgenannten Zeitraum. Auch für diese Nachlassverbindlichkeit haftet der Beklagte gemäß § 1967 BGB.

Da der Beklagte mit dem Tod von Frau C einerseits im Wege der Universalsukzession in deren Rechte und Pflichten eingetreten ist sowie andererseits der Mietvertrag vom 01.12.2005 durch Zusammenfallen von Gläubiger und Schuldner hinfällig geworden ist, stellte es eine unnötige Förmelei dar, eine erneute Aufforderung des Klägers an den Beklagten als nunmehrigen Miterben auf Neuregelung der Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Hauses zu fordern, so dass der Anspruch über den 01.09.2009 hinaus fortbesteht, allerdings in Höhe des hälftigen Mietwertes (= 218,63 EUR / Monat). Bis einschließlich November 2010 ist so die Nutzungsentschädigung für weitere 15 Monate fällig geworden, insgesamt 3.279,45 EUR, die der Beklagte an den Kläger zu zahlen hat.

Demgegenüber ist die Behauptung des Beklagten unerheblich, der Kläger sei zur Mitnutzung des Hauses aufgefordert worden und dies sei auch möglich gewesen. Jedenfalls ab dem 01.01.2007 haben sowohl Frau C als auch der Beklagte das Haus bewohnt, so dass der Kläger es entsprechend seinem Erbteil nicht nutzen konnte. Dass der Beklagte den Kläger nach dem Tod von Frau C erneut zur Nutzung aufgefordert hat und ihm diese Möglichkeit auch einräumen konnte, ist nicht dargetan worden.

Dem Anspruch des Klägers steht auch keine Forderung des Beklagten auf hälftige Beteiligung an den Lasten des Hauses aus § 748 BGB entgegen. Trotz Bestreitens des Klägers hat der Beklagte diese Positionen nicht näher belegt, geschweige denn unter Beweis gestellt. Im Übrigen hat er erklärt, diese Beträge erst im Rahmen der noch ausstehenden Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft geltend machen zu wollen.

Keinen Anspruch hat der Kläger indes auf Zahlung des von Frau C vereinnahmten Betrages aus der Auflösung der Konten der Frau F. Eine entsprechende Nachlassverbindlichkeit, für die der Beklagte haftete, bestand nicht. Unstreitig war die aus dem Kläger und Frau C bestehende Erbengemeinschaft nach Frau F noch nicht auseinandergesetzt, als Frau C starb. Der Geldbetrag fiel, auch wenn er zunächst in die Hände von Frau C gelangt war, in den Nachlass, der grundsätzlich vollständig auseinanderzusetzen ist (Palandt-Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2042, Rdnr. 2). Eine einvernehmliche Teilauseinandersetzung hat der Kläger nicht behauptet, und eine Teilauseinandersetzung gegen den Willen eines Miterben ist grundsätzlich nicht durchsetzbar (Palandt-Weidlich, aaO, Rdnr. 9 m.w.N.). Soweit ausnahmsweise eine gegenständliche Teilauseinandersetzung gegen den Willen eines Miterben zugelassen wird, sind hierfür besondere rechtfertigende Gründe erforderlich, und die berechtigten Belange der Erbengemeinschaft oder der einzelnen Miterben dürften dadurch nicht beeinträchtigt werden (Palandt-Weidlich, aaO, Rdnr. 11 m.w.N.).

Ein solcher Fall lag hier nicht vor. Es ist zwischen den Parteien streitig, ob von dem abgehobenen Geld Nachlassverbindlichkeiten in Form der Bestattungskosten beglichen worden sind. Angesichts des Ausnahmecharakters der Teilauseinandersetzung hätte es aber dem Kläger oblegen, zu den vorstehend aufgeführten Voraussetzungen näher vorzutragen, statt die beklagtenseits substantiiert dargelegten einzelnen Kosten lediglich mit Nichtwissen zu bestreiten.

Ob der Kläger außerdem nach § 242 BGB Leistung an sich statt an die gesamte Erbengemeinschaft verlangen kann, wenn die Leistung an die Erbengemeinschaft purer Formalismus wäre (vgl. Palandt-Weidlich, aaO, § 2039, Rdnr. 9 m.w.N.), braucht nicht entschieden zu werden. Unstreitig hatte die kontoführende Bank das Guthaben von den Konten der Frau F bereits an Frau C ausgezahlt, so dass eine Forderungsberechtigung der Erbengemeinschaft oder des Klägers nicht mehr in Frage kam. Der Anspruch gegen Frau C bzw. den Beklagten als ihren Erben kann sich dagegen nicht aus § 2039 BGB, sondern – wie oben ausgeführt wurde – nur aufgrund einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ergeben.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die monatliche Nutzungsentschädigung ist mit Ablauf des jeweiligen Monats fällig geworden, also ab dem Ersten des Folgemonats zu verzinsen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Streitwert: 18.900,– EUR

 

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