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Pflichtteilsergänzungsanspruch – Bewertungsspielraum der Beteiligten bei gemischter Schenkung

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 U 112/10 – Urteil vom 25.10.2011

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 12. November 2010 geändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 49,45 € nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2008 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien sind die beiden einzigen Kinder der Eheleute …. Der Vater verstarb im Jahr 1998, die Mutter 85-jährig am 18. April 2008. Aufgrund eines gemeinschaftlichen Testamentes war sie Alleinerbin nach ihrem Ehemann geworden. Die Beklagte wurde wiederum Alleinerbin nach ihr. Die Höhe des reinen Nachlasses ist mit 16.812,90 € unstreitig. Streit besteht aber darüber, inwieweit Zuwendungen der Erblasserin an die Parteien oder Dritte erfolgt sind und inwieweit es sich ggf. um im Wege der Pflichtteilsergänzung zu berücksichtigende Schenkungen handelt. Außerdem verwies die Beklagte auf zu ihren Gunsten ausgleichungspflichtige Pflegeleistungen ihrerseits für die Mutter. Auf den von dem Kläger geltend gemachten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch zahlte die Beklagte 35.500,00 €. Der Kläger hat klageweise Zahlung weiterer 55.817,95 € geltend gemacht. Wegen des Sachverhalts im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat dem Kläger unter Klagabweisung im Übrigen einen (weiteren) Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 19.311,75 € zuerkannt. Es hat diesen aus folgenden Einzelpositionen errechnet:

Schenkung des elterlichen Hausgrundstücks in T nach dem Wert zum Zeitpunkt des Erbfalles 130.000,00 €

Schenkung durch Barzahlung an die Tochter der Beklagten im Jahre 2007 10.000,00 €

gemischte Schenkung durch Barzahlung an die Beklagte im Jahr 2002; Gesamtbetrag 120.000,00 €, Schenkungsanteil kapitalisiert  62.434,18 €

Ergänzungsanspruch des Klägers nach einer Pflichtteilsquote von ¼ 50.608,55 €

zuzüglich Pflichtteilsanspruch nach einem unstreitigen Nachlasswert von 16.812,80 € 4.203,20 €

Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsspruch insgesamt 54.811,75 €

abzüglich vorgerichtlicher Zahlung – 35.500,00 €

ergibt restliche 19.311,75 €

Nicht in die Berechnung eingestellt hat es folgende Position:

Nach § 2057 a BGB aus Sicht der Beklagten zu ihren Gunsten anrechenbare Pflegeleistungen (Bl. 26 d. A.)

36.000,00 € Streitige Schenkung der Eltern an den Kläger im Jahre 1980

50.000,00 DM Auch wegen der Entscheidungsgründe im Einzelnen und der Erläuterung der Berechnung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Der Kläger nimmt die teilweise Klagabweisung hin, die Beklagte hat Berufung eingelegt.

Die Beklagte rügt: Die Zuwendung der 120.000,00 € habe keinen Schenkungsanteil erhalten. Hintergrund der Zahlung sei gewesen, dass die Mutter keinesfalls in ein Senioren- und Pflegeheim haben ziehen wollen. Sie habe deshalb sie, die Beklagte, überredet, ein größeres Haus zu bauen als eigentlich geplant und dieses mit einer gesonderten und behindertengerecht hergerichteten Wohnung im Erdgeschoss auszustatten. Mit der Zahlung habe sich die Mutter an den Baukosten beteiligt. Tatsächlich seien Mehrkosten in Höhe von rund 40.000,00 € entstanden. Die Mutter habe dann mit ihr, der Beklagten, zusammen in dem Hause kostenfrei gewohnt und von ihr Unterstützung und Pflege erfahren. Nach dem Tode der Mutter sei ihre Wohnung nicht sinnvoll nutzbar. Sie müsse erst wieder zurückgebaut werden. Im Ergebnis also habe sie durch die Zuwendung keinen bleibenden „Vermögensgewinn“ erlangt.

Bei dem Ansatz eines Grundstückswertes von 130.000,00 € habe das Landgericht übersehen, dass der Sachverständige bei seiner Bewertung fälschlich die Einbauküche im Dachgeschoss und die Heizungsanlage als Teil des geschenkten Hausgrundstücks behandelt habe, obwohl tatsächlich beides sie, die Beklagte, angeschafft habe. Wie der Sachverständige auf Nachfrage des Gerichts erklärt habe, sei der Wert des Hausgrundstückes zum Zeitpunkt der Schenkung unter Abzug dieser beiden Ausstattungsmerkmale um 10.000,00 € zu kürzen. Dies habe das Landgericht übersehen. Die Beklagte räumt ein, dass die Kürzung zum Zeitpunkt des Erbfalles geringer ausfallen müsse. Sie bewertet sie mit 5.000,00 € und den Grundstückswert deshalb mit allenfalls 125.000,00 €.

Die Schenkung der 10.000,00 DM sei als Schenkung zur Hälfte von der Mutter anzusehen. Die von dem Landgericht erstmals in dem Urteil geäußerten Zweifel daran, ob die Mutter eine solche Schenkung hätte leisten können, seien unbegründet. Die Schenkung sei allein eine solche an den Kläger, nicht auch an seine Ehefrau gewesen. Der Kläger müsse sich also die von der Mutter geschenkten 5.000,00 DM (indexiert zum Zeitpunkt des Erbfalles mit rund 4.700,00 €) auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch anrechnen lassen. Auf ihre Behauptung einer höheren Schenkung über 50.000,00 DM kommt die Beklagte nicht mehr zurück.

Schließlich rügt sie, dass das Landgericht übersehen habe, dass sie für den geltend gemachten Pflichtteilsergänzungsbetrag in Höhe eines Teilbetrages von 10.000,00 € nicht hafte. Als Erbin hafte sie nur in Höhe des mit der geleisteten Zahlung längst ausgeschöpften Nettonachlasses. Auf weitere Zahlung hafte sie als Beschenkte nur nachrangig nach ihrer Tochter, weil diese als zuletzt Beschenkte vorrangig in Anspruch zu nehmen sei.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er verweist darauf, dass die Beklagte im Wesentlichen nur ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederhole. Die Zahlung der 120.000,00 € sei aus den Gründen des angefochtenen Urteils eine gemischte Schenkung; Kosten über 40.000,00 € wegen behindertengerechten Ausbaus der Erdgeschosswohnung würden bestritten und im Übrigen sei der entstandene Wertzuwachs bis heute im Vermögen der Beklagten vorhanden. Den Ansatz des Grundstückswertes mit 130.000,00 € habe das Landgericht nachvollziehbar begründet. Unter anderem deshalb, weil das Grundstück kleiner sei, als der Sachverständige angenommen habe, habe es den ermittelten Wert von 140.000,00 € auf 130.000,00 € herabgesetzt. Dass Heizung und Einbauküche nicht berücksichtigt werden dürften, habe der Sachverständige in seiner nachträglichen Stellungnahme vom 23. August 2010 berücksichtigt. Hinsichtlich der Zuwendung von 10.000,00 DM bleibe es dabei, dass es sich um eine solche an ihn und seine Ehefrau gehandelt habe und das bestritten werde, dass sie zur Hälfte eine Zuwendung der Erblasserin dargestellt habe.

Die neue Einwendung der Beklagten, dass er, der Kläger, zur Erfüllung seines Pflichtteilsergänzungsanspruches in Höhe von 10.000,00 € ihre Tochter in Anspruch nehmen müsse, gehe ins Leere. Sein Pflichtteilsanspruch an dem reinen Nachlass (16.812,80 €) habe 4.203,20 € betragen. Aufgrund der an die Tochter der Beklagten geleisteten Schenkung in Höhe von 10.000,00 € ergebe sich ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Höhe von 2.500,00 €, sodass die Beklagte aus dem Nachlass insgesamt einen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch an ihn in Höhe von 6.713,20 € zahlen müsse. Der Beklagten verbleibe somit ein Betrag in Höhe von 10.109,60 €. Dies sei mehr als ihr eigener Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch. Dass sie darüber hinaus einen weiteren Pflichtteilsergänzungsanspruch zu erfüllen habe, beruhe auf dem Umstand, dass auch sie als Erbin Schenkungen erhalten habe. Dafür sei jedoch nicht § 2328 BGB einschlägig.

II.

Die Berufung ist weitgehend erfolgreich.

1. Das Landgericht hat die Überlassung des Hausgrundstücks in T als Schenkung angesehen, deren Wert nach dem Niederstwertgrundsatz (§ 2325 Abs. 2 S. 2 BGB) mit dem Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls in Ansatz zu bringen sei. Den Schenkungscharakter der Überlassung bestreitet die Beklagte in der Berufung nicht mehr. Sie rügt jedoch zu Recht die Wertberechnung des Landgerichts.

Der Sachverständige hatte einen Verkehrswert von gerundet 140.000,00 € ermittelt, ist dabei aber von einem um 95 m² größeren Grundstück ausgegangen. Deshalb hat das Landgericht, von beiden Parteien unbeanstandet, 10.000,00 € vom ermittelten Verkehrswert abgezogen. Es hat aber übersehen, dass der Sachverständige selbst noch einen weiteren Abzug für notwendig gehalten hat, sofern die von ihm vorgefundene Heizungsanlage und Einbauküche nicht Teil des geschenkten Hauses gewesen seien. Der Sachverständige hat insoweit in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23.08.2010 einen Abzug von 10.000,00 € zum Zeitpunkt der Schenkung für gerechtfertigt gehalten. Die grundsätzliche Berechtigung des Abzugs ist in der Berufung nicht mehr streitig. Der Kläger ist dem Berufungsangriff der Beklagten in dieser Hinsicht nur mit der Erwiderung entgegengetreten, dass der Sachverständige in seiner Nachtragsstellungnahme die Problematik von Heizung und Einbauküche berücksichtigt und bewertet habe und es auch insofern keine Veranlassung zu einer Korrektur des Urteils gebe (Berufungserwiderung S. 2, Bl. 235 d. A.). Der Senat hat unter Verlesen dieser Passage in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er den Klagvortrag in dieser Hinsicht als unstreitig ansehe. Auch daraufhin ist ein Bestreiten nicht erfolgt.

Unter diesem Gesichtspunkt sind die im Urteil errechneten Grundstückswerte zu korrigieren. Das Landgericht hat übersehen, einen entsprechenden Abzug von den sachverständigerseits ermittelten Grundstückswerten vorzunehmen. Den oben erwähnten Abzug von 10.000,00 € hat es allein wegen der geringeren Grundstücksgröße vorgenommen. Weil der Schenkungsgegenstand außerdem noch um die Einbauküche und die Heizungsanlage zu bereinigen ist, muss ein weiterer Abzug hinzukommen. Er beträgt zum Zeitpunkt der Schenkung ebenfalls 10.000,00 €. Zum Zeitpunkt des Erbfalles, 8 Jahre nach der Schenkung, muss er geringer ausfallen. Dementsprechend gibt sich die Beklagte für diesen Zeitpunkt mit einem ebenfalls unstreitig gebliebenen Abzug von 5.000,00 € zufrieden.

Damit errechnet sich der Wert des Grundstücks zu den maßgeblichen beiden Zeitpunkten entsprechend der nachfolgenden Darstellung. In diese fließt der weitere Abzug wegen der geringeren Größe des Grundstücks jeweils mit dem für den Stichtag geltenden Bodenwert ein. Er betrug im Jahr 2000 125 € / m² und im Jahr 2008 145 € / m² (Gutachten S. 13 f). Dass das Landgericht den Abzug wegen der geringeren Grundstücksgröße jedoch nicht einfach in Höhe des sich rechnerisch für 95 m² jeweils ergebenden Betrages, sondern geringer vorgenommen hat, ist aus den Gründen S. 11 f des Urteils richtig und wird von den Parteien nicht beanstandet. Die zutreffende Berechnung der Grundstückswerte lautet demnach:

Verkehrswert 2000:

Sachwert 138.926 €

abzgl. geringere Grundstücksgröße    -11.875 €

ergibt 127.051 €

gerundet 130.000 €

abzgl. geringere Ausstattung -10.000 €

ergibt 120.000 €

Verkehrswert 2008:

Sachwert 139.334 €

abzgl geringere Grundstücksgröße      -13.775 €

ergibt 125.559 €

gerundet 130.000 €

abzgl. geringere Ausstattung 5.000 €

ergibt 125.000 €

Der Wert für das Jahr 2000 ist zu indexieren. Der Preisindex mit dem Basisjahr 2005 beträgt für das Schenkungsjahr 2000 92,7 und für das Todesjahr 2008 106,6 (Palandt/Brudermüller, 70. Aufl. 2011, § 1376 Rn. 31). Der indexierte Wert beträgt somit

120.000 € x (106,6 ./. 92,7) = 137.993,53 €

Diesem Wert gegenüber erweist sich der Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt des Erbfalls als der niedrigere. Auf ihn hat das Landgericht demnach zu Recht zurückgegriffen; er ist nur in der Höhe, wie dargestellt, etwas zu korrigieren.

2. Zur Schenkung der 10.000,00 € an die Tochter der Beklagten im Jahre 2007 hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen nichts ausgeführt. Die Schenkung ist aber ersichtlich nach § 2315 Abs. 1, Abs. 3 BGB a. F. bei der Errechnung des Pflichtteilsergänzungsbetrags zu berücksichtigen. Ob die Beklagte aufgrund der Schenkung an ihre Tochter in Höhe des Schenkungsbetrages von der eigenen Haftung freigestellt ist, ist eine andere, unten zu erörternde Frage.

3. Das Landgericht hat die Zuwendung der 120.000,00 € als gemischte Schenkung bewertet. Keine Schenkung liege in Höhe des Wertes der kapitalisierten Bruttomiete vor. Der Kläger, der eine reine Schenkung behauptet hatte, akzeptiert dies. Die Beklagte bestreitet hingegen jeglichen Schenkungsanteil.

a) Um zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine unentgeltliche Zuwendung vorliegt, sind der Wert der Leistung und der einer etwaigen Gegenleistung einander gegenüberzustellen. Bei dieser Bewertung gilt grundsätzlich das Prinzip der subjektiven Äquivalenz. Für die Bewertung von Leistung und Gegenleistung sind mithin die subjektiven Vorstellungen der Beteiligten maßgeblich. Ihnen steht es im Rahmen der Vertragsfreiheit zu, den Wert der auszutauschenden Leistungen zu bestimmen und dabei auch festzulegen, inwieweit sie sie als einander gleichwertig ansehen möchten. Zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten zieht der BGH dieser Bewertungsfreiheit jedoch Grenzen. Völlig willkürliche Bewertungen sind nicht anerkennenswert. Der BGH billigt deshalb dem Pflichtteilsberechtigten, der die Unentgeltlichkeit eines Vertrages zu beweisen hat, unter bestimmten Voraussetzungen eine Beweiserleichterung zu. Ihn trifft zunächst die volle Beweislast für die Unentgeltlichkeit in dem Rahmen, in dem für die einzelnen Leistungen Werte angesetzt werden können, die bei verständiger Beurteilung als noch vertretbar gelten können. Dabei ist gerade bei einem Vertragsschluss unter Verwandten zu berücksichtigen, dass diese den ohnehin nur schwer abschätzbaren Wert ihrer Leistungen kaum je genau kalkulieren, der Bewertungsspielraum ist mit anderen Worten hier besonders hoch (BGH NJW 2002, 2469, 2470). Bei einem auffallend groben Missverhältnis zwischen den objektiven Werten von Leistung und Gegenleistung indes spricht eine Vermutung dafür, dass sich die Vertragsparteien in Wahrheit teilweise über die Unentgeltlichkeit einig waren (BGH NJW-RR 2007, 803, 804; BGH NJW 2002, 2469, 2470; Brandenburgisches OLG, FamRZ 2010, 933, bei juris Rn. 12; OLG Celle FamRZ 2009, 462, bei juris Rn. 6M; jurisPK-BGB/Birkenheier, 5. Aufl. 2010, § 2325 Rn. 51; Palandt/Weidlich, § 2325 Rn. 9). Der BGH hat bislang allerdings noch nicht entschieden, bis zu welcher Grenze ein objektiver Wertunterschied zwischen Leistung und Gegenleistung noch als gleichwertig anerkannt werden kann (Pawlytta in Mayer u. a., Handbuch Pflichtteilsrecht, 2. A. 2010 m. w. N., § 7 Rn. 33.).

b) Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die Beklagte die 120.000,00 € schenkweise erhalten hat. Die Beklagte hat Gegenleistungen erbracht. Sie räumt ein, dass die 120.000 € nicht als Entlohnung für die Pflegeleistungen gedacht waren, die ihre Mutter von ihr erwartete. Das Geld soll aber als Gegenleistung für die Gewährung eines unentgeltlichen Wohnrechts und als Baukostenzuschuss gedacht gewesen sein. Dieser Vortrag ist unstreitig. Auf seiner Grundlage stellt sich die Zuwendung der 120.000,00 € als entgeltliche Leistung dar. Zwischen den beiderseitigen Leistungen liegt auch kein grobes Missverhältnis, das wenigstens für einen Teil der Geldzuwendung zu einer Beweiserleichterung zu Gunsten des Klägers führen könnte.

aa) Soweit die Zahlung eine Gegenleistung für ein unentgeltliches Wohnrecht darstellen sollte, kann diese mit dem Landgericht mit der kapitalisierten Bruttomiete angesetzt werden, wie sie der Sachverständige ermittelt hat. Die Berechnung des Landgerichts wird von keiner Partei beanstandet. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, der den Wert eines Wohnrechts grundsätzlich abstrakt kapitalisiert ermittelt. Die tatsächliche Lebensdauer der Erblasserin weicht von ihrer statistischen Lebenserwartung nicht in einem derartigen Umfang ab, dass ausnahmsweise Anlass zu einer konkreten Bewertung bestünde.

Im Übrigen ist zu ergänzen, dass bei der Berechnung des Werts des Wohnrechts der vom Sachverständigen für den allgemeinen Wohnungsmarkt ermittelte Mietwert die unterste Grenze darstellt. Wie oben unter a) erläutert, kommt es für die Bewertung der jeweiligen Leistungen auf die subjektive Sicht der Beteiligten an. Es ist aber nur naheliegend, dass der Mutter der Parteien die Möglichkeit zum Bezug dieser Wohnung viel wert gewesen sein dürfte. Sie hatte hier die benötigte behindertengerechte Wohnung und blieb gleichzeitig davor bewahrt, in ein Heim ziehen zu müssen. Dies ist erfahrungsgemäß für einen alternden Menschen von hohem Wert. Der Senat hat im Einklang mit der übrigen Rechtsprechung denn auch wiederholt anerkannt, dass sich ein Elternteil die Möglichkeit, im Hause zu verbleiben, „etwas kosten lassen darf“.

Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes ist bereits bei alleiniger Berücksichtigung des Wohnrechts als Gegenleistung der Beklagten äußerst fraglich, ob ein grobes Missverhältnis zwischen den beiderseitigen Leistungen vorliegt. Schon rein rechnerisch übersteigt der Wert der Geldzuwendung den des kapitalisierten Wohnrechts nicht ganz um 100 %. Noch weiter nähert sich der Wert der Leistungen bei einem Blick auf die gebotene subjektive Bewertung an.

bb) Indes war die Gewährung des Wohnrechts ohnehin nicht die einzige Gegenleistung der Beklagten. Die Beklagte hat mit dem Geld zudem den Wohnraum für die Mutter erst neu geschaffen. Nach den Umständen des Falles liegt auch hierin eine nicht zu vernachlässigende Gegenleistung.

Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass der mit dem „Baukostenzuschuss“ geschaffene Wert in Form des Hauses im Vermögen der Beklagten noch vorhanden ist, worauf der Kläger schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachdrücklich hingewiesen hat. Das ist aber für sich genommen für die Frage, ob eine Schenkung vorliegt oder nicht, unerheblich. Für den Tatbestand einer Schenkung kommt es nicht darauf an, ob der Bedachte einen bleibenden Vermögenszuwachs erfahren hat, sondern ob er dafür eine Gegenleistung erbracht hat. Zu berücksichtigen ist die Dauerhaftigkeit des Vermögenszuwachses sicher bei der Feststellung des Wertes der zugedachten Leistung. Dieser Wert ist dann dem Wert der Gegenleistung gegenüberzustellen und erst und ausschließlich dann entscheidet es sich, ob eine Schenkung vorliegt oder nicht.

Zweifellos hat die Zuwendung der 120.000,00 € zu einer dauerhaften Vermögensmehrung bei der Beklagten geführt. Unstreitig ist das Geld in den Bau des Hauses geflossen, dessen Eigentümerin die Beklagte ist. In welchem Umfang sich die Geldzuwendung allerdings in einer Wertsteigerung des Hauses widerspiegelt, ist zwischen den Parteien streitig. Während der Kläger offenbar davon ausgeht, dass die Wertsteigerung dem Geldwert entspricht, behauptet die Beklagte, dass die Wohnung der Mutter in ihrer jetzigen Gestalt nicht vermietbar sei und mit hohen Kosten umgebaut werden müsse, bevor sie auf dem Wohnungsmarkt verwertbar sei.

Es kommt aber auf diesen Streit nicht an. Jedenfalls steht dem von der Beklagten erlangten Wertzuwachs eine nicht zu unterschätzende eigene Gegenleistung gegenüber. Sie besteht in der Verwendung des Baukostenzuschusses im Sinne der Mutter und unter Zurückstellung der eigenen Lebensplanung.

Die Beklagte hat schriftsätzlich (erstinstanzlich schon im Schriftsatz vom 27.07.2009) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschildert, dass sie ursprünglich ganz andere Wohnpläne gehabt habe. Sie habe mit einem Bekannten in A ein Doppelhaus bauen wollen. Sie hätte eine Haushälfte mit 75 m² Wohnfläche erhalten. Sie habe sich dann von der Mutter überreden lassen, in B zu bauen. Ihre Mutter habe ihr dafür einen Bauplatz angedient, den sie selbst sich für zwei Jahre habe reservieren lassen. Dort habe sie ursprünglich ein Einfamilienhaus für den eigenen Bedarf mit einer Wohnfläche von gut 100 m² errichten wollen. Die Baukosten dafür hätten etwa 150.000,00 € betragen. Letztendlich habe sie sich auf Wunsch der Mutter, die keinesfalls in ein Senioren- und Pflegeheim habe ziehen wollen, zum Bau eines Hauses mit zwei Wohnungen bereitgefunden. Die für die Mutter vorgesehene Wohnung sei nach deren Vorstellungen ausgestattet (so nämlich, dass sie ihre Möbel habe aufstellen können) und behindertengerecht gebaut worden. Sie werde nun durch die Unterhaltung eines für sie zu großen Hauses belastet. Sie müsse nun – was sie nicht gewollt habe – ggf. das Haus mit einem Mieter teilen. Auch lebe sie in B, obwohl ihr bevorzugter Lebensmittelpunkt A gewesen wäre, wo sie nach wie vor engagiert sei.

Dieser Vortrag ist substantiiert und nach dem bei der Anhörung der Beklagten gewonnenen Eindruck des Senats in der mündlichen Verhandlung glaubhaft. Er ist zudem unstreitig. Schon schriftsätzlich hat der Kläger nie bestritten, dass die Klägerin entgegen ihren Vorstellungen nach dem Wunsch der Mutter gebaut habe. Bestritten hat er nur die Behauptung der Beklagten, dass sie nicht bereichert sei (s. etwa Schriftsätze vom 27.05.2009 und 20.07.2010). Der Kläger ist aber auch der vertiefenden Schilderung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat insoweit nicht entgegengetreten, sondern hat auch hier nur wieder darauf abgestellt, dass die Beklagte doch einen bleibenden Vermögenswert erlangt habe. Es ist deshalb als unstreitig davon auszugehen, dass die Beklagte nun durch ein Haus „bereichert“ ist, das weder in seiner Größe noch seiner örtlichen Lage ihren Wünschen entspricht.

Auch die Bereitschaft zur tiefgreifenden Änderung der Lebensplanung ist eine Leistung, die die Vertragsparteien in Geldwert haben honorieren können. Gerade in einer Situation wie der vorliegenden wird deutlich, dass nur der mehrfach erwähnte Maßstab der subjektiven Äquivalenz zu einer angemessenen Bewertung der beiderseitigen Leistungen führt. Es darf eben nicht allein objektiv darauf abgestellt werden, dass die Beklagte eine Vermögensmehrung erhalten hat, sondern es ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Vermögenszuwachs eine aus ihrer Sicht eher ungewollte Bereicherung darstellt.

Es bleibt die Frage, wie hoch die Vertragsparteien die Bereitschaft bewertet haben, dass die Beklagte eine Leistung entgegengenommen hat, die sie objektiv bereichert, mittelbar aber von ihr als dauerhafte Belastung empfunden wird. Eine solche Gegenleistung ist sachgerecht kaum zu bewerten, von dem Bewertungsspielraum der Beteiligten ganz abgesehen. Allein schon diese Ungewissheit steht der Feststellung eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, das den Schluss auf eine teilweise Schenkung zuließe, zwingend entgegen. Es bleibt deshalb bei der vollen Darlegungs- und Beweislast des Klägers für den Schenkungsanteil bei der Zuwendung der 120.000,00 €. Auf der Grundlage der obigen Darlegungen ist die Höhe eines Schenkungsanteils nicht schlüssig dargetan.

4. Das Landgericht hat eine Kürzung des dem Kläger zustehenden Pflichtteilsbetrages wegen einer eigenen Ausgleichungspflicht ihr, der Beklagten, gegenüber abgelehnt. Die Beklagte hat eine entsprechende Kürzung erstinstanzlich wegen von ihr für die Mutter erbrachter Pflegeleistungen nach §§ 2057a, 2316 Abs. 1 BGB geltend gemacht. Das Landgericht hat ihre Pflegeleistungen aber durch die ab dem Jahre 2005 vereinbarte Vergütung und die Verwendung der Einkünfte der Mutter für das gemeinsame Zusammenleben für abgegolten gehalten. Die Beklagte greift dies in der Berufung nicht an.

5. Der Kläger muss sich nach § 2327 BGB auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch in geringem Umfang selbst erhaltene Schenkungen anrechnen lassen. Nach § 2327 BGB sind sog. Eigengeschenke – d. h. Geschenke, die der Anspruchsteller selbst erhalten hat – etwaigen Ergänzungsansprüchen gewissermaßen gegenzurechnen. Bis zur Höhe der Eigenschenkung kann keine Pflichtteilsergänzung verlangt werden.

a) Soweit das Landgericht eine dem Pflichtteilsanspruch gegenzurechnende Schenkung an den Kläger in Höhe von 50.000,00 DM für nicht substantiiert dargetan gehalten hat, greift die Beklagte das Urteil nicht an. Dem erstinstanzlichen Beweisantritt auf Vernehmung der Zeugen C und D und eidliche Vernehmung des Klägers war deshalb nicht nachzugehen.

b) Die Beklagte beanstandet aber weiterhin die unterbliebene Anrechnung der unstreitigen Zahlung von 10.000,00 DM im Jahre 1980 durch die Eltern auf Schulden des Klägers und seiner Ehefrau. Das Landgericht hat gemeint, es sei ungeklärt geblieben, welcher Elternteil das Geld gezahlt habe. Es gebe keinen Erfahrungssatz, dass ein Geldgeschenk hälftig von jedem Elternteil stamme. Es sei im Übrigen nicht erkennbar, dass die Mutter zahlungsfähig gewesen wäre. Dagegen wendet sich die Beklagte zu Recht. Der Kläger muss sich den gezahlten Betrag teilweise auf seinen Anspruch anrechnen lassen.

Es ist schon fraglich, ob nicht im Zweifel durchaus von einer hälftigen Zahlung jedes Elternteils auszugehen wäre. Das gilt zumindest dann, wenn beide Elternteile Einkommen und Vermögen haben. Wenn beide Eltern eine Schenkung leisten, haften sie gesamtschuldnerisch, und für Gesamtschuld gilt intern grundsätzlich hälftige Zahlungspflicht (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB). Doch kommt es darauf nicht einmal an. Der Kläger hat nie in Frage gestellt, dass die Schenkung von beiden Eltern stammte. Schon vorgerichtlich (Schreiben vom 27.05.2009 S. 3, Bl. 42 d.A.) und später auch im Rechtsstreit (Schriftsätze vom 09.10.2009 und 22.09.2010) hat er nie anderes behauptet. Im erwähnten vorgerichtlichen Schreiben hat er sogar ausdrücklich ergänzt, die Zuwendung sei nur zur Hälfte von der Erblasserin gekommen und deshalb auch nicht höher anrechenbar. Auf der Grundlage seines eigenen Vortrags kommt deshalb nur eine Anrechnung der hälftigen Zahlung in Betracht.

Den von der Erblasserin stammenden Anteil an der Zuwendung muss sich der Kläger wiederum nur zur Hälfte anrechnen lassen. Nicht anrechnen lassen muss er sich den Teil der Schenkung an seine Ehefrau (BGH LM 1950 – 1985, § 2327 Nr. 1; Staudinger/Olshausen, Bearb. 2006, § 2327 Rn. 13). Davon, dass die Schenkung an beide erfolgen sollte, ist bei lebensnaher Betrachtung auszugehen. Unstreitig diente die Zahlung der Tilgung einer gemeinsamen Schuld des Klägers und seiner Ehefrau, so dass sie wirtschaftlich zwangsläufig beiden zugute kam. Bei lebensnaher Betrachtung ist deshalb davon auszugehen, dass beide auch Empfänger der Schenkung sein sollten.

Die Anrechnung erfolgt ausschließlich auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch und nicht auch auf den Pflichtteilsanspruch. Für eine Anrechnung auf Letzteren hätte es einer entsprechenden Bestimmung bei der Zuwendung bedurft, die die Beklagte selbst nicht behauptet (Staudinger/Olshausen, § 2327 Rn. 17). Die zeitliche Grenze des § 2315 Abs. 3 BGB gilt für diese Anrechnung nicht (ebd. Rn. 8). Für die Berechnung des anzusetzenden Wertes gilt § 2325 Abs. 2 BGB (ebd. Rn. 17), eine verbrauchbare Sache wie Geld kommt also nicht indexiert mit dem Wert zur Zeit der Schenkung in Ansatz.

6. Die Beklagte macht in der Berufungsbegründung eine Haftungsfreistellung in Höhe des Betrages von 10.000,00 € geltend, den die Erblasserin ihrer, der Beklagten, Tochter geschenkt hat.

a) Der Einwand versteht sich vor dem rechtlichen Hintergrund, dass die Beklagte sowohl als Erbin wie auch als Beschenkte haftet. Diese Haftung ist hinsichtlich des Pflichtteilsergänzungsanspruchs sorgfältig auseinanderzuhalten (Pawlytta in Mayer/Süß u. a., Handbuch des Pflichtteilsrechts, 2. Aufl. 2010, Abschnitt F Rn. 240).

Dass die Beklagte den P f l i c h t t e i l s anspruch des Klägers aus dem Nachlass in vollem Umfang zu erfüllen hat, steht richtigerweise außer Streit. Gegenüber dem Pflichtteils e r g ä n z u n g s anspruch des Klägers kann jedoch eine sich aus § 2328 BGB ergebende Haftungsbeschränkung eingreifen. Ein auf Pflichtteilsergänzung in Anspruch genommener, selbst pflichtteilsberechtigter Erbe soll nicht schlechter stehen als der enterbte Pflichtteilsberechtigte. Nach § 2328 BGB ist er deshalb nur bis zu der Grenze leistungspflichtig, bis zu der ihm sein eigener Pflichtteil einschließlich ihm gebührender Ergänzungen verbleibt. Die Vorschrift beschränkt allerdings nur die Erbenhaftung. Die Beklagte haftet daneben aber auch als Beschenkte nach § 2329 BGB auf Pflichtteilsergänzung. Diese Haftung greift ein, sobald der Erbe (etwa wegen des Einwandes aus § 2328 BGB) aus Rechtsgründen nicht leistungspflichtig ist. Bei mehreren Beschenkten haftet der später Beschenkte vorrangig (§ 2329 Abs. 3 BGB, Grundsatz der Posteriorität). An diese Haftungsreihenfolge anknüpfend verweist die Beklagte den Kläger nun in Höhe von 10.000,00 € an ihre Tochter, weil diese in dieser Höhe unstreitig erst im Jahr 2007 und damit nach der Beklagten beschenkt wurde.

b) Der Einwand ist beachtlich, auch wenn er erstmals in der Berufung erhoben wurde. Die ihm zugrundeliegenden Tatsachen – der Nachlasswert, die Schenkung an die Tochter der Beklagten und die zeitliche Reihenfolge der in Rede stehenden Schenkungen – sind unstreitig. Der Einwand wirkt sich auch tatsächlich aus. Allerdings ist zwischen dem Pflichtteils- und dem Pflichtteilsergänzungsanspruch zu unterscheiden.

aa) Gegenüber dem P f l i c h t t e i l s verlangen kann der Einwand von vornherein nicht geltend gemacht werden. Das ist hier deshalb zu beachten, weil der Pflichtteilsanspruch noch nicht vollständig erfüllt ist. Die Beklagte meint, dass sie als Erbin keinesfalls noch hafte, weil sie im Hinblick auf § 2328 BGB schon über ihre Leistungspflicht hinaus geleistet habe. Der reine Nachlasswert betrage 16.812,80 € gezahlt habe sie schon 35.500,00 €. Die Beklagte übersieht aber, dass sie die Zahlung im anwaltlichen Begleitschreiben vom 30. Oktober 2008 mit einer Tilgungsbestimmung nach § 366 Abs. 1 BGB verbunden hat. Sie hat dort aufgeschlüsselt, welcher Betrag wofür bestimmt sei. Die Tilgungsbestimmung kann sie nicht nachträglich ändern. Deshalb bestimmt sie bindend auch für den Rechtsstreit, in welcher Höhe welcher Anspruchsteil (Pflichtteil oder -ergänzung) noch offen stehen kann. Der Pflichtteilsanspruch steht danach noch in Höhe von 49,45 € offen. Richtigerweise beträgt er 4.203,20 €, gezahlt hat die Beklagte auf ihn wegen eines niedriger angenommenen Nachlasswertes nur 4.153,75 €. Der Fehlbetrag ist ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO berücksichtigungsfähig, auch wenn der Kläger die Klage als Geltendmachung von „Pflichtteilsergänzungsansprüchen“ bezeichnet hat. Tatsächlich hat er den richtigen Pflichtteilsbetrag in die Berechnung des Klagbetrages mit einbezogen. Insoweit besteht kein Zahlungsverweigerungsrecht der Beklagten.

bb) Anderes gilt wegen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs.

Der Betrag, der zur Erfüllung dieses Anspruchs aus dem Nachlass noch zur Verfügung steht, berechnet sich aus dem Nachlasswert (16.812,80 €) abzgl. des eigenen Pflichtteils der Beklagten und des Pflichtteils des Klägers (je 4.203,20 €). An sich wären auch Pflichtteilsergänzungsansprüche der Beklagten dem Zugriff des Klägers entzogen, doch bestehen solche nicht. Wegen der Schenkung an den Kläger im Jahre 1980 hat die Beklagte schon wegen des Ablaufs der Zehnjahresfrist keinen Ergänzungsanspruch. Ein Ergänzungsanspruch gegenüber ihrer Tochter wegen der an sie geflossenen 10.000,00 € besteht nicht, weil sich die Beklagte insoweit nach § 2327 BGB den weit höheren Wert der Schenkung des Hausgrundstücks in T anrechnen lassen muss. Die Beklagte haftet deshalb dem Kläger in Höhe von 8.405,60 € (Nachlasswert abzgl. der Pflichtteilsbeträge) aus dem Nachlass auf Pflichtteilsergänzung. Wegen des darüber hinausgehenden Betrages kann sie die Zahlung verweigern.

Die nachfolgende Berechnung zeigt, dass sich dieser Einwand zu Gunsten der Beklagten auswirkt. Die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs müsste strenggenommen so erfolgen, dass der fiktive Nachlass gebildet und davon unter Abzug des Pflichtteilsbetrages der Ergänzungsbetrag errechnet wird. Weil sich aber bei vorhandenem Aktivnachlass rechnerisch nichts anderes ergibt, wenn der Ergänzungsbetrag ausschließlich anhand der Geschenke ermittelt wird, ist eine so vereinfachte Berechnung zulässig (Staudinger/Olshausen, § 2325 Rn. 84; Palandt/Weidlich, 70. Aufl. 2011, § 2325 Rn. 3 a.E.). Es gilt mithin folgende Berechnung:

Wert des geschenkten Grundstücks (s.o.) 125.000,00 €

Schenkung an die Tochter der Beklagten 10.000,00 €

Ergänzungspflichtige Geschenke insg. 135.000,00 €

davon ¼ 33.750,00 €

darauf anzurechnendes Eigengeschenk, § 2327 S. 1 BGB  -1.278,23 €

Ergänzungsanspruch somit 32.471,25 €

darauf gezahlt (35.500,00 – 4.153,75 = ) 31.346,25 €

somit noch offen 1.125, 52 €

Wie ersichtlich, ist zwar noch ein Restbetrag von 1.125,52 € offen, doch hat die Beklagte mit 31.346,25 € bereits weit über den Schutzbetrag hinaus Zahlung zur Pflichtteilsergänzung geleistet. Die Zahlung ist im Rahmen der Einrede des § 2328 BGB in vollem Umfang berücksichtigungsfähig. Die Beklagte ist nicht gehindert, sich darauf zu berufen, dass sie den Zahlbetrag dem Nachlass entnommen hat, soweit dieser dafür ausreichend war. Sie hat zwar, wie erwähnt, ihre Zahlung mit einer Tilgungsbestimmung verbunden. Sie hat dabei aber nicht – was auch eher ungewöhnlich wäre – erklärt, aus welchen Vermögensmassen sie das Geld entnommen hat. Sie kann deshalb darauf verweisen, vorrangig als Erbin geleistet zu haben.

7. Es verbleibt nach Allem ein noch zu zahlender Pflichtteilsbetrag von 49,45 € zzgl. Zinsen. Wegen der weitergehenden Verurteilung hat die Berufung Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

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