Skip to content

Streitwert Pflichtteilsstufenklage – Bemessung der realistischen wirtschaftlichen Erwartungen

Streitwertfestsetzung im Kontext der Pflichtteilsstufenklage

Das Oberlandesgericht München hat in einem Beschluss vom 14.08.2023 unter dem Aktenzeichen 33 W 321/23 e eine wichtige Entscheidung bezüglich der Streitwert Pflichtteilsstufenklage und der Bemessung der realistischen wirtschaftlichen Erwartungen getroffen. Dieser Fall wirft ein Licht auf die oft komplizierten und nuancierten Aspekte der Streitwertfestsetzung im Erbrecht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 33 W 321/23 e >>>

Das Wichtigste in Kürze


  • Parteien streiten über erbrechtliche Ansprüche.
  • Kläger ist der Sohn des verstorbenen Erblassers; Beklagte war dessen Ehefrau.
  • Erblasser setzte die Beklagte in einem notariellen Testament als Alleinerbin ein.
  • Kläger forderte von der Beklagten Auskunft über seinen Pflichtteilsanspruch.
  • Landgericht verurteilte die Beklagte zur Vorlage eines Verkehrswertgutachtens für bestimmte Nachlassgegenstände.
  • Kläger erklärte den Rechtsstreit für erledigt, nachdem die Beklagte 265.000,00 € auf die Pflichtteilsansprüche gezahlt hatte.
  • Streitwert des Verfahrens wurde nach Beschwerde auf bis zu 230.000,00 € festgesetzt.

Die Beschwerde und ihre Relevanz

Die vorliegende Beschwerde, die am 31.01.2023 eingereicht wurde, zielte darauf ab, den Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 25.01.2023 zu ändern. Das Hauptanliegen war die Anpassung des Streitwerts des Verfahrens vor dem Landgericht. Die Beschwerde wurde als zulässig erachtet, und es wurde festgestellt, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Beschwerde im eigenen Namen einlegen kann. Dies basiert auf der Tatsache, dass seine Gebühren sich nach dem für die Gerichtskosten maßgeblichen Streitwert richten.

Kernproblematik der Streitwertfestsetzung

Ein zentrales Thema dieses Falles war die Frage, wie der Streitwert bei einer sogenannten „steckengebliebenen Stufenklage“ festzusetzen ist. Hierbei handelt es sich um eine Stufenklage, die vor einer Entscheidung über die Zahlungsstufe endet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der Vergangenheit klargestellt, dass die maßgebliche Schätzungsgrundlage für die Festsetzung des Verfahrenswertes die „realistischen wirtschaftlichen Erwartungen“ sind, die der Antragsteller zu Beginn des Verfahrens mit dem unbezifferten Antrag in der Leistungsstufe verknüpft.

Besonderheiten erbrechtlicher Stufenklagen

Erbrechtliche Stufenklagen haben oft die Eigenschaft, dass der Pflichtteilsberechtigte möglicherweise keine Kenntnisse über die Zusammensetzung des Nachlasses hat. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn zwischen dem Pflichtteilsberechtigten und dem Erblasser über einen längeren Zeitraum kein Kontakt bestand. In solchen Fällen kann der Pflichtteilsberechtigte oft nicht abschätzen, welchen Wert der Nachlass hat und welche Pflichtteilsansprüche sich daraus ergeben könnten.

Schlussbetrachtung zum Urteil

Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die ursprüngliche Angabe eines vorläufigen Streitwerts von 10.000,00 € nicht zutreffend sein kann. Dies basiert auf der Tatsache, dass dem Kläger auf seine Pflichtteilsansprüche insgesamt 265.000,00 € von der Beklagten gezahlt wurden. Dies deutet auf einen deutlich höheren Grundstückswert in der Größenordnung von 4 Mio. Euro hin. Der Senat kam zu dem Schluss, dass der Streitwert des Verfahrens erster Instanz basierend auf dem tatsächlich gezahlten Betrag und unter Berücksichtigung eines Abschlages festgelegt werden sollte.

➨ Unsicher bei der Streitwertfestsetzung im Erbrecht?

Die Streitwertfestsetzung, insbesondere im Kontext der Pflichtteilsstufenklage, kann eine herausfordernde Angelegenheit sein. Das Oberlandesgericht München hat kürzlich eine wichtige Entscheidung in diesem Bereich getroffen, die für viele Betroffene von Bedeutung sein könnte. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden oder Fragen zur Streitwertfestsetzung im Erbrecht haben, sind Sie nicht allein. Ich biete Ihnen eine fundierte Ersteinschätzung und anschließende Beratung zu Ihrem individuellen Fall an. Gemeinsam finden wir den besten Weg für Ihre rechtlichen Anliegen. Nehmen Sie Kontakt auf und lassen Sie uns Ihre Fragen klären.

✉ jetzt anfragen!

Pflichtteil Stufenklage Streitwert – kurz erklärt


Der Streitwert einer Stufenklage im Kontext des Pflichtteils im Erbrecht ist ein wichtiger Aspekt, wenn es um die Kosten und den Umfang des Rechtsstreits geht. Eine Stufenklage ist eine spezielle Form der Klage im Zivilprozess, die in § 254 der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt ist. Sie wird eingesetzt, wenn der Kläger zunächst Auskunft vom Beklagten benötigt, um anschließend auf Basis dieser Informationen eine präzise Leistungsklage erheben zu können. Der Streitwert für eine reine Auskunftsklage beträgt in der Regel nur einen Bruchteil des Streitwerts einer Stufenklage. Von den Gerichten wird der Streitwert einer solchen reinen Auskunftsklage mit 10-25% des Pflichtteils angenommen. Bei der Stufenklage selbst entspricht der Streitwert in der Regel dem Zahlungsanspruch, zu dem der Erbe am Ende verurteilt wird.


Das vorliegende Urteil

OLG München – Az.: 33 W 321/23 e – Beschluss vom 14.08.2023

Auf die Beschwerde vom 31.01.2023 wird der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 25.01.2023 insoweit abgeändert, als der Streitwert des Verfahrens vor dem Landgericht auf bis zu 230.000,00 € festgesetzt wird.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über erbrechtliche Ansprüche.

Der Kläger ist der Sohn des am xx.xx.2018 verstorbenen Erblassers, die Beklagte war die Ehefrau des Erblassers.

Der Erblasser hatte am xx.xx.2018 ein notarielles Testament errichtet, in dem er die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt hatte.

Mit seiner am xx.xx.2020 erhobenen Klage nahm der Kläger die Beklagte im Wege der Pflichtteilsstufenklage auf der ersten Stufe zunächst auf Auskunft in Anspruch. Seine Pflichtteilsquote bezifferte der Kläger auf 1/16, den Wert seines Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs auf mindestens 10.000,00 € (Bl. 6 der Klageschrift).

Am 04.09.2020 erließ das Landgericht ein Teil-Urteil, in dem die Beklagte zur Vorlage eines Verkehrswertgutachtens hinsichtlich einzelner, zum Nachlass gehörender Gegenstände verurteilt wurde. Die dagegen eingelegte Berufung nahm die Beklagte nach Hinweis des Senats vom 27.01.2021 mit Schriftsatz vom 18.02.2021 zurück.

Mit Schriftsatz des Klägers vom 04.01.2023 erklärte der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und teilte mit, dass die Beklagte auf die Pflichtteilsansprüche des Klägers 265.000,00 € gezahlt habe.

Das Landgericht setzte mit Beschluss vom 25.01.2023 den Streitwert des Verfahrens auf 10.000,00 € fest und erlegte der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auf. Hinsichtlich des Streitwertes der Stufenklage stellte es darauf ab, dass auf die Vorstellungen des Klägers zu Beginn der Instanz abzustellen sei, auch wenn diese nachträglich übertroffen würden. Der dagegen eingelegten Streitwertbeschwerde vom 31.01.2023 des Prozessbevollmächtigen der Beklagten half es mit Beschluss vom 22.03.2023 nicht ab und legte die Akten dem Senat zur Entscheidung vor.

Der Einzelrichter hat das Verfahren mit Beschluss vom 08.08.2022 auf den Senat übertragen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere kann auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Beschwerde im eigenen Namen einlegen, weil sich seine Gebühren nach dem für die Gerichtskosten maßgeblichen Streitwert richten (§ 32 Abs. 1 RVG), so dass der Prozessbevollmächtigte auch dann beschwert ist, wenn der Streitwert zu gering festgesetzt wurde.

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache erfolgreich. Zu Unrecht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der nach § 44 GKG festzusetzende Streitwert lediglich auf 10.000,00 € festzusetzen wäre.

a) Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, wie der Streitwert bei der sogenannten steckengebliebenen Stufenklage, d.h. einer Stufenklage, die vor einer Entscheidung über die Zahlungsstufe endet, festzusetzen ist. Der BGH geht davon aus, dass maßgebliche Schätzungsgrundlage für die Festsetzung des Verfahrenswertes die „realistischen wirtschaftlichen Erwartungen, die der Antragsteller zu Beginn des Verfahrens mit dem unbezifferten Antrag in der Leistungsstufe verknüpft“, sind (BGH, Beschluss vom 02.07.2014, XII ZB 219/13; NZFam 2014, 787; OLG Celle, 6 W 77/02, BeckRS 2002, 30286796; OLG Koblenz, 10 W 171/15, NJW-RR 2015, 832; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 44. Auflage 2023, § 3 Rn. 141 m.w.N.; Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 3 ZPO Rn. 16.160). Nach anderer Ansicht (KG, 16 WF 3196/97, NJW-RR 1998, 1615) sollen hingegen die Erkenntnisse am Ende des Rechtszugs maßgeblich sein, selbst wenn der Anspruch dann nicht mehr beziffert wurde.

b) Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob die herrschende Meinung, die sich überwiegend auf familienrechtliche Entscheidungen bezieht, ohne Weiteres auf die Pflichtteilsstufenklage übertragen werden kann. Denn während in familiengerichtlichen Verfahren, in denen um Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche gestritten wird, die ehelichen Lebensverhältnisse regelmäßig eine realistische Schätzung der Zahlungsansprüche ermöglichen dürften, ist dies bei Pflichtteilsansprüchen nicht ohne Weiteres der Fall.

aa) Erbrechtliche Stufenklagen weisen oft die Besonderheit auf, dass – je nach dem Verhältnis des Erblassers zum Pflichtteilsberechtigten – dieser keinerlei Kenntnisse über die Zusammensetzung des Nachlasses haben muss. Bestand beispielsweise über Jahre kein persönlicher Kontakt zwischen Pflichtteilsberechtigtem und Erblasser, weiß der Pflichtteilsberechtigte möglicherweise nicht einmal, ob überhaupt ein werthaltiger Nachlass vorhanden ist. Konsequenterweise kann er dann auch keinerlei Erwartungen hinsichtlich dessen Zusammensetzung und seiner sich daraus ergebenden Pflichtteilsansprüche haben.

Die Angabe eines „vorläufigen“ Streitwertes verfolgt hier regelmäßig den Zweck, die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zu begründen und einen Vorschuss für die Zustellung der Klage einzuzahlen. Ob allein diese vorläufige Schätzung dann die Grundlage der endgültigen Streitwertfestsetzung bilden kann, erscheint äußerst zweifelhaft.

bb) Selbst wenn man aber der herrschenden Meinung folgt, können maßgeblich für die Streitwertfestsetzung nicht beliebige Angaben der Klagepartei zu Beginn des Verfahrens sein, sondern nur ihre realistischen Erwartungen (BGH, Beschluss vom 02.07.2014, XII ZB 219/13).

Legt man diesen Maßstab vorliegend zugrunde, bezogen sich die Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsergänzungsansprüche des Klägers u.a. auf die im Grundbuch des Amtsgerichts Traunstein, Grundbuch von xx, Band xx Bl. xx, vorgetragene Immobilie bestehend aus Gebäuden und Freiflächen sowie Wald- und Landwirtschaftsflächen vom 388.920 m² und damit auf einen ersichtlich wertvollen Nachlassgegenstand. Die Zugehörigkeit der Immobilie war dem Kläger ausweislich des Schreibens vom 21.08.2019 auch schon bei Klageerhebung bekannt. Auch wenn der Wert der Immobilie gerade erst durch ein Gutachten ermittelt werden sollte, kann ausgeschlossen werden, dass der Kläger dessen Wert auf lediglich 160.000 € geschätzt hat. Nur in diesem Fall – und auch nur dann, wenn der sonstige, sich aus der Anlage K3 ersichtliche Nachlass unberücksichtigt bliebe – wäre die Angabe eines vorläufigen Streitwertes in Höhe von 10.000,00 € plausibel gewesen (Pflichtteilsquote in Höhe von 1/16, bezogen auf 160.000,00 €).

Der Senat geht daher davon aus, dass im vorliegenden Fall die Angabe des vorläufigen Streitwertes nicht zutreffen kann. Für die Bemessung der realistischen wirtschaftlichen Erwartungen des Klägers ist daher auf die Erkenntnisse abzustellen ist, die bei Beendigung des Verfahrens vorliegen und sich hier aus der von den Parteien mitgeteilten Einigung ableiten lassen.

Nachdem dem Kläger auf seine Pflichtteilsansprüche (einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche) insgesamt seitens der Beklagten 265.000,00 € gezahlt worden sind, was, ausgehend von einer Pflichtteilsquote von 1/16, auf einen deutlich höheren Grundstückswert in der Größenordnung von 4 Mio. Euro hindeutet, hält es der Senat für angemessen, den Streitwert des Verfahrens erster Instanz ausgehend vom tatsächlich gezahlten Betrag unter Berücksichtigung eines Abschlages zu bestimmen. Angesichts der erheblichen Diskrepanz zwischen den ursprünglich angegebenen 10.000,00 € und tatsächlich gezahlten 265.000,00 € bedarf die Frage, wann noch von realistischen Erwartungen der Klagepartei bei Beginn des Verfahrens ausgegangen werden kann, keiner Beantwortung.

III.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 68 Abs. 3 GKG.

Die Entscheidung ist unanfechtbar, §§ 68 Abs. 3 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Erbrecht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Erbrecht. Vom rechtssicheren Testament über den Pflichtteilsanspruch bis hin zur Erbausschlagung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Wissenswertes aus dem Erbrecht einfach erklärt

Erbrechtliche Urteile und Beiträge

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!