LG Frankfurt, Az.: 2-17 O 203/13, Urteil vom 27.05.2015
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Bestand und den Verbleib des Vermögens des am 17.1.2013 in Frankfurt am Main verstorbenen K H S zu erteilen, und zwar bezüglich aller Grundstücke, aller Konten bei Banken, Schließfächern, Wertpapieren und Wertpapierdepots.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, alle Schenkungen des Erblassers, die dieser innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall an Dritte vorgenommen hat, zu benennen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Tochter des am 17.1.2013 in Frankfurt am Main verstorbenen Erblassers, während die Beklagte seine vermeintliche Alleinerbin ist.
Der Erblasser hatte am 3.7.2002 ein privatschriftliches Testament errichtet, wonach die Beklagte als Vorerbin und die Klägerin als Nacherbin eingesetzt waren. Für die Beklagte waren keine Nutzungs- oder Verfügungsbeschränkungen vorgesehen, jedoch sollte die Beklagte das Studium der Klägerin finanzieren. Die Beklagte hatte beim Amtsgericht Frankfurt am Main einen Erbscheinantrag gestellt mit dem Ziel, dass der Erblasser von ihr allein beerbt worden sei.
Die Klägerin hatte die Ausschlagung der Erbschaft erklärt und macht insoweit sogenannte Pflichtteilsansprüche geltend. In dem Wertermittlungsbogen des Nachlassgerichts hatte die Beklagte angegeben, dass sich der Nachlassbestand auf einen Betrag von ca. 213.000,00 € belief. Die Klägerin macht nunmehr ¼ des Nachlassbestandes geltend, und somit einen Betrag von 53.248,54 €, was ¼ des Nachlassbestandes entspricht. Die Beklagte verweigert die Auskunft über den Bestand des Nachlasses. Die Beklagte hat jedoch jegliche Auskunft über den tatsächlichen Wert des Nachlasses verweigert und auch keine weiteren Angaben zu den Nachlassgegenständen gemacht.
Vor dem Amtsgericht in Sao Paolo hatte am 11.11.1988 ein Gerichtsverfahren stattgefunden, indem u. a. darum ging, ob die Klägerin die leibliche Tochter des Erblassers ist. In der dem Gericht in Fotokopie vorliegenden Urkunde (Bl. 47/48 GA) ist festgehalten, dass der Erblasser die Vaterschaft der Klägerin anerkannte. Dieses Anerkenntnis war abgegeben worden aufgrund einer durchgeführten Blutuntersuchung, und zwar aufgrund der Durchführung eines Sachverständigenbeweises, wonach der Erblasser die Vaterschaft der Klägerin anerkannte. Darüber hinaus liegt dem Gericht eine Bescheinigung über den Stand des Gerichtsverfahrens vor (Bl. 102 GA), wonach das Oberste Landesgericht des Bundeslandes Sao Paolo bestätigt, dass aufgrund eines zurückgenommenen Einspruchs des Erblassers die Beteiligten zu der außergerichtlichen Einigung kamen, dass der Erblasser der leibliche Vater der Klägerin ist. Die Bescheinigung über den Stand des Gerichtsverfahrens liegt der Kammer darüber hinaus im Original vor und ist mit einer Legalisationsklausel des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland vom 8.7.2014 versehen (Bl. 150 – 152 GA).
Die Kammer hat darüber hinaus durch Beschluss vom 3.9.2014 (Bl. 155/156 GA) ein Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg eingeholt, das am 23.10.2014 (Bl. 157/158 GA) erteilt wurde und welches den Parteien zur Kenntnisnahme zugeleitet wurde.
Die Beklagte hat die bisher erwünschten Auskünfte nicht erteilt.
Die Klägerin behauptet, es sei ausreichend nachgewiesen, dass sie die leibliche Tochter des verstorbenen Erblassers sei.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,
I.
Auskunft über den Bestand und den Verbleib des am 17.1.2013 in Frankfurt am Main verstorbenen K H S zu erteilen durch ein notarielles Bestandsverzeichnis mit Wertangaben über den gesamten, tatsächlichen und fiktiven Nachlass des Erblassers. Dies hat insbesondere zu enthalten:
1. Sämtliche Grundstücke mit genauen Lageangaben, Angaben über Bebauung und Grundbuchbelastungen, sowie Angaben der Grundbuch- und Flurbezeichnungen.
2. Den Bestand sämtlicher Konten, Schließfächer, Wertpapiere und Wertpapierdepots, Wertsachen, Forderungen u. ä.
3. Die sonstigen Wertsachen des Erblassers, wie PKW, Uhren, Antiquitäten usw.
4. Sämtliche weiteren Aktiva des Nachlasses.
5. Sämtliche Schenkungen des Erblassers, die dieser innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall an Dritte bzw. in der gesamten Ehezeit an die Beklagte getätigt hat.
6. Alle Zuwendungen (Vorempfänge), die nach den §§ 2050 ff. BGB unter den Abkömmlingen zur Ausgleichung zu bringen sind.
7. Sämtliche Lebensversicherungen des Erblassers und sonstige Verträge zugunsten Dritter.
8. Sämtliche Nachlassverbindlichkeiten. Dies sind neben den Schulden des Erblassers auch die durch den Erbfall selbst entstandenen Verbindlichkeiten.
9. Sämtliche Gegenleistungen, welche die Beklagte für die Weggabe von Nachlassgegenständen erhalten haben.
10. Auskunft über den Güterstand, in welchem der Erblasser gelebt hat.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie erwidert, die Klägerin sei nicht das leibliche Kind des verstorbenen Erblassers, weil ein sogenanntes Vaterschaftsanerkenntnis nicht vorliege. Die Wirksamkeit des Beschlusses des Gerichts in Sao Paolo vom 11.11.1988 werde ausdrücklich bestritten. Es liege auch kein Urteil des Gerichts in Sao Paolo vor, aus dem sich ergebe, dass die Klägerin die Tochter des verstorbenen Erblassers gewesen sei.
Wegen des übrigen des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst den dazu eingereichten Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des Auskunftsanspruchs begründet, so dass dementsprechend ein Teilurteil zu ergehen hat (§ 301 Abs. 1 ZPO). Da zu erwarten ist, dass die Beklagte sich mit dem Rechtsmittel der Berufung gegen dieses Teilurteil wehren wird, ist vorab rechtskräftig darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen vorliegen, wonach die Klägerin als leibliches Kind des Erblassers einen Anspruch auf Auskunft des Nachlassbestandes hat. Die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat in der letzten mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausdrücklich erklärt, dass sie ein die Beklagte verurteilendes Urteil anfechten werde.
Da die Klägerin nur sogenannte Pflichtteilsansprüche geltend macht, ergibt sich diesbezüglich der Auskunftsanspruch der Klägerin aus § 2314 BGB, wonach nach Abs. 1 Satz 2 der Pflichtteilsberechtigte und damit die Klägerin verlangen kann, dass sie bei der Aufnahme des ihr nach § 260 BGB vorzulegenden Nachlassgegenstände zugezogen wird, und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird.
Darüber hinaus kann die Klägerin verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird. Dies setzt allerdings voraus, dass ein Pflichtteilsanspruch der Klägerin besteht, wovon die Kammer aufgrund des Vortrages der Parteien, des eingeholten Gutachtens des Max-Planck-Instituts in Hamburg ausgeht und aufgrund eigener rechtlicher Bewertung.
Dabei hat die Kammer in Anwendung der Vorschriften der §§ 328 ZPO, 109 FamFG davon auszugehen, dass ein ausländisches Urteil grundsätzlich anzuerkennen ist. Es ist nicht erforderlich, dass nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland nochmals die Durchführung einer Vaterschaftsanerkennung zu erfolgen hat, zumal dies mit Schwierigkeiten verbunden sein dürfte, denn der Erblasser ist inzwischen verstorben. Dies wäre nur dann möglich, wenn er noch lebte, um die Möglichkeit zu eröffnen, aufgrund einer durchzuführenden Blutuntersuchung die Abstammung der Klägerin durchzuführen. Aufgrund der der Kammer vorliegenden Urkunden ist jedoch sichergestellt, dass die Vaterschaftsanerkennung aufgrund eines Sachverständigenbeweises in Brasilien durchgeführt wurde.
Häufig begegnen Vaterschaftsfeststellungen, die ohne medizinisches Gutachten ergehen, etwa allein aufgrund von Aussagen der Mutter und etwaiger Zeugen, gewissen Zweifeln, jedoch verstößt auch dies nicht unbedingt und per se gegen die deutschen Mindeststandards, selbst wenn ein deutsches Gericht in ähnlich gelagerten Fällen gehalten wäre, ein medizinisches Gutachten einzuholen (BGH NJW 1997, 2051; OLG Hamm, FamRZ 2003, 1855; Prütting/Helms FamFG, 3. Aufl., § 109 Rz 61). Daraus ergibt sich, dass im Ausland nicht unbedingt eine Vaterschaftsfeststellung aufgrund eines eingeholten Sachverständigengutachtens erforderlich ist, die jedoch im vorliegenden Fall sogar erfolgt ist, so dass auch insoweit den Mindeststandards Genüge geleistet wurde.
Die Anerkennung ist nur zu verweigern, wenn das ausländische Gericht die Vaterschaft ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens und nur gestützt auf die Aussage einer Zeugin vom Hören Sagen festgestellt hat, obwohl der Antragsgegner jeden geschlechtlichen Verkehr mit der Mutter geleugnet hat und angeboten hat, an der Erstellung eines von ihm angeregten Vaterschaftsgutachtens mitzuwirken. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn nach den dem Gericht vorliegenden Urkunden ist davon auszugehen, dass in Brasilien eine entsprechende Feststellung nur aufgrund eines Sachverständigenbeweises erfolgte. Es ist deshalb unerheblich, wenn nunmehr die Beklagte einwendet, der Erblasser habe während der Empfängniszeit mehrfach mit verschiedenen Partnerinnen Geschlechtsverkehr gehabt; im Strafrecht werden derartigen Thesen als Schutzbehauptung gewertet, was völlig zutreffend ist.
Nach der bereits erwähnten Vorschrift des § 109 FamFG ist eine Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nur ausgeschlossen, wenn die Gerichte des anderen Staates nach deutschem Recht nicht zuständig sind, wenn einem Beteiligten, der sich zur Hauptsache nicht geäußert hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig mitgeteilt worden ist, dass er seine Rechte wahrnehmen konnte, wenn die Entscheidung mit einer hier zu erlassenden oder anzuerkennenden früheren ausländischen Entscheidung nicht vereinbar wäre oder wenn das ihr zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist oder wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Diese Voraussetzungen sind sozusagen unstreitig nicht gegeben.
Der deutsche ordre public verlangt lediglich, dass es bei entsprechender Inhaltsbeziehung einem Kind möglich sein muss, ein als unrichtig erachtetes Abstammungsverhältnis zu beenden (Prütting/Helms, Rz 62).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass keine schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, stellt dies allein für sich keinen Verstoß gegen den ordre public Grundsatz dar. Allerdings wird die Prüfung des erstinstanzlichen Urteils auf eine Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public erschwert. Ein non liquet geht zu Lasten der siegreichen Partei, jedoch liegen auch diesbezüglich keine entsprechenden Tatsachen vor, denn dazu hätte es eines entsprechenden Vortrages bedurft, wonach die Beklagte geltend machen müsste, dass die Anerkennung der Vaterschaft gegen die Grundsätze des ordre public verstößt (vgl. dazu im einzelnen Zöller/Geimer, ZPO, 30 Aufl., § 328 Rz 257).
Nach den Regeln des internationalen Zivilprozessrechts hat der deutsche Richter ausländisches Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes ausgelegt und anwendet. Vor allem hat er sich davor zu hüten, den ausländischen Rechtsregeln eine eigene Interpretation zu geben (vgl. dazu Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl. Rz 2596). Andernfalls wäre der Sinn der kollisionsrechtlichen Verweisungen verfehlt und das Ergebnis wäre ein fiktives, weil mit der tatsächlichen Handhabung das ausländische Recht ignoriert würde. Im Ergebnis müsste und würde dies bedeuten, dass ausländische Entscheidungen nicht anzuerkennen wäre, womit das Ende des internationalen Privatrechts vorgegeben wäre. Dies berücksichtigt die Beklagte bzw. ihre Prozessbevollmächtigte überhaupt nicht.
Die Regeln des deutschen Rechts sind ausnahmsweise nur dann vorrangig anzuwenden, wenn über das ausländische Recht keinerlei Informationen zu erlangen sind, wovon jedoch vorliegend nicht annäherungsweise ausgegangen werden kann, denn durch die vorgelegten Urkunden ist nachgewiesen, dass die Klägerin von dem Erblasser abstammt.
Jedes andere Ergebnis würde auch dazu führen, dass die Klägerin ihrer Ansprüche verlustig gehen müsste, weil es vom Denkansatz her keine Möglichkeit mehr gibt, die tatsächliche Abstammung der Klägerin von dem Erblasser zu beweisen. Dies ist durch das in Brasilien durchgeführte Gerichtsverfahren bestätigt und die Beklagte macht auch keine Bedenken in der Hinsicht substantiiert geltend, wonach das Urteil des Gerichts in Brasilien dem Grundsatz des ordre public widersprechen würde. Dabei kommt auch zum Tragen, dass das ausländische Recht insoweit irrevisibel ist, und zwar insoweit als die Verletzung von Auslegungsregeln gerügt würde, denn auch die Auslegung ist Rechtsanwendung auf der Basis der ausländischen Rechtsordnung (vgl. dazu Geimer, Rz 2601).
Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach der einschlägigen Rechtsprechung des BGH (NJW 1986, 2193; NJW 1997, 2051) sogar ein die Anerkennung eines ausländischen Urteils ausschließender Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public nicht vorliegt, wenn das ausländische Gericht allein aufgrund der Aussage der Mutter eine Vaterschaft festgestellt hat, weil eine Begutachtung des mutmaßlichen Vaters nicht möglich war. Da jedoch im vorliegenden Fall die Feststellung der Vaterschaft aufgrund eines durchgeführten Sachverständigengutachtens in Brasilien erfolgte, liegt noch nicht einmal diese Ausnahmevoraussetzung vor, so dass das Verfahren in Brasilien mehr Voraussetzungen erfüllt, als der nach hier einschlägigen Rechtsprechung des BGH vorliegen müssten.
Die Klägerin hat jedoch nicht einen Auskunftsanspruch über sämtliche in den Klageanträgen gestellten Begehren, sondern nur bezüglich des Umfangs, wie er im Tenor festgestellt ist, wobei sich die Kammer dabei auf die Vorschriften der §§ 2314, 2325 BGB bezieht.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO.