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Testamentsanfechtung wegen Motivirrtums

Testamentsauslegung und Erbfolge: OLG Brandenburg entscheidet über umstrittenes Testament

In einem kürzlich ergangenen Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg (Az.: 3 W 101/21) wurde die Beschwerde von Erben gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Cottbus (Az. 23 VI 287/19) zurückgewiesen. Der Fall betrifft die Auslegung eines Testaments und die daraus resultierende Erbfolge nach dem Tod des Erblassers, der viermal verheiratet war und mehrere Kinder hatte.

Direkt zum Urteil Az: 3 W 101/21 springen.

Hintergrund des Falls: Vier Ehen und ein umstrittenes Testament

Der Erblasser war viermal verheiratet und hatte mehrere Kinder aus verschiedenen Ehen. Seine letzte Ehefrau war die Beteiligte zu 1. Aus der ersten Ehe stammte der im Jahr 1994 vorverstorbene Vater der Beteiligten zu 3, während der Beteiligte zu 2 ein Sohn des Erblassers aus dessen zweiter Ehe war. Weitere Kinder hatte der Erblasser nicht.

Am 02.01.2013 errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er seine damalige Ehefrau zur Vorerbin einsetzte und die beiden Söhne seiner Ehefrau als Nacherben bestimmte. Darüber hinaus verfasste der Erblasser am 01.08.1989 ein handschriftliches Schriftstück, in dem er seine damalige Ehefrau zur Alleinerbin bestimmte und seinen Sohn aus der zweiten Ehe (Beteiligter zu 2) als Empfänger seiner Luftfahrtsammlung einsetzte.

Streitpunkt: Auslegung des Testaments und Erbfolge

Die Frage, die das Gericht zu klären hatte, war, ob das handschriftliche Schriftstück vom 01.08.1989 als Testament anzusehen ist und welche Auswirkungen dies auf die Erbfolge hat. Die Beschwerdeführer argumentierten, dass das handschriftliche Schriftstück als Testament anzusehen sei und damit die Regelungen des notariellen Testaments aus dem Jahr 2013 aufheben würde.

Entscheidung des Gerichts: Beschwerde zurückgewiesen

Das OLG Brandenburg entschied, dass die Beschwerde der Beschwerdeführer zurückzuweisen ist. Das handschriftliche Schriftstück vom 01.08.1989 wurde nicht als Testament angesehen, da es nicht die erforderliche Testierfreiheit des Erblassers zum Ausdruck bringt. Zudem hat der Erblasser im notariellen Testament ausdrücklich sämtliche früheren Verfügungen von Todes wegen aufgehoben und widerrufen.

Daher bleibt das notarielle Testament aus dem Jahr 2013 gültig und regelt die Erbfolge. Die Beschwerdeführer wurden zur Tragung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 als Gesamtschuldner verurteilt.

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Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 101/21 – Beschluss vom 11.01.2022

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 15.06.2021, Az. 23 VI 287/19, wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1 tragen die Beschwerdeführer als Gesamtschuldner; seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beschwerdeführer selbst.

3. Beschwerdewert: 30.000 €

Gründe

I.

Testamentsanfechtung wegen Motivirrtums
(Symbolfoto: burdun/123RF.COM)

Der Erblasser war viermal verheiratet, zuletzt mit der Beteiligten zu 1. Aus der ersten Ehe des Erblassers stammte der im Jahr 1994 vorverstorbene Vater der Beteiligten zu 3. Der Beteiligte zu 2 ist ein Sohn des Erblassers aus dessen zweiter Ehe mit der am 14.11.1992 vorverstorbenen L… U…. Weitere Kinder hatte der Erblasser nicht.

Der Erblasser errichtete am 02.01.2013 vor dem Notar U… M… in Göppingen ein notarielles Testament, in dem es unter anderem heißt:

„ § 1

Ich stelle fest, dass ich weder durch gemeinschaftliches Testament noch durch Ehevertrag gehindert bin, frei von Todes wegen zu verfügen.

Ich hebe sämtliche evtl. früheren Verfügungen von Todes wegen auf und widerrufe sie ausdrücklich.

§ 2

Zu meiner alleinigen Vorerbin setze ich ein

meine Ehefrau L… U… …

Sie ist von allen gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreit, soweit dies gesetzlich zulässig ist.

Die Nacherbfolge tritt ein mit dem Tod der Vorerbin.

§ 3

Als Nacherben setze ich ein die beiden Söhne meiner vorgenannten Ehefrau

– je zur Hälfte – ….“

Darüber hinaus verfasste der Erblasser mit Datum vom 01.08.1989 ein Schriftstück, in dem es heißt:

„Verfügung

Sofern mich meine Ehefrau L… überlebt, soll sie Alleinerbin meines gesamten Sach- und Geldvermögens werden. Nach ihrem Tod soll unser gemeinsamer Sohn P… meine Geschlossene Luftfahrtsammlung erhalten. Diese umfasst ….,

Die überwiegend flughistorischen Sachwerte erhält P…, nachdem er sich Zeit seines Lebens für meine fliegerischen Belange eingesetzt hat u. weil er sich nach Lehrabschluss ab 01.08.1989 finanziell am Unterhalt der Familie mit z. Zt. 500,- DM monatlich beteiligt. …“

Das Schriftstück ist vom Erblasser unterschrieben. Auf der rechten unteren Seite haben unter den Worten „zur Kenntnis“ auch die damalige Ehefrau des Erblassers und der Beteiligte zu 2 unterschrieben.

Mit anderem Schreibgerät findet sich unten rechts ein weiterer handschriftlicher Zusatz „b.w.“ und ein mit rotem Stift gezeichneter nach rechts zeigender Pfeil.

Auf der Rückseite steht, datiert auf den 15.04.1991, folgender vom Erblasser geschriebener Text:

„P… hat 1989, 1990 und 1991 mit großem Geld u. Zeitaufwand das Haus teilweise und den 1. Stock (…) ganz restauriert.

Dieser soll ihm deshalb nach unserem Tod zufallen. D.h. R…  soll in den Besitz des 2. Stocks gelangen!

Da P… ab 01.01.1991 praktisch sein ganzes Einkommen zum Unterhalt seiner Eltern einsetzt, hoffe ich hiermit eine gerechte Regelung gefunden zu haben.“

Dieser Text ist vom Erblasser und seiner damaligen Ehefrau L… U… unterschrieben.

In einem auf den 14.09.2012 datierten, vom Erblasser unterschriebenen Schriftstück heißt es:

„Liebe K… und P…!

Obwohl es mir finanziell nicht leicht fällt, braucht ihr ab sofort keine Miete mehr zu bezahlen.

Ich erkläre hiermit auch, dass eure jetzige Wohnung in euren Besitz übergeht.

Sie ist ab heute, euer Eigentum!“

Im Jahr 2014 verkaufte der Erblasser seine Flugzeugsammlung für 150.000 € an das Museum für Verkehr und Technik in B….

Im Jahr 2018 wurde für den Erblasser Betreuung für den Aufgabenkreis Haus- und Grundstücksangelegenheiten angeordnet. Zur Betreuerin wurde die Beteiligte zu 1 bestellt.

Im Anhörungsvermerk des Betreuungsrichters heißt es: „Es ist davon auszugehen, dass der Betroffene aufgrund seiner Demenz den Anhörungsinhalt nicht ganz versteht.“

Die Beteiligte zu 1 begehrt im vorliegenden Verfahren, gestützt auf das notarielle Testament vom 02.01.2013, einen Erbschein, der sie als Alleinerbin und die im Testament genannten Personen als Nacherben ausweist. Der Beteiligte zu 2. begehrt, gestützt auf die Verfügungen vom 10.08.1989 und vom 15.04.1991, einen Erbschein, der ihn und die Beteiligte zu 3 als Erben zu je ½ ausweist.

Er meint, bei den Verfügungen vom 10.08.1989 und vom 15.04.1991 handle es sich um ein gemeinschaftliches Testament des Erblassers und seiner damaligen Ehefrau, aufgrund dessen der Erblasser daran gehindert gewesen sei, anderweitig zu verfügen. In diesem Testament seien er und der Vater der Beteiligten zu 3 als Schlusserben eingesetzt worden. Dies sei auch wechselbezüglich erfolgt. Das dem gemeinschaftlichen Testament widersprechende notarielle Testament vom 02.01.2013 sei deshalb unwirksam.

Darüber hinaus sei der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 02.01.2013 testierunfähig gewesen. Er sei bereits zu diesem Zeitpunkt dement gewesen.

Ferner fechten die Beteiligten zu 2 und 3 das Testament wegen eines Motivirrtums an. Sie vermuten, die Beteiligte zu 1 habe das Geld aus dem Verkauf der Flugzeugsammlung missbräuchlich für den Erwerb einer eigenen Eigentumswohnung verwendet. Es habe auch nicht dem Willen des Erblassers entsprochen, dass die Beteiligte zu 1 sein Hausgrundstück veräußert habe. Hätte der Erblasser gewusst, dass die Beteiligte zu 1 sein Haus verkaufen und damit dem Beteiligten zu 2 die ihm zugedachte Wohnung verliere, hätte er die Beteiligte zu 1 nicht als Alleinerbin und ihre Söhne nicht als Nacherben eingesetzt.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat mit Beschluss vom 15.06.2021 die Tatsachen, die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlich sind, als festgestellt erachtet und den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.

Das Testament sei wirksam errichtet worden. Der Erblasser sei weder aufgrund des Testaments vom 01.08.1989 noch aufgrund des Testaments vom 15.04.1991 gebunden gewesen. Bindend seien nur wechselseitige Verfügungen. Die genannten Testamente enthielten aber bereits keine Verfügungen der damaligen Ehefrau des Erblassers über deren Nachlass. Nur der Erblasser habe darin über sein Vermögen verfügt.

Das Testament sei auch nicht wegen fehlender Testierfähigkeit des Erblassers unwirksam. Die von den Beteiligten zu 2 und 3 geschilderten Umstände enthielten keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser bereits Anfang 2013 dement gewesen sei, so dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Testierfähigkeit nicht in Betracht komme.

Das notarielle Testament sei auch nicht aufgrund einer wirksamen Anfechtung nichtig. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Erblasser anders testiert hätte, wenn er das zukünftige Verhalten der Beteiligten zu 1 gekannt hätte.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3, denen das Nachlassgericht nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

Die Beteiligten zu 2 und 3 tragen vor, die damalige Ehefrau des Erblassers habe auch selbst Vermögen besessen. Sie habe auch einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau des Vermögens des Erblassers geleistet, an dem ihr ein erheblicher Zugewinnausgleichsanspruch zugestanden hätte. Sie habe ein großes Interesse daran gehabt, dass das Vermögen des Erblassers, zu dem sie selbst beigetragen habe, letztlich dem Beteiligten zu 2 und dem Vater der Beteiligten zu 3 zugute kam. Daraus, dass sie die Verfügungen beide selbst mitunterzeichnet habe, ergebe sich, dass es sich hierbei um eine gemeinsame letztwillige Verfügung habe handeln sollen. Diese habe durch ein späteres Testament nicht mehr abgeändert werden können.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind ferner der Ansicht, das Nachlassgericht habe seinen Amtsermittlungsgrundsatz verletzt, da es der Frage der Testierfähigkeit nicht weiter nachgegangen sei und kein Sachverständigengutachten eingeholt habe. Es sei bereits erstinstanzlich die Einvernahme der den Erblasser behandelnden Ärztin angeboten worden. Dies habe bereits anlässlich einer Behandlung Ende 2013 eine Demenz diagnostiziert.

Bereits im Jahr 2011 und 2012 sei aufgefallen, dass er regelmäßig Sätze mehrfach wiederholt habe.

Auch habe das Nachlassgericht zu Unrecht die Anfechtung des Testaments für nicht wirksam erachtet.

Der Erblasser sei irrtümlich davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 2 hinsichtlich seiner Flugzeugsammlung einen Brand verursacht habe. Die Beteiligte zu 1 habe im Zuge des Verfahrens über die Genehmigung des Hausverkaufs gesagt, der Erblasser wolle mit dem Beteiligten zu 2 nichts mehr zu tun haben, weil dieser einen Wohnungsbrand verursacht habe. Dies sei falsch. Es habe lediglich durch Brandstiftung einen Brand in der Halle, in der seine Flugzeugsammlung gestanden habe, gegeben, mit dem der Beteiligte zu 2 nichts zu tun gehabt habe. Die Beteiligte zu 1 müsse den Erblasser entsprechend manipuliert haben. Dies habe ihn besonders hart getroffen und dazu veranlasst, sein Testament zu ändern.

Auch die Aussage der Beteiligten zu 1 im Betreuungsverfahren, dass seit 2002 aufgrund eines Brandes das Verhältnis zu dem Beteiligten zu 2 zerbrochen sei, sei nachweislich falsch, ebenso die Aussage der Beteiligten zu 1 im Betreuungsverfahren, dass der Erblasser keine Rente habe und seine Altersversorgung durch Brandstiftung zerstört worden sei, sei falsch. Die Luftfahrtsammlung sei am 03.05.2014 für 150.000 € veräußert worden.

II.

Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beteiligte zu 1 ist aufgrund des notariellen Testaments des Erblassers vom 02.01.2013 dessen Alleinerbin geworden.

Der Wirksamkeit dieser Erbeinsetzung stehen keine bindenden wechselbezüglichen Verfügungen des Erblassers in den letztwilligen Verfügungen vom 01.08.1989 und vom 15.04.1991 entgegen, weil es sich bei der dortigen Verfügungen zugunsten des Beteiligten zu 2 und des Vaters der Beteiligten zu 3 um keine wechselbezügliche Verfügung im Sinne des §2270 BGB handelt, die mit dem Vorversterben der Ehefrau gemäß §2271 Abs.2 S.1 BGB unwiderruflich geworden wäre. Der Erblasser konnte diese Verfügungen daher wirksam widerrufen.

Eine Wechselbezüglichkeit der Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament setzt gemäß § 2270 Abs.1 BGB voraus, dass aus dem Zusammenhang des Motivs heraus die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, also nach dem Willen der Eheleute die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll (vgl. BayObLG, Beschluss vom 2.7.1985 – BReg 1 Z 42/85, RPfleger 1985, 445, Rn. 46 m.w.N.; Grüneberg-Weidlich, BGB, 1. Auflage, § 2270 Rn. 1 m.w.N.;Staudinger/Kanzleiter (2019) BGB § 2270 Rn. 4; S.Kappler/T.Kappler – kurz: Kappler – in Erman, BGB, 16. Auflage 2020 § 2270 Rn. 1 f., jew. m.w.N.).

Dass die Verfügung eines Ehegatten die Bindungswirkung des § 2271 BGB entfalten kann, setzt also ein gemeinschaftliches Testament beider Ehegatten voraus, was nur dann der Fall ist, wenn eine eigene letztwillige Verfügung jedes der Beteiligten enthalten ist. Verfügt nur einer der Beteiligten, so handelt es sich nicht um ein gemeinschaftliches, sondern ein einseitiges Testament, auch wenn der andere zustimmt (Burandt/Rojahn/Braun, 3. Aufl. 2019, BGB § 2265 Rn. 5; Staudinger/Kanzleiter, Vorbem. zu §§ 2265 ff. Rn.13). Hier fehlt es, wie das Nachlassgericht zutreffend ausgeführt hat, an einer Verfügung der damaligen Ehefrau des Erblassers, so dass kein gemeinschaftliches Testament vorhanden ist. Jeder Erblasser kann nur Verfügungen bezüglich seines eigenen Nachlasses treffen (Burandt/Rojahn/Große-Boymann, 3. Aufl. 2019, BGB § 1937 Rn. 12).

Die Verfügung vom 01.08.1989 enthält nur Verfügungen des Erblassers selbst bezüglich seines eigenen Nachlasses. Er setzt darin seine erste Ehefrau als Alleinerbin ein und bestimmt zugunsten des Beteiligten zu 2 ein Vermächtnis hinsichtlich der Luftfahrtsammlung. Die Ehefrau hat die Verfügung zwar mit unterschrieben. Dies macht das Testament aber nicht zu einem gemeinschaftlichen Testament, da ihm keine eigene Verfügung der Ehefrau im Hinblick auf ihren eigenen Nachlass zu entnehmen ist. Diese bestimmt weder einen Erben noch setzt sie selbst ein Vermächtnis aus. Der Unterschrift kommt damit über die reine Kenntnisnahme oder Zustimmung keine eigenständige Bedeutung zu.

Gleiches gilt für die Verfügung vom 15.04.1991. In dieser trifft der Erblasser ergänzend zu seiner Verfügung vom 01.08.1989 weitere Anordnungen bezüglich des Wohnhauses. Dieses stand unstreitig in seinem Alleineigentum, so dass auch insoweit keine eigene letztwillige Verfügung der Ehefrau erkennbar ist.

2.

Das notarielle Testament ist auch nicht aufgrund der fehlenden Testierfähigkeit des Erblassers unwirksam. Dass das Nachlassgericht kein Sachverständigengutachten über die Testierfähigkeit eingeholt hat, verstößt nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz. Auch nach dem Beschwerdevorbringen ist es nicht erforderlich, ein solches Gutachten einzuholen. Ebensowenig war es erforderlich, die Hausärztin des Erblassers als Zeugin zu vernehmen.

a)

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Um testierfähig zu sein, muss der Erblasser Inhalt und Tragweite seiner letztwilligen Verfügungen verstehen können. Insbesondere muss er in der Lage sein, sich ein Urteil zu bilden über die Auswirkungen seiner Verfügungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen. Entsprechend selbstständig, also unabhängig von den Einflüssen Dritter, muss er handeln .

b)

Nach § 352 e FamFG hat das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren unter Benutzung der vom Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen vorzunehmen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Dem entspricht verfahrensrechtlich § 26 FamFG, der verlangt, dass das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen hat. Welche Nachforschungen geboten sind, bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Die von Amts wegen einzuleitenden und durchzuführenden Ermittlungen sind so weit auszudehnen, wie es die Sachlage erfordert; mit anderen Worten muss das Verfahren geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die zu treffende Entscheidung zu erlangen. Die richterliche Aufklärungspflicht ist aber nur dann verletzt, wenn Ermittlungen, zu denen nach dem Sachverhalt als solchem und dem Vorbringen der Beteiligten Anlass bestand, nicht durchgeführt worden sind; die Ermittlungen können abgeschlossen werden, wenn von weiteren Maßnahmen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist. Eine Grenze für die Amtsermittlung ist erreicht, wenn diese sozusagen „ins Blaue“ hinein geschähe oder das Gericht einer lediglich denkbaren, rein theoretischen Möglichkeit nachginge. Bei der Aufklärung haben die Beteiligten, wie sich aus § 27 Abs. 1 und 2 FamFG ergibt, durch eingehenden Tatsachenvortrag mitzuwirken. Ihrer Mitwirkungs- und Verfahrensförderungslast genügen sie, indem ihr Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür geben, in welche Richtung es seine Ermittlungen durchführen soll (OLG Hamm, Beschluss vom 15.11.2019 – 10 W 143/17; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2013, 782; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21. April 2015 – 11 Wx 82/14 -, juris).

Die Klärung der im Wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei dem Erblasser gegeben waren, verlangt vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, sodann Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen. Bestehen dann weiter Zweifel an der Testierfähigkeit, sind diese regelmäßig durch das Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären, wobei der Sachverständige anhand von Anknüpfungstatsachen den medizinischen Befund nicht nur festzustellen, sondern vor allem dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers zu klären hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4.11.2013 – I-3 Wx 98/13).

c)

Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen an die Verpflichtung zur Amtsaufklärung gem. § 26 FamFG bestand kein Anlass, der Frage der Testierfähigkeit des Erblassers durch Einholung einer Auskunft der von dem Beschwerdeführer angegebenen Ärztin oder eines Sachverständigengutachtens weiter nachzugehen. Es fehlt bereits an jeglichen Anhaltspunkten für konkrete auffällige Verhaltensweisen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung, insbesondere an solchen, die darauf hindeuten könnten, dass er (wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen) nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Bedeutung der von ihr abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und (unbeeinflusst von fremdem Willen) nach dieser Einsicht zu handeln. Zeitnahe geistige Ausfallerscheinungen des Erblassers sind weder beschrieben noch sonst ersichtlich. Der Beteiligte zu 2, der bis zum Jahr 2017 in einem Haus mit dem Erblasser gelebt und dessen Zustand näher hätte beschreiben können, hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, dass und ab wann solche Ausfallerscheinungen bei dem Erblasser konkret in Erscheinung getreten seien, zumal er auch selbst offenbar davon ausgeht, dass der Erblasser noch im Jahr 2014 einen wirksamen Kaufvertrag über seine Luftfahrtsammlung zu einem Kaufpreis von immerhin 150.000 € hat abschließen können. Die Beschwerdeführer berufen sich allein darauf, dass der Erblasser bereits 2009 an einer auffälligen Störung des Kurzzeitgedächtnisses sowie an Angststörungen gelitten habe und im Zeitraum 2011 bis 2012 aufgefallen sei, dass er regelmäßig Sätze wiederhole. Dies ist zu allgemein gehalten und ein häufig anzutreffender Zustand, der keinen Rückschluss auf den Geisteszustand eines Menschen und seine Testierfähigkeit zulässt.

d)

Soweit der Beschwerdeführer pauschal angegeben hat, die den Erblasser behandelnde Ärztin habe bereits anlässlich einer Behandlung Ende 2013 eine Demenz diagnostiziert, ergibt sich auch daraus keine weitergehende Amtsermittlungspflicht. Allein die Diagnose „Demenz“ ein Jahr nach Errichtung eines Testamentes lässt keinen Rückschluss auf den tatsächlichen geistigen Zustand des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments ein Jahr zuvor zu. Nur wenn der Erblasser so schwer an Demenz erkrankt war, dass er nicht mehr in der Lage war, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, läge eine Testierunfähigkeit vor. Ob dies der Fall war, lässt sich – wie dargelegt – nur feststellen, wenn darüber hinaus aufgrund von konkret geschilderten Verhaltensweisen des Erblassers eine Einschätzung seiner tatsächlichen geistigen Fähigkeiten erfolgen kann.

Daraus, dass im Jahr 2018 im Rahmen des – erst fünf Jahre nach der Errichtung des Testaments – eingeleiteten Betreuungsverfahrens festgestellt wurde, dass der Erblasser aufgrund seiner dementiellen Erkrankung der Anhörung nicht mehr folgen konnte, lassen sich ebenfalls keine Rückschlüsse auf den Zustand des Erblassers Anfang 2013 ziehen und bietet auch dies keinen Anlass für die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Eine Demenz ist zwar eine fortschreitende Erkrankung. Auch ein Sachverständiger kann aber ohne weitere Anhaltspunkte aus einem Zustand im Jahr 2018 nicht auf die kognitiven Fähigkeiten eines Erblassers mehr als fünf Jahre zuvor rückschließen.

3.

Die Beschwerdeführer haben das Testament auch nicht wirksam wegen eines Motivirrtums wirksam angefochten.

Eine letztwillige Verfügung kann nach § 2078 BGB angefochten werden, soweit der Erblasser über den Inhalt seiner Erklärung im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde.

Das Gleiche gilt nach § 2078 Abs. 2 BGB, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist.

Die Anfechtung eines Testaments aufgrund eines Motivirrtums nach § 2078 Abs. 2 BGB setzt voraus, dass ein Erblasser sich über die künftige Entwicklung, die der Erblasser seiner Verfügung als selbstverständliche zugrunde gelegt hat, irrt. Dabei muss das Verhalten des Bedachten einer Erwartung des Erblassers widersprechen, die für seine Verfügung bestimmend war (Grüneberg/Weidlich, BGB, 81.Aufl., § 2078, Rn 5, 6).

Dies lässt sich nicht feststellen.

a)

Der Senat folgt den Ausführungen des Nachlassgerichts, dass sich daraus, dass die Beteiligte zu 1 – möglicherweise – das Geld aus dem Verkauf der Luftfahrtsammlung für den Kauf einer Wohnung verwendet hat und das Haus des Erblassers – mit Genehmigung des Betreuungsgerichts – verkauft hat, nicht schließen lässt, dass der Erblasser sein Vermögen der Beteiligten zu 1 in der sicheren Erwartung zugewendet hat, diese werde zu seinen Lebzeiten keine derartigen Verfügungen vornehmen. Weder ist nachgewiesen, dass es sich um eine Verfügung handelt, mit der der Erblasser nicht einverstanden war oder gewesen wäre, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass es dem Erblasser bei Abfassung des Testaments genau darauf ankam.

b)

Soweit die Beschwerdeführer sich im Beschwerdeverfahren darauf berufen, dass der Erblasser bei Errichtung des Testaments irrtümlich davon ausgegangen sei, dass der Beteiligte zu 2 einen Brand in der Flugzeughalle verursacht habe und die Beteiligte zu 1 ihn dahingehend manipuliert habe, dies zu glauben, verhilft auch dies der Anfechtung nicht zum Erfolg. Dass der Erblasser die Beteiligte zu 1 nur deshalb als Alleinerbin eingesetzt haben soll, weil diese den Erblasser manipuliert und vom Beteiligten zu 2 entfremdet habe, ist reine Spekulation. Im Übrigen hat der Erblasser das Testament bereits Anfang des Jahres 2013 abgefasst, der Erblasser aber nach dem eigenen Vortrag der Beteiligten zu 2 und 3 aber noch danach, d.h. im Laufe des Jahres 2013, guten Kontakt zum Beteiligten zu 3 gehabt. Insofern ist die Behauptung, dass die Errichtung des Testamentes aufgrund einer von der Beteiligten zu 1 forcierten Entfremdung des Erblassers mit dem Beteiligten zu 2 erfolgt ist, nicht plausibel. Eine Anfechtung wegen Motivirrtums kann darauf nicht gestützt werden.

Ob sich aus – nach der Behauptung der Beteiligten zu 2 und 3 – etwaigen pflichtwidrigen Handlungen der Beteiligten zu 1 zu Lebzeiten des Erblassers (andere) Ansprüche der pflichtteilsberechtigten Beteiligten zu 2 und 3 gegen die Beteiligte zu 1 ergeben, braucht an dieser Stelle nicht zu entscheiden werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

5. Die Festsetzung des Beschwerdewerts richtet sich nach den Angaben der Beteiligten zu 1 über den Wert des Nachlasses.

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