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Testament – Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament

OLG München, Az: 31 Wx 22/14, Beschluss vom 23.04.2014

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts München – Nachlassgericht – vom 24.10.2013 aufgehoben.

II. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 6.5.2013 wird zurückgewiesen.

III. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 32.500 € festgesetzt.

Gründe

Testament – Umdeutung eines vom anderen Ehegatten nicht unterzeichneten gemeinschaftlichen Testaments in ein EinzeltestamentDer Erblasser (geboren 1921) ist Anfang 2013 im Alter von 91 Jahren verstorben. Die Beteiligte zu 1 (geboren 1936) ist seine Ehefrau. Die Ehegatten haben keine Abkömmlinge. Die Beteiligte zu 2 ist die einzige Tochter eines vorverstorbenen Bruders des Erblassers. Die beiden anderen Geschwister des Erblassers sind kinderlos vorverstorben. Der Beteiligte zu 3 ist ein Neffe der Beteiligten zu 1. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem Hälfteanteil des Erblassers an der Eigentumswohnung, die die Ehegatten 2006 gekauft haben.

Es liegen vier inhaltsgleiche, vom Erblasser handschriftlich geschriebene und unterschriebene Testamente vor. Zwei sind datiert auf den 7.7.2011, zwei auf den 31.5.2011. Sie lauten auszugsweise:

„Gemeinschaftliches Testament

Wir, die Eheleute … setzen uns hiermit gegenseitig als Alleinerben ein. Der Erbe des Letztverstorbenen soll (Beteiligte zu 2) sein, …

Als zweiten gleichberechtigten Erbe setzen wir (Beteiligter zu 3) ein.“

Es liegen ferner zwei computergeschriebene Entwürfe vor, die zusätzlich zu dem Text der handschriftlichen Testamente eine Beitrittserklärung der Ehefrau mit Datum und Unterschrift sowie Wünsche für die Nachlassabwicklung nach dem Letztversterbenden enthalten, die in einem Entwurf knapper, im anderen ausführlicher gehalten sind.

Die Beteiligte zu 1 hat die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als alleinige befreite Vorerbin, die Beteiligten zu 2 und 3 als Nacherben, sowie eine weitere Nacherbfolge für den Erbteil der Beteiligten zu 2 ausweist. Sie ist der Auffassung, die privatschriftlichen Verfügungen des Erblassers seien umzudeuten in Einzeltestamente. Die Beteiligte zu 2 ist dem entgegengetreten. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 24.10.2013 den beantragten Erbschein bewilligt. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die vorliegenden letztwilligen Verfügungen können nicht in Einzeltestamente des Erblassers umgedeutet werden. Sie sind deshalb nicht maßgeblich für die Erbfolge. Der vom Nachlassgericht bewilligte Erbschein entspricht nicht der Erbrechtslage.

1. Die letztwilligen Verfügungen vom 7.7.2011 bzw. 31.5.2011 stellen sich jeweils als unvollständiges gemeinschaftliches Testament dar: Sie sind mit „gemeinschaftliches Testament“ überschrieben, vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben, vom anderen Ehegatten aber nicht unterzeichnet worden. Ein solcher Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments kann als Einzeltestament aufrechterhalten werden, wenn der Ehegatte, der seine Erklärung in der Form des § 2247 BGB vollständig abgegeben hat, gewollt hat, dass seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten soll, ihre Wirkung also sofort eintreten und nicht von der entsprechenden Erklärung des anderen Ehegatten abhängig sein soll (vgl. Staudinger/Kanzleiter BGB <Juli 2013> § 2265 Rn. 14 m.w.N.). Maßgeblich ist, dass der Erblasser auch in Kenntnis der fehlenden entsprechenden Verfügung des anderen Ehegatten seine eigene Verfügung treffen wollte (OLG München NJW-RR 2010, 1382/1383). Der Erblasserwille ist auch insoweit nach den allgemeinen Grundsätzen der Testamentsauslegung zu ermitteln (vgl. BGH NJW-RR 1987, 1410; Palandt/Weidlich BGB 73. Aufl. 2014 § 2267 Rn. 4 m.w.N.). Es muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die Urkunde als seine rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat und sich dessen bewusst war, diese könne als sein Testament betrachtet werden (BayObLG NJW-RR 1992, 332/333). Kann festgestellt werden, dass er den Willen hatte, seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten als einseitige letztwillige Verfügung gelten zu lassen, kann seine Verfügung als Einzeltestament aufrecht erhalten werden (BGH NJW-RR 1987, 1410; OLG Frankfurt FGPrax 1998, 145; OLG Frankfurt FamRZ 2012, 330/331; Staudinger/Kanzleiter BGB Juli 2013 § 2265 Rn. 14 m.w.N.).

2. Hier kann nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Erblasser auch ohne den Beitritt seiner Ehefrau die getroffenen letztwilligen Verfügungen als sein Einzeltestament gelten lassen wollte.

a) Aus den (inhaltsgleichen) Testamenten selbst lassen sich hier kaum Anhaltspunkte für einen solchen Willen des Erblassers gewinnen. Der Umstand, dass er – obwohl die beiden Entwürfe vom 31.5.2011 noch nicht von seiner Ehefrau unterschrieben worden waren – am 7.7.2011 inhaltsgleich wieder ein gemeinschaftliches Testament aufgesetzt hat, spricht eher dagegen, dass er seine Verfügungen als Einzeltestament gelten lassen wollte.

Aus dem Inhalt der Testamente ergeben sich keine konkreten Hinweise darauf, dass es dem Erblasser in besonderem Maße auf eine Absicherung und Versorgung seiner Ehefrau angekommen wäre, denn über die gegenseitige Einsetzung zu Alleinerben im ersten Satz hinaus enthalten sie dazu keine Ausführungen. Hingegen nimmt die Regelung der Schlusserbfolge breiten Raum ein, insbesondere im Hinblick auf den Ausschluss des Ehemannes der Nichte und seiner Verwandtschaft von einer Teilhabe am Nachlass. Zudem hat sich der Erblasser an maschinegeschriebenen Vorlagen orientiert, die nach dem Testamentstext selbst eine Beitrittserklärung der Ehefrau sowie einmal kürzere, einmal längere Ausführungen zur Abwicklung des Nachlasses nach dem Letztversterbenden enthalten. Deshalb kann hier allein aus dem Umstand, dass der Erblasser bei Errichtung der Testamente bereits 90 Jahre alt war, seine Ehefrau hingegen erst 75, nicht geschlossen werden, dass es ihm im Wesentlichen auf die Erbeinsetzung seiner Ehefrau, nicht aber auf die Regelung der Schlusserbfolge angekommen ist. Wenn der Erblasser tatsächlich der Überzeugung gewesen wäre, er werde als erster versterben, hätte es nahe gelegen, ein Einzeltestament zu errichten. Das gilt umso mehr, als er am 7.7.2011 nochmals ein „gemeinschaftliches Testament“ verfasst hat, obwohl das am 31.5.2011 verfassten Schriftstück von der Ehefrau nicht unterschrieben worden war.

b) Es liegen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erblasser es hätte hinnehmen wollen, im Fall ihres Vorversterbens seine Ehefrau nicht allein zu beerben – wie im Entwurf des gemeinschaftlichen Testaments vorgesehen -, sondern nur neben deren Verwandten der zweiten Ordnung. Die in den unvollständigen gemeinschaftlichen Testamenten vorgesehenen Regelungen zielen darauf ab, dem überlebenden Ehegatten zunächst das gesamte gemeinschaftliche Vermögen zur freien Verfügung zu belassen und es nach dessen Tod gleichmäßig auf die Familien beider Ehegatten aufzuteilen. Nach der Lebenserfahrung haben kinderlose Ehegatten in der Regel kein Interesse daran, dass nach dem Tod des Erstversterbenden der Überlebende nur Miterbe wird neben Geschwistern des verstorbenen Ehegatten oder deren Abkömmlingen. Das gilt umso mehr, wenn sie – wie hier – gemeinsam Eigentümer einer in der Ehe erworbenen Immobilie sind. Die von der Beteiligten zu 1 vorgetragenen Gesichtspunkte gelten in gleicher Weise für den Erblasser, denn er wäre – hätte er seine Ehefrau überlebt – aufgrund gesetzlicher Erbfolge nicht Alleinerbe geworden, weil auch auf der Seite der Ehefrau Geschwister und deren Abkömmlinge vorhanden sind. Die Darlegungen der Beteiligten zu 1, wonach eine Beteiligung Dritter am Nachlass im ersten Sterbefall zwangsläufig zu einer Aufgabe der Wohnung in München habe führen müssen, legen erst recht nahe, dass auch der Erblasser für sich eine Absicherung durch eine wechselseitige Alleinerbeneinsetzung haben wollte.

c) Hinzu kommt, dass dem Erblasser ersichtlich an einer gleichmäßigen Aufteilung des gemeinsamen Vermögens nach dem Tod des überlebenden Ehegattens auf seine Verwandten einerseits und die Verwandtschaft der Ehefrau andererseits gelegen war. Die vorgesehenen Regelungen enthalten im Kern eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung, verbunden mit der Einsetzung von zwei Schlusserben, von denen einer aus der Familie des Ehemannes und einer aus der Familie der Ehefrau kommt. So sind als Schlusserben auf der einen Seite die Nichte, ersatzweise die Tochter einer Cousine des Erblassers und auf der anderen Seite ein Neffe der Ehefrau vorgesehen. Die umfangreichen Ausführungen des Erblassers in den Testamenten, die auf den Ausschluss des Ehemannes seiner Nichte abzielen, belegen ebenfalls, dass dem Erblasser daran gelegen war, seine eigene leibliche Verwandtschaft am gemeinsamen Vermögen der Ehegatten zu beteiligen. Bei der vom Nachlassgericht vorgenommenen Auslegung als Einzeltestament wird die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens auf Verwandte des Ehemannes und Verwandte der Ehefrau nicht erreicht, denn dann wird der Verwandte der Ehefrau als Nacherbe am Nachlass des Ehemannes beteiligt, während die Verwandte des Ehemannes am Nachlass der Ehefrau nicht partizipiert.

d) Schließlich zeigt auch die Tatsache, dass zwei Vorlagen für ein gemeinschaftliches Testament vorhanden sind, am 31.5.2011 zwei handschriftliche Fassungen des Textes einschließlich Ort, Datum und Unterschrift des Erblassers, jedoch ohne Beitrittserklärung und Unterschrift der Ehefrau erstellt wurden und wenige Wochen später am 7.7.2011 erneut zwei handschriftliche Fassungen des Textes angefertigt wurden, dass es dem Erblasser auf die Abfassung eines gemeinschaftlichen Testamentes mit seiner Ehefrau angekommen ist.

3. Die Entscheidung des Nachlassgerichts ist deshalb aufzuheben und der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Hinsichtlich der Gerichtskosten verbleibt es bei den gesetzlichen Regelungen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wird nicht angeordnet, denn es erscheint angemessen, dass die Beteiligten diese jeweils selbst tragen (§ 81 Abs. 1 FamFG).

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens entspricht 1/4 des Reinnachlasswertes (§ 61 GNotKG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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